Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.858/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_858/2012

Urteil vom 8. November 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.

Gegenstand
Verweigerung der Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III, vom
27. Juni 2012.

Erwägungen:

1.
Der 1985 geborene türkische Staatsangehörige X.________ heiratete am 15. März
2004 in der Türkei die 1976 geborene Schweizerin Y.________. Am 2. Juli 2004
reiste er in die Schweiz ein, wo ihm gestützt auf die geschlossene Ehe eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt und letztmals bis zum 1. Juli 2009 verlängert
wurde. Am 28. Juli 2006 wurde eine gemeinsame Tochter geboren, welche
ihrerseits über das Schweizer Bürgerrecht verfügt.
Am 26. Februar 2009 stellte die Migrationsbehörde des Kantons Basel-Stadt fest,
dass zwischen X.________ und Y.________ keine eheliche Gemeinschaft bestehe und
gewichtige Indizien vorlägen, welche auf eine Scheinehe hindeuteten. Mit
Hinblick auf die Beziehung zur Tochter erklärte sich das kantonale Amt am 26.
Mai 2009 dennoch bereit, die Aufenthaltsbewilligung von X.________ zu
verlängern und es unterbreitete dem Bundesamt für Migration (BFM) einen
entsprechenden Antrag zur Zustimmung.
Mit Verfügung vom 6. Juli 2009 verweigerte das BFM seine Zustimmung und es wies
X.________ aus der Schweiz weg: Es begründete dies einerseits mit der
Feststellung einer Scheinehe und andererseits mit der geringen Intensität der
Vater-Kind-Beziehung. Gegen diesen Entscheid beschwerte sich X.________ beim
Bundesverwaltungsgericht, welches die Beschwerde mit Urteil vom 27. Juni 2012
abwies. Bereits am 10. September 2009 war die Ehe von X.________ geschieden
worden. Die Tochter wurde der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter
unterstellt und dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt.

2.
Die von X.________ beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2012 erweist sich mit Blick auf die
bundesgerichtliche Praxis, welche im angefochtenen Entscheid zutreffend
wiedergegeben wird, als offensichtlich unbegründet und kann deshalb ohne
Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden:

2.1 In Bezug auf die Eheschliessung mit dem Beschwerdeführer erklärte die
mittlerweile geschiedene Ehefrau gegenüber der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
und der kantonalen Migrationsbehörde, es habe von Anfang an eine Scheinehe
vorgelegen: Zum Zeitpunkt der Eheschliessung sei sie noch mit einem anderen
türkischen Staatsangehörigen liiert gewesen. Dieser habe über seinen Onkel in
der Türkei die Eheschliessung mit dem Beschwerdeführer - welchen sie zuvor
nicht gekannt habe - organisiert und hierfür Fr. 15'000.-- erhalten. Während
ein bis zwei Monaten habe sie dann pro forma mit dem Beschwerdeführer
zusammengewohnt und sexuelle Beziehungen sowohl mit ihrem Freund als auch dem
Beschwerdeführer unterhalten, wobei dann ihre Tochter gezeugt worden sei.
Gegenüber der kantonalen Migrationsbehörde bestritt der Beschwerdeführer zwar
diese Darstellung, räumte aber später ein, eigentlich nie mit seiner Gattin
zusammengewohnt zu haben. Das Bundesverwaltungsgericht hielt im angefochtenen
Entscheid fest, das Vorliegen einer Scheinehe sei erstellt, obwohl das
Versprechen oder die Leistung einer Geldsumme nicht als erwiesen gelten könne:
Es stützte sich insbesondere auf die kurze Dauer bzw. eventuell gar die
fehlende Existenz des ehelichen Zusammenlebens, die späte Registrierung der in
der Türkei geschlossenen Ehe durch ein schweizerisches Zivilstandsamt (9.
Oktober 2008) sowie die aussereheliche Beziehung der Ehefrau und die daraus
folgende Ungewissheit in Bezug auf die Vaterschaft des Beschwerdeführers,
welche erst am 19. April 2007 durch einen von der Amtsvormundschaft Basel-Stadt
in Auftrag gegebenen Vaterschaftstest nachgewiesen wurde.

2.2 Im vorliegenden Verfahren bestreitet der Beschwerdeführer nicht mehr, dass
er mit seiner geschiedenen Gattin bloss eine Scheinehe eingegangen war: Den von
ihm behaupteten Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung begründet
er nunmehr ausschliesslich mit der Beziehung zu seiner Tochter und er beruft
sich in diesem Zusammenhang auf den von Art. 8 EMRK und Art. 13 BV
gewährleisteten Schutz des Familienlebens. Seine diesbezüglichen Ausführungen
gehen jedoch ins Leere: Zwar kann es die entsprechenden Garantien in der Tat
verletzen, wenn ein Ausländer eine intakte familiäre Beziehung zu nahen
Verwandten mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz unterhält und
ihm der Verbleib in der Schweiz untersagt und damit das Familienleben vereitelt
wird (BGE 135 I 145 E. 1.3.1 S. 145 f.; 130 II 281 E. 3.1 S. 285; je mit
Hinweisen). Auch setzt die Anwendbarkeit dieser Normen grundsätzlich nicht
voraus, dass der ausländische Elternteil, der sich auf das Zusammenleben mit
seinem schweizerischen oder in der Schweiz niederlassungsberechtigten Kind
beruft, über das Sorge- bzw. Obhutsrecht verfügt (BGE 120 Ib 1 E. 1d S. 3;
Urteil 2C_942/2010 vom 27. April 2011 E. 1.3). Wie die Vorinstanz aber
zutreffend festgestellt hat, kann der nicht sorge- bzw. obhutsberechtigte
ausländische Elternteil die familiäre Beziehung mit seinen Kindern ohnehin nur
in beschränktem Rahmen pflegen, nämlich durch Ausübung des ihm eingeräumten
Besuchsrechts. Um dieses wahrnehmen zu können, ist nicht von vornherein
erforderlich, dass der ausländische Elternteil dauerhaft im selben Land wie das
Kind lebt und dort über ein Anwesenheitsrecht verfügt. Einem nicht
sorgeberechtigten Ausländer kann die Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise dann
erteilt oder erneuert werden, wenn in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht
eine besonders enge Beziehung zum Kind besteht, diese wegen der Distanz zum
Heimatland des Ausländers praktisch nicht mehr aufrechterhalten werden könnte
und das bisherige Verhalten des Betroffenen in der Schweiz zu keinerlei Klagen
Anlass gegeben hat ("tadelloses Verhalten", "comportement irréprochable",
"comportamento irreprensibile"; BGE 120 Ib 1 E. 3c S. 5; 120 Ib 22 E. 4 S. 24
ff.; vgl. auch Urteil des EGMR i.S. Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die
Niederlande vom 31. Januar 2006 [50435/99], Ziff. 42 f., in: EuGRZ 2006 S.
562).

2.3 Die Vorinstanz zog in Erwägung, dass der Beschwerdeführer gemäss eigenen
Angaben Unterhaltszahlungen in Höhe von Fr. 713.--/Monat an die im Übrigen von
der Sozialhilfe unterstützte Kindsmutter entrichtet. Zudem ging das
Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Besuchsrecht
wöchentlich ausübt. Bei dieser Sachlage liegt sowohl in wirtschaftlicher als
auch in affektiver Hinsicht eine Vater-Kind-Beziehung vor, welche nicht über
das übliche Mass hinausgeht. Insbesondere der Umfang des Besuchsrechts
entspricht dabei dem Minimalstandard, der dem nicht sorgeberechtigten
Elternteil zeitlich gerade erlaubt, seine Beziehung zum Kind überhaupt aufrecht
zu erhalten (vgl. Urteile 2C_996/2011 vom 28. Juni 2012 E. 2.4; 2C_787/2010 vom
16. Juni 2011 E. 3.2.2 mit Hinweis). Soweit der Beschwerdeführer behauptet, er
besuche seine Tochter viel öfter, d.h. alle zwei bis drei Tage, vermag er nicht
darzutun, dass die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind (Art.
97 Abs. 1 sowie Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG): Der Beschwerdeführer beruft
sich in Zusammenhang mit seinen Ausführungen nämlich auf die Stellungnahme der
Kindsmutter vom 17. Oktober 2009, wogegen sich das Bundesverwaltungsgericht auf
ein Schreiben der Amtsvormundschaft Basel-Stadt vom 16. April 2012 sowie auf
eine Eingabe des vormaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 27.
April 2012 und mithin auf wesentlich aktuellere Angaben abstützt.

2.4 Ferner kann auch von einem tadellosen Verhalten des Beschwerdeführers nicht
die Rede sein, da er durch das Eingehen einer Scheinehe gegen die öffentliche
Ordnung verstossen hat. Sein diesbezüglicher Einwand, er habe die Ehe ja nicht
in der Schweiz geschlossen, sodass sich auch das fehlbare Verhalten nicht
während seines Aufenthaltes in der Schweiz ereignet habe, ist gänzlich
unbehelflich: Wie aus BGE 137 I 247 E. 5.1.1 f. S. 252 hervorgeht liegt der mit
einer Scheinehe einhergehende Verstoss gegen die öffentliche Ordnung in der
treuwidrigen und unredlichen Inanspruchnahme eines Rechtsinstitutes bzw. in der
Anrufung eines Anspruchs, welcher bloss formal im Einklang mit der
Rechtsordnung steht. Aus diesem Grund erscheint nicht der Ort der
Eheschliessung als bedeutsam, sondern der Umstand, dass sich der
Beschwerdeführer gegenüber den zuständigen Migrationsbehörden wiederholt auf
die nur auf dem Papier bestehende Ehe berufen und so die Erteilung und
Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung durch Vorspiegelung falscher
Tatsachen erwirkt hat.

3.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens folgend, hat der
Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Da die vorliegende
Eingabe aufgrund der publizierten Rechtsprechung als von vornherein
aussichtslos zu gelten hatte, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. November 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Zähndler