Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.493/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_493/2012

Urteil vom 5. Februar 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Schreier.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Veronica Martin,
Beschwerdeführerin,

gegen

Versicherung Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christof Brack,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versicherungsvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, 1. Abteilung,
vom 24. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 7. März 2006 schloss X.________ (Versicherungsnehmerin, Beschwerdeführerin)
mit der Z.________ AG einen Leasingvertrag über einen fabrikneuen Porsche
Cayenne S im Wert von Fr. 134'510.-- ab. Sie versicherte das Fahrzeug bei der
Versicherung Y.________ (Versicherung, Beschwerdegegnerin) für die Risiken
"Haftpflicht" und "Vollkasko".
Am 13. Juli 2006 meldete die Versicherungsnehmerin den Porsche bei der
Polizeistation in A.________, Deutschland, als gestohlen. Das in der Folge
gegen die Versicherungsnehmerin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen
Verdachts auf Betrug wurde von der Staatsanwaltschaft Lübeck mit Schreiben vom
14. Mai 2007 eingestellt.

B.
B.a Mit Klage vom 2. Mai 2008 beantragte die Versicherungsnehmerin dem
Amtsgericht Luzern-Land, die Versicherung sei zur Zahlung von Fr. 134'534.50 zu
verpflichten. Die Versicherung bestritt die Aktivlegitimation der
Versicherungsnehmerin und erhob die Einrede der Verjährung.
Mit Vorentscheid vom 30. Januar 2009 bejahte das Amtsgericht die
Aktivlegitimation und wies die Einrede der Verjährung ab. Diesen Vorentscheid
bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern auf Appellation der Versicherung
hin mit Entscheid vom 15. September 2009. Auf eine dagegen beim Bundesgericht
eingereichte Beschwerde trat dieses nicht ein (Urteil 4A_540/2009 vom 12.
Januar 2010).
Mit Urteil vom 17. Mai 2011 wies das Bezirksgericht Kriens (ehemals Amtsgericht
Luzern-Land) die Klage ab.
B.b Dagegen erhob die Versicherungsnehmerin Berufung beim Obergericht des
Kantons Luzern und beantragte, die Versicherung sei zur Zahlung von Fr.
127'784.50 zu verpflichten.
Mit Urteil vom 24. Juli 2012 wies das Obergericht die Berufung ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 3. September 2012 beantragt die
Versicherungsnehmerin dem Bundesgericht sinngemäss, es sei das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben und es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr einen
Betrag von Fr. 127'784.50 zu bezahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz
hat sich nicht vernehmen lassen. Die Parteien reichten unaufgefordert Replik
und Duplik ein.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid
(Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz, die auf ein Rechtsmittel hin
kantonal letztinstanzlich in einer Zivilsache entschieden hat (Art. 75 i.V.m.
Art. 72 BGG), die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin sind im kantonalen
Verfahren nicht geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG), der massgebende
Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-- (Art. 51 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b
BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46
Abs. 1 lit. b BGG). Auf die Beschwerde ist somit unter Vorbehalt einer
rechtsgenügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG)
einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Durchführung einer mündlichen
Parteiverhandlung (Art. 57 BGG). Vor Bundesgericht findet eine
Parteiverhandlung nur ausnahmsweise statt (vgl. Urteil 4A_39/2011 vom 8. August
2011 E. 4). Gründe dafür, dass vorliegend eine solche durchzuführen wäre, sind
nicht ersichtlich. Die Sache kann ohne weiteres aufgrund der Akten entschieden
werden. Die Anordnung einer öffentlichen mündlichen Parteiverhandlung (Art. 57
BGG) ist somit nicht angezeigt, weshalb der entsprechende Antrag abzuweisen
ist.

3.
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der
Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdeführerin reicht neue Beweismittel mit der Begründung ein, ihr
Vertreter habe deren Einreichung im erstinstanzlichen Verfahren unterlassen,
was nicht ihr anzulasten sei. Die Beschwerdeführerin behauptet somit nicht
einmal, erst der vorinstanzliche Entscheid habe Anlass zur Einreichung dieser
Beweismittel gegeben. Diese müssen daher im bundesgerichtlichen Verfahren
unberücksichtigt bleiben.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht als nicht bewiesen
erachtet, dass der Porsche Cayenne S gestohlen worden sei. Die von der
Beschwerdegegnerin zum Gegenbeweis vorgebrachten Behauptungen träfen nicht zu.

4.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei
"willkürlich" (BGE 133 II 249 E. 1.2.2). Überdies muss die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die
beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die gerügten
Feststellungen bzw. die Unterlassung von Feststellungen offensichtlich
unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4).
Wird Willkür in der Ermittlung des Sachverhalts geltend gemacht, ist zu
beachten, dass dem Sachrichter in der Beweiswürdigung ein breiter
Ermessensspielraum zusteht; die beschwerdeführende Partei hat daher darzulegen,
inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen missbraucht, insbesondere
offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder
willkürlich ausser Acht gelassen habe (vgl. BGE 132 III 209 E. 2.1; 129 I 8 E.
2.1; 120 Ia 31 E. 4b S. 40; 118 Ia 28 E. 1b S. 30). Auf eine Kritik an den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht
genügt, namentlich auf bloss appellatorische Vorbringen, ist nicht einzutreten
(BGE 133 II 249 E. 1.4.3, 396 E. 3.1 S. 399).

4.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, es seien vorliegend verschiedene Umstände in
ihrer Gesamtheit geeignet, die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin zu
erschüttern und an ihrer Sachdarstellung erhebliche Zweifel zu wecken. Dazu
gehöre die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin den Porsche in einer
Entfernung von rund 400 m von ihrem Einfamilienhaus am Fahrbandrand der Strasse
B.________ abgestellt habe, obwohl sich beim Einfamilienhaus eine
abschliessbare Garage befinde. Weiter habe die Beschwerdeführerin in ihrer
Anzeige vom 13. Juli 2006 keinen Tatverdacht geäussert, am 14. und 17. Juli
2006 aber verschiedene Beobachtungen gemeldet, die sie in der Nacht vor dem
Diebstahl und danach auf ihrem Grundstück gemacht habe. Unterschiedliche bzw.
widersprüchliche Angaben habe die Beschwerdeführerin zudem zum Zeitpunkt
gemacht, zu welchem sie den Porsche an der Strasse parkiert habe. Als
Autokennzeichen habe sie in der Anzeige LU vwyyzx.________ angegeben, was mit
der Motorfahrzeugversicherungspolice übereinstimme. Der Porsche habe aber das
Kennzeichen LU vwyyxx.________ gehabt. Hinzu komme weiter, dass die
Beschwerdeführerin bei einer Befragung angegeben habe, im Porsche habe sich ihr
Mobiltelefon Motorola V550 in eingeschaltetem Zustand befunden. Einer anderen
Versicherung habe die Beschwerdeführerin aber gleichentags ein Mobiltelefon
Motorola ZRV3 als gestohlen gemeldet. Aufgrund der ermittelten Verbindungsdaten
stehe fest, dass die Beschwerdeführerin unter Verwendung einer neuen SIM-Karte
verschiedentlich mit ihrem angeblich abhanden gekommenen Motorola V550
telefoniert und auch ein auf ihren Arbeitgeber eingelöstes Mobiltelefon
Motorola ZRV3 benützt habe. Schliesslich könnten finanzielle Schwierigkeiten
und die Häufung von Schadenfällen als Anhaltspunkte gegen die Glaubwürdigkeit
der Versicherungsnehmerin und deren Sachdarstellung sprechen. Gegen die
Beschwerdeführerin seien im Frühling/Sommer 2006 zwei Betreibungen über
insgesamt Fr. 961'842.95 eingeleitet und in den Jahren 2001 und 2002 sei
bereits dreimal jeweils ein Auto der Marke BMW X5 als gestohlen gemeldet
worden, das dem Unternehmen des Ehemanns der Beschwerdeführerin gehört habe.

4.3 Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe gar kein
wirtschaftliches Interesse an einem Versicherungsbetrug. Die
Leasinggesellschaft habe ihr zwar sämtliche Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag abgetreten, sie habe aber die Leasingraten für den Porsche
unabhängig von der Gebrauchsmöglichkeit weiter bezahlen müssen. Der Diebstahl
sei nicht eigenartig, sondern knüpfe an eine ganze Reihe weiterer
Autodiebstähle an. Da aus der Garage bei ihrem Einfamilienhaus bereits einmal
ein Luxusauto gestohlen worden sei, habe sie das Auto bewusst an einer stark
befahrenen Strasse abgestellt. Weshalb die Beschwerdeführerin der Polizei ein
falsches Kennzeichen angegeben habe, sei nicht relevant. Im Übrigen sei auch
möglich, dass die Polizei selbst in der Anzeige einen Fehler gemacht habe. Was
das Mobiltelefon angehe, so habe sie sich zuerst ein Motorola V550 gekauft,
später aber ihre SIM-Karte in das (früher von ihrem Ehemann benutzte) Motorola
ZRV3 getan, weil ihr das V550 zu klobig erschienen sei. Ihr Ehemann habe dies
nicht gewusst und habe daher, als die Polizei ihn telefonisch um Angaben zum
gestohlenen Gerät ersucht habe, fälschlicherweise das V550 genannt. Im
Allgemeinen habe sie den Sachverhalt immer gleich geschildert und ihn nur, wenn
überhaupt, in unwesentlichen Punkten ergänzt bzw. korrigiert. Schliesslich sei
die Herbeiziehung von Betreibungsregisterauszügen vor dem Hintergrund der
fehlenden Bereicherungsmöglichkeit kein geeignetes Mittel zur Führung des
Gegenbeweises.

4.4 Es kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin mit diesen Ausführungen
überhaupt den Begründungsanforderungen genügt, da die Rüge ohnehin unbegründet
ist. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie könnte sich mit einem
Versicherungsbetrug gar nicht bereichern. Es trifft zwar zu, dass dem
eingeklagten Betrag die bezahlten Leasingraten gegenüber stehen. Die
Beschwerdeführerin verkennt aber, dass bei behauptetem Diebstahl der
Versicherungsnehmer im Fall eines Versicherungsbetrugs zusätzlich nach wie vor
im Besitz des versicherten Objekts ist, wenn auch möglicherweise mit
beschränkter Nutzungsmöglichkeit. Es spricht weiter jedenfalls nicht für die
Beschwerdeführerin, dass sie den Porsche mit der Begründung, aus der
verschlossenen Garage sei bereits einmal ein Luxusauto gestohlen worden, an
einem Ort parkierte, der mangels Schliessvorrichtung noch weniger gesichert
war. Die Darstellung der Beschwerdeführerin betreffend die Mobiltelefone
erklärt zudem nicht, weshalb sie gleichentags einer anderen Versicherung ein
anderes Gerät als gestohlen gemeldet hat. Gegen die vorinstanzlichen
Ausführungen zu den unterschiedlichen bzw. widersprüchlichen Aussagen
betreffend den Tatverdacht und den Zeitpunkt, zu welchem sie den Porsche
parkiert hatte, bringt die Beschwerdeführerin nichts vor. Werden schliesslich
die Betreibungen über hohe Beträge und die Häufung von Schadenfällen
berücksichtigt, so durfte die Vorinstanz ohne in Willkür zu verfallen
feststellen, insgesamt bestünden erhebliche Zweifel an der Darstellung der
Beschwerdeführerin und es sei nicht erwiesen, dass der Porsche gestohlen worden
sei. Die Rüge erweist sich damit als unbegründet, soweit überhaupt darauf
einzutreten ist. Dementsprechend erübrigt es sich, die von der
Beschwerdegegnerin erhobene Einrede der Verjährung zu prüfen.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 1.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Februar 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Die Gerichtsschreiberin: Schreier