Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.565/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_565/2012

Urteil vom 21. März 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Kiss, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiberin Schreier.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Michel Hopf,
Beschwerdeführer,

gegen

Bank X.________,
vertreten durch Rechtsanwälte
Prof. Dr. David Dürr und Dr. Thomas Kaufmann,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vertrauenshaftung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 13. August 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) hat Wohnsitz in Italien. Seiner
Ehefrau gehörte die Gesellschaft Hotel Z.________ S.r.l., die zwei Hotels in
Italien betrieb. 2002 wurden die Eheleute in einer über mehrere Wochen
dauernden Inszenierung Opfer einer italienischen Betrügerbande. Anfang Mai 2002
wurde A.________ angefragt, ob er erwäge, die seiner Ehefrau gehörende
Gesellschaft zu verkaufen. In der Folge fanden mehrere Treffen an
unterschiedlichen Orten in Italien und eine letzte Besprechung in I.________
statt, an welchen A.________ mit verschiedenen Personen bekannt gemacht wurde,
die sich entweder als Vermittler oder als Vertreter einer potentiellen
Käuferschaft ausgaben.
A.b An einem Treffen am 28. Juni 2002 wurde A.________ mit B.________ bekannt
gemacht, dem angeblichen Vertreter der Käuferschaft. Am 11. Juli 2002 einigte
man sich in I.________ darauf, einen Kaufvertrag über EUR 16 Millionen
abzuschliessen, wobei EUR 2 Millionen in zwei Schritten bar an die Käuferschaft
bzw. an die Vermittler zurückerstattet werden sollten. Die Unterzeichnung des
Vorvertrags sollte am 18. Juli 2002 in einer Bank in J.________ stattfinden.
A.________ sollte dort auch gleich ein Konto eröffnen, auf welches die erste
Hälfte des Kaufpreises unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung und die
zweite Hälfte nach Übertragung der Gesellschaft überwiesen werden sollte.
A.c Zur Vorbereitung der Bargeldübergabe liess A.________ am 1. Juli 2002 je
EUR 500'000.-- auf ein Konto lautend auf seinen Namen und ein solches lautend
auf den Namen seiner Ehefrau überweisen. Am 4. Juli 2002 liess er sich
insgesamt EUR 1 Million bar auszahlen. Das Geld deponierte er in einem eigens
dafür gemieteten Banksafe, für den er eine auf seine Assistentin lautende
Vollmacht ausstellen liess.
A.d Die Vertragsunterzeichnung wurde von der Käuferschaft kurzfristig auf den
22. Juli 2002 verschoben. An diesem Tag holte B.________ die Eheleute
A.________ im Hotel ab und brachte sie zur Aussenstelle der Bank X.________
(Beklagte, Beschwerdegegnerin). Die Räumlichkeiten befanden sich im zweiten
Stock eines Bürogebäudes und waren Besuchern nur auf Einlass durch die
Angestellten zugänglich. Vor dem Gebäude vergewisserte sich A.________
telefonisch bei einem Bekannten, dass die Bank X.________ seriös sei.
A.e In den Räumlichkeiten der Bank X.________ wurden die Eheleute A.________
von zwei weiteren, ihnen bisher unbekannten Mitgliedern der Betrügerbande
erwartet, C.________ und D.________. Diese hatten sich der Bank X.________
gegenüber als potentielle Kundenvermittler ausgegeben und die Eheleute
A.________ sowie B.________ bereits angekündigt. C.________ empfing diese an
der Türe und begrüsste B.________ wie eine alte Bekanntschaft. Hinter der Theke
befand sich E.________, eine Angestellte der Bank X.________. Bei den Eheleuten
A.________ entstand der Eindruck, C.________ sei Angestellter, E.________ eine
untergeordnete Mitarbeiterin oder Sekretärin und B.________ ein geschätzter
Kunde der Bank X.________. Die Eheleute A.________ begaben sich daraufhin mit
B.________ und C.________ in ein Besprechungszimmer. Dort kam D.________ hinzu.
Bei den Eheleuten A.________ konnte der Eindruck erweckt werden, er sei der
Niederlassungsleiter oder gar der Direktor der Bank X.________.
A.f Nach der Vertragsunterzeichnung wurde A.________ aufgefordert, nun ein
Konto bei der Bank X.________ zu eröffnen. Zu diesem Zweck wurde E.________
hereingebeten, welche mit den Eheleuten A.________ die Formalitäten erledigte.
Daraufhin verliess diese den Raum wieder. B.________ eröffnete A.________, er
könne die Anzahlung wider Erwarten doch nicht sogleich überweisen. Er erhielt
dabei Unterstützung von D.________, der die Bonität von B.________ versicherte.
Da A.________ verärgert reagierte, diskutierten D.________ und B.________
Möglichkeiten, die Summe kurzfristig aufzutreiben, und baten zu diesem Zweck um
zwei Stunden Zeit. Die Eheleute A.________ warteten in einem Restaurant.
B.________ wies ihnen in der Folge einen auf die Kontonummer von A.________
lautenden, unterzeichneten Zahlungsauftrag über EUR 8 Millionen vor. Er bat die
Eheleute in die Räumlichkeiten der Bank X.________ zurück. Dort wurden sie von
D.________ in einem anderen Raum erwartet. In diesem befand sich auch
E.________. D.________ erklärte, B.________ habe einen unwiderruflichen
Zahlungsauftrag unterzeichnet und unterstrich dessen Liquidität und
Vertrauenswürdigkeit. Schliesslich rief A.________ seine Assistentin in Italien
an, um die Übergabe der EUR 1 Million in bar auszulösen.
A.g Da auf seinem Konto keine Überweisung eingegangen war, verlangte A.________
nach einigen Tagen, mit dem Filialleiter D.________ zu sprechen. Als E.________
ihm mitteilte, weder dieser noch C.________ seien Angestellte der Bank
X.________, erkannte A.________, dass er wohl einem Betrug zum Opfer gefallen
war. C.________ und weitere Mitglieder der Betrügerbande wurden in J.________
wegen Betrugs verurteilt.
Die übergebene Million Euro blieb unauffindbar. A.________ macht nun gegen die
Bank X.________ einen Anspruch aus Vertrauenshaftung geltend. In der gegen sie
eingeleiteten Betreibung über einen Betrag von Fr. 808'592.95 (EUR 500'000.--)
erhob die Bank X.________ Rechtsvorschlag.

B.
B.a Mit Klage vom 27. Mai 2008 beantragte A.________ dem Zivilgericht
Basel-Stadt, die Bank X.________ sei zur Zahlung von EUR 500'000.-- bzw. Fr.
808'592.95 zu verurteilen und der Rechtsvorschlag in der entsprechenden
Betreibung sei aufzuheben.
Mit Entscheid vom 15. Oktober 2010 (Rektifikat vom 5. April 2011) wies das
Zivilgericht die Klage ab.
B.b Gegen diesen Entscheid erhob A.________ beim Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt Berufung und wiederholte die erstinstanzlich gestellten
Rechtsbegehren.
Mit Entscheid vom 13. August 2012 wies das Appellationsgericht die Berufung ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. September 2012 beantragt A.________ dem
Bundesgericht, es sei das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und die
Beschwerdegegnerin zur Zahlung von EUR 500'000.-- bzw. Fr. 808'592.95 zu
verurteilen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten ist, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die
Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid
(Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz, die auf ein Rechtsmittel hin
kantonal letztinstanzlich in einer Zivilsache entschieden hat (Art. 75 i.V.m.
Art. 72 BGG), die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers sind im kantonalen
Verfahren nicht geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG), der massgebende
Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-- (Art. 51 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b
BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die
Beschwerde ist somit unter Vorbehalt einer rechtsgenügenden Begründung (Art. 42
Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG) einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine
Vertrauenshaftung mit der Begründung verneint, die Beschwerdegegnerin habe
keine Schutzpflichten verletzt.

2.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, eine Sonderverbindung zwischen den Parteien
sei zu bejahen, wenn auch eine eher lose. Entsprechend rechtfertige es sich
jedenfalls nicht, die Aufklärungs- und Schutzpflichten der Beschwerdegegnerin
besonders weit zu fassen. Die Vertrauenshaftung biete weiter keinen Schutz vor
unüblichen Gefahren. Entsprechend ende die Verpflichtung der Bank zum Schutz
des Kunden dort, wo die Gefahr aussergewöhnlich sei, wie etwa bei einer
ausgeklügelten betrügerischen Inszenierung, die auch von den autorisierten
Bankangestellten nicht durchschaut werde. Kunden dürften nicht generell darauf
vertrauen, dass sie in den Bankräumen nicht auf Betrüger träfen, die sich als
andere Personen - etwa Bankpersonal - ausgeben würden. Die Angestellte
E.________ wäre zwar verpflichtet gewesen, in ihrer Gegenwart geäusserte
unzutreffende Behauptungen zur Funktion von D.________ oder C.________ zu
korrigieren. Mangels solcher Behauptungen in ihrer Anwesenheit habe sie
keinerlei Anlass zur Klarstellung gehabt. Die Bank sei weiter in den Verkauf
nicht involviert gewesen und die Anwesenden hätten sich dem Anschein nach gut
gekannt, womit E.________ auch nicht verpflichtet gewesen sei, diese einander
vorzustellen. Die Bank habe nicht an Stelle ihrer Kunden die Identität und
Seriosität derer Geschäftspartner abzuklären. Auch das aktive Verhalten der
Beschwerdegegnerin sei nicht geeignet gewesen, ein konkretes
Individualvertrauen beim Beschwerdeführer zu wecken. Das Danebenstehen von
E.________ bei der Vorstellungsrunde habe der Beschwerdeführer nicht so
verstehen dürfen, dass es sich bei C.________ und D.________ um Angestellte der
Bank handle. Dieser Eindruck sei von den Betrügern erweckt worden.

2.2 Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, die Vorinstanz habe bei ihrer
Argumentation verschiedene Tatsachen übersehen. Insbesondere sei zu
berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin den Betrügern ihre der
Öffentlichkeit nicht zugänglichen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt habe,
dass der bankfremde C.________ die Türe geöffnet habe, dass E.________ passiv
hinter dem Tresen verblieben und den Betrügern am Nachmittag ein weiterer Raum
zur Verfügung gestellt worden sei. Die Beschwerdegegnerin habe damit einen
entscheidenden, unverzichtbaren Beitrag dazu geleistet, dass sich C.________
und D.________ erfolgreich als Bankmitarbeiter hätten darstellen können. Nach
Ansicht des Beschwerdeführers hätte die Beschwerdeführerin die Personen
identifizieren müssen, denen sie ihre der Öffentlichkeit nicht zugänglichen
Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt habe. Weiter hätte sie nachfragen müssen,
für welche Zwecke diese benutzt würden. Schliesslich hätte sie durch geeignete
Vorkehrungen wie Empfang durch das Bankpersonal, Vorstellung sämtlicher
Anwesender und allenfalls Videoüberwachung des Hauptzugangs sicherstellen
müssen, dass sich bankfremde Drittpersonen nicht frei bewegen und sich so als
Bankmitarbeiter ausgeben könnten.

2.3 Die Haftung aus erwecktem Vertrauen ist zwischen Vertrag und Delikt
angesiedelt (BGE 134 III 390 E. 4.3.2 S. 395). Es geht dabei um die Haftung
eines vertragsfremden Dritten, die zum Tragen kommt, wenn der Dritte zunächst
schutzwürdiges Vertrauen erweckt und dieses anschliessend treuwidrig enttäuscht
(BGE 133 III 449 E. 4.1 S. 451; 130 III 345 E. 2.1 S. 349 mit Hinweisen). Die
Vertrauenshaftung setzt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung voraus,
dass die Beteiligten in eine so genannte "rechtliche Sonderverbindung"
zueinander getreten sind, die erst rechtfertigt, die aus Treu und Glauben
hergeleiteten Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen (BGE 134 III
390 E. 4.3.2 S. 395). Art und Umfang der sich aus Treu und Glauben ergebenden
Verhaltenspflichten sind nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu
beurteilen (BGE 130 III 345 E. 2.2 S. 350 f.; 120 II 331 E. 5a S. 337). Das
Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen an
strenge Voraussetzungen. Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen
Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner
Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht
wird (BGE 133 III 449 E. 4.1 S. 451; 124 III 297 E. 6a S. 304).

2.4 Es kann offen bleiben, ob zwischen den Parteien überhaupt eine
Sonderverbindung bestand, da eine Verletzung allfälliger Verhaltenspflichten
durch die Beschwerdegegnerin ohnehin zu verneinen ist. Die Behauptung des
Beschwerdeführers, C.________ hätte die Türe geöffnet, lässt sich nicht auf den
festgestellten Sachverhalt stützen. Aus diesem geht lediglich hervor, dass
C.________ die Eheleute A.________ und B.________ an der Türe empfangen habe.
Es trifft zwar zu, dass bei den Eheleuten A.________ dadurch der Eindruck
entstehen konnte, die hinter dem Tresen stehende E.________ sei lediglich eine
untergeordnete Mitarbeiterin. Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, hatte
E.________ aber keinen Anlass, sich in die Begrüssung der übrigen Anwesenden
einzumischen. Denn diese erweckten den Eindruck, dass sie sich bereits kannten
bzw. erwarteten. Der Kontakt mit B.________ und übrigen Mitgliedern der
Betrügerbande wurde denn auch bereits Wochen vor der Vertragsunterzeichnung
hergestellt. Aus der Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin Räumlichkeiten zur
Verfügung stellte, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten.
Einerseits hatte die Beschwerdegegnerin ein berechtigtes eigenes Interesse
daran, da ihr in Aussicht gestellt wurde, die Eheleute A.________ als neue
Kunden zu gewinnen. Nach Vertragsschluss konnte E.________ denn auch ein
entsprechendes Konto eröffnen. Die Beschwerdegegnerin musste somit bei der
Bitte, den Vertragsparteien Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, nicht
misstrauisch werden. Andererseits muss sich die Beschwerdegegnerin unter diesen
Umständen nicht anrechnen lassen, was sich ohne Anwesenheit von Angestellten in
den Räumlichkeiten abspielte. Der Beschwerdegegnerin kann somit keine
Verletzung von Verhaltenspflichten vorgeworfen werden. Der Beschwerdeführer
wurde nicht von ihr getäuscht, sondern von der Betrügerbande. Die Beschwerde
erweist sich damit als unbegründet.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang
wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. März 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Die Gerichtsschreiberin: Schreier