Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.95/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_95/2012

Urteil vom 13. März 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Seiler,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Nideröst,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Kammer, vom 16. November 2011.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________, geboren 1983, ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo. Im
Anschluss an die Heirat mit einer Schweizerbürgerin reiste er am 30. Juli 2005
in die Schweiz ein, wo er zum Verbleib bei seiner Ehefrau die
Aufenthaltsbewilligung erhielt. Am 1. Januar 2008 bezogen die Eheleute
getrennte Wohnungen, ehe sie Ende Jahr für eineinhalb Monate wieder
zusammenzogen. Mit Urteil vom 15. Juni 2010 wurde die Ehe rechtskräftig
geschieden.

1.2 Die Aufenthaltsbewilligung wurde letztmals bis am 29. Juli 2008 verlängert.
Aufgrund der Entwicklung der ehelichen Situation wies das Migrationsamt des
Kantons Zürich am 22. April 2009 das Gesuch X.________s um eine weitere
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab. Regierungsrat und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigten die Verfügung am 30. März
2011 bzw. 16. November 2011.

1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Januar
2012 beantragt X.________ die Aufhebung des angefochtenen Urteils, eventualiter
die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz, subeventuell
die Rückweisung der Sache zur Neuverlegung der Kosten- und
Entschädigungsfolgen. Weiter beantragt er die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung sowie die Sistierung der Beschwerde bis zur
rechtskräftigen Erledigung des Gesuches um Erteilung einer
Niederlassungsbewilligung bzw. des Einbürgerungsgesuchs. Mit Präsidialverfügung
vom 2. Februar 2012 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.
2.1 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist deshalb
ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG zu erledigen. Vor
diesem Hintergrund entfällt ein allfälliges Rechtsschutzinteresse an der
Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens bis zum Entscheid über das
hängige Gesuch um Erteilung der vorzeitigen Niederlassungsbewilligung bzw. über
das Einbürgerungsgesuch. Mit dem vorliegenden Entscheid wird das
Sistierungsgesuch gegenstandslos.
2.2
2.2.1 Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern haben einen
Rechtsanspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn
sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16.
Dezember 2006 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; SR 142.20]).
Vorbehalten bleiben das Vorliegen von Rechtsmissbrauch oder Widerrufsgründen
(Art. 51 Abs. 1 AuG). Der Bewilligungsanspruch besteht trotz Auflösens bzw.
definitiven Scheiterns der Ehegemeinschaft fort, wenn diese mindestens drei
Jahre gedauert und die betroffene ausländische Person sich hier erfolgreich
integriert hat (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) oder wenn wichtige Gründe einen
Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Die beiden Kriterien -
Fristablauf und Integration - sind für den Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a
AuG kumulativ erforderlich (BGE 136 II 113 E. 3.3.3 S. 119).
2.2.2 Der Begriff der "Ehegemeinschaft" im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG
setzt voraus, dass die eheliche Beziehung tatsächlich gelebt wird und ein
gegenseitiger Ehewille besteht. Dabei ist im Wesentlichen auf die Dauer der
nach aussen wahrnehmbaren ehelichen Wohngemeinschaft abzustellen (Urteil 2C_544
/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 2.2). Mit Blick auf Art. 49 AuG, der den
Ehegatten bei weiterdauernder Familiengemeinschaft gestattet, aus "wichtigen
Gründen" getrennt zu leben, was auch bei vorübergehenden Schwierigkeiten in der
Ehe kurzfristig der Fall sein kann (vgl. Art. 76 der Verordnung vom 24. Oktober
2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]), ist
aufgrund sämtlicher Umstände im Einzelfall zu bestimmen, ab welchem Zeitpunkt
die eheliche Gemeinschaft als definitiv aufgelöst zu gelten hat (zum Ganzen
Urteil 2C_17/2012 vom 24. Januar 2012 E. 2.2.1).

2.3 Der Beschwerdeführer reiste am 30. Juli 2005 in die Schweiz ein, um die
eheliche Gemeinschaft mit seiner hier lebenden Ehefrau aufzunehmen. Nach den
für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 105 Abs. 1 BGG) gaben die Eheleute die gemeinsame Wohnung am 1. Januar
2008 auf. Daraus schliesst die Vorinstanz, was der Beschwerdeführer bestreitet,
dass damit auch die eheliche Gemeinschaft aufgehoben worden sei. Sie stützt
sich dabei auch auf ein gemeinsames Schreiben der Eheleute vom 21. August 2008,
worin diese zum Ausdruck bringen, dass sie die eheliche Gemeinschaft am 1.
Januar 2008 aufgegeben hätten. Dieser Erklärung kommt in den Augen der
Vorinstanz entscheidende Bedeutung zu, wenngleich die Ehegatten später - im
Brief vom 6. November 2008 - mitteilten, der Ehemann werde seine Wohnung
kündigen und zur Ehefrau zurückkehren, um der in Aussicht gestellten
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung zuvorzukommen. Diese Kehrtwende
würdigt die Vorinstanz im Licht des dritten Schreibens, diesmal vom 19. Januar
2009, verfasst nunmehr alleine durch die damalige Ehefrau des
Beschwerdeführers. Darin weist sie auf ihr Desinteresse an der Weiterführung
der Ehe hin und führt aus, sie sei von ihrem Ehemann genötigt worden, die
Mitteilung vom 6. November 2008 zu unterzeichnen. Aus dem zeitlichen Ablauf und
den gesamten Umständen zieht die Vorinstanz den Schluss, dass die eheliche
Gemeinschaft im hier massgebenden ausländerrechtlichen Sinne tatsächlich am 1.
Januar 2008 aufgehoben worden sei. Mithin habe sich die Ehegemeinschaft über
zweieinhalb Jahre erstreckt, so dass die dreijährige Mindestdauer, welche das
Gesetz zur Begründung eines Rechtsanspruchs im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a
AuG fordert, verfehlt worden sei.
2.4
2.4.1 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, lässt die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht als offensichtlich unrichtig
erscheinen. Entgegen seiner Kritik ist nicht ersichtlich, inwiefern aus dem
Schreiben vom 21. August 2008 "unzweideutig [hervorgehen soll], dass in jenem
Zeitpunkt die eheliche Gemeinschaft noch nicht definitiv gescheitert war". Die
Ausführungen erfolgten nahezu acht Monate nach dem Auszug des Beschwerdeführers
aus der gemeinsamen Wohnung, was veranschaulicht, dass die zwischen den
Eheleuten aufgetretenen Schwierigkeiten tiefgreifender Natur waren. Hält man
sich mit der Vorinstanz vor Augen, dass die Eheleute am 6. November 2008
unumwunden zugaben, der Wiedereinzug des Beschwerdeführers erfolge, um die
drohende Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung abzuwenden und
berücksichtigt man schliesslich, dass die Ehefrau einräumt, ihre Unterschrift
vom November 2008 sei unter Druck zustande gekommen, bleibt kein Raum für
Zweifel an der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz.
2.4.2 Der Begriff der "Ehegemeinschaft" im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG
setzt nach bundesgerichtlicher Praxis voraus, dass die eheliche Beziehung
tatsächlich gelebt wird und ein gegenseitiger Ehewille besteht. Mit Blick auf
die Chronologie der Ereignisse konnte die Vorinstanz willkürfrei davon absehen,
über den 1. Januar 2008 hinaus von einem gegenseitigen Ehewillen auszugehen,
zumal sich kaum sagen lässt, die eheliche Beziehung sei "tatsächlich [noch]
gelebt" worden.

2.5 Die Ausführungen der Vorinstanz zum Fehlen eines Rechtsanspruchs im Sinne
von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG erweisen sich damit als zutreffend und sind nicht
zu beanstanden. Nachdem die Dreijahresfrist verfehlt wurde, konnte die
Vorinstanz mit Recht darauf verzichten, die Frage der Integration zu
untersuchen. Wichtige persönliche Gründe für einen weiteren Aufenthalt in der
Schweiz (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG) werden nicht geltend gemacht. Der
angefochtene Entscheid steht in Einklang mit Art. 50 AuG, sodass sich die
Beschwerde als unbegründet erweist und abzuweisen ist. Entsprechend ist auch
die Kostenregelung der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Für alles Weitere kann
auf die Begründung des angefochtenen Entscheides verwiesen werden (Art. 109
Abs. 3 BGG).

3.
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem obsiegenden Kanton
Zürich ist keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Sicherheitsdirektion des Kantons
Zürich, dem Regierungsrat des Kantons Zürich, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Kocher