Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.125/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_125/2012

Urteil vom 16. Juli 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG, Zweigniederlassung Q.________,
vertreten durch Rechtsanwalt
Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Florian Németh, Auerstrasse 2, Postfach 91, 9435
Heerbrugg,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Schadenersatz,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 6. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
Y.________ (Beschwerdegegner) arbeitete vom 29. September 2008 bis Januar 2009
als Betriebsmechaniker in einer Zweigniederlassung der X.________ AG,
(Beschwerdeführerin). Am 30. April 2009 belangte er die Beschwerdeführerin vor
dem Arbeitsgericht Rheintal auf Zahlung von insgesamt Fr. 30'000.-- brutto als
Entschädigung für ungerechtfertigte fristlose Entlassung, Überstunden und nicht
bezogene Ferien. Die Beschwerdeführerin beantragte die Abweisung der Klage und
verlangte mit Widerklage, der Beschwerdegegner sei zur Bezahlung von
Schadenersatz in durch ein Beweisverfahren zu ermittelnder Höhe (maximal Fr.
30'000.--) zu verpflichten. Sie behauptete, der Beschwerdegegner habe diverse
Arbeiten aus seinem Aufgabenbereich nicht oder nur schlecht verrichtet und ihr
durch diverse Fehlmanipulationen einen erheblichen Schaden verursacht. Mit
Entscheid vom 9. November 2009 schützte das Kreisgericht Rheintal die Klage des
Beschwerdegegners im Betrage von Fr. 22'180.-- netto und Fr. 6'155.10 brutto.
Die Widerklage wies es ab, im Wesentlichen mit der Begründung, die Behauptungen
der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegner sei für einen Schaden von maximal
Fr. 30'000.-- verantwortlich, seien völlig unsubstanziiert und ungenügend zum
Beweis verstellt worden.

B.
Die Beschwerdeführerin gelangte mit Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen,
zur Hauptsache mit dem Antrag auf Abweisung der Klage und Gutheissung der
Widerklage. Das Kantonsgericht trennte das Verfahren betreffend die Widerklage
ab und sprach dem Beschwerdegegner mit Entscheid vom 22. Juli 2010 Fr.
19'380.-- netto und Fr. 6'155.10 brutto zu. Die Beschwerdeführerin zog diesen
Teilentscheid an das Bundesgericht weiter, welches die Beschwerde jedoch abwies
(Urteil des Bundesgerichts 4A_517/2010 vom 11. November 2010). Insoweit ist das
Urteil des Kantonsgerichts rechtskräftig. Nach Fortsetzung des Verfahrens
betreffend die Widerklage wies das Kantonsgericht die Berufung am 6. Februar
2012 ab.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
Zivilsachen die Aufhebung des Entscheides vom 6. Februar 2012 und die
Gutheissung der Widerklage. Hilfsweise sei das Verfahren zu neuer Entscheidung
unter Beachtung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin an das
Kantonsgericht zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige
Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Da die Beschwerdeführerin ihren Sitz im Fürstentum Lichtenstein hat und der
Beschwerdegegner in der Schweiz wohnt, liegt ein internationaler Sachverhalt
vor. Die Vorinstanz beurteilte den Fall zu Recht nach schweizerischem Recht, da
der Streit unter den Parteien seinen Ursprung in einem Arbeitsverhältnis hat
und der Beschwerdegegner seine Arbeit in der Schweiz verrichtete (Art. 121 Abs.
1 IPRG).

2.
2.1 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Soweit das
Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 BGG), ist zwar eine
ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus
den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz
verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des
angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine
Verletzung von Bundesrecht liegen soll. Der Beschwerdeführer soll in der
Beschwerde nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die er im kantonalen Verfahren
eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit seiner Kritik an den als
rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 134 II 244
E. 2.1 S. 246; 134 V 53 E. 3.3 S. 60; vgl. BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.).

2.2 Soweit eine Verletzung von Grundrechten und kantonalem oder interkantonalem
Recht geltend gemacht wird, findet der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes
wegen keine Anwendung, sondern es gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Es ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte missachtet
wurden oder der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist. Der Richter untersucht
den angefochtenen Entscheid nicht von sich aus umfassend auf seine
Verfassungsmässigkeit, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der in der
Beschwerde rechtsgenüglich vorgebrachten Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133
III 393 E. 6 S. 397; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin vertrat vor der Vorinstanz den Standpunkt, sie habe
den Schaden, für den sie Ersatz fordere, hinreichend substanziiert, indem sie
auf eine Schadenszusammenstellung von Z.________ verwiesen habe, welcher die
dem Beschwerdegegner angelasteten Schäden bzw. die 15 Mängel, die zu Schäden
geführt hätten, genau dokumentiert habe. Für die Bezifferung des angerichteten
Schadens sei eine Expertise anzuordnen.

3.2 Die Vorinstanz kam gestützt auf das noch anwendbare kantonale
Zivilprozessrecht zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin habe keine Angaben zur
Höhe des Schadens geliefert, und zwar weder in Bezug auf die einzelnen
Positionen noch auf den gesamten Schaden. Überdies habe die Beschwerdeführerin
nicht dargetan, dass der Beschwerdegegner für die geltend gemachten Schäden an
ihren Einrichtungen verantwortlich sei. Die Beschwerdeführerin habe in
quantitativer Hinsicht lediglich pauschal geltend gemacht, aus
Zuständigkeitsgründen habe sie die Forderung auf maximal Fr. 30'000.--
beschränkt. Indessen wäre eine Bezifferung durchaus möglich gewesen, ohne dass
die Beschwerdeführerin im Vorfeld des Prozesses zur Bestimmung der Schadenshöhe
eine teure Expertise hätte in Auftrag geben müssen. Die Beschwerdeführerin
hätte vielmehr eine Reparaturfirma mit der Instandstellung der Mängel betrauen
und dafür eine Offerte einholen können, was mit geringem Aufwand möglich
gewesen wäre. Dass es für die Beschwerdeführerin unmöglich oder unzumutbar
gewesen wäre, die Höhe ihrer Ansprüche, das heisst die Kosten für die
Mängelbehebung zu Beginn des Prozesses genau anzugeben, sei nicht ersichtlich.
Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin auch den Zusammenhang zwischen den
Fehlmanipulationen des Beschwerdegegners und den behaupteten Schäden nicht
rechtsgenügend substanziiert. Nach kantonalem Prozessrecht sei unzulässig,
zunächst nur unbestimmte Behauptungen aufzustellen in der Hoffnung, diese
könnten aufgrund des Beweisverfahrens konkretisiert werden. Über ungenügend
substanziierte Tatsachen sei kein Beweis abzunehmen.

4.
4.1 Da sich der Gegenstand der Behauptungs- und Substanziierungslast nach der
materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage richtet, bestimmen für
Rechtsverhältnisse des Bundesprivatrechts die anwendbaren Normen des
Bundesrechts, wieweit die anspruchsbegründenden Tatsachen inhaltlich zu
substanziieren sind, damit sie unter die massgeblichen Bestimmungen des
materiellen Rechts subsumiert werden können. Das kantonale Prozessrecht darf
von den Parteien keine darüber hinausgehende Substanziierung verlangen (BGE 108
II 337 E. 2b-d S. 339 f.; 133 III 153 E. 3.3 S. 162; 127 III 365 E. 2b S. 368
mit Hinweisen). Dagegen bleibt es dem kantonalen Prozessrecht überlassen, ob es
eine Ergänzung der Substanziierung im Beweisverfahren zulassen oder diese
bereits im Behauptungsstadium in einer Weise verlangen will, welche die
Überprüfung der Sachvorbringen im Beweisverfahren erlaubt (BGE 108 II 337 E. 3
S. 341 f.).

4.2 Inwiefern die Vorinstanz gegen diese Grundsätze verstossen oder kantonales
Prozessrecht willkürlich angewandt haben soll, als sie es ablehnte, eine
Schadensbezifferung durch Expertise zuzulassen, zeigt die Beschwerdeführerin
nicht auf und ist nicht ersichtlich. Der Schaden ist vom Geschädigten
grundsätzlich ziffernmässig nachzuweisen (Art. 42 Abs. 1 OR). Dass es ihr nicht
möglich gewesen wäre, den Schaden zu beziffern (Art. 42 Abs. 2 OR)
beziehungsweise die Höhe des geltend gemachten Schadens zu substanziieren,
macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Es verletzt daher kein Bundesrecht,
wenn die Vorinstanz für die Durchführung des Beweisverfahrens hinreichend
substanziierte Behauptungen zur Schadenshöhe verlangt. Hätte die
Beschwerdeführerin anhand von Voranschlägen die Kosten der notwendigen
Reparaturen beziffert, hätte sich der Beschwerdegegner dazu substanziiert
aussprechen und seinerseits Beweise offerieren können. Wenn die
Beschwerdeführerin vorträgt, allfällige Kostenvoranschläge hätten von der
Gegenseite als Parteibehauptung zurückgewiesen werden können und daraus
ableitet, die angebotene Expertise sei zulässig gewesen, verkennt sie, dass ihr
nach dem kantonalen Prozessrecht oblag, zunächst eben diese Parteibehauptungen
zu den einzelnen Schadenspositionen aufzustellen. Da sie dies nicht getan hat,
ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz kein Beweisverfahren durchführte
und die beantragte Expertise nicht anordnete. Mangels hinreichend
substanziierter Behauptungen war entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin
auch Z.________ nicht als Zeuge einzuvernehmen. Die diesbezügliche Rüge der
Verletzung ihres Gehörsanspruchs geht ins Leere.

5.
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin für
das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66
Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juli 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak