Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.100/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_100/2012

Urteil vom 19. Juni 2012
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Kölz.

Verfahrensbeteiligte
C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Hübner,
Beschwerdeführer,

gegen

D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Weber,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Kostenregelung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, 1. Zivilkammer, vom 29.
November 2011.

Sachverhalt:

A.
Am 10. November 2005 erstattete C.________ (Beschwerdeführer) gegen D.________
(Beschwerdegegner) Strafanzeige und -antrag wegen Verleumdung, eventuell übler
Nachrede. Nach Verfahrenseinstellung durch das Bezirksamt Schwyz und Abweisung
der dagegen erhobenen Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft des Kantons
Schwyz rekurrierte der Beschwerdeführer an das Kantonsgericht Schwyz. Dieses
hob die Verfahrenseinstellung auf und wies das Verfahren zur Anklageerhebung an
das Bezirksamt zurück.

Mit Urteil vom 10. Juni 2009 sprach das Bezirksgericht Schwyz den
Beschwerdegegner für seine in einem Schreiben vom 23. Juni 2005 geäusserte
Unterstellung, der Beschwerdeführer habe Rechnung für nicht erteilte Aufträge
bzw. nicht erbrachte Leistungen gestellt, für schuldig und im Übrigen frei.
Dagegen erhoben beide Parteien Berufung an das Kantonsgericht. Dieses sprach
den Beschwerdegegner mit Urteil vom 24. November 2009 auch bezüglich der
Äusserung insgesamt, der Beschwerdeführer sei ein Hochstapler und Betrüger, der
sich mit seinen Machenschaften unrechtmässig bereichere, der üblen Nachrede für
schuldig. Mangels Spruchreife der beantragten Genugtuung wurde diese auf den
Zivilweg verwiesen. Im Urteil wird ferner angeführt, dass, da über diese
Adhäsionsforderung nicht befunden werden könne, auch die Parteikosten dasselbe
Schicksal teilten (§ 56 Abs. 3 Verordnung vom 28. August 1974 über den
Strafprozess im Kanton Schwyz [aStPO/SZ]).

B.
Am 11. Februar 2011 erhob der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Schwyz Klage
mit dem Antrag, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihm Fr. 29'168.10
nebst Zins und Weisungskosten zu bezahlen. Der verlangte Betrag setzt sich
zusammen aus Anwaltskosten im erwähnten Strafverfahren betreffend
Ehrverletzungsdelikte von Fr. 23'973.90 und Kosten aus persönlichen Umtrieben
des Beschwerdeführers selbst von Fr. 5'194.20. Im Einverständnis der Parteien
wurde das Verfahren auf die Frage beschränkt, ob dem Grundsatz nach ein
Anspruch auf Entschädigung der geltend gemachten Rechtsvertretungskosten sowie
persönlichen Umtriebe bestehe. Mit Urteil vom 7. September 2011 wies der
Einzelrichter am Bezirksgericht Schwyz die Klage ab, soweit er darauf eintrat.

Dagegen reichte der Beschwerdeführer beim Kantonsgericht Schwyz Berufung ein.
Er beantragte die Rückweisung zur Durchführung des Beweisverfahrens im Sinne
der Erwägungen, eventualiter die Verpflichtung des Beschwerdegegners, ihm Fr.
29'168.10 nebst Zins und Fr. 250.-- Weisungskosten zu bezahlen. Mit Urteil vom
29. November 2011 wies das Kantonsgericht die Berufung ab und bestätigte das
erstinstanzliche Urteil.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde, Dispositivziffer 1 des Urteils des Kantonsgerichts
Schwyz vom 29. November 2011 sei aufzuheben und es sei die Vorinstanz
anzuweisen, die Berufung des Beschwerdeführers gutzuheissen. Es sei die Sache
an die Vorinstanz zur Durchführung des Beweisverfahrens im Sinne der Erwägungen
zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner begehrt, sowohl die Beschwerde in Zivilsachen als auch die
Verfassungsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz
beantragt, die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei bzw. auf
die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten.

