Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.103/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_103/2012

Urteil vom 26. Juni 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Verfahrensbeteiligte
Stadt Zürich, Tiefbauamt,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Schmid-Lenz,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ivo Zellweger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Haftpflicht; Schadenersatz und Genugtuung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 18. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
A.________ war am 14. Juni 2007 zu Fuss auf dem Trottoir der Kurhausstrasse in
Zürich unterwegs, als er auf der Einfahrt zu einer Baustelle auf dem durch
Lastwagen mit Sand verschmutzten Bereich ausrutschte und halbwegs zu Boden
stürzte. Er zog sich dabei am rechten Knie Verletzungen zu, obwohl er von einer
ihn begleitenden Person aufgefangen wurde. In der Folge wurde er bis zum 15.
Dezember 2007 degressiv von 100 % auf 25 % arbeitsunfähig geschrieben.

B.
Am 8. Oktober 2008 klagte A.________ (Kläger) vor dem Bezirksgericht Zürich
gegen die Stadt Zürich (Beklagte 1) als Werkeigentümerin gemäss Art. 58 OR und
gegen die R.________ AG Bauunternehmung (Beklagte 2) als für die Reinigung des
öffentlichen Grundes zuständige Baufirma gemäss Art. 41 OR auf solidarische
Verpflichtung zur Zahlung von Fr. 35'000.--, unter Vorbehalt des
Nachklagerechts. Zur Begründung brachte der Kläger vor, die Ursache für seinen
Sturz vom 14. Juni 2007 sei eine auf dem Trottoir liegende Schicht von
trockenem Sand gewesen. Zum Unfall wäre es nicht gekommen, wenn die Beklagten
ihre Unterhalts- bzw. Reinigungspflichten erfüllt hätten, weshalb er Anspruch
auf Schadenersatz und Genugtuung habe.

Das Bezirksgericht verneinte eine Verletzung der Reinigungs- und
Unterhaltspflichten und wies daher die Klage mit Urteil vom 22. Dezember 2010
ab.
Auf Berufung des Klägers hin bejahte das Obergericht des Kantons Zürich eine
Verletzung der Reinigungs- und Unterhaltspflichten und deren Kausalität zum
Sturz. Es hob daher mit Beschluss vom 18. Januar 2012 das erstinstanzliche
Urteil auf und wies die Sache zur Prüfung der weiteren Haftungsvoraussetzungen
und gegebenenfalls zur Festsetzung von Schadenersatz und Genugtuung an das
Bezirksgericht zurück.

C.
Die Beklagte 1 (Beschwerdeführerin) beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde
in Zivilsachen, den Beschluss des Obergerichts vom 18. Januar 2012 aufzuheben
und die Klage in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom
22. Dezember 2010 abzuweisen.

Der Kläger (Beschwerdegegner) schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit voller Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 137 III 417 E. 1 S. 417 mit Hinweisen).

1.1 Die Beschwerdeführerin erkennt zutreffend, dass es sich beim angefochtenen
Beschluss, der weder eine Frage der Zuständigkeit noch des Ausstands im Sinne
von Art. 92 BGG behandelt, um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs.
1 BGG handelt, weshalb die unmittelbar dagegen gerichtete Beschwerde nur in
zwei Fällen zulässig ist:

Erstens, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Dies trifft vorliegend offensichtlich nicht
zu und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht.

Zweitens, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Diese
aus prozessökonomischen Gründen vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz, dass sich
das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll, ist
restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn
sie einen Zwischenentscheid nicht selbstständig, sondern erst gemäss Art. 93
Abs. 3 BGG zusammen mit dem Endentscheid anfechten (BGE 133 IV 288 E. 3.2 S.
292).

Wer sich auf die Ausnahme gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG beruft, hat
detailliert aufzuzeigen, welche Tatfragen offen sind und welche betreffenden
Beweise im kantonalen Verfahren bereits angerufen wurden und inwiefern deren
Abnahme ein langes und kostspieliges Beweisverfahren erfordert, sofern dies
nicht offensichtlich ist (BGE 133 III 629 E. 2.4.2 S. 633 mit Hinweisen). Damit
sich eine direkte Anfechtung rechtfertigt, muss sich das zu vermeidende
Beweisverfahren hinsichtlich der Dauer und der Kosten deutlich von gewöhnlichen
Verfahren abheben. Dies ist bei der Anhörung der Parteien und einiger Zeugen
noch nicht der Fall. Anders verhält es sich etwa, wenn das zu erwartende
Beweisverfahren ein komplexes oder mehrere Gutachten, oder die Anhörung einer
sehr hohen Anzahl von Zeugen oder die Einvernahme von Zeugen auf dem
Rechtshilfeweg in fernen Ländern umfasst (Urteil 4A_210/2010 vom 1. Oktober
2010 E. 3.3.1, nicht publ. in: BGE 136 III 502; Urteil 4A_174/2010 vom 2. Juni
2010 E. 1.3). Ob die Voraussetzung nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt ist,
prüft das Bundesgericht nach freiem Ermessen (vgl. BGE 118 II 91 E. 1a S. 92).

1.2 Zum zeitlichen und finanziellen Aufwand, den das noch bevorstehende
Beweisverfahren nach sich ziehen würde, bringt die Beschwerdeführerin vor, zu
den einzelnen Beweissätzen habe der Beschwerdegegner sechs Zeugen, zwei
medizinische und ein technisches Gutachten beantragt. Die grosse Anzahl und
Komplexität der beantragten Beweisabnahmen dürfte nach Auffassung der
Beschwerdeführerin hinreichend nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine
Anfechtung des Beschlusses des Obergerichts gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
kumulativ erfüllt seien.

1.3 Die Beschwerdeführerin kommt mit diesen Ausführungen ihrer
Begründungsobliegenheit nicht nach, da sie nicht substanziiert und damit nicht
rechtsgenügend aufzeigt, inwiefern die bevorstehenden Beweismassnahmen zu einem
erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand führen werden. Dies ist auch
nicht ersichtlich, zumal nicht einmal feststeht, welche umstrittenen Tatfragen
im Einzelnen der gutachterlichen Klärung bedürfen, geschweige denn, in welchem
Zeithorizont und zu welchem Preis die betreffenden Gutachten zu erwarten sind.
Die Einvernahme von sechs Zeugen dürfte sich an einem Tag bewerkstelligen
lassen. Die blosse Behauptung des grossen Aufwandes unter Hinweis auf die Akten
reicht unter diesen Umständen zur Begründung des Vorliegens einer Ausnahme
gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG nicht aus. Damit kann offen bleiben, ob die
Voraussetzung der Herbeiführung eines Endentscheides gegeben wäre, obwohl die
Beklagte 2 den Beschluss des Obergerichts vom 18. Januar 2012 nicht angefochten
hatte (vgl. betreffend Teilentscheide: Urteil 4A_650/2010 vom 28. März 2011 E.
1.4; 4A_7/2007 vom 18. Juni 2007 E. 2.2.1 mit Hinweisen).

2.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die gegen einen Zwischenentscheid
gerichtete Beschwerde als unzulässig, weshalb nicht darauf eingetreten werden
kann. Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin dafür kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juni 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Gelzer