Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.512/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_512/2012

Urteil vom 28. Januar 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Flurin von Planta,
Beschwerdeführer,

gegen

Z.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Willimann,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Liberierung der Aktien,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 3. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Z.________ war einziger Verwaltungsrat der W.________ AG (im Folgenden:
W.________). Das Aktienkapital der W.________ hatte zuerst Fr. 50'000.--
betragen, aufgeteilt in 50 Namenaktien à Fr. 1'000.--. Am 27. Februar 2003
wurden zunächst diese Aktien gesplittet und 5'000 Aktien à Fr. 10.--
geschaffen. Darauf wurde das Kapital erhöht, und zwar in einem ersten Schritt
um 6'500 Aktien à Fr. 10.-- auf Fr. 115'000.--; in der öffentlichen Urkunde
über die Beschlüsse der ausserordentlichen Generalversammlung vom 27. Februar
2003 wurde festgehalten, dass die neuen 6500 Aktien an alle Aktionäre "im
Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung (...) ausgegeben" werden. Die
Kapitalerhöhung um die ersten Fr. 65'000.-- wurde durch Umwandlung frei
verwendbaren Eigenkapitals liberiert (Art. 652d OR). Im zweiten, in der
gleichen Urkunde festgehaltenen Beschluss der ausserordentlichen
Generalversammlung wurde das Kapital von Fr. 115'000.-- auf Fr. 230'000.--
verdoppelt durch eine Verdoppelung des Nennwertes sämtlicher Aktien von bisher
Fr. 10.-- auf Fr. 20.--. Diesbezüglich wurde auf eine Liberierung vorerst
verzichtet, sodass die neu 11'500 Aktien zum Nennwert von Fr. 20.-- einstweilen
nur zu 50 % liberiert waren. Gleichentags verpflichtete sich Z.________, die
Nennwert-Erhöhung der 11'500 Aktien à Fr. 10.-- voll einzuzahlen.
A.b Die W.________ wurde am 29. März 2005 von Amtes wegen aufgelöst, weil sie
kein Domizil mehr hatte. Am 9. Juni 2008 wurde der Konkurs über sie eröffnet.
X.________ und Y.________ wurden im Konkurs mit Forderungen von rund Fr.
11'800.-- bzw. Fr. 8'500.-- rechtskräftig kolloziert. Am 7. August 2009 trat
die Konkursverwaltung ihnen einen allfälligen Anspruch gegen Z.________ aus
nicht liberiertem Aktienkapital im Sinn von Art. 260 SchKG ab.

B.
Am 1. Juli 2010 reichten X.________ und Y.________ (nachfolgend: Kläger,
Beschwerdeführer) beim Bezirksgericht Uster Klage gegen Z.________
(nachfolgend: Beklagter, Beschwerdegegner) ein und beantragten, dieser sei zu
verpflichten, ihnen Fr. 115'000.-- zuzüglich 5 % Zins seit dem 9. Juni 2008 zu
bezahlen. Der Beklagte trug auf Abweisung der Klage. Mit Urteil vom 20. April
2012 wies das Bezirksgericht Uster die Klage ab. Gleich entschied am 3. Juli
2012 auf Berufung der Kläger das Obergericht des Kantons Zürich.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 11. September 2012 beantragen die Kläger, das
Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 3. Juli 2012 sei aufzuheben und
Z.________ zu verpflichten, ihnen Fr. 115'000.-- nebst Zins zu bezahlen. Der
Beschwerdegegner trägt auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten
sei. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Am 28. November 2012
reichten die Beschwerdeführer eine nachträgliche Eingabe ein.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Mit Blick auf die Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und
2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern
die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls
nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen werden (BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400 mit Hinweis). Eine
qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche
Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf
die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt,
worin eine Rechtsverletzung liegt. Der Beschwerdeführer soll in der
Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die er im kantonalen
Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit seiner Kritik an den
als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (vgl. BGE
134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.; 116 II 745 E. 3 S. 749).

2.
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur
soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die
gerügten Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Ausserdem muss sie mit
Aktenhinweisen darlegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und
taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen eingebracht hat (Urteile
des Bundesgerichts 4A_275/2011 vom 20. Oktober 2011 E. 2, nicht publ. in: BGE
137 III 539; 4A_214/2008 vom 9. Juli 2008 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 134 III
570). Auf eine Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die
diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht einzutreten (BGE 133 II 249 E.
1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350 E. 1.3 S. 351, 462 E. 2.4 S. 466 f.).

2.2 Die Vorinstanz hielt fest, der Beschwerdegegner habe bis zum Zeitpunkt der
hier interessierenden Kapitalerhöhung selber keine Aktien der W.________
erworben und sei daher nicht Aktionär gewesen. Die Beschwerdeführer hätten im
kantonalen Verfahren auch nie klar behauptet, der Beschwerdegegner sei vor der
Kapitalerhöhung Aktionär gewesen.

2.3 Wer durch Zeichnung neuer oder den Erwerb bestehender Aktien die Stellung
als Aktionär erworben hat, ist eine tatsächliche Frage, wie bereits die
Vorinstanz zu Recht festhielt. Soweit die Beschwerdeführer nun im
Beschwerdeverfahren neu behaupten, sämtliche 11'500 Namenaktien seien vom
Beschwerdegegner gehalten worden, handelt es sich daher um eine unzulässige
neue Tatsachenbehauptung, da nicht erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass
gab (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführer legen auch nicht dar, dass sie
bereits im vorinstanzlichen Verfahren in prozessual genügender Weise die
Aktionärsstellung des Beschwerdegegners behauptet hätten. Darüber hinaus
müssten die Beschwerdeführer dartun, dass die vorinstanzliche Feststellung zum
Aktionariat offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ist (vgl. E. 2.1).
Ihre Vorbringen erschöpfen sich jedoch in unzulässiger appellatorischer Kritik;
darauf ist nicht weiter einzugehen. In tatsächlicher Hinsicht ist somit davon
auszugehen, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nicht
Aktionär war.

3.
Die Beschwerdeführer berufen sich sodann erneut auf die heilende Kraft der
Handelsregistereintragung. Nach der erfolgten Eintragung der Kapitalerhöhung im
Handelsregister sei jedenfalls klar gewesen, dass der Beschwerdegegner einziger
Aktionär der 11'500 Namenaktien und zur Nachliberierung verpflichtet war. Sie
machen damit sinngemäss geltend, dass der Beschwerdegegner durch die Eintragung
zum Aktionär geworden sei. Zu dieser Begründung hat bereits die Vorinstanz
einlässlich Stellung genommen. Mit deren Argumentation setzen sich die
Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander (vgl. E. 1). Insoweit ist der
angefochtene Entscheid nicht zu überprüfen.

4.
Gegenstand des Verfahrens bildet nur der nach Art. 260 SchKG an die
Beschwerdeführer abgetretene Anspruch gegen den Beschwerdegegner aus nicht
liberiertem Aktienkapital. Allfällige Ansprüche aus Verantwortlichkeit oder
Gründerhaftung im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung sind nicht zu prüfen.
Umstritten ist, ob der Beschwerdegegner die Erfüllung der Liberierungsschuld
für den noch nicht einbezahlten Teil des Zeichnungsbetrages schuldet.

5.
Nach Lehre und Rechtsprechung kann bei der Kapitalerhöhung an die Stelle neuer
Aktien auch die Heraufsetzung des Nennwerts der bestehenden Titel treten (BGE
67 I 111; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, S.
727 § 52 N. 36). Da die Namenaktien einer AG nicht vollständig, sondern nur zu
mindestens 20 % liberiert sein müssen, kann bei einer Gesellschaft - die bisher
über ein voll liberiertes Aktienkapital verfügte - eine Kapitalerhöhung
durchgeführt werden, indem die Nennwerte der Aktien entsprechend erhöht, jedoch
keine zusätzlichen Mittel eingeschüttet, sondern neu lediglich erklärt wird,
das Kapital sei nur teilweise liberiert (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O.,
S. 740 f. § 52 N. 147). Diese Art der Kapitalerhöhung setzt somit im Gegensatz
zu einer solchen mit Schaffung zusätzlicher Aktien, die auch durch Dritte
erworben werden können, voraus, dass die Zeichnung durch die bisherigen
Aktionäre erfolgt, da gar keine andere Möglichkeit besteht, als dass jeder
Zeichner bereits Aktionär ist und mindestens 20 % des heraufgesetzten
Aktiennennwerts einbezahlt hat (BGE 67 I 111 E. 4 S. 117 a.E.).
Da der Beschwerdegegner nicht Aktionär war, konnte er sich somit nicht als
Aktionär zur Nachliberierung verpflichten.

6.
Es kann somit höchstens darum gehen, dass der Beschwerdegegner sich als Dritter
zur Nachliberierung verpflichtet hätte. Das Bundesgericht entschied in Bezug
auf Inhaberaktien, der Zeichner könne sich seiner Pflicht, den Nennwert
einzuzahlen, nicht dadurch entziehen, dass ein Dritter mit Zustimmung der
Gesellschaft seine Schuld übernimmt (BGE 86 II 89 E. 4 S. 94, bestätigt im
Urteil des Bundesgerichts 4C_229/2004 vom 9. August 2004 E. 2.2). Die
Schuldübernahme (Art. 176 OR) mit Wirkung gegenüber der Gesellschaft wurde
ausgeschlossen, weil dies eine Umgehung von Art. 683 OR bewirken würde. Diese
Begründung würde im Hinblick auf nicht voll einbezahlte Namenaktien nicht
gleichermassen gelten. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann jedoch
offen bleiben. Obwohl bereits die Vorinstanz darauf hingewiesen hatte, es
könnte sich die Frage stellen, ob die Gesellschaft das Handeln des
Beschwerdegegners im eigenen Namen so verstehen durfte und musste, dass er die
Pflicht der Aktionäre befreiend oder kumulativ hätte übernehmen wollen, äussern
sich die Beschwerdeführer nämlich auch im Beschwerdeverfahren mit keinem Wort
zu einer solchen möglichen Grundlage der ihnen abgetretenen Forderung.
Angesichts der Begründungsanforderungen (vgl. E. 1) ist daher auch hier nicht
weiter darauf einzugehen.

7.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftung mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak