Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.887/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_887/2012

Urteil vom 11. April 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Egli.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel, Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 31. Juli 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Der guineische Staatsangehörige X.________ (geb. 1979) reiste im Jahr 1999
illegal in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, das am 2. April 2001 von
der Schweizerischen Asylrekurskommission rechtskräftig abgewiesen wurde. Seiner
Ausreisepflicht kam X.________ nicht nach. Am 3. Mai 2004 heiratete er die
Schweizerin A.________ und erhielt in der Folge eine bis 2. November 2007
verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Spätestens im November 2004 gaben die
Eheleute die gemeinsame Wohnung auf; die Ehe wurde am 5. Januar 2011
geschieden.
X.________ ist Vater zweier Töchter, die nicht aus der Beziehung mit A.________
hervorgegangen sind: der am ... geborenen ghanaischen Staatsangehörigen
C.________ und der am ... geborenen B.________, die seit dem Jahr 2007
Schweizer Bürgerin ist. Die Tochter C.________ wurde inzwischen rechtskräftig
aus der Schweiz weggewiesen.
X.________ ist in den Jahren 2001 bis 2009 mehrfach strafrechtlich in
Erscheinung getreten, unter anderem wegen Hehlerei, einfacher Körperverletzung
und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Daraus resultierten
insgesamt sechs Verurteilungen zu Bussen, Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis
zu 15 Monaten.

1.2 Mit Verfügung vom 27. April 2011 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Gesuch von X.________ vom 9. Oktober 2007 um Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Mit Rekurs vom 1.
Juni 2011 beantragte X.________ in der Hauptsache die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich wies den
Rekurs am 16. April 2012 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 31. Juli 2012 ab.

1.3 Vor Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich vom 31. Juli 2012 aufzuheben und ihm die
Niederlassungsbewilligung zu erteilen, eventualiter die Aufenthaltsbewilligung
zu verlängern und den Vorinstanzen zu verbieten, ihn aus der Schweiz
wegzuweisen. Subeventualiter seien weitere Sachabklärungen vorzunehmen bzw.
vornehmen zu lassen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichtete auf eine Vernehmlassung.
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und das Bundesamt für Migration
beantragen die Abweisung der Beschwerde.

2.
2.1 Am 1. Januar 2008 ist das Ausländergesetz (AuG; SR 142.20) unter Aufhebung
des zuvor geltenden Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121 sowie Änderungen gemäss Fussnote zu
Ziff. I des Anhangs 2 zum AuG) in Kraft getreten (AS 2007 5489). Gemäss Art.
126 Abs. 1 AuG bleibt das frühere materielle Recht aber anwendbar auf Gesuche,
die vor dem 1. Januar 2008 eingereicht worden sind.
Der Beschwerdeführer hat sein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
am 9. Oktober 2007 gestellt, sodass auf das vorliegende Verfahren grundsätzlich
das frühere materielle Recht anwendbar bleibt, auch wenn die Scheidung erst
nach Inkrafttreten des AuG erfolgt ist (Urteil 2C_241/2009 vom 23. September
2009 E. 2). Ob jedoch auf die erstmals in der Rekursschrift vom 1. Juni 2011
beantragte Erteilung der Niederlassungsbewilligung das neue Recht anwendbar ist
(Urteil 2C_241/2009 vom 23. September 2009 E. 2; vgl. aber auch Urteile 2C_771/
2009 vom 1. Februar 2010 E. 1; 2C_142/2009 vom 20. Juli 2009 E. 1), kann
vorliegend offenbleiben, da das für die materielle Beurteilung ausschlaggebende
Kriterium nicht geändert hat (dazu E. 3.3).

2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich unter anderem auf Art. 42 Abs. 3 AuG bzw.
Art. 7 ANAG sowie auf Art. 8 EMRK und macht in vertretbarer Weise einen
Bewilligungsanspruch geltend, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; Urteil
2C_821/2011 vom 22. Juni 2012 E. 1, nicht publ. in: BGE 138 II 229). Auf die im
Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher einzutreten.

2.3 Nicht einzutreten ist dagegen auf die hilfsweise erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde. Zwar steht nur dieses Rechtsmittel gegen den kantonalen
Wegweisungsentscheid offen (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG), doch begründet
der Beschwerdeführer - entgegen der ihm obliegenden qualifizierten Rügepflicht
(BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310) - nicht, dass und inwiefern der
Wegweisungsentscheid als Konsequenz der Bewilligungsverweigerung selbständig
gegen ein besonderes verfassungsmässiges Recht verstossen würde (vgl. Art. 116
i.V.m. Art. 117 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 II 305 ff.).

3.
3.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an und kann eine
Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit
Hinweisen). Seinem Urteil legt es grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356).

3.2 Die vom Beschwerdeführer gegen das vorinstanzliche Urteil erhobenen
Sachverhaltsrügen sind nicht entscheidrelevant, da der Anspruch auf eine
Niederlassungsbewilligung - in Präzisierung der vorinstanzlichen Ausführungen -
bereits daran scheitert, dass kein fünfjähriger ordnungsgemässer Aufenthalt
vorliegt (dazu sogleich E. 3.3). Es erübrigt sich daher, näher darauf
einzugehen, ob eine Scheinehe und/oder wichtige Gründe für das Getrenntleben
vorlagen.

3.3 Sowohl nach altem Recht (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG) wie nach neuem
Recht (Art. 42 Abs. 3 AuG) setzt der Anspruch auf eine
Niederlassungsbewilligung (unter anderem) einen ordnungsgemässen und
ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren voraus: Ordnungsgemäss ist der
Aufenthalt, wenn er ausländerrechtlich bewilligt ist, nicht hingegen, wenn er
aufgrund eines laufenden Verfahrens lediglich toleriert wird, sofern der
Ausgang des Rechtsstreits zu keiner Bewilligung führt (BGE 137 II 10 E. 4.4 S.
13 f. und E. 4.6 S. 15; ferner BGE 137 II 1 E. 4.3 S. 8; 120 Ib 360 E. 3b S.
367; Urteile 2C_268/2011 vom 22. Juli 2011 E. 6.1; 2C_77/2011 vom 25. Mai 2011
E. 2.2; 2A.105/2001 vom 26. Juni 2001 E. 3). Unerheblich ist dabei, ob diese
Tolerierung von Gesetzes wegen stattfindet oder behördlich bzw. richterlich
angeordnet worden ist (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.6 S. 15). Als ordnungsgemässer
Aufenthalt wird bei in der Schweiz geschlossenen Ehen auch regelmässig die Zeit
zwischen Heirat und Bewilligungserteilung betrachtet (BGE 137 II 10 E. 4.4 S.
14). Der Beschwerdeführer heiratete am 3. Mai 2004 und erhielt eine bis 2.
November 2007 verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Im Rahmen des erfolglosen
Asylverfahrens wie auch seit dem 2. November 2007 wurde bzw. wird der
Aufenthalt des Beschwerdeführers lediglich toleriert (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.6
S. 15 f.). Daher besteht vorliegend kein Anspruch auf eine
Niederlassungsbewilligung.
3.4
3.4.1 Mit der Scheidung der Ehe am 5. Januar 2011 entfiel der auf Art. 7 Abs. 1
ANAG gestützte Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Eine dem Art. 50 AuG
vergleichbare Regelung gab es im alten Recht nicht. Hingegen hat der nicht
sorge- bzw. obhutsberechtigte Ausländer gestützt auf Art. 8 EMRK ausnahmsweise
dann einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn zwischen
ihm und seinem Kind in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders
enge Beziehung besteht, die - würde eine Bewilligung verweigert - wegen der
Distanz zwischen der Schweiz und dem Land, in das der Ausländer vermutlich
auszureisen hätte, praktisch nicht aufrechterhalten werden könnte. Zudem muss
sich der Ausländer tadellos verhalten haben (Urteile 2C_467/2012 vom 25. Januar
2013 E. 2.1.5; 2C_382/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.3). Über diese
Rechtsprechung werden auch die Vorgaben des vom Beschwerdeführer angerufenen
Art. 11 BV berücksichtigt (vgl. BGE 135 I 153 E. 2.2.2 S. 157; Urteil 2C_832/
2010 vom 2. Februar 2011 E. 2.2.2). Art. 13 BV räumt keine weiter gehenden
Ansprüche ein (Urteil 2C_382/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.2).
3.4.2 Ein auf Art. 8 EMRK gestützter Bewilligungsanspruch scheitert beim
Beschwerdeführer bereits daran, dass weder in wirtschaftlicher noch in
affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zur Tochter besteht. Zwar hat
sich die Vater-Tochter-Beziehung im Verlaufe des langjährigen Verfahrens
gebessert, doch nimmt der Beschwerdeführer, der weiterhin über kein geregeltes
Besuchsrechts verfügt, seine von der Kindesmutter eingeräumte
Besuchsmöglichkeit nicht regelmässig wahr und kann seiner Pflicht zur Bezahlung
der Unterhaltsbeträge nicht nachkommen. Hinzu kommt, dass es die zahlreichen
Verurteilungen des Beschwerdeführers ausschliessen, sein Verhalten als tadellos
zu bezeichnen. Inwieweit Art. 14 BV vorliegend weitergehende Ansprüche
vermitteln soll, macht der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich geltend (vgl.
Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.4.3 Aufgrund des Gesagten überwiegt das öffentliche Interesse, den Aufenthalt
des Beschwerdeführers zu beenden, sein privates Interesse am weiteren
Aufenthalt in der Schweiz (vgl. Urteil 2C_382/2012 vom 7. Dezember 2012 E.
2.3). Die Rückkehr ins Heimatland ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Die von
ihm angerufenen Gesundheitsprobleme blieben bereits vor der Vorinstanz
weitgehend unsubstanziiert. Erstellt ist die HIV-Erkrankung, wobei der
Beschwerdeführer die für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz (vgl. Art. 105 BGG) zum Krankheitsstadium wie zu den
Behandlungsmöglichkeiten in Guinea nicht rechtsgenüglich bestreitet.

4.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Eingabe offensichtlich
unbegründet ist, soweit überhaupt darauf einzutreten ist. Sie ist daher im
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Dem Verfahrensausgang
entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art.
66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge
Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen (Art. 64 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. April 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Egli