Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.254/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_254/2012

Urteil vom 19. Dezember 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Schreier.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bürgi,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Theo Kuny,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Werkvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, 1. Abteilung,
vom 8. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Werkvertrag vom 19. Dezember 2007/15. Januar 2008 betraute die X.________
AG (Bestellerin, Beklagte, Beschwerdeführerin) die Y.________ AG
(Unternehmerin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) im Rahmen der Realisierung eines
Zweifamilienhauses mit der Ausführung von Schreinerarbeiten für die Küche des
Ehepaars A. und B. Z.________. Die Parteien vereinbarten einen Werklohn in der
Höhe von Fr. 125'428.60. Gemäss Werkvertrag war C.________ für die Architektur
und D.________ für die Bauleitung zuständig.
In der Folge entbrannte zwischen den Parteien ein Streit darüber, wer für die
Kosten der von der Unternehmerin erbrachten Mehrleistungen aufzukommen habe.
Die Unternehmerin stellt sich auf den Standpunkt, die Bestellungsänderungen
seien von den Bauleitern der Bestellerin vorgenommen worden und somit von
dieser zu bezahlen. Die Bestellerin ist demgegenüber der Auffassung, die
Änderungen seien von A. Z.________ direkt in Auftrag gegeben worden, womit
dieser die Kosten zu tragen habe.

B.
B.a Nachdem die Bestellerin in der gegen sie angehobenen Betreibung
Rechtsvorschlag erhoben hatte, reichte die Unternehmerin am 25. Januar 2010
beim Bezirksgericht Kriens Klage ein und beantragte, die Bestellerin sei zur
Zahlung von Fr. 65'036.-- sowie der Betreibungskosten von Fr. 100.-- und
Friedensrichterkosten von Fr. 300.-- zu verurteilen. Zudem beantragte sie die
Beseitigung des erhobenen Rechtsvorschlags in diesem Umfang.
Mit Urteil vom 19. Mai 2011 hiess das Bezirksgericht Kriens die Klage gut und
verurteilte die Bestellerin zur Zahlung von Fr. 65'036.--. Der Rechtsvorschlag
wurde in diesem Umfang aufgehoben.
B.b Gegen dieses Urteil erhob die Bestellerin Berufung an das Obergericht des
Kantons Luzern und beantragte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie
die Abweisung der Klage.
Mit Urteil vom 8. März 2012 wies das Obergericht die Berufung ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Mai 2012 beantragt die Bestellerin dem
Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage
abzuweisen. Die Beschwerdeführerin ersucht zudem um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung.
Die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz beantragen die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 30. Mai 2012 wurde das Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid
(Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz, die auf ein Rechtsmittel hin
kantonal letztinstanzlich in einer Zivilsache entschieden hat (Art. 75 i.V.m.
Art. 72 BGG), die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin sind im kantonalen
Verfahren nicht geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG), der massgebende
Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-- (Art. 51 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b
BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46
Abs. 1 lit. a BGG). Auf die Beschwerde ist somit unter Vorbehalt einer
rechtsgenügenden Begründung einzutreten.

1.2 Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und
96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht
prüft solche Rügen nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht
und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2; 133
III 393 E. 6, 439 E. 3.2).
Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf
die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt,
worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll
in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im
kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer
Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz
ansetzen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1; 121 III 397 E. 2a; 116 II 745 E. 3 S.
749).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei
"willkürlich" (BGE 133 II 249 E. 1.2.2). Überdies muss die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue
Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der
Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die
beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die gerügten
Feststellungen bzw. die Unterlassung von Feststellungen offensichtlich
unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4). Auf
eine Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen
Anforderungen nicht genügt, ist nicht einzutreten (vgl. BGE 133 III 350 E. 1.3
S. 351 f., 393 E. 7.1 S. 398, 462 E. 2.4 S. 466 f.).

1.4 Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdeführerin, wenn sie in ihren
Ausführungen den Sachverhalt frei ergänzt oder abändert, ohne entsprechende
Sachverhaltsrügen zu erheben. So behauptet sie etwa, eine Annahme der
ergänzenden Offerten der Beschwerdegegnerin durch die Architektin C.________
sei nicht erfolgt. Dies widerspricht dem festgestellten Sachverhalt, wonach die
Beschwerdegegnerin die Bestellungsänderungen bzw. Zusatzwünsche offeriert und
C.________ anschliessend mündlich die Aufträge erteilt habe. Weiter setzt sich
die Beschwerdeführerin auf mehreren Seiten mit Bestimmungen des
Grundstückkaufvertrags zwischen ihr und den Eheleuten Z.________ sowie mit
Zeugenaussagen auseinander, die dem vorinstanzlichen Urteil nicht entnommen
werden können. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind zudem über weite
Strecken appellatorisch. Darauf ist nicht einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, diese habe die
Bestellungsänderungen zu Unrecht als jeweils (ergänzende) Verträge zwischen ihr
und der Beschwerdegegnerin qualifiziert. Die Beschwerdegegnerin habe nicht
gutgläubig davon ausgehen dürfen, die Architektin C.________ verpflichte als
Stellvertreterin die Beschwerdeführerin. Vertragspartner seien vielmehr die
Eheleute Z.________. Da die Beschwerdegegnerin lediglich die durch die
Bestellungsänderungen angefallenen Mehrkosten eingeklagt habe, sei sie nicht
passivlegitimiert.

2.1 Die Parteien vereinbarten in Ziff. 8.3 des Werkvertrags Folgendes: "Werden
vom Unternehmer Mehrleistungen verlangt, die nicht in der Auftragssumme
enthalten sind, wird er vor Ausführung oder Inangriffnahme der Arbeiten diese
der Bauleitung schriftlich anzeigen und einen entsprechenden Nachtrag
aushandeln. Ohne die vorherige ausdrückliche Zustimmung der Bauleitung/
Bauherrschaft vor Inangriffnahme können keine Mehrleistungen verrechnet werden.
Als letzte gültige Pauschalsumme gilt somit immer die Kostennachführung der
Bauleitung letzten Datums." Nach Ansicht der Vorinstanz lasse diese Regelung
offen, ob die Bauleitung auch Bestellungsänderungen vornehmen könne. Nach Art.
33 Abs. 2 der SIA-Norm 118, die gemäss Ziff. 10 des Werkvertrags ergänzend
Anwendung finde, sei diese Frage zu bejahen. Im Werkvertrag seien zwar
C.________ als zuständige Architektin und D.________ als Bauleiter bezeichnet
worden. Mit Schreiben vom 16. Mai 2008 habe die Beschwerdeführerin gegenüber
der Beschwerdegegnerin aber ausdrücklich bestätigt, dass die C.________
Architektur "auch für die Bauleitung zuständig" sei. Dies decke sich mit den
Zeugenaussagen von C.________. D.________ habe bestätigt, dass C.________ zwar
ihn mit den Bauleitungsaufgaben betraut habe, gegenüber der Beschwerdeführerin
aber alleine verantwortlich geblieben sei.
Den einzelnen Auftragsbestätigungen lasse sich entnehmen, dass die
Beschwerdegegnerin zuerst die Bestellungsänderungen bzw. Zusatzwünsche
offeriert habe. Anschliessend habe C.________ mündlich die Aufträge erteilt,
worauf die Beschwerdegegnerin die Aufträge schriftlich bestätigt und der
C.________ Architektur zugestellt habe. In einem Fall sei die Auftragserteilung
per Mail im Auftrag von D.________ erfolgt. Die Beschwerdegegnerin habe zwar -
letztlich zur Beweissicherung - eine schriftliche Rückbestätigung gewünscht.
Auf Weisung der Beschwerdeführerin habe C.________ die Auftragsbestätigungen
(mit einer Ausnahme) durch A. Z.________ unterzeichnen lassen. Damit habe die
Beschwerdeführerin aber keineswegs bezweckt, dass direkte Vertragsverhältnisse
zwischen den Eheleuten Z.________ und der Beschwerdegegnerin abgeschlossen
würden. Im Gegenteil habe sie sämtliche Verträge mit den Unternehmern und
Lieferanten auf eigenen Namen und eigene Rechnung abschliessen wollen, nicht
zuletzt um den vertraglich vereinbarten GU-Zuschlag von 15 % abrechnen zu
können. Der Abschluss des (ergänzenden) Vertrags sei jeweils durch die Annahme
der Offerte durch die Bauleiter C.________ und D.________ erfolgt.

2.2 Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, Ziff. 8.3 des Werkvertrags gelte
entgegen der Ansicht der Vorinstanz für sämtliche Arten von
Bestellungsänderungen und schliesse eine stillschweigende Genehmigung der
Zusatzaufträge aus. Eine ausdrückliche Zustimmung der Bauleitung oder der
Bauherrschaft liege nicht vor. C.________ sei nicht für die Bauleitung, sondern
für die Architektur zuständig gewesen und habe sie daher nicht verpflichten
können. Selbst wenn die Architektin als Bauleitung bezeichnet werde, könne dies
nicht genügen für die Annahme einer Ermächtigung zur Vergebung von
Bauleistungen an Unternehmer. Nach dem Architektenvertrag sei C.________ auch
nicht befugt gewesen, für die Beschwerdeführerin Bestellungsänderungen zu
bestätigen. Die Beschwerdegegnerin habe ihrerseits nicht gutgläubig davon
ausgehen können, es entstehe ein Vertrag mit der Beschwerdeführerin, nachdem
lediglich A. Z.________ die Bestellungsänderungen unterzeichnet habe. Das
vollmachtlose Handeln sei von der Beschwerdeführerin auch nicht nachträglich
genehmigt worden.

2.3 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin in
einem Schreiben an die Beschwerdegegnerin bestätigt, dass C.________ auch für
die Bauleitung zuständig sei, was sich mit den Aussagen der Zeugen decke. An
diese Feststellung ist das Bundesgericht gebunden, da die blosse Behauptung,
C.________ sei nicht für die Bauleitung zuständig gewesen, keine
rechtsgenüglich begründete Sachverhaltsrüge darstellt (vgl. E. 1.3). Die
Vorinstanz hat zudem festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin vor
Inangriffnahme der Arbeiten diese vorgängig schriftlich angezeigt hat und dass
C.________ bzw. in einem Fall D.________ als Bauleitung ausdrücklich ihre
Zustimmung erteilt haben. Damit sind entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin die vertraglichen Voraussetzungen für die Verrechnung von
Mehrleistungen bereits erfüllt. Es kann somit offen bleiben, ob Ziff. 8.3 des
Werkvertrags sämtliche Bestellungsänderungen abschliessend regelt oder ob Art.
33 Abs. 2 der SIA-Norm 118 ergänzend herangezogen werden darf. Ob C.________ im
internen Verhältnis dazu befugt war, die Beschwerdeführerin gegenüber der
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ist nicht entscheidend, da sich die
Vertretungsmacht nach der Kundgabe richtet. Zudem schadet dem guten Glauben der
Beschwerdegegnerin nicht, dass C.________ die Auftragsbestätigungen
entsprechend der Weisung der Beschwerdeführerin von A. Z.________ unterzeichnen
liess, zumal dieses Vorgehen aus Sicht der Beschwerdegegnerin lediglich der
Beweissicherung diente. Die Rüge der fehlenden Passivlegitimation erweist sich
somit als unbegründet.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 1.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Die Gerichtsschreiberin: Schreier