Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.66/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2D_66/2012

Urteil vom 24. Januar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Errass.

1. Verfahrensbeteiligte
X.a.________,
2. X.b.________,
beide vertreten durch Fürsprecher Thomas Marfurt,
Beschwerdeführer,

gegen

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.

Gegenstand
Ausländerrechtliche Härtefallbewilligung, Nichteintreten, unentgeltliche
Rechtspflege,

Verfassungsbeschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons
Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Abteilungspräsident, vom 17. Oktober
2012.

Erwägungen:

1.
Nach ihrer Heirat mit einem Schweizer Bürger erhielt X.a.________ die
Aufenthaltsbewilligung; ihr Sohn X.b.________ aus erster Ehe reiste im
Familiennachzug nach und erhielt ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung. Am 31.
Oktober 2010 wurde sie vom Obergericht des Kantons Bern wegen Widerhandlungen
gegen das BetmG (SR 812.121) und Geldwäscherei verurteilt. Am 12. Mai 2009
lehnte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern eine
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.a.________ und ihrem Sohn unter
Hinweis auf die Straffälligkeit und auf den Bezug von Sozialhilfe ab. Das
Bundesgericht schützte als letzte Instanz diesen Entscheid (Urteil 2C_474/2011
vom 22. Dezember 2011).
Am 14. Februar 2012 stellten X.a.________ und ihr Sohn ein Gesuch um Erteilung
der Härtefallbewilligung (Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG [SR 142.20]), auf welches
das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern am 17. Februar 2012
nicht eintrat. Die Beschwerde an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons
Bern (nachfolgend: Direktion) wurde mit einem Gesuch um vorsorgliche Gewährung
des Aufenthalts während des Beschwerdeverfahrens verbunden, dessen Abweisung
letztinstanzlich durch das Bundesgericht bestätigt wurde (2C_677/2012 vom 16.
Juli 2012). Die Beschwerde selbst wurde von der Direktion abgewiesen. Dagegen
erhoben X.a.________ und ihr Sohn am 1. Oktober 2012 Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern und stellten ein Gesuch um Erteilung der
unentgeltlichen Prozessführung unter Beiordnung des sie bislang in allen
Verfahren vertretenen Fürsprechers. Das Verwaltungsgericht wies dieses Gesuch
am 17. Oktober 2012 ab. Dagegen haben X.a.________ und ihr Sohn fristgerecht
subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) erhoben.

2.
Die - entsprechend dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens - erhobene
subsidiäre Verfassungsbeschwerde (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG i.V.m. Art.
30 Abs. 1 lit. b AuG) ist offensichtlich unbegründet und im Verfahren nach Art.
117 i.V.m. Art. 109 BGG abzuweisen.

2.1 Der vor einem Sachurteil ergangene Entscheid über ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege bildet einen Zwischenentscheid; der
Rechtsmittelentscheid darüber ebenfalls. Die Beschwerde ist in casu nur
gestützt auf Art. 117 i.V.m. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (nicht wieder
gutzumachender Nachteil) möglich. Ein solcher Nachteil kann bei Verweigerung
der unentgeltlichen Rechtspflege vorliegen. Das ist insbesondere dann der Fall,
wenn nicht nur diese verweigert, sondern zugleich die Anhandnahme des
Rechtsmittels von der Bezahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht wird (
BGE 133 V 402 E. 1.2 S. 403), was im vorliegenden Fall - wie sich aus Ziff. 3
des vor Bundesgericht angefochten Entscheids ergibt - zutrifft.

2.2 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege richtet sich grundsätzlich
nach kantonalem und subsidiär nach Bundesverfassungsrecht (Art. 29 Abs. 3 BV).
Nach Art. 111 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die
Verwaltungsrechtspflege (VRPG BE; BSG 155.21) wird eine Partei von den Kosten-
und allfälligen Vorschuss- sowie Sicherstellungspflichten befreit, wenn sie
nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Insofern stimmt die kantonale Regelung mit Art. 29 Abs.
3 BV überein (siehe Urteil 2D_54/2011 vom 16. Februar 2012 E. 3.5).
Rechtsbegehren sind aussichtslos, wenn deren Gewinnaussichten zur Zeit der
Verfahrenseinleitung betrachtet deutlich geringer sind als die Verlustgefahren.
Entscheidend ist, ob eine nicht bedürftige Partei sich vernünftigerweise zu
einem Prozess entschliessen würde (BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2; siehe auch MARKUS
MÜLLER, Bernische Verwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 2011, S. 253 f.). Dabei ist
auf die Hauptstreitsache Bezug zu nehmen.
Bei der Beurteilung eines Gesuchs um Erteilung einer Härtefallbewilligung nach
Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG sind u.a. die Integration, die Respektierung der
Rechtsordnung, die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am
Wirtschaftsleben und die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz zu
berücksichtigen (Art. 31 Abs. 1 VZAE [SR 142.201]) - allesamt Kriterien, welche
auch zu prüfen sind, wenn es um die Frage geht, ob Ansprüche nach Art. 42 AuG
(Aufenthaltsbewilligung) erlöschen (Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG). Das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern hatte am 27. April 2011 die Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 51 Abs. 1
lit. b AuG unter Hinweis auf die Straffälligkeit und auf den Bezug von
Sozialhilfe abgelehnt. Dabei war entsprechend Art. 25 VRPG BE der Sachverhalt
grundsätzlich zum Zeitpunkt des Entscheids des Verwaltungsgerichts massgebend
(vgl. MÜLLER, a.a.O., S. 68). Die Beurteilung des Gesuchs um Erteilung einer
Härtefallbewilligung erfolgte am 17. Februar 2012, also rund zehn Monate
später. Angesichts dieses kurzen Zeitraumes und des Umstandes, dass keine neuen
erheblichen Tatsachen beigebracht worden sind, durfte die Vorinstanz aus einer
ex ante Sicht deshalb für das Verfahren der Härtefallbewilligung ohne Weiteres
davon ausgehen, dass die vom Verwaltungsgericht am 27. April 2011 beurteilte
Sachlage immer noch aktuell ist und die Rechtsbegehren somit aussichtslos sind.
Das Gleiche gilt auch in Bezug auf den Beschwerdeführer 2. Dieser hatte keinen
originären Anspruch und nach dem Dahinfallen der Aufenthaltsbewilligung der
Mutter auch keinen abgeleiteten Anspruch mehr auf ein Bleiberecht. Im Rahmen
der Prüfung der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Mutter wurden
auch seine Interessen gebührend gewichtet und gewertet (vgl. Urteil 2C_474/2011
vom 22. Dezember 2011 E. 3.3).
Für alles Weitere kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz
verwiesen werden (Art. 117 i.V.m. Art. 109 Abs. 3 BGG).

2.3 Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin 1 aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), da deren Gesuch um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht infolge
Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen ist (Art. 64 BGG).
Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin 1 auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Abteilungspräsident, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 24. Januar 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Errass