Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.133/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_133/2012

Urteil vom 28. Juni 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiberin Reitze.

Verfahrensbeteiligte
A. X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt René Hufschmid,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Läuffer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Darlehensvereinbarung; Aberkennung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau Zivilgericht 1.
Kammer
vom 20. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
A.a Am 1. Dezember 1995 unterzeichneten A. X.________ (Darlehensnehmer, Kläger,
Beschwerdeführer) und dessen Ehefrau einerseits sowie B.________
(Darlehensgeberin, Beklagte, Beschwerdegegnerin) andererseits eine Vereinbarung
mit folgendem Wortlaut:

"DARLEHENSVERTRAG
(...)
Frau B.________ gewährt A. und C. X.________ ein Darlehen von Fr. 380'000.--
Der vereinbarte Zins beträgt 2,75 % pro Jahr. Das Darlehen wird nicht
zurückbezahlt, sondern in einem späteren Zeitpunkt umgewandelt, in den Kauf
einer Eigentumswohnung. Die auf den Namen von Frau B.________ grundgebucht
wird."
A.b Mit Urteil vom 15. September 2009 gewährte das Gerichtspräsidium Lenzburg
in der von der Darlehensgeberin gegen den Darlehensnehmer angehobenen
Betreibung Nr. yyy.________ des Betreibungsamtes Rupperswil die provisorische
Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 44'412.20, entsprechend einem Zins zu 2,75
% auf Fr. 380'000.-- für 51 Monate von Oktober 2004 bis Dezember 2008.

B.
B.a Mit Eingabe vom 21. Oktober 2009 erhob der Darlehensnehmer beim
Bezirksgericht Lenzburg eine Aberkennungsklage gegen die Darlehensgeberin mit
dem Antrag, es sei festzustellen, dass die von der Darlehensgeberin betriebene
Forderung von Fr. 44'412.50 nicht bestehe.

Mit Urteil vom 13. Januar 2011 wies das Bezirksgericht Lenzburg die Klage ab.
Es führte aus, dass die Vereinbarung vom 1. Dezember 1995 als Darlehensvertrag
zu qualifizieren und die darin vereinbarten Zinsen - mangels Erlass -
geschuldet seien.
B.b Gegen dieses Urteil vom 13. Januar 2011 reichte der Kläger beim Obergericht
des Kantons Aargau Berufung ein. Mit Urteil vom 20. Dezember 2011 wies das
Obergericht des Kantons Aargau die Berufung ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. Dezember 2011 sei aufzuheben
und es sei festzustellen, dass die von der Beklagten betriebene Forderung von
Fr. 44'412.50 (Betreibung Nr. yyy.________; Zahlungsbefehl vom 10. Juli 2009)
nicht bestehe und abzuerkennen sei. Eventualiter sei die Streitsache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz hat auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 417 E. 1 S. 417 mit
Hinweisen).

Das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau ist ein
verfahrensabschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG). Der Streitwert beträgt Fr. 44'412.50, womit der
für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert erreicht ist (Art.
74 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt
sind, ist - unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2
und Art. 106 Abs. 2 BGG) - auf die Beschwerde einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde
mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen
(vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E.
1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
135 II 384 E. 2.2.1 S. 389 mit Hinweisen).

1.3 In tatsächlicher Hinsicht legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig"
bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 135 III 397 E. 1.5 S. 401).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 20 OR. Die Vereinbarung vom
1. Dezember 1995 sei nicht nur teilweise, sondern gänzlich nichtig. Damit seien
keine Zinsleistungen geschuldet und die bereits ausgetauschten Leistungen seien
infolge ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuerstatten, wobei der
Beschwerdeführer dem Rückerstattungsanspruch die Verjährungseinrede
entgegenhält.

2.1 Die Vorinstanz hat erwogen, dass der im "Darlehensvertrag" vereinbarte
Rückerstattungsvorgang - die spätere Umwandlung des Darlehens in den Kauf einer
Eigentumswohnung - der öffentlichen Beurkundung bedurft hätte. Die
Nichtbeachtung dieser Formvorschrift habe die Nichtigkeit der entsprechenden
Abmachung zur Folge; diese Teilnichtigkeit berühre jedoch die Gütigkeit der
Darlehensvereinbarung nicht, womit die im Vertrag vom 1. Dezember 1995
vereinbarten Zinsen durch den Beschwerdeführer geschuldet seien.

2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen,
dass der Vertrag ohne diesen nichtigen Teil nicht geschlossen worden wäre. Es
sei nicht der Wille der Parteien gewesen, dass das "Darlehen" zurückbezahlt
werden müsse, sondern einzig, dass die Beschwerdegegnerin im Gegenzug für
diesen Betrag eine Wohnung zu Eigentum übernehme.

2.3 Gemäss Art. 20 Abs. 2 OR sind, sofern ein Mangel bloss einzelne Teile des
Vertrages betrifft, nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er
ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Diese Regel
ist eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, wonach im Sinne einer
geltungserhaltenden Reduktion die Nichtigkeit nur so weit reichen soll, als es
der Schutzzweck der verletzten Norm verlangt (BGE 123 III 292 E. 2e/aa S. 298
f.). Die Frage, ob der Vertrag ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre,
ist grundsätzlich nach dem Vertrauensprinzip zu beantworten, indem der
mutmassliche bzw. hypothetische Parteiwille ermittelt wird, sofern nicht ein
diesbezüglicher tatsächlicher Parteiwille nachgewiesen werden kann. Die
Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens ist eine vom Bundesgericht zu
überprüfende Rechtsfrage, wobei es an die Feststellung des kantonalen Gerichts
über die Tatsachen, die als Anhaltspunkte dafür in Betracht kommen, gebunden
ist (BGE 107 Il 216 E. 3b S. 218 f. mit Hinweis). Dabei ist danach zu fragen,
welche Vereinbarung die Parteien unter den konkreten Umständen in Kenntnis des
Mangels getroffen hätten (BGE 124 III 57 E. 3c S. 60 mit Hinweisen), wobei der
Zeitpunkt des Vertragsschlusses dafür massgeblich ist.

2.4 Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte keine Anzahlung von der
Beschwerdegegnerin entgegengenommen, wenn er gewusst hätte, dass sie nicht die
Absicht gehabt habe, in einem späteren Zeitpunkt eine Eigentumswohnung zu
übernehmen und dass er zudem auf den Bau einer zusätzlichen Wohnung verzichtet
oder die Wohnung anders finanziert hätte, widerspricht den tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Entscheid und ist damit unbeachtlich (vgl. Art.
105 Abs. 1 BGG).

Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass es im
Moment des Vertragsschlusses die Meinung aller Beteiligter gewesen sei, dass
die Beschwerdegegnerin mit dem Überlassen eines Betrages in der Höhe von Fr.
380'000.-- dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau in erster Linie bei der
Finanzierung ihres Bauprojekts habe helfen wollen. Der Kauf einer Wohnung durch
die Beschwerdegegnerin sei bei der Vereinbarung vom 1. Dezember 1995 kein oder
jedenfalls nicht das im Vordergrund stehende Thema gewesen. Damit hat die
Vorinstanz verbindlich festgestellt, dass es der Wille der Parteien war, den
Beschwerdeführer mit dem Geld bei seinem Bauvorhaben zu unterstützen und nicht
die Übertragung einer Eigentumswohnung anzustreben. Die Hingabe des Geldes war
nicht untrennbar mit dem Kauf einer Wohnung durch die Beschwerdegegnerin
verknüpft. Es ging den Parteien mit der Vereinbarung vom 1. Dezember 1995
einzig darum, dem Beschwerdeführer bei der Ausführung seines Bauprojekts
finanziell zu helfen. Demnach durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von
Bundesrecht davon ausgehen, dass die Parteien die Vereinbarung auch ohne den
nichtigen Teil geschlossen hätten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers
hat die Vorinstanz somit die Frage der Teilnichtigkeit geprüft und ohne
Bundesrechtsverletzung bejaht.
Ohnehin verkennt der Beschwerdeführer, dass bei Zweifeln am Bestehen eines
hypothetischen Parteiwillens der Teilnichtigkeit der Vorzug zu geben ist (BGE
138 III 29 E. 2.3.2 S. 39 mit Hinweisen). Der Vorinstanz ist keine Missachtung
der massgeblichen Grundsätze hinsichtlich der Beurteilung des hypothetischen
Parteiwillens vorzuwerfen. Eine Verletzung von Art. 20 OR ist nicht dargetan.

2.5 Der Beschwerdeführer bringt für den Fall der Bejahung der Teilnichtigkeit
vor, dass die Vereinbarung lückenhaft und hinsichtlich der
Rückerstattungsmodalitäten nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens zu
ergänzen sei; keine der beiden Vorinstanzen habe sich mit dieser Frage befasst.

Der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens ausschliesslich der Bestand der Zinsforderung aus der Vereinbarung
vom 1. Dezember 1995 ist. Die Rückerstattungsmodalitäten des Darlehens waren
nicht Streitgegenstand und stehen nicht zur Diskussion. Demnach haben sich die
Vorinstanzen zu Recht nicht mit dieser Frage befasst.

2.6 Nach dem Gesagten sind die in der Vereinbarung vom 1. Dezember 1995
vereinbarten Zinsen geschuldet.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau
Zivilgericht 1. Kammer schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Juni 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Die Gerichtsschreiberin: Reitze