Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.483/2012
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_483/2012

Urteil vom 7. März 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Kiss,
nebenamtlicher Bundesrichter Berti,
Gerichtsschreiber Hurni.

Verfahrensbeteiligte
Eidgenössische Invalidenversicherung,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Schwager,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Spitalhaftung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 2. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Im März 1995 gebar Frau A.________ im kantonalen Spital I.________/SG einen
Sohn. Der Geburtsvorgang verlief stark verzögert (protrahiert). Unmittelbar
danach wurde beim Neugeborenen eine fehlende Atmung mit Herz-Kreislauf-Versagen
festgestellt, die eine schwerwiegende und irreversible Hirnschädigung zur Folge
hatte.
Am 15. Februar 2002 reichte die Eidgenössische Invalidenversicherung (Klägerin)
beim Vermittleramt der Stadt St. Gallen ein Schadenersatzbegehren gegen den
Kanton St. Gallen ein. Sie beantragte, dass dieser zum Ersatz aller
IV-Leistungen zu verurteilen sei, welche die Invalidenversicherung im
Zusammenhang mit der perinatalen Behandlung im Spital I.________/SG zu
erbringen habe. Gleichzeitig beantragte sie die Sistierung des
Vermittlungsverfahrens mit der Begründung, dass die künftig zu erbringenden
Leistungen noch nicht absehbar seien. Am 28. Februar 2002 sistierte das
Vermittleramt der Stadt St. Gallen das Verfahren bis auf Weiteres.
A.b Am 5. März 2008 beantragte die Klägerin beim Vermittleramt Rebstein die
Aufhebung der damals vom Vermittleramt der Stadt St. Gallen angeordneten
Sistierung und die Fortführung des Verfahrens. Zur Begründung führte sie aus,
dass infolge Gesetzesänderung nicht mehr der Kanton St. Gallen, sondern die in
Rebstein domizilierte X.________ Partei sei. Das Vermittleramt Rebstein hob die
Sistierung am 7. März 2008 auf und setzte der X.________ eine Frist von zwei
Monaten an zur Einreichung einer Stellungnahme zum Schadenersatzbegehren der
Klägerin. Am 5. Mai 2008 teilte diese mit, sie erachte das Vermittleramt
Rebstein für die Aufhebung der Sistierung nicht als zuständig; eventualiter sei
die Klage zufolge Verwirkung abzuweisen.
Am 4. Juni 2008 schrieb die Klägerin dem Vermittleramt Rebstein, dass ihr unter
diesen Umständen die gesetzlich vorgesehene Frist von drei Monaten zur
Einreichung der Klage beim Gericht anzusetzen sei. Mit Schreiben vom 7. Juni
2008 setzte das Vermittleramt Rebstein der Klägerin eine Frist von drei Monaten
zur Einreichung der Klage beim zuständigen Kreisgericht an.

B.
B.a Mit Klageschrift vom 28. August 2008 beantragte die Klägerin, die
X.________ (Beklagte) sei zu verurteilen, der Klägerin Fr. 1'075'962.45
zuzüglich Zinsen zu bezahlen. Mit Klageantwort vom 24. Februar 2009 beantragte
die Beklagte Nichteintreten auf die Klage, eventualiter Abweisung. In der
Replik vom 25. Juni 2009 erhöhte die Klägerin ihre Forderung auf Fr.
1'189'141.80.
Mit Entscheid vom 3. März 2010 wies das Kreisgericht Rheintal die Klage wegen
Verwirkung ab, soweit es auf sie eintrat. Es erwog, die Klägerin hätte die
Klage innert zweier Monate nach dem Vermittlungsvorstand dem Gericht einreichen
müssen, hielt ihr aber zugute, ihr damaliger Rechtsvertreter habe sich auf die
Richtigkeit der ihm vom Vermittler angesetzten dreimonatigen Klagefrist im
Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtes über den Vertrauensschutz
verlassen dürfen. Deshalb schade die verspätete Einreichung der Klägerin nicht.
Gleichwohl wies das Kreisgericht die Klage ab mit der Begründung, die Klägerin
habe die einjährige Verwirkungsfrist gemäss Art. 4 aVG SG nicht eingehalten;
sie habe spätestens am 3. Juli 2000 die Höhe ihres Schadens mit genügender
Sicherheit abschätzen können.
B.b Gegen den Entscheid des Kreisgerichts Rheintal vom 3. März 2010 erhob die
Klägerin Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen.
Am 14. November 2011 entschied das Kantonsgericht in einem Teilentscheid, auf
die Klage im Umfang des in der Klageschrift gestellten Rechtsbegehrens
einzutreten, auf die in der Replik geltend gemachte Erhöhung der Klagesumme
hingegen nicht einzutreten. Der Teilentscheid wurde nicht angefochten.
Mit Endentscheid vom 2. Juli 2012 wies das Kantonsgericht Berufung und Klage
ab, soweit es auf sie eintrat.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 5. September 2012 beantragte die Klägerin
(Beschwerdeführerin), der Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 2. Juli
2012 sei aufzuheben und die Angelegenheit sei zum Entscheid über die Wahrung
der einjährigen Verwirkungsfrist sowie zur materiellen Beurteilung des geltend
gemachten Anspruchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Mit Vernehmlassung vom 3. Oktober 2012 beantragte die Beklagte
(Beschwerdegegnerin) vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz
verzichtete auf eine Vernehmlassung.
Am 18. Oktober 2012 reichte die Beschwerdeführerin eine Replik ein. Diese wurde
dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin am 24. Oktober 2012 zugestellt mit
dem Hinweis, allfällige Bemerkungen hätten bis zum 7. November 2012 zu
erfolgen. Die Beschwerdegegnerin liess sich nicht mehr vernehmen.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 28. September 2012 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 137 III 417 E. 1; 136 II 101 E. 1 S. 103, 470 E.
1 S. 472; 135 III 212 E. 1 S. 216).

1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden
Rechtsmittelentscheid eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 90 BGG i.V.m. Art.
75 BGG). Sie wurde innert der Beschwerdefrist (Art. 100 BGG) von der mit ihren
Rechtsbegehren unterlegenen Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) eingereicht. Bei der
Streitsache handelt es sich um eine Angelegenheit medizinischer Staatshaftung
(Art. 31 Abs. 1 lit. d des Reglements für das Bundesgericht, BGerR
[173.110.131]), die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht steht (Art. 72
Abs. 2 lit. b BGG; BGE 135 III 320 E. 1.1 S. 331; 133 III 462 E. 2.1 S. 465
f.). Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG),
weshalb auf die Beschwerde in Zivilsachen unter Vorbehalt einer
rechtsgenügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG)
einzutreten ist.

1.2 Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Bundesverfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG; BGE
134 III 379 E. 1.2 S. 382). Nicht zu den in Art. 95 BGG vorgesehenen
Rügegründen gehört hingegen die Anwendung und Auslegung kantonalen Rechts,
dessen Anwendung und Auslegung das Bundesgericht einzig unter dem Blickwinkel
eines Verstosses gegen Bundesrecht oder gegen Bundesverfassungsrecht beurteilen
kann (BGE 136 I 241 E. 2.4; 135 III 513 E. 4.3 S. 521; 134 III 379 E. 1.2 S.
382 f.).

1.3 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist weder an die mit der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch
an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden, und kann deshalb die Beschwerde auch
aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 134
III 102 E. 1.1 S. 104; 132 II 47 E. 1. S. 50 mit Hinweisen). Indessen prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104). In der
Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene
Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Aus den materiellrechtlichen
Rügen muss zumindest sinngemäss ersichtlich sein, inwieweit der angefochtene
Entscheid nach Ansicht der Beschwerdeführerin bundesrechtliche Normen verletzen
soll, wenn der von der Vorinstanz verbindlich festgestellte - und nicht
lediglich ein vom Beschwerdeführer behaupteter abweichender - Sachverhalt
zugrunde gelegt wird (Art. 105 Abs. 1 BGG).

1.4 Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist
(Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen,
sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Ein blosser Rückweisungsantrag
reicht ausnahmsweise aus, wenn das Bundesgericht - wie hier - im Falle der
Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil die
erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (BGE 134 III
379 E. 1.3 S. 383; 133 III 489 E. 3.1 S. 489 f. mit Hinweisen).

2.
Thema des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Einhaltung von Klagefristen
gemäss dem Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember
1959 mit seitherigen Änderungen (VG SG [1959] nGS [neue Gesetzessammlung des
Kantons St. Gallen] 1, 296). Zwischen dem Zeitpunkt des von der Klägerin
behaupteten schädigenden Ereignisses und der Anhängigmachung der Klage sind die
einschlägigen kantonalen Gesetzesbestimmungen bezüglich Fristen und Verfahren
geändert worden.

2.1 Das VG SG sah ursprünglich vor, dass der Geschädigte das
Schadenersatzbegehren innerhalb eines Jahres, nachdem er von der Schädigung
Kenntnis erhalten hatte, spätestens aber zehn Jahre nach der schädigenden
Handlung, dem Bezirksammann einzureichen habe (Art. 4 Abs. 1 VG SG [1959]).
Diese Fristen verstanden sich als Verwirkungsfristen. Der Bezirksammann hatte
das Schadenersatzbegehren unverzüglich der beklagten Körperschaft oder Anstalt
mitzuteilen, und diese konnte innerhalb zweier Monate nach dem Tage der
Einreichung schriftlich dazu Stellung nehmen (Art. 4 Abs. 2 VG SG [1959]). Wenn
der Schadenersatzanspruch bestritten wurde oder wenn keine Stellungnahme
einging, hatte der Bezirksammann dem Geschädigten eine Frist von drei Monaten
zu eröffnen, innert welcher die Klage unmittelbar beim Richter anhängig zu
machen war (Art. 5 VG SG [1959]). Gemäss Art. 17 Abs. 2 VG SG [1959] fand das
Gesetz auf Schäden, die vor dem Inkrafttreten verursacht worden waren, keine
Anwendung.

2.2 Im Nachtragsgesetz zum Staatsverwaltungsgesetz, erlassen am 4. Mai 1999 und
in Kraft seit 1. Juli 2000 (Amtsblatt des Kantons St. Gallen Nr. 22/1999 S.
1109; nGS 35-15) wurde das Verantwortlichkeitsgesetz geändert (revVG SG): In
revArt. 4 Abs. 1 VG SG wurde "Bezirksammann" durch "Vermittler" ersetzt; rev
Art. 4 Abs. 2 VG SG lautete neu, der Vermittler gebe der beklagten Körperschaft
oder Anstalt vor dem Vermittlungsvorstand Gelegenheit zur schriftlichen
Stellungnahme innert zwei Monaten; ein neuer Art. 4 Abs. 3 revVG SG sah vor,
dass im Übrigen die Bestimmungen des Zivilprozessgesetzes vom 20. Dezember 1990
(ZPO SG; sGS 961.2) über das Vermittlungsverfahren sinngemäss anzuwenden seien;
Art. 5 Abs. 1 VG SG [1959] wurde aufgehoben. Dieses (I.) Nachtragsgesetz
enthielt keine Übergangsbestimmungen.

2.3 Durch das II. Nachtragsgesetz zum Staatsverwaltungsgesetz, erlassen am 11.
April 2000 und in Kraft seit 1. September 2000 (Amtsblatt des Kantons St.
Gallen Nr. 17/2000 S. 1132; nGS 35-35) erhielt Art. 4 Abs. 1 revVG SG folgenden
Wortlaut: "Der Schadenersatzanspruch verjährt, wenn der Geschädigte nicht
innert zwei Jahren, nachdem er von der Schädigung Kenntnis erhalten hat,
spätestens aber zehn Jahre nach der schädigenden Handlung, Klage beim
Vermittler erhebt. Vorbehalten bleibt Art. 136 lit. a des Zivilprozessgesetzes
vom 20. Dezember 1990." Die Übergangsbestimmungen des II. Nachtragsgesetzes
sahen vor, dass das Gesetz nicht auf Schäden anwendbar sei, die vor seinem
Inkrafttreten verursacht wurden, und dass die nach bisherigem Recht zuständige
Instanz ein Verfahren, das bei Inkrafttreten des Nachtragsgesetzes bei ihr
hängig ist, nach bisherigem Recht abzuschliessen habe.

3.
Die Vorinstanz behandelte die Frage der Rechtzeitigkeit der Klageeinleitung in
zwei Etappen.

3.1 Die Beschwerdeführerin sieht einen Widerspruch zwischen den beiden Etappen
des vorinstanzlichen Entscheidvorgangs und rügt diesen als willkürlich. Sie
begründet dies damit, die Vorinstanz habe in ihrem Teilentscheid festgestellt,
dass auf die Klage nach den Normen der ZPO SG einzutreten sei. Deshalb sei ihr
kein Raum mehr dafür geblieben, in ihrem Endentscheid unter Zugrundelegung
derselben Normen oder jener des VG SG zum Schluss zu kommen, die Klage sei doch
nicht rechtzeitig anhängig gemacht worden. Dennoch habe die Vorinstanz im
Endentscheid die Nichteinhaltung der Zweimonatsfrist gemäss Art. 150 ZPO SG als
massgebend dafür betrachtet, dass die Klage verwirkt sei. Das sei willkürlich
i.S. von Art. 9 BV.

3.2 Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, der behauptete Widerspruch
bestehe nicht. Vielmehr beziehe sich der angefochtene Entscheid auf zwei
mögliche Betrachtungsweisen: Entweder werde die am 28. August 2008 eingereichte
Klage als direkt (also ohne Vermittlungsverfahren) beim Gericht eingereicht
betrachtet, so dass die Klage zu jenem Zeitpunkt infolge Ablaufs der absoluten
Frist gemäss Art. 4 Abs. 1 VG SG [1959] bereits verwirkt war, was zur Abweisung
führe. Oder es werde bezüglich der Wahrung der Verwirkungsfristen gemäss VG SG
[1959] auf das Vermittlungsbegehren vom 15. Februar 2002 abgestellt, so dass
mit der erst am 28. August 2008 beim Gericht anhängig gemachten Klage die dafür
massgebliche Frist gemäss ZPO SG von zwei Monaten seit Ansetzung der
dreimonatigen Frist durch das Vermittleramt Rebstein vom 7. Juni 2008 verpasst
worden sei, was zum Nichteintreten führe. Die Vorinstanz sei in ihrem
Teilentscheid von einer direkten Klageeinleitung im Sinne der ersten Variante
ausgegangen und habe eine spätere Klageabweisung als Folge der Nichteinhaltung
der absoluten Verwirkungsfrist von 10 Jahren gemäss VG SG [1959] ausdrücklich
vorbehalten. Indem sie im Endentscheid auf jene Folge dann auch erkannt habe,
habe sie sich nicht in Widerspruch zu ihrem Teilentscheid gesetzt.

3.3 In ihrem Teilentscheid vom 14. November 2011 hielt die Vorinstanz für
entscheidend, ob die Klage nach neuem Recht rechtzeitig eingereicht worden sei.
Sie bejahte dies mit der Begründung, das Vermittlungsverfahren sei freiwillig
gewesen, weshalb der Klägerin nach Scheitern der Vermittlung anheimgestellt
war, die Klage anhängig zu machen, ohne an eine ihr spezifisch anzusetzende
Frist gebunden zu sein. Die Vorinstanz hob indes hervor, dass trotz ihrem
Eintretensentscheid offen bleibe, ob mit der Klageeinreichung am 28. August
2008 auch die absolute Verwirkungsfrist nach VG SG [1959] gewahrt worden sei.
In ihrem Endentscheid vom 2. Juli 2012 wies die Vorinstanz die Klage ab, soweit
sie darauf eintrat. Sie erwog, die Klägerin hätte die absolute Verwirkungsfrist
für die Geltendmachung der mit ihrer Klage erhobenen Ansprüche nur dann wahren
können, sofern sie berechtigterweise darauf habe vertrauen dürfen, dass sie das
beim Vermittler erhobene Schadenersatzbegehren nach Aufhebung der Sistierung
innert dreier Monate fristwahrend beim Kreisgericht Rheintal anhängig machen
konnte. Die Klägerin könne sich aber auf einen solchen Vertrauensschutz nicht
berufen.

3.4 Diesem Entscheidungsvorgang lässt sich kein Widerspruch entnehmen. Ein
solcher ist insbesondere nicht darin zu erblicken, dass die Vorinstanz in ihrem
Teilentscheid schrieb, es sei allein entscheidend, dass die Klage auch unter
neuem Recht rechtzeitig eingereicht worden sei. Denn die Vorinstanz hat in den
Erwägungen ihres Teilentscheids nirgends festgestellt, dass sie selbst das alte
Recht im vorliegenden Fall noch für anwendbar halte. Vielmehr erliess sie am
Tag des Teilentscheids einen Beweisbeschluss zwecks Klärung der Frage ob -
trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit von neuem Recht - die Klägerin sich im
konkreten Falle auf den Vertrauensschutz berufen könne, um die Einleitung ihrer
Klage nach der dreimonatigen Frist gemäss altem Recht zu rechtfertigen.

3.5 Der Entscheidungsvorgang der Vorinstanz leidet mithin nicht an dem von der
Beschwerdeführerin behaupteten Widerspruch, womit sich die Willkürrüge als
unbegründet erweist.

4.
Im Weiteren rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundsatzes von
Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV). Sie macht geltend, die
Vorinstanz habe durch die Erwägung, wonach ihr damaliger Rechtsvertreter sich
nicht auf die ihm angesetzte dreimonatige Klagefrist habe verlassen dürfen, den
verfassungsmässigen Anspruch auf den Schutz von Treu und Glauben verletzt.

4.1 Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens u.a. - wie im
vorliegenden Fall - in eine Verfügung, sofern die Person, die sich auf den
Vertrauensschutz beruft, berechtigterweise auf diese Grundlage vertrauen durfte
und gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr
rückgängig machen kann (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; 131 II 627 E. 6.1 S.
636 f.; 129 I 161 E. 4.1 S. 170; je mit Hinweisen). In Konkretisierung des
Vertrauensschutzes in Fällen unrichtiger Rechtsmittelbelehrung bestimmt Art. 49
BGG, dass den Parteien daraus keine Nachteile erwachsen dürfen, und verankert
damit einen Grundsatz allgemeiner Tragweite (BGE 135 III 374 E. 1.2.2.1 mit
Hinweis auf BGE 117 Ia 297 E. 2 S. 298 f., BGE 117 Ia 421 E. 2c S. 423 f.; je
mit Hinweisen). Wer die Unrichtigkeit erkannte oder bei gebührender
Aufmerksamkeit hätte erkennen können, kann sich nicht auf diesen Schutz
berufen, wobei allerdings nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der betroffenen
Partei oder ihres Anwalts eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen
vermag. Der Vertrauensschutz versagt zudem nur dann, wenn der Mangel in der
Rechtsmittelbelehrung für den Rechtsuchenden bzw. seinen Rechtsvertreter allein
schon durch Konsultierung der massgebenden Verfahrensbestimmung ersichtlich
gewesen wäre; dagegen wird nicht verlangt, neben den Gesetzestexten auch noch
die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachzuschlagen (BGE 135 III 489
E. 4.4 S. 494 mit weiteren Hinweisen).

4.2 Obwohl es sich bei der Ansetzung der Klagefrist nicht im strikten Sinne um
eine Rechtsmittelbelehrung handelt, ist es auch bei ihr gerechtfertigt, die von
der Rechtsprechung zur unrichtigen Rechtsmittelbelehrung entwickelten Kriterien
anzuwenden. Denn in beiden Fällen hängt von der Gewährung oder Ablehnung des
Schutzes ab, ob der weitere Verfahrensweg eröffnet bleibt oder aber versperrt
wird. Die erste Instanz ist ebenso verfahren und hat Vertrauensschutz gewährt.
Die Vorinstanz hat auf die Rechtsprechung zur unrichtigen Rechtsmittelbelehrung
Bezug genommen, ohne Zweifel bezüglich ihrer Anwendbarkeit auf den vorliegenden
Sachverhalt zu äussern, jedoch die Gewährung von Vertrauensschutz abgelehnt.

5.
Das Kreisgericht Rheintal hat einen Amtsbericht eingeholt zu den Umständen, die
zu der Ansetzung der Frist von drei Monaten durch das Vermittleramt Rebstein
geführt haben.

5.1 Anhand des Amtsberichts stellte die Vorinstanz fest, der frühere
Rechtsvertreter der Klägerin habe am 5. März 2008 das Vermittleramt um
Aufhebung der Sistierung und Fristansetzung an die Beklagte zur Stellungnahme
zum Schadenersatzbegehren ersucht. In ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 2008 habe
die Beklagte beantragt, es sei auf das Begehren um Aufhebung der Sistierung
mangels Zuständigkeit nicht einzutreten, eventualiter sei die Klage abzuweisen.
Diese Anträge seien der Klägerin am 9. Mai 2008 mitgeteilt worden. Mit
Schreiben vom 2. Juni 2008 habe der frühere Rechtsvertreter der Klägerin dem
Vermittleramt mitgeteilt, dass er an dessen Zuständigkeit zur Aufhebung der
Sistierung festhalte und die Voraussetzungen für eine direkte Klageerhebung
aufgrund des Fr. 30'000.-- übersteigenden Streitwerts für gegeben erachte; er
werde die Klage demnächst anhängig machen, weshalb die Angelegenheit für das
Vermittleramt Rebstein erledigt sei. Am 4. Juni 2008 schrieb er dem
Vermittleramt Rebstein - nach vorgängiger telefonischer Mitteilung - die im
Brief vom 2. Juni 2008 enthaltene Aussage, dass sich die Angelegenheit für das
Vermittleramt erledigt habe, sei nicht richtig; das Vermittleramt habe in
Anwendung von Art. 5 VG SG [1959] eine Frist von drei Monaten zu
Klageeinreichung anzusetzen. Mit Verfügung vom 7. Juni 2008 habe der Vermittler
den Parteien mitgeteilt, der Vertreter der Klägerin möchte die Klage direkt
beim Kreisgericht Rheintal einreichen und habe den Vermittler darauf aufmerksam
gemacht, dass gemäss Art. 5 VG SG [1959] der Klägerin dazu eine Frist von drei
Monaten anzusetzen sei. In der gleichen Verfügung habe er "formell eine Frist
von drei Monaten zur Einreichung der Forderungsklage beim zuständigen
Kreisgericht Rheintal" angesetzt. Mit Schreiben vom 9. Juni 2008 habe sich der
frühere Rechtsvertreter der Klägerin für das Schreiben vom 7. Juni 2008 bedankt
und hinzugefügt, dieses entspreche in jeder Hinsicht seinem Ersuchen gemäss
Schreiben vom 4. Juni 2008, weshalb die Angelegenheit für das Vermittleramt
Rebstein nunmehr erledigt sei. Die Vorinstanz stellte abschliessend fest, der
Vermittler habe im Amtsbericht ausgeführt, er habe dem Gesuch "nach dem Studium
der im Schreiben vom 04.06 aufgeführten Begründung und den entsprechenden
Passagen im Verantwortlichkeitsgesetz entsprochen". Zudem habe er den damaligen
Vertreter der Klägerin in einem separaten (dem Amtsgericht nicht beiliegenden)
Schreiben über seinen Entscheid informiert und dabei darauf hingewiesen, er
habe damit "Neuland" betreten und hoffe, dass formell alles seine Richtigkeit
habe.

5.2 Die Vorinstanz hat die Eignung der Fristansetzungsverfügung, Gegenstand
eines Vertrauensschutzes zu bilden, mit der Begründung verneint, der
Rechtsvertreter der Klägerin habe seine Meinung bereits vor der Fristansetzung
gebildet. Daraus folge, dass letztere für die Klägerin nicht
vertrauensbegründend, sondern höchstens vertrauensbestärkend gewesen sei, was
für die Gewährung von Vertrauensschutz nicht genügen könne.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz hat selber anhand
des Amtsberichts des Vermittlungsamtes Rebstein festgestellt, dass der frühere
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Vorfeld seines Gesuches um
Fristansetzung hinsichtlich des weiteren Vorgehens unsicher war und dass der
Vermittler nach eigener Aussage dem Gesuch erst nach Studium der in diesem
enthaltenen Begründung und den entsprechenden Passagen im
Verantwortlichkeitsgesetz entsprach. Unter diesen Umständen konnte die
Gutheissung des Gesuches für den Rechtsvertreter der Klägerin sehr wohl
vertrauensbildend sein. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Vermittler in
einem separaten, nicht im Prozess produzierten Schreiben gegenüber dem
damaligen Vertreter der Klägerin erwähnt haben soll, er habe mit seiner
Verfügung "Neuland" betreten und hoffe, dass formell alles seine Richtigkeit
habe.

5.3 Damit war die Entsprechung des Gesuchs auf Ansetzung einer Klagefrist von
drei Monaten durch das Vermittlungsverfahren Rebstein grundsätzlich geeignet,
einen Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu schaffen.
Demnach ist weiter zu prüfen, ob es dem damaligen Rechtsvertreter nicht ohne
grobe prozessuale Unsorgfalt verborgen bleiben konnte, dass die Fristansetzung
den konkret anwendbaren Gesetzesnormen nicht entsprach.

5.4 Die Vorinstanz unterzog das VG SG samt den im Jahre 2000 in Kraft gesetzten
Änderungen einer vertieften Auslegung. Sie gelangte zum Schluss, es lasse sich
zumindest nicht ausschliessen, dass die das Verantwortlichkeitsgesetz
betreffenden Änderungen durch das Nachtragsgesetz zum Staatsverwaltungsgesetz
ohne Übergangsregelung sofort anwendbar wurden und auch vor Inkrafttreten jenes
Nachtragsgesetzes verursachte Schäden umfassen sollten. Diese vorsichtige
Schlussfolgerung genügt klarerweise nicht als Grundlage für die Annahme einer
groben prozessualen Unsorgfalt des damaligen Rechtsvertreters der
Beschwerdeführerin.

5.5 Die Beschwerdeführerin hat im Vertrauen auf die Beständigkeit der
dreimonatigen Fristansetzung eine nachteilige Disposition getroffen, die nicht
mehr rückgängig gemacht werden kann, indem sie die volle Länge der Frist in
Anspruch nahm.

5.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Ansetzung der Frist von drei Monaten
durch das Vermittleramt Rebstein geeignet war, eine Vertrauensgrundlage zu
bilden, dass der Beschwerdeführerin keine grobe prozessuale Unsorgfalt
vorgeworfen werden kann und dass sie bezüglich der nachteiligen Disposition der
Klageeinreichung in Ausschöpfung der Frist zu schützen ist. Die Vorinstanz hat
der Beschwerdeführerin die Berufung auf den Vertrauensschutz zu Unrecht versagt
und damit Art. 9 BV verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.

6.
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass wenn die Klägerin - wie soeben
bejaht - auf die Gesetzeskonformität der dreimonatigen Frist hat vertrauen
dürfen, sie durch Eingabe vom 28. August 2008 ihre Klage jedenfalls rechtzeitig
vor Ablauf der absoluten Verwirkungsfrist anhängig gemacht hat. Die Vorinstanz
hat aber die von der ersten Instanz verneinte Frage, ob die Klägerin durch das
Stellen des Vermittlungsbegehrens vom 15. Februar 2002 die relative
Verwirkungsfrist gewahrt habe, offen gelassen. Deshalb ist die Sache zum
Entscheid über die Frage der Wahrung der relativen Verwirkungsfrist an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

7.
Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdegegnerin kosten-
und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid wird
aufgehoben.

2.
Die Sache wird an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 12'000.--
werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 14'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Hurni