Die Parteien reichten Replik und Duplik ein.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer stellt den Verfahrensantrag, es seien zusätzlich zu den
vorinstanzlichen Akten auch die Akten des Strafverfahrens vor dem
Bezirksgericht Schwyz (BS 09 10) einschliesslich der Strafuntersuchung vor dem
Bezirksamt Schwyz (V 05 1215) sowie des Beschwerdeverfahrens (RK 2009 17) und
des Berufungsverfahrens (SK 2009 30 und 31) vor dem Kantonsgericht Schwyz
beizuziehen.

Da die vorliegende Beschwerde ohne Bezug der Akten aus dem Strafverfahren
beurteilt werden kann, ist dieser Antrag abzulehnen.

2.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 135 III 1 E. 1.1 mit Hinweisen).

2.1 Vorliegend wurden die Zivilforderungen (Genugtuungsanspruch und die damit
zusammenhängenden Parteikosten) des Beschwerdeführers auf den Zivilweg
verwiesen. Hierauf klagte der Beschwerdeführer auf Ersatz der im Strafverfahren
entstandenen Kosten aus der Rechtsvertretung und eigenen Umtrieben. Bei einer
solchen Konstellation (Verweis der Zivilansprüche auf den Zivilweg) unterliegt
das daraufhin ergangene Zivilurteil grundsätzlich der Beschwerde in Zivilsachen
und nicht der Beschwerde in Strafsachen mit der Folge, dass das für die
Beschwerde in Zivilsachen geltende Streitwerterfordernis erfüllt sein muss
(vgl. MARC THOMMEN, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2011, N. 32 zu Art. 78 BGG).

Vorliegend erreicht der Streitwert (Fr. 29'168.10) die Grenze von Fr. 30'000.--
(Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) nicht, weshalb sich die Beschwerde in Zivilsachen
insofern als unzulässig erweist.

Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in
Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist
auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG).

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerdeschrift dazu keine Ausführungen
und zeigt nicht auf, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu
beurteilen wäre. Sein Versuch, dies in der Replik nachzutragen, ist verspätet
und kann nicht berücksichtigt werden. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist
sich demnach auch im Hinblick auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG als unzulässig. Auf
dieselbe ist demnach nicht einzutreten.

2.2 Damit erweist sich die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde
als zulässig (Art. 113 BGG). Mit dieser kann ausschliesslich die Verletzung von
verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht
kann die Verletzung eines Grundrechts nur prüfen, wenn eine solche Rüge in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 i.V.m.
Art. 117 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2; 133 III 439 E. 3.2 S. 444). Auf
unzureichend begründete Beschwerden wird nicht eingetreten.

3.
Nach § 56 der hier noch anwendbaren Schwyzer Strafprozessordnung (aStPO/SZ) hat
der Angeklagte dem Geschädigten oder dem Opfer auf Verlangen die Parteikosten
ganz oder teilweise zu ersetzen, wenn der privatrechtliche Anspruch des
Geschädigten oder des Opfers ganz oder teilweise gutgeheissen wird (Abs. 1).
Wird der Geschädigte oder das Opfer abgewiesen, können sie zu den Kosten
verurteilt werden, die aus der Behandlung des Anspruchs entstanden sind. Auf
Verlangen des Angeklagten haben sie ausserdem einen angemessenen Anteil an die
Parteikosten zu bezahlen (Abs. 2). Wird über den privatrechtlichen Anspruch
mangels Verurteilung nicht befunden oder der privatrechtliche Anspruch zum
Entscheid an den Zivilrichter gewiesen, hat dieser auf Antrag über die mit der
Behandlung des Anspruches zusammenhängenden Parteikosten zu entscheiden (Abs.
3).

Die Vorinstanz erwog unter anderem, der Beschwerdeführer habe keinen
selbständigen Zivilanspruch nach § 56 Abs. 3 aStPO/SZ (Schadenersatz oder
Genugtuung infolge strafrechtlich relevanten Verschuldens) geltend gemacht.
Allein für den Strafprozess aufgewendete, nicht der Durchsetzung der
Zivilforderung dienende Parteikosten seien jedoch nicht ersatzfähig, weshalb
die Zivilklage zu Recht abgewiesen worden sei.

Die Rügen, die der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, können nur geprüft
werden, soweit er hinlänglich begründet eine Verletzung verfassungsmässiger
Rechte geltend macht. Auf Rügen der Verletzung von einfachem Bundesrecht, wie
namentlich diejenige einer Nichtanwendung von Art. 41 OR, kann im Rahmen der
subsidiären Verfassungsbeschwerde nicht eingegangen werden (vgl. Erwägung 2.2).
Dabei hilft es dem Beschwerdeführer nicht, wenn er in der Replik versucht,
seine Rügen nachzubessern und neu eine Verletzung der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts vorbringt. Die Beschwerde ist innert der Beschwerdefrist
vollständig begründet einzureichen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer
darf die Replik nicht dazu verwenden, seine Beschwerde zu ergänzen oder zu
verbessern (vgl. BGE 132 I 42 E. 3.3.4). Die Ausführungen betreffend Art. 41
OR, in denen keine (hinlänglich begründete) Rüge der Verletzung
verfassungsmässiger Rechte erblickt werden kann, sind daher nicht zu hören.

4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dem Opfer im Sinne des OHG würden die
Kosten für die sachlich gebotene Rechtsverbeiständung im Strafverfahren
übernommen (vgl. BGE 123 II 548). Auch habe die Vorinstanz in einem anderen
Fall erwogen, § 19 Abs. 2 aStPO/SZ beschränke die unentgeltliche Rechtspflege
im Strafverfahren nicht mehr darauf, ausschliesslich Zivilansprüche geltend zu
machen. Sie könne vielmehr allgemein zur Wahrung der Rechte im Strafverfahren
bewilligt werden, jedoch nur, soweit dies erforderlich sei (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 6B_184/2007 vom 7. September 2007 E. 3.2). Dass dasselbe für die
"verfahrensrechtlich gleichgestellte" Partei des "Geschädigten" nicht gelte,
verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot, sei willkürlich und verletze das
Gebot des fairen Verfahrens nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

4.1 Die Berufung auf das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV) geht fehl, weil der
Beschwerdeführer ungleiche Sachverhalte miteinander vergleicht. So ist
namentlich das Schutzbedürfnis des Opfers höher als dasjenige des
"gewöhnlichen" Geschädigten. Diesem kommt keine Opferstellung im Sinne des OHG
zu (BGE 129 IV 206 E. 1). Beim mittellosen Rechtssuchenden geht es sodann nicht
um eine Entschädigung, wie sie der Beschwerdeführer anstrebt, sondern es soll
ihm der Zugang zur Justiz ermöglicht werden, wobei allerdings die Kostendeckung
auf das Notwendige beschränkt ist.

4.2 Inwiefern das Gebot des fairen Verfahrens nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt
sein soll, begründet der Beschwerdeführer nicht näher. Aus dieser
Verfahrensgarantie ergibt sich kein unbedingter Anspruch, für die
Rechtsvertretung bei der Teilnahme an einem Strafverfahren unabhängig von der
Geltendmachung eines Zivilanspruchs entschädigt zu werden.

4.3 Was schliesslich den Willkürvorwurf anbelangt, hat das Bundesgericht
bereits entschieden, es sei jedenfalls nicht willkürlich anzunehmen, nach der
Strafprozessordnung des Kantons Schwyz bestehe kein Anspruch auf Entschädigung,
soweit sich Opfer oder Geschädigter als Strafkläger am Strafverfahren gegen den
Täter beteiligten (Urteil des Bundesgerichts 6B_184/2007 vom 7. September 2007
E. 3.5).

4.4 Soweit zulässige Rügen einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte
vorgetragen werden, erweisen sich diese als unbegründet, weshalb die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde abzuweisen ist.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juni 2012

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Kölz