Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.988/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_988/2012

Urteil vom 19. Februar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer,
vom 22. August 2012.

Sachverhalt:

A.
Die aus Vietnam stammende X.________ (geb. 1977) reiste 1995 zu Studienzwecken
in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. In Zürich studierte
sie mehrere Jahre Jurisprudenz, bestand aber die Lizenziatsprüfungen nicht und
wurde von weiteren Prüfungen an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der
Universität Zürich ausgeschlossen. Am 20. Mai 2005 heiratete sie den Schweizer
Bürger Y.________.

In den folgenden Jahren kam es im Kanton Zürich zu mehreren
ausländerrechtlichen Verfahren gegen X.________, da die Migrationsbehörden
annahmen, das Ehepaar lebe nicht mehr zusammen.

Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens stellte der Einzelrichter am Bezirksgericht
Zürich mit Urteil vom 5. August 2011 fest, dass die Eheleute seit dem 1. Juni
2011 auf unbestimmte Zeit getrennt leben.

B.
Mit Verfügung vom 28. November 2011 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Gesuch von X.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und
setzte ihr eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz bis zum 31. Januar 2012. Die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich wies den hiegegen erhobenen Rekurs am
17. April 2012 in der Hauptsache ebenfalls ab. Ihren begründeten Entscheid
versandte sie am selben Tag. X.________ wurde die Postsendung am Folgetag mit
einer Abholungseinladung (Frist zur Abholung bis zum 25. April) gemeldet. Am
26. April sandte die Post die nicht abgeholte Sendung an den Absender zurück.
Am 3. Mai löste die Sicherheitsdirektion eine zweite Zustellung aus, die der
Empfängerin wieder mit Abholungseinladung (Frist bis zum 11. Mai) gemeldet
wurde. Auch diese Postsendung ging - am 14. Mai - als "nicht abgeholt" an die
Sicherheitsdirektion zurück.

Auf eine E-Mail-Anfrage von X.________, wie es sich denn mit der
"Anfechtungsfrist" verhalte, antwortete der Chef des Rechtsdienstes der
Sicherheitsdirektion am 18. Mai - ebenfalls auf elektronischem Weg - wie folgt:
"(...). Für die Frage der rechtsgültigen Zustellung eines Entscheids und den
Lauf der Fristen gelten die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes.
(...)."
Auf eine weitere E-Mail-Anfrage der Verfügungsadressatin nach einer
"Rechtsmittelbelehrung für Laien" ergänzte der Chef Rechtsdienst gleichentags:
"(...). Wir haben den Entscheid zweimal zugestellt, beidemal haben Sie ihn
nicht abgeholt. Er gilt mit dem Ablauf der Abholfrist der 2. Zustellung als
zugestellt. Dies war am 14. Mai 2012. Die 30-tägige Frist für eine allfällige
Beschwerde ans Verwaltungsgericht läuft somit am 13. Juni 2012 ab. (...)".
In der Folge erhob X.________ mit Eingabe vom 11. Juni 2012 (Postaufgabe am
selben Tag) Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit dem
Hauptantrag, es sei ihr die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen (recte: zu
verlängern). Mit Eingabe vom 13. Juni 2012 (Poststempel dito) reichte sie eine
zweite Beschwerdeschrift ein. Ebenso verlangte sie die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Mit Beschluss vom 22. August 2012 trat das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich auf die Beschwerde nicht ein und wies das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ab. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die
Beschwerde sei verspätet erhoben worden und eine schützenswerte
Vertrauensgrundlage, welche die Frist für die Ergreifung des Rechtsmittels
verlängert hätte, bestehe nicht.

C.
Mit Eingabe vom 3. Oktober 2012 führt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde
mit den Anträgen, das letztgenannte Urteil aufzuheben, unter Rückweisung der
Angelegenheit zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz. Subsidiär
beantragt sie die Sistierung des Verfahrens, "bis klar ist, wie sich meine Ehe
weiterentwickelt".

Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht hat sich vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen
Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Migration schliesst ebenfalls auf
Abweisung der Beschwerde.

D.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2012 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde -
antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen
Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die
weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG). Dies gilt auch für Nichteintretensentscheide, d.h. auch
gegen solche Entscheide ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nur zulässig, wenn ein Entscheid in der Hauptsache mit diesem
Rechtsmittel anfechtbar wäre (vgl. Urteil 2C_331/2011 vom 25. Januar 2012, E.
1.1).

Zwar ist die Beschwerdeführerin seit 2005 mit einem Schweizer Bürger
verheiratet, lebt aber nach eigenen Angaben von ihm getrennt und ruft Art. 49
AuG (Ausnahmen vom Erfordernis des Zusammenwohnens) - jedenfalls vor
Bundesgericht - nicht an, so dass nicht von einem Anspruch auf eine
Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 42 Abs. 1 AuG (für ausländische
Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern) ausgegangen werden kann. Die
Beschwerdeführerin macht auch nicht substantiiert geltend, sie habe einen
Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehe oder der
Familiengemeinschaft (Art. 50 AuG), so dass vorliegend die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - mit welcher u.a. die Verletzung von
Bundes(verfassungs-)recht gerügt werden kann (Art. 95 lit. a BGG) - nicht zur
Verfügung stehen dürfte. Da die Beschwerdeführerin aber keine Rügen erhebt, die
Gegenstand des Entscheids über die Nichtverlängerung der Bewilligung gebildet
haben oder hätten bilden müssen (vgl. BGE 137 II 305 E. 1.1 S. 307), sondern
sich auf Verfassungsrügen gegen den von der Vorinstanz gefällten
Nichteintretensentscheid zufolge verspäteter Beschwerdeeinreichung bzw.
fehlender Vertrauensgrundlage beschränkt, könnte sie solche Rügen im Falle
eines Ausschlusses der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
auch im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde vortragen (vgl. Art. 113
und Art. 116 BGG). Auf die Beschwerde vom 3. Oktober 2012 ist damit jedenfalls
einzutreten. Für eine Sistierung des Verfahrens besteht kein Anlass.

2.
2.1 Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht
prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG in Verbindung mit
Art. 117 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid zunächst § 71 des
kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 angewendet, wonach
- in den Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht - betreffend die
Prozessleitung, das prozessuale Handeln und die Fristen die Vorschriften des 1.
Teils (9. Titel) der eidgenössischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008
(ZPO, SR 272) Anwendung finden. In einem zweiten Schritt brachte das Gericht
sodann Art. 138 ZPO zur Anwendung, welcher u.a. lautet:
1 Die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden erfolgt durch
eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung.
2 Sie ist erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin oder vom Adressaten oder
von einer angestellten oder im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre
alten Person entgegengenommen wurde. Vorbehalten bleiben Anweisungen des
Gerichts, eine Urkunde dem Adressaten oder der Adressatin persönlich
zuzustellen.

3 Sie gilt zudem als erfolgt:
a. bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist: am
siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch, sofern die Person mit
einer Zustellung rechnen musste;

(...).
Dieses Vorgehen der Vorinstanz stellt die Beschwerdeführerin zu Recht nicht in
Frage. Stützt sich das kantonale Gericht im Rahmen seiner Tätigkeit aber auf
(Bundes-)Zivilrecht, gelten diese Regelungen nur als subsidiäres kantonales
Recht (vgl. Urteile 2C_940/2011 vom 23. November 2011, E. 5.1, und 2C_616/2008
vom 16. Juni 2009, E. 3.1). Dessen Anwendung prüft das Bundesgericht nicht
frei, sondern - wie allgemein bei der Auslegung von kantonalem Recht -
lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür bzw. auf Verfassungsverletzungen
hin. Entsprechende Rügen haben den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG bzw.
Art. 117 BGG zu genügen (vgl. oben). Dies tun sie vorliegend insoweit, als die
Beschwerdeführerin geltend macht, der angefochtene Entscheid verletze das
Willkürverbot und den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) sowie ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 bzw. 118 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie - im Falle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten - offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht, bzw. wenn sie - im Falle der
Verfassungsbeschwerde - auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 116 BGG
beruht.

Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst
der angefochtene Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 und
Art. 117 BGG). Es sind dies hier diejenigen, mit welchen die Beschwerdeführerin
belegen will, dass sie (erst) den zweiten Zustellungsversuch als fristauslösend
betrachten durfte, ebenso diejenigen, mit welchen die Beschwerdeführerin
untermauert, dass sie die Entgegennahme des Entscheides der
Sicherheitsdirektion nicht absichtlich verweigert hat. Diese neuen Beweismittel
sind im vorliegenden Verfahren zuzulassen.

3.
3.1 Art. 138 Abs. 3 ZPO begründet die so genannte "Zustellungsfiktion". Für
deren Anwendung verlangt die Rechtsprechung, dass der Adressat mit einer
"gewissen Wahrscheinlichkeit" annehmen kann bzw. damit "rechnen muss", dass ihm
ein behördlicher Akt zugestellt wird (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; 119 V 89
E. 4b/aa S. 94; 115 Ia 12 E. 3a S. 15). Die Geltung der Zustellungsfiktion
setzt ein hängiges bzw. laufendes Verfahren voraus; d.h., das relevante
Prozessrechtsverhältnis entsteht erst mit Rechtshängigkeit (BGE 138 III 225 E.
3.1; 130 III 396 E. 1.2.3; 5D_130/2011 E. 2.1). Vorliegend ist das Bestehen
eines Prozessrechtsverhältnisses unbestritten. Umstritten ist, ob die Frist von
7 Tagen im Sinne von Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO hier schon nach dem ersten oder
erst nach dem zweiten erfolglosen Zustellungsversuch (vgl. vorne eingangs lit.
B) zu laufen begonnen hat.

3.2 Bei der Beantwortung dieser Frage ist vorliegend die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum so genannten "Vertrauensschutz" mit zu berücksichtigen, kann
sich die Beschwerdeführerin doch auf eine vorbehaltlose behördliche Auskunft
berufen, wonach der Entscheid der Sicherheitsdirektion am 14. Mai 2012 - also
erst nach dem zweiten Zustellversuch - als zugestellt gelte und die Frist für
die allfällige Einreichung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht deshalb am
13. Juni 2012 ablaufe (vgl. vorne lit. B).

Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in unrichtige
Zusicherungen, Auskünfte, Mitteilungen oder Empfehlungen einer Behörde, wenn
die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen
gehandelt hat, die Behörde für die Erteilung der betreffenden Auskunft
zuständig war, der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres
erkennen konnte, er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen
getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und
die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat
(BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.). In Fällen einer unrichtigen
Rechtsmittelbelehrung geniesst nur Vertrauensschutz, wer die Unrichtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie auch bei gebührender Aufmerksamkeit
nicht hätte erkennen können. Rechtsuchende geniessen keinen Vertrauensschutz,
wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein schon durch
Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung ersichtlich ist. Dagegen
wird nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige
Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird (vgl. BGE 134 I 199 E. 1.3.1
S. 203, 124 I 255 E. 1a/aa S. 258; 117 Ia 119 E. 3a S. 125, 421 E. 2a, je mit
weiteren Hinweisen).

3.3 Die Vorinstanz hat erwogen, nach dem geltenden kantonalen Verfahrensrecht
in Verbindung mit den Vorschriften der ZPO müssten - im Gegensatz zum früheren
Recht - gescheiterte Zustellungen nicht mehr wiederholt werden; deshalb sei
hier die erste Zustellung massgebend gewesen. Der Fristenlauf habe damit am 25.
April 2012 begonnen; und die Beschwerde vor Verwaltungsgericht hätte bis zum
25. Mai 2012 erhoben werden müssen. Dass der zweite Zustellungsversuch keinen
Hinweis über einen bereits erfolgten ersten Zustellungsversuch enthalten habe,
sei irrelevant, weil die Beschwerdeführerin auch die zweite Zustellung nicht
abgeholt und jedenfalls am 18. Mai 2012 erfahren habe, dass zwei
Zustellversuche stattgefunden hätten. Sodann sei die erste Auskunft des Chefs
Rechtsdienst der Sicherheitsdirektion zutreffend gewesen. Die
Beschwerdeführerin hätte daraufhin den Gesetzestext konsultieren und daraus
erkennen können, dass die zweite Auskunft des Dienstvorstehers falsch gewesen
sei. Das Verhalten der Beschwerdeführerin bestätige, dass sie an der
Richtigkeit der Auskunft gezweifelt habe, weshalb sie bei sorgfältigem Handeln
gehalten gewesen wäre, die Beschwerde früher, und zwar innert dreissig Tagen
nach Ablauf der Abholfrist bezüglich des ersten Zustellversuches, einzureichen.
Ferner hätte die Beschwerdeführerin aufgrund ihres juristischen Studiums und
ihrer anderweitigen Prozesserfahrung erkennen müssen, dass über die
Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinreichung jeweils nicht die Vor-, sondern die
Rechtsmittelinstanz entscheidet. In jüngerer Zeit sei zudem praktisch jede
amtliche Zustellung an die Beschwerdeführerin im ersten Versuch gescheitert.
Angesichts von insgesamt sechs Sendungen, welche nach der ersten Zustellung
nicht abgeholt worden seien, müsse auf ein systematisches Vorgehen zwecks
Verzögerung des Verfahrens geschlossen werden, was treuwidrig erscheine.
Schliesslich stelle die Beschwerdeführerin zwar ein Gesuch um
Fristwiederherstellung, unterlasse es indes, Gründe darzutun, welche ein
solches rechtfertigen würde.
3.4
3.4.1 Die Beschwerdeführerin hat zwar längere juristische Studien absolviert.
An den Lizenziatsprüfungen der Universität Zürich ist sie aber gescheitert, und
über ein Anwaltspatent verfügt sie ebenfalls nicht. Ihre juristischen
Kenntnisse sind damit notwendigerweise beschränkt und ihre rechtliche
Argumentationsweise deshalb wenig stringent.
3.4.2 Damit spielt eine Rolle, dass der Gesetzestext (§ 71 VRG), den die
Beschwerdeführerin nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte konsultieren
müssen, nur generell auf die Vorschriften der eidgenössischen
Zivilprozessordnung ("1. Teil, 9. Titel", vorne E. 2.1) verweist, nicht auf
bestimmte Normen dieses Erlasses. Aus Art. 138 ZPO geht sodann nicht
ausdrücklich hervor, dass die erste Zustellung auch dann massgebend ist, wenn
effektiv zwei Zustellungen erfolgt sind. Mithin können durchaus Zweifel über
die Rechtslage entstehen.
3.4.3 Gerade diese Zweifel veranlassten die Beschwerdeführerin zu einer
weiteren Nachfrage, worauf sie vorbehaltlos die Auskunft erhielt, die Frist zur
Beschwerdeeinreichung beim Verwaltungsgericht laufe am 13. Juni 2012 ab.
Angesichts der Auslegungsbedürftigkeit der gesetzlichen Grundlagen (E. 3.4.2)
war die Fehlerhaftigkeit der behördlichen Auskunft für die Beschwerdeführerin
nicht erkennbar. Trotzdem bemühte sich diese nach eigener Sachdarstellung noch
um weitere Auskünfte beim Verwaltungsgericht, wobei dieses vernehmlassungsweise
einräumt, dass eine dort erteilte Auskunft des Sekretariats durchaus
dahingehend gelautet haben könnte, die - was die zweite Anfrage betraf, in
Wirklichkeit falschen - Angaben der Sicherheitsdirektion zum Fristenlauf würden
"wohl stimmen". Umso eher durfte die Beschwerdeführerin ihre Dispositionen
treffen und mit der Einreichung ihrer Eingabe an das Verwaltungsgericht
zuwarten.
3.4.4 Das Argument, die Beschwerdeführerin hätte die Fehlerhaftigkeit der
Auskunft aufgrund ihrer Prozesserfahrung erkennen müssen, ist nicht
ausschlaggebend: Sie kann mehrere Dokumente vorlegen, woraus sich ergibt, dass
in früher von ihr geführten Verfahren jeweils die zweite Zustellung als
fristauslösend für ein allfälliges Rechtsmittel betrachtet wurde (vgl. S. 16
der Beschwerdefrist zusammen mit den Beschwerdebeilagen 15a und b sowie 16),
oder dass jedenfalls "die Versicherte die mehrmaligen Zustellungsversuche als
jeweils vorbehaltlose und fristauslösende Eröffnungen" eines
Einspracheentscheides betrachten durfte (vgl. Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts C 189/05 vom 5. Januar 2006, E. 3.5.5). Auch das Argument
des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführerin hätte aufgrund ihrer
Prozesserfahrung erkennen müssen, dass nicht die Vor -, sondern die
Rechtsmittelinstanz über die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels entscheidet,
überzeugt nicht; es stünde in gänzlichem Widerspruch zur bundesgerichtlichen
Rechtsprechung zum Vertrauensschutz bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung (vgl.
vorne E. 3.2).
3.4.5 Dass die Beschwerdeführerin gleichzeitig mit der Beschwerdeeinreichung
beim Verwaltungsgericht ein Fristwiederherstellungsgesuch eingereicht hat, kann
ihr nicht entgegengehalten werden; solche Eingaben gehören - namentlich zur
Vermeidung von so genannten "Prozessfallen" - zu den Pflichten sorgfältiger
Prozessführung.
3.4.6 Schliesslich erweist sich der Vorwurf des Verwaltungsgerichts, die
Beschwerdeführerin habe die Entgegennahme des Entscheides der
Sicherheitsdirektion - und auch die Entgegennahme anderer behördlicher
Dokumente - absichtlich und systematisch verweigert, als zu pauschal und zu
wenig substantiiert. Die Beschwerdeführerin legt begründet dar, weshalb sie
eine erste Zustellung nicht innerhalb der Abholfrist von sieben Tagen bei der
Poststelle abholen konnte (Beschwerdeschrift S. 24). Der Vorwurf treuwidrigen
Verhaltens greift damit - jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen - zu
kurz.

3.5 Insgesamt verstösst der angefochtene Entscheid gegen den Anspruch auf
Vertrauensschutz (Art. 9 BV) und verletzt auch den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV): Ihre beiden
Eingaben an das Verwaltungsgericht - jene vom 11. Juni und jene vom 13. Juni
2012 - waren aufgrund einer gegebenen Vertrauensgrundlage als rechtzeitig zu
betrachten, so dass das Verwaltungsgericht auf die bei ihm erhobene Beschwerde
eintreten und sie materiell hätte behandeln müssen.

4.
Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen
Entscheides. Die Rüge der Beschwerdeführerin, das Verwaltungsgericht habe ihr
zu Unrecht die unentgeltliche Rechtspflege verweigert (S. 30 der
Beschwerdeschrift), wird damit gegenstandslos. Die Sache ist zur materiellen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat praxisgemäss keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. Urteil 2C_807/2008 vom 19. Juni
2009 E. 4.3, in StR 65/2010
S. 84, BGE 129 II 297 E. 5 S. 304).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 22. August 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur materiellen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Migrationsamt, der
Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) des Kantons Zürich
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein