Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.817/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_817/2012

Urteil vom 19. Februar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
Z.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann,

gegen

Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.

Gegenstand
Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons
Aargau vom 26. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ wurde 1983 in der Schweiz geboren und in die
Niederlassungsbewilligung seiner Eltern einbezogen. Er geriet ab dem Jahr 2000
verschiedentlich mit dem Gesetz in Konflikt (Diebstahl, Hausfriedensbruch,
geringfügige Sachbeschädigung, Nichtabgabe des Fahