Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.249/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_249/2012

Urteil vom 22. Juni 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Rechtsverzögerung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichtspräsidenten des Kantons Glarus
vom 3. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) behauptet, er habe mit B.________ einen
Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung abgeschlossen. Mit Schreiben vom 31.
Mai 2011 beantragte er der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse des Kantons
Glarus zur Hauptsache, B.________ zu verpflichten, den Mietvertrag einzuhalten.
Am 9. Juni 2011 trat die Schlichtungsbehörde auf das Schlichtungsgesuch nicht
ein.

B.
Der Beschwerdeführer gelangte an das Kantonsgerichtspräsidium des Kantons
Glarus und verlangte im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass C.________,
die als Mietervertreterin am Entscheid der Schlichtungsstelle mitgewirkt hatte,
ihrer Ausstandspflicht nicht nachgekommen und dass die Schlichtungsbehörde
nicht korrekt besetzt gewesen sei. Sodann sei der Nichteintretensentscheid
aufzuheben und das Schlichtungsverfahren zu wiederholen oder das Verfahren
selbst materiell zu behandeln. Am 10. August 2011 wies der
Kantonsgerichtspräsident das Ausstandsbegehren ab, stellte fest, die
Schlichtungsbehörde sei gesetzmässig besetzt gewesen und wies das Gesuch, diese
neu zu besetzen, ab. Im Übrigen überwies er das Begehren an das Obergericht zur
Behandlung als Beschwerde gegen den Entscheid der Schlichtungsbehörde und
auferlegte dem Beschwerdeführer die Kosten. Dieser focht die Verfügung des
Kantonsgerichtspräsidenten vor dem Obergericht des Kantons Glarus an,
wiederholte im Wesentlichen seine Rechtsbegehren und beanstandete die
Kostenverteilung. Das Obergericht bestätigte am 9. Dezember 2011 weitgehend den
Entscheid des Kantonsgerichts, hob diesen allerdings auf, soweit dem
Beschwerdeführer Kosten auferlegt worden waren. Ferner hiess es die Beschwerde
gegen die Verfügung der Schlichtungsstelle, die ihm vom Kantonsgericht
überwiesen worden war, gut und wies diese an, ein Schlichtungsverfahren
durchzuführen. Die Mietschlichtungsbehörde setzte die Schlichtungsverhandlung
mit Schreiben vom 9. Januar 2012 auf den 9. Februar 2012 an. Nachdem sie vom
Rechtsvertreter von B.________ darüber informiert worden war, dass der
Beschwerdeführer den Entscheid des Obergerichts an das Bundesgericht
weitergezogen hatte (vgl. Verfahren 4A_3/2012), setzte sie mit Schreiben vom
11. Januar 2012 die auf den 9. Februar 2012 angesetzte Verhandlung wieder ab
und sistierte das Verfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid des
Bundesgerichts. Mit Eingabe vom 3. April 2012 reichte der Beschwerdeführer beim
Obergericht eine Rechtsverzögerungsbeschwerde ein und rügte insbesondere, mit
der Verzögerung des Verfahrens verstosse die Schlichtungsbehörde gegen Art. 203
Abs. 1 ZPO.

C.
Am 3. Mai 2012 trat das Obergericht auf diese Beschwerde zufolge Verspätung
nicht ein, da der Beschwerdeführer die Sistierungsverfügung nicht fristgemäss
angefochten habe. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 7. Mai 2012 beantragt der Beschwerdeführer dem
Bundesgericht im Wesentlichen, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und
die Schlichtungsbehörde anzuweisen, unverzüglich eine Schlichtungsverhandlung
(ohne C.________) durchzuführen. Ferner beantragt der Beschwerdeführer, das
Verfahren mit dem vor Bundesgericht bereits hängigen Verfahren 4A_3/2012 wegen
weitgehender Identität des Sachverhalts zu vereinigen. Am 29. Mai 2012 hat der
Beschwerdeführer dem Bundesgericht einen Entscheid des Kantonsgerichts Glarus
vom 11. Mai 2012 in einer anderen Angelegenheit eingereicht, in dem dieses
entschied, C.________ habe gegenüber dem Beschwerdeführer in den Ausstand zu
treten. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die vom Beschwerdeführer beantragte formelle Vereinigung mit dem Verfahren 4A_3
/2012 erscheint nicht sinnvoll, da die in diesem Verfahren als Beschwerdegegner
auftretende Partei im hier zu entscheidenden vor Bundesgericht nicht als Partei
auftritt. Der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen
Zwischenentscheid massgebende Streitwert bestimmt sich nach den Begehren, die
vor der Instanz streitig sind, wo die Hauptsache hängig ist (Art. 51 Abs. 1
lit. c BGG). Das Streitwerterfordernis für eine Beschwerde in Zivilsachen in
mietrechtlichen Fällen (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) ist angesichts des vom
Beschwerdeführer behaupteten Mietzinses von Fr. 1'000.-- inkl. Nebenkosten
erreicht (Art. 51 Abs. 4 BGG). Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist
daher nicht einzutreten (Art. 113 BGG).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine kantonale Beschwerde habe sich
entgegen der Annahme der Vorinstanz klarerweise nicht gegen den
Sistierungsbeschluss und damit gegen eine auf einem formellen Entscheid
beruhende Rechtsverzögerung gerichtet, sondern gegen das Verstreichenlassen der
Frist nach Art. 203 Abs. 1 und 4 ZPO. Hätte der Beschwerdeführer die
Sistierungsverfügung angefochten, wäre die Frist nach Art. 203 ZPO nicht
abgelaufen gewesen, so dass er keine entsprechende Rüge hätte erheben können.

2.1 Wird eine prozessleitende Verfügung angefochten, so beträgt die Frist zur
Einreichung einer Beschwerde im Sinne von Art. 319 ff. ZPO zehn Tage, sofern
das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Gegen
Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde eingereicht werden (Art. 321 Abs. 4
ZPO). Die Frist zur Anfechtung der Sistierungsverfügung vom 12. Januar 2012 war
am 3. April 2012 bereits abgelaufen, zumal die jederzeitige Anfechtbarkeit nach
Art. 321 Abs. 4 ZPO die Fälle vor Augen hat, in denen kein anfechtbarer
Entscheid erging (NICOLAS JEANDIN, in: CPC: Code de procédure civile commenté,
Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 12 zu Art. 321 ZPO; FREIBURGHAUS/AFHELDT,
in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und
andere [Hrsg.], 2010, N. 6. zu Art. 321 ZPO), und nicht zum Zuge kommt, sofern
die Verzögerung durch einen den Parteien selbständig eröffneten anfechtbaren
Entscheid bewirkt wird (SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 2010, N. 10 zu Art. 319 ZPO; IVO W. HUNGERBÜHLER, in:
Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO]: Kommentar, Brunner und andere
[Hrsg.], 2011, N. 14 zu Art. 321 ZPO).

2.2 Gemäss den Bestimmungen über das Schlichtungsverfahren hat die Verhandlung
innert zwei Monaten seit Eingang des Gesuchs oder nach Abschluss des
Schriftenwechsels stattzufinden (Art. 203 Abs. 1 ZPO). Mit Zustimmung der
Parteien kann die Schlichtungsbehörde weitere Verhandlungen durchführen. Das
Verfahren ist spätestens nach zwölf Monaten abzuschliessen (Art. 203 Abs. 4
ZPO). Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich in seiner Beschwerde
nicht gegen den Sistierungsentscheid gewandt, sondern gegen das
Verstreichenlassen der Fristen nach Art. 203 ZPO. Dem Sistierungsentscheid
konnte der Beschwerdeführer indessen entnehmen, dass das Verfahren bis zum
Entscheid des Bundesgerichts sistiert werden sollte. Wie lange das Verfahren
vor Bundesgericht dauern würde, war nicht abzusehen. Für den Beschwerdeführer
war daher erkennbar, dass beim Erlass des Sistierungsentscheides keine
Rücksicht auf die Fristen nach Art. 203 ZPO genommen wurde. Damit hätte bereits
die Sistierungsverfügung Anlass zu den vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen
gegeben. Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Entscheid nicht zu
beanstanden.

2.3 Aber auch davon abgesehen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Nach
Art. 126 Abs. 1 ZPO kann das Gericht das Verfahren sistieren, wenn die
Zweckmässigkeit dies verlangt, namentlich wenn der Entscheid vom Ausgang eines
anderen Verfahrens abhängig ist. Auch im Schlichtungsverfahren muss eine
Sistierung zulässig sein, wenn die sofortige Durchführung der Verhandlung
unzweckmässig erscheint. Die Botschaft erwähnt ausdrücklich die Möglichkeit,
das Verfahren während der Jahresfrist von Art. 203 Abs. 4 ZPO pendent zu
halten, um den Parteien Vergleichsverhandlungen zu ermöglichen, wobei das
Verfahren allerdings auch in diesem Fall binnen Jahresfrist abzuschliessen ist
(Botschaft zur ZPO, BBl 2006 7331 Ziff. 5.13 zu Art. 200 Abs. 4 E-ZPO). Eine
Sistierung, die zu einer längeren Hängigkeit des Verfahrens vor der
Schlichtungsstelle führen kann, ist daher nur mit Zurückhaltung anzuordnen.
2.3.1 Zu beachten ist allerdings, dass die in Art. 203 Abs. 4 ZPO vorgesehene
Jahresfrist die Verfahrensdauer vor der Schlichtungsbehörde regelt, nicht die
Dauer eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens. Der Beschwerdeführer wandte
sich am 31. Mai 2011 an die Schlichtungsbehörde. Bereits am 9. Juni 2011 fällte
diese ihren Nichteintretensentscheid. Erst mit dem Entscheid des Obergerichts
vom 9. Dezember 2011 gelangte das Verfahren erneut vor die Schlichtungsstelle.
Vor dieser dauert das Verfahren damit selbst zusammengerechnet noch keine 12
Monate.
2.3.2 Die Sistierung des Verfahrens ist aber auch davon abgesehen nicht zu
beanstanden. Sowohl die ZPO (Art. 50 Abs. 2 ZPO) als auch das BGG (Art. 92 BGG)
sehen die sofortige Anfechtbarkeit der Entscheide über Ausstandsbegehren vor,
im Bestreben diese Fragen rasch zu klären, damit das Verfahren, für welches ein
Ausstandsbegehren gestellt wurde, korrekt seinen Fortgang nehmen kann. Unter
diesem Gesichtspunkt erscheint die Sistierung zweckmässig. Der Beschwerdeführer
zeigt nicht auf, dass er im kantonalen Verfahren prozesskonform Umstände
angeführt hätte, die einen materiellen Entscheid über die Streitfrage als
dringlich erscheinen liessen. Führt die Schlichtungsbehörde die Verhandlung
durch, bevor das Bundesgericht über die bei ihm hängige Beschwerde betreffend
die korrekte Zusammensetzung und das Ausstandsbegehren (Verfahren 4A_3/2012)
entschieden hat, besteht kein Anlass, C.________ vom Verfahren auszuschliessen,
da das Obergericht die Zusammensetzung der Schlichtungsbehörde nicht
beanstandet hat. Der Beschwerdeführer beantragt aber vor Bundesgericht die
Durchführung der Schlichtungsverhandlung ohne C.________, was er mit Hinweis
auf die von ihm als verletzt gerügten Fristen nach Art. 203 ZPO ohnehin nicht
erreichen kann.

3.
Damit erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als offensichtlich
unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Auf die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten. Dem Verfahrensausgang
entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig. Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergerichtspräsidenten des Kantons
Glarus schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juni 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak