Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.509/2012
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_509/2012

Urteil vom 8. März 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Hurni.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Amt für Handelsregister und Zivilstandswesen, Bahnhofstrasse 53, 8510
Frauenfeld,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Organisationsmangel; Verzicht auf eine Revisionsstelle,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
13. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Die X.________ AG wurde im Jahr 2002 gegründet und hat ihren Sitz in
I.________ (Kanton Thurgau). Sie bezweckt den Kauf und Verkauf von Fahrzeugen,
insbesondere Oldtimerfahrzeugen, sowie deren Restauration, den Handel mit
Ersatzteilen, Zubehör und chemisch technischen Produkten.
A.b Mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 teilte das Handelsregisteramt des
Kantons Thurgau der X.________ AG mit, dass ein Mangel in ihrer Organisation
vorliege. Die im Handelsregister eingetragene Revisionsstelle "A.________, von
J.________, in K.________/SG" sei von der eidgenössischen
Revisionsaufsichtsbehörde nicht zugelassen.
Nachdem die X.________ AG auf dieses Schreiben vorerst keine Reaktion gezeigt
hatte, mahnte sie das Handelsregisteramt ab, den Mangel in der Organisation
innert 30 Tagen zu beheben. Auch diese Frist liess die X.________ AG unbenützt
verstreichen.

B.
B.a Mit Gesuch vom 8. Juni 2011 stellte das Handelsregisteramt dem
Bezirksgericht Münchwilen den Antrag, es seien gegenüber der X.________ AG die
nach Art. 731b OR angezeigten Massnahmen zu ergreifen.
Mit Schreiben vom 8. August 2011 forderte das Bezirksgericht die X.________ AG
auf, entweder eine zugelassene Revisionsstelle oder den Verzicht auf eine
Revisionsstelle im Handelsregister eintragen zu lassen.
Am 31. Oktober 2011 reichte die X.________ AG dem Handelsregisteramt eine vom
28. Oktober 2011 datierte öffentliche Urkunde über den Verzicht auf die
Revisionsstelle, Änderungen im Verwaltungsrat und eine generelle
Statutenrevision ein.
Am 2. November 2011 stellte das Handelsregisteramt der X.________ AG ein
Anmeldeformular für den Verzicht auf die Revision zu und forderte die
Gesellschaft auf, weitere Belege, insbesondere unterzeichnete Erfolgsrechnungen
und Bilanzen, zumindest des Geschäftsjahres 2010, einzureichen.
Die X.________ AG reichte hierauf am 16. November 2011 das Anmeldeformular
sowie das Formular betreffend Verzicht auf die Revision ein. Weiter beantragte
sie den Eintrag diverser Personalmutationen.
Am 17. November 2011 forderte das Handelsregisteramt die X.________ AG erneut
auf, eine vom Verwaltungsrat unterzeichnete Jahresrechnung, zumindest des
Geschäftsjahres 2010, nachzureichen.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 fragte die X.________ AG das
Handelsregisteramt an, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage die
Jahresrechnung verlangt werde. Es sei kein sachlicher Zusammenhang zwischen den
eingeforderten Unterlagen und dem abgemahnten Organisationsmangel ersichtlich.
Mit Schreiben vom 3. und 11. Januar 2012 teilte das Handelsregisteramt der
X.________ AG mit, dass die im Anmeldeformular beantragten Mutationen im
Handelsregister aufgrund des Fehlens der Jahresrechnung 2010 noch nicht hätten
vorgenommen werden können.
Das Bezirksgericht teilte der X.________ AG am 13. Januar 2012 mit, dass das
hängige Organisationsmängelgesuch nicht als erledigt vom Protokoll
abgeschrieben werden könne, solange der Revisionsverzicht nicht rechtskräftig
im Handelsregister eingetragen sei.
B.b Mit Beschwerde vom 20. Februar 2012 stellte die X.________ AG dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die folgenden Begehren:
"1. Das Handelsregisteramt sei zu verpflichten, umgehend die pendenten
Mutationen gemäss Anmeldung vom 2. November 2011 vorzunehmen und zu
publizieren.

2.
2.1 Eventuell: Das Handelsregisteramt des Kantons Thurgau sei anzuweisen, die
Rücktritte der Revisionsstelle, des VR-Präsidenten und die Abwahl der
Prokuristin umgehend einzutragen und zu publizieren.

2.2 Das Handelsregisteramt sei anzuweisen, das hängige Verfahren vor
Bezirksgericht Münchwilen Z2.2011.76 X.________ AG betreffend
Organisationsmangel gemäss 154 HRegV unter dem Vorbehalt der Wiedereinbringung
zurückzuziehen oder zumindest zu sistieren. Allenfalls sei direkt eine
Sistierung auszusprechen.
3. Die Anträge 1 und 2 seien dringlich und ohne Einholen einer Vernehmlassung
des beschwerdebeklagten Amtes zu erlassen.
4. Für den Fall, dass Antrag 1 nicht gefolgt würde, sei festzustellen, dass die
Organisationsmängel seit dem 28. Oktober 2011 materiell erledigt sind und das
Handelsregisteramt nicht berechtigt ist, im Nachgang dazu weitere Unterlagen
einzufordern.
5. Im Falle der Nichtanhandnahme sei die Eingabe an die zuständige
Aufsichtsbehörde zu überweisen.
6. Alles unter Kostenfolge für das beschwerdebeklagte Amt."
Das Handelsregisteramt trug in der Folge die beantragten Personalmutationen in
das Handelsregister ein (SHAB vom 14. März 2012 und 25. April 2012).
Das Verwaltungsgericht nahm die Eingabe der X.________ AG als
Rechtsverweigerungsbeschwerde i.S von § 71 Abs. 1 Ziff. 1 des thurgauischen
Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (VRG) i.V.m.
Art. 165 HRegV entgegen und wies diese mit Entscheid vom 13. Juni 2012 ab,
soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die X.________ AG dem Bundesgericht, es
sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben, eventualiter sei die
Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Kostenspruch der
Vorinstanz sei in jedem Fall den Verhältnissen anzupassen und zu reduzieren.
Das Handelsregisteramt hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Vorinstanz
beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 137 III 417 E. 1; 136 II 101 E. 1 S. 103, 470 E.
1 S. 472; 135 III 212 E. 1 S. 216).

1.1 Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid über die
Führung des Handelsregisters, der gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG der
Beschwerde in Zivilsachen unterliegt. Als Vorinstanz hat ein oberes Gericht im
Kanton letztinstanzlich entschieden (Art. 75 BGG i.V.m. Art. 165 Abs. 2 HRegV).
Der angefochtene Beschluss schliesst ein Rechtsverweigerungsverfahren
betreffend die Anmeldung eines Verzichts auf die Revisionsstelle (opting-out
gemäss Art. 727a Abs. 2 OR) ab und ist demnach als Endentscheid zu
qualifizieren (Art. 90 BGG). Entgegen den gesetzlichen Vorschriften (Art. 112
Abs. 1 lit. d BGG) finden sich im angefochtenen Urteil keine Angaben zum
Streitwert. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des opting-outs
gemäss Art. 727a Abs. 2 OR kann vorliegend ohne gegenteilige Anhaltspunkte
jedoch davon ausgegangen werden, dass der Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt
(Art. 51 Abs. 2 BGG).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei
"willkürlich" (BGE 135 III 397 E. 1.5). In der Beschwerde ist darzutun,
inwiefern die Behebung des gerügten Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2).
Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie sich in ihrer
Eingabe an das Bundesgericht gegen die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Entscheid wendet, legt sie doch mit keinem Wort dar, inwiefern
die angeblichen Mängel der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen
entscheiderheblich sind. Auf ihre Kritik am vorinstanzlich festgestellten
Sachverhalt ist nicht einzugehen.

1.3 In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Dazu ist unerlässlich,
dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und
im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Die
Beschwerdeführerin soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die
Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut
bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten
Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.). Eine
qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche
Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist
die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b aOG weiterhin gültig (
BGE 133 II 249 E. 1.4.2).
Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie der Vorinstanz
vorwirft, diese habe ihr rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 EMRK)
bzw. die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) verletzt, indem sie "wesentliche
Vorbringen" und "wichtige Argumente" nicht berücksichtigt habe. Die
Beschwerdeführerin beschränkt sich auf eine blosse Behauptung dieser
angeblichen Verfassungsverstösse, ohne diese im Einzelnen anhand der Erwägungen
im angefochtenen Entscheid konkret aufzuzeigen. Darauf ist mangels
hinreichender Begründung nicht einzugehen.

1.4 Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Bundesverfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG; BGE
134 III 379 E. 1.2 S. 382). Nicht zu den in Art. 95 BGG vorgesehenen
Rügegründen gehört hingegen die Verletzung kantonalen Rechts, dessen Anwendung
und Auslegung das Bundesgericht einzig unter dem Blickwinkel eines Verstosses
gegen Bundesrecht oder gegen Bundesverfassungsrecht beurteilen kann (BGE 136 I
241 E. 2.4; 135 III 513 E. 4.3 S. 521; 134 III 379 E. 1.2 S. 382 f.).
Auch dies verkennt die Beschwerdeführerin, soweit sie sich gegen den
vorinstanzlichen Kostenentscheid richtet. Denn dieser ist in Anwendung der
kantonalen Verwaltungsverfahrensordnung ergangen. Eine hinreichend begründete
Rüge, inwiefern die Vorinstanz das kantonale Kostenrecht bundes(verfassungs)
widrig angewendet hätte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Darauf ist
ebenfalls nicht einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz sodann eine Verletzung von Art. 62
Abs. 2 HRegV vor. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne die Gesellschaft
bei der Anmeldung der opting-out-Erklärung wählen, ob sie das Protokoll der
Generalversammlung oder Kopien der Erfolgsrechnungen, Bilanzen, Jahresberichte
etc. als Beilagen einreichen wolle.

2.1 Art. 62 Abs. 1 und 2 HRegV lauten wie folgt:
1Aktiengesellschaften, die weder eine ordentliche noch eine eingeschränkte
Revision durchführen, müssen dem Handelsregisteramt mit der Anmeldung zur
Eintragung des Verzichts eine Erklärung einreichen, dass:
a. die Gesellschaft die Voraussetzungen für die Pflicht zur ordentlichen
Revision nicht erfüllt;
b. die Gesellschaft nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt
hat;
c. sämtliche Aktionärinnen und Aktionäre auf eine eingeschränkte Revision
verzichtet haben.
2Diese Erklärung muss von mindestens einem Mitglied des Verwaltungsrats
unterzeichnet sein. Kopien der massgeblichen aktuellen Unterlagen wie
Erfolgsrechnungen, Bilanzen, Jahresberichte, Verzichtserklärungen der
Aktionärinnen und Aktionäre oder das Protokoll der Generalversammlung müssen
der Erklärung beigelegt werden. Diese Unterlagen unterstehen nicht der
Öffentlichkeit des Handelsregisters nach den Artikeln 10-12 und werden
gesondert aufbewahrt.

2.2 Der Beschwerdegegner hat die Eintragung des Verzichts auf eine
eingeschränkte Revision verweigert, weil die Beschwerdeführerin die
Jahresrechnung (insbesondere jene aus dem Jahr 2010) noch nicht eingereicht
hatte. Nach Auffassung der Vorinstanz erfolgte dies zu Recht, denn die in Art.
62 Abs. 2 HRegV mit dem Wort "oder" bezeichnete Alternative betreffe den
Nachweis der Verzichtserklärung durch sämtliche Aktionärinnen und Aktionäre.
Dieser kann entweder mit einzelnen Verzichtserklärungen der Aktionäre oder mit
einem Protokoll der Generalversammlung erbracht werden, aus dem hervorgeht,
dass sämtliche Aktionäre auf die eingeschränkte Revision verzichtet haben. Denn
in Abweichung zur sonst geltenden Ordnung kann der Verzicht auf die
eingeschränkte Revision nicht nur im Rahmen einer Generalversammlung erfolgen,
sondern auch ausserhalb der Generalversammlung durch schriftlich eingeholte
Verzichtserklärungen der Aktionäre (WATTER/MAIZAR, in: Basler Kommentar, 4.
Aufl. 2012, N. 23 f. zu Art. 727a OR).
Diese Auslegung ist zutreffend, soll doch mit der Jahresrechnung belegt werden,
dass die Gesellschaft die Voraussetzungen für die Pflicht zur ordentlichen
Revision nicht erfüllt (Art. 62 Abs. 1 lit. a HRegV), während mit dem Protokoll
der Generalversammlung bzw. separaten Verzichtserklärungen der Verzicht auf die
eingeschränkte Revision (Art. 62 Abs. 1 lit. c HRegV) belegt werden soll. Die
Rüge, die Vorinstanz habe Art. 62 Abs. 2 HRegV verletzt, ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. März 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Hurni