Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.177/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_177/2012

Urteil vom 17. Juli 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Daniel Maier,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________ SA,
vertreten durch Advokat Dr. Rafael Klingler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Auftrag: örtliche Zuständigkeit,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Zivilrecht,
vom 6. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Am 4. November 2005 bestellte die Z.________ S.A. mit Sitz in Spanien bei der
Q.________ AG mit Sitz in der Schweiz (nachmals X.________ AG, nachstehend:
Lieferantin) eine von dieser angebotene Biodieselanlage. Die für den damit
abgeschlossenen Liefervertrag (Supply Agreement) massgeblichen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) sahen in Art. 9.1 für allfällige Streitigkeiten aus
dem Vertrag R.________ als Gerichtsstand vor. Endabnehmerin der Biodieselanlage
war die Y.________ S.A. (nachstehend: Endabnehmerin) mit Sitz in Spanien. Wegen
Zahlungsschwierigkeiten der Z.________ schloss diese mit der Lieferantin und
der Endabnehmerin am 6. März 2006 einen in englischer Sprache verfassten
Abtretungsvertrag (Assignment Agreement). Gemäss Ziff. 1 dieses Vertrags
übertrug die Z.________ ihre Rechte und Pflichten aus dem Liefervertrag auf die
Endabnehmerin, die Lieferantin akzeptierte diese Übertragung und verpflichtete
sich, ihre Lieferpflichtungen gemäss den Bedingungen des Liefervertrages
gegenüber der Endabnehmerin zu erfüllen, welche sich verpflichtete, der
Lieferantin die in Ziff. 2 des Abtretungsvertrages genannten noch ausstehenden
Zahlungen zu leisten. In Ziff. 6.1 des Abtretungsvertrages sahen die Parteien
vor, dass dieser Vertrag dem spanischen Recht untersteht und er in
Übereinstimmung damit auszulegen ist ("This agreement shall be governed by, and
construed in accordance with Spanish common law"). Ziff. 6.2 des
Abtretungsvertrages erklärte für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag,
namentlich betreffend Auslegung, Gültigkeit, Erfüllung und Beendigung, die
Gerichte der Stadt S.________ (Spanien) als zuständig.

B.
Am 9. Februar 2010 klagte die Lieferantin (Klägerin) vor dem Bezirksgericht
Arlesheim gegen die Endabnehmerin (Beklagte) auf Zahlung von Fr. 52'040.-- und
auf Feststellung, dass sie das umstrittene Biodieselverarbeitungswerk
vertragsgemäss geliefert habe und weder Wandelungs-, Nachbesserungs- noch
Minderungsansprüche bestünden. Zudem stellte die Klägerin verschiedene
Eventualbegehren. Das Bezirksgericht beschränkte das Verfahren einstweilen auf
die Frage der von der Beklagten bestrittenen örtlichen Zuständigkeit, welche es
gemäss Zwischenentscheid vom 12. Mai 2011 für gegeben erklärte. Es hielt dafür,
mit der im Abtretungsvertrag vorgesehenen Übertragung der Rechte und Pflichten
aus dem Liefervertrag auf die Beklagte, sei auch die im Liefervertrag
vereinbarte Gerichtsstandklausel auf die Beklagte übergegangen. Da sich die
eingeklagte Forderung auf diesen Vertrag stütze und sich die
Gerichtsstandsklausel in Ziff. 6.2 des Abtretungsvertrages nur auf
Streitigkeiten beziehe, welche den Vertragsgegenstand dieses Vertrages
betreffen, setze diese Klausel die Gerichtsstandsklausel des Liefervertrages
nicht ausser Kraft. Auf Berufung der Beklagten hin hob das Kantonsgericht
Basel-Landschaft am 6. Dezember 2011 den Zwischenentscheid des Bezirksgerichts
Arlesheim auf, erklärte dieses als örtlich unzuständig und trat daher auf die
Klage nicht ein.

C.
Die Klägerin (Beschwerdeführerin) beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
Zivilsachen, den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 6. Dezember
2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Bezirksgericht Arlesheim zur
Beurteilung ihrer am 9. Februar 2010 angehobenen Klage örtlich zuständig sei.
Eventualiter sei der angefochtene Entscheid zur Neubeurteilung an das
Kantonsgericht Basel-Landschaft, subeventualiter an das Bezirksgericht
Arlesheim zurückzuweisen.

Die Beklagte (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft beantragt
unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Urteils die Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist, da auch die
weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, einzutreten.

2.
2.1 Die kantonalen Gerichte haben übereinstimmend und zutreffend bezüglich der
zu beurteilenden Streitsachen zwischen Parteien mit Sitz in verschiedenen
Mitgliedstaaten des am 16. September 1988 in Lugano abgeschlossenen
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (altes
Lugano-Übereinkommen; aLugÜ; AS 1991 2436) dessen Anwendbarkeit erkannt. Mithin
ist Art. 17 Abs. 1 aLugÜ anwendbar, gemäss welchem die Parteien über eine
künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende
Rechtsstreitigkeit durch formgebundene Vereinbarung die ausschliessliche
Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaats begründen können.

2.2 Das revidierte Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ; SR
0.275.12) kommt nicht zur Anwendung, da es für die Schweiz am 1. Januar 2011 in
Kraft getreten ist, die Klage aber bereits im Jahre 2010 in der Schweiz
anhängig gemacht worden war (Art. 63 Abs. 1 LugÜ; BERNHARD BERGER in: Basler
Kommentar, LugÜ, 2011 N. 19 zu Art. 23 LugÜ; PASCAL GROLIMUND in:
Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht,
Kommentar, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 8 zu Art. 23 LugÜ). Soweit sich
die Beschwerdeführerin auf Art. 23 des revidierten LugÜ beruft, ist sie daher
nicht zu hören.

3.
3.1 Zu entscheiden ist, ob auf die Gerichtsstandsvereinbarung gemäss Art. 6.2
des Abtretungsvertrages oder auf jene gemäss Art. 9.1 der AGB abzustellen ist,
auf welche der Liefervertrag verweist. Die Vorinstanz gelangte in Anwendung der
zu Art. 18 OR entwickelten Grundsätze mittels Auslegung der
Parteivereinbarungen nach Treu und Glauben zum Ergebnis, die
Gerichtsstandsklausel gemäss den AGB zum Liefervertrag werde für die
Durchsetzung der Ansprüche aus diesem Vertrag durch die Gerichtsstandsklausel
des Abtretungsvertrages derogiert, weshalb das Bezirksgericht Arlesheim für die
vorliegende Klage unzuständig sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe die von ihr
selbst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der
herrschenden Lehre dargestellten Auslegungsregeln nach Art. 18 OR nicht
berücksichtigt und dadurch Bundesrecht verletzt. Die Beschwerdegegnerin wendet
in erster Linie ein, die Auslegung des Abtretungsvertrages, des einzigen von
beiden Prozessparteien unterzeichneten Dokuments, habe sich nach spanischem
Recht zu richten, dessen Anwendung die Parteien in Ziff. 6.1 des
Abtretungsvertrages vereinbart hätten.

3.3 Das Bundesgericht gelangte in Auseinandersetzung mit verschiedenen
Lehrmeinungen zum Ergebnis, wenn weder die Form noch die grundsätzliche
Einigung der Parteien über eine in den Anwendungsbereich von Art. 17 aLugÜ
fallenden Gerichtsstandsklausel strittig ist, habe deren Auslegung nach der lex
causae zu erfolgen (Urteil 4C.163/2001 vom 7. August 2001 E. 2b mit Hinweisen;
zustimmend: LAURENT KILLIAS, in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/
Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 133 Fn. 222 zu Art. 17 LugÜ).

3.4 Im zu beurteilenden Fall ist weder die Einhaltung der Form noch das
Zustandekommen der im Abtretungsvertrag vorgesehenen Gerichtsstandsvereinbarung
umstritten. Zu ermitteln ist einzig ihre Bedeutung hinsichtlich des
Geltungsbereichs bzw. das Verhältnis zur Gerichtsstandsklausel für den
Liefervertrag. Zu beurteilen ist somit ein reiner Streit um die Auslegung der
Gerichtsstandsvereinbarung. Unter diesen Umständen verkannte die Vorinstanz die
vorgenannten bundesrechtlichen Regeln zum anwendbaren Recht, indem sie die im
Abtretungsvertrag enthaltene Gerichtsstandsklausel nach schweizerischen
Rechtsgrundsätzen auslegte, obwohl die Parteien in Ziff. 6.1 dieses Vertrages
eine Rechtswahl zugunsten des spanischen Rechts getroffen haben und diese
Bestimmung ausdrücklich erwähnt, dass die Auslegung dieses Vertrages nach
spanischem Recht erfolgen soll. Die Anwendung des unzutreffenden Rechts durch
die Vorinstanz führt indessen entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin nicht
zur Abweisung der Beschwerde. Vielmehr ist diese hinsichtlich des
Rückweisungsantrags gutzuheissen, da die Sache zur Ermittlung und Anwendung des
massgeblichen spanischen Rechts an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (vgl. BGE
128 III 346 E. 3.3 S. 352). Diese kann das ausländische Recht entweder selber
ermitteln, oder, da ein vermögensrechtlicher Anspruch umstritten ist, dessen
Nachweis den Parteien überbinden (Art. 16 Abs. 1 IPRG; BGE 128 III 346 E. 3.2.2
S. 351 f.).

4.
Nach dem Gesagten ist das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 6.
Dezember 2011 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen
Verfahrens rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte
aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 6. Dezember 2011 aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivilrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Gelzer