Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.332/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_332/2012

Urteil vom 19. Dezember 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Monica Armesto,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ordnungsbusse,

Beschwerde gegen die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt
vom 11. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
In einem Verfahren, in dem sich A.________ (Klägerin und Beschwerdegegnerin)
und die X.________ AG (Beklagte und Beschwerdeführerin) gegenüberstehen, teilte
die Kanzlei des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt der Beklagten mit
Schreiben vom 11. Mai 2012 mit, dass am 10. Mai 2012 folgende Verfügung
ergangen sei:
"1. Kopie der Klagbewilligung, der Vertreterin der Klägerin ausgehändigt am 9.
Mai 2012, an die Beklagte zur Kenntnisnahme.
2. Der Beklagten wird gemäss Art. 128 Abs. 3 ZPO eine Ordnungsbusse von Fr.
500.-- auferlegt."
Begründet wurde Ziff. 2 der Verfügung zusammengefasst damit, dass die Beklagte
zur Schlichtungsverhandlung vom 9. Mai 2012 nicht erschienen sei. Nachdem sie
ihr Fernbleiben angekündigt hatte, sei ihr mit Verfügung vom 4. Mai 2012
mitgeteilt worden, dass die Schlichtungsbehörde an der Vorladung für den 9. Mai
2012 festhalte. Für den Fall des Fernbleibens sei ihr die Ausfällung einer
Ordnungsbusse angedroht worden. Einen einseitigen Verzicht der beklagten Partei
auf die Schlichtungsverhandlung sehe die ZPO nicht vor. Das Fernbleiben
untergrabe dieses Institut, weshalb sich eine Ordnungsbusse rechtfertige. Die
Verfügung enthält eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen diese
prozessleitende Verfügung unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. BGG
Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden könne. Ob an Stelle der Beschwerde in
Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage komme, ergebe sich aus den
anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Die Rechtsmittelbelehrung enthält die
Anmerkung, das Sozialversicherungsgericht, welchem die Schlichtungsstelle
zugeordnet sei, urteile in Streitigkeiten zu sozialen Zusatzversicherungen als
einzige kantonale Instanz im Sinne von Art. 7 ZPO, weshalb die Anfechtbarkeit
bei einer weiteren kantonalen Instanz entfalle. Gezeichnet ist die Verfügung
durch die Schlichtungsperson.

B.
Die Beklagte gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht und
beantragt im Wesentlichen, Ziff. 2 der prozessleitenden Verfügung des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 2012 aufzuheben, unter
Kostenfolge zu Lasten des Kantons Basel-Stadt. Die Beschwerdegegnerin
beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten und diese eventuell abzuweisen,
beides unter Kostenfolge. Die Schlichtungsbehörde des
Sozialversicherungsgerichts schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde. Obwohl kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde, teilte die
Beschwerdegegnerin dem Bundesgericht binnen der für allfällige Bemerkungen
angesetzten Frist (10. Oktober 2012) mit, sie könne sich den Ausführungen der
Vorinstanz in deren Stellungnahme vollumfänglich anschliessen. Mit Schreiben
vom 6. Dezember 2012 weist die Beschwerdeführerin unter anderem auf das Urteil
des Bundesgerichts 4A_184/2012 vom 18. September 2012 (BGE 138 III 558) hin.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 III 46 E. 1 mit
Hinweisen).

1.1 Die Beschwerde ist in der dafür vorgesehenen Frist (Art. 100 BGG) zu
begründen. Die Eingabe vom 6. Dezember 2012 ist daher für den Entscheid
unbeachtlich, zumal auch die Frist für allfällige Bemerkungen zu den
Beschwerdeantworten bereits abgelaufen war. Die einschlägige bundesgerichtliche
Rechtsprechung ist indessen ungeachtet der nachträglichen Eingabe ohnehin zu
berücksichtigen.

1.2 Die Beschwerdeführerin ficht Ziff. 2 der Verfügung des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 2012 an. Dieses Datum trägt
das Schreiben der Kanzlei des Sozialversicherungsgerichts. Diese hat jedoch
nicht selbst verfügt, sondern lediglich mitgeteilt, dass am 10. Mai 2012 eine
Verfügung ergangen sei. Anfechtungsobjekt bildet offensichtlich Ziff. 2 dieser
Verfügung, ergibt sich doch aus der Beschwerdebegründung, dass die
Beschwerdeführerin die Ordnungsbusse für unzulässig hält.

1.3 Gezeichnet ist die Verfügung vom 10. Mai 2012 allerdings von der
Schlichtungsperson. Diese hat ein Schlichtungsverfahren nach Art. 197 ZPO
durchgeführt. Aus dem Zusammenhang ergibt sich unzweideutig, dass die Verfügung
weder vom Sozialversicherungsgericht als solchem noch von dessen Kanzlei, auf
deren Briefpapier sie mitgeteilt wurde, ausging, sondern von der
vorgeschalteten Schlichtungsbehörde. Die Rüge der Beschwerdeführerin, sie habe
vom Sozialversicherungsgericht bereits eine Sanktion wegen fehlender
Verfahrensdisziplin erhalten, bevor überhaupt eine Klage eingegangen sei,
beruht somit auf einem Missverständnis, ebenso wie die im Anschluss daran
geäusserten Bedenken bezüglich einer Vorbefassung des
Sozialversicherungsgerichts. Insoweit ist auf die Beschwerde mangels
Auseinandersetzung mit der effektiv ergangenen Verfügung nicht einzutreten.

1.4 Gemäss § 8 des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen
Zivilprozessordnung vom 13. Oktober 2010 (EG ZPO/BS; GS 221.100) besteht für
das Sozialversicherungsgericht eine Schlichtungsbehörde. Als
Schlichtungsbehörde amten die Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten,
die Statthalterinnen und Statthalter sowie die dafür gewählten
Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber des Sozialversicherungsgerichts.
Es ist aber fraglich, ob die Schlichtungsbehörde durch diese kantonale
Bestimmung zu einem oberen Gericht im Sinne von Art. 75 BGG wird und damit zu
einer tauglichen Vorinstanz des Bundesgerichts. Der Gesetzgeber ging jedenfalls
nicht davon aus, Entscheide einer Schlichtungsbehörde seien direkt an das
Bundesgericht weiterziehbar, hält doch die Botschaft fest, die
Schlichtungsbehörde müsse kein Gericht im formellen Sinne sein (Botschaft vom
28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7244
Ziff. 3.2.1: Kein Kanton darf gezwungen werden, neue Gerichte einzuführen).

1.5 Grundsätzlich geht jedem Entscheidverfahren ein Schlichtungsverfahren vor
einer Schlichtungsbehörde voraus (Art. 197 ZPO). Die ZPO sieht jedoch in Art.
198 ZPO zahlreiche Ausnahmen vor, bei denen ein Schlichtungsverfahren entfällt,
weshalb entsprechende Klagen direkt beim zuständigen Gericht einzureichen sind.
Darunter fallen Streitigkeiten, für die nach Art. 5 und 6 ZPO eine einzige
kantonale Instanz zuständig ist (Art. 198 lit. f ZPO). Dass Art. 7 ZPO,
gestützt auf den das Sozialversicherungsgericht den zu beurteilenden Fall als
einzige kantonale Instanz entscheidet (§ 12 EG ZPO/BS), im Ausnahmenkatalog von
Art. 198 lit. f ZPO nicht aufgeführt wird, beruht auf einem Versehen des
Gesetzgebers. Nach der Rechtsprechung ist daher in Streitigkeiten aus
Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung, für welche die Kantone
eine einzige kantonale Instanz nach Art. 7 ZPO bezeichnet haben, kein
vorgängiges Schlichtungsverfahren durchzuführen (BGE 138 III 558 E. 4 S. 561
ff.). In diesem Entscheid hält das Bundesgericht fest: "Hinzu kommt, dass der
Schlichtungsbehörde nach Art. 212 ZPO bis zu einem Streitwert von Fr. 2'000.--
selbstständige Entscheidkompetenz zukommt, womit für geringfügige
Streitigkeiten ein doppelter kantonaler Instanzenzug gegeben wäre (Art. 319 ff.
ZPO), was Sinn und Zweck von Art. 7 ZPO widerspricht" (BGE 138 III 558 E. 4.5
S. 564). Die Möglichkeit, gegen den Entscheid der Schlichtungsbehörde direkt
Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben, wurde nicht einmal in Betracht
gezogen.

1.6 Soweit ein Kanton von Art. 7 ZPO Gebrauch macht, können nur Entscheide des
einzigen kantonalen Gerichts (hier des Sozialversicherungsgerichts) direkt an
das Bundesgericht weitergezogen werden. Hat ein Kanton dennoch infolge der
Unvollständigkeit des Ausnahmenkatalogs von Art. 198 lit. f ZPO, die für die
Beschwerdeführerin nicht ohne weiteres ersichtlich war, ein
Schlichtungsverfahren eingeführt, kann dies nicht dazu führen, dass in einem
derartigen nach richtigem Verständnis bundesrechtlich nicht vorgesehenen
Schlichtungsverfahren ergangene Entscheide unmittelbar an das Bundesgericht
weitergezogen werden könnten. Vielmehr sind diesfalls die Entscheide der
Schlichtungsbehörde zunächst mit den Rechtsmitteln gemäss der ZPO bei dem als
einzige kantonale Instanz vorgesehenen Gericht anzufechten. Insoweit erweist
sich die Rechtsmittelbelehrung als fehlerhaft.

2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Nach der
Rechtsprechung ist die Sache an die zuständige Vorinstanz des Bundesgerichts
zur weiteren Behandlung zu überweisen. Das Verfahren ist daher an das
Sozialversicherungsgericht zu überweisen (vgl. BGE 135 II 94 E. 6 S. 102 ff.).
Der fehlerhafte Verfahrensablauf, der zu einem Nichteintretensentscheid führt,
geht auf die Gerichtsorganisation des Kantons Basel-Stadt beziehungsweise auf
die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung zurück. Es rechtfertigt sich im
konkreten Fall, auf die Erhebung von Gerichtskosten und die Zusprechung von
Parteientschädigungen zu verzichten (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_257/2012
vom 31. Oktober 2012 E. 2).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt überwiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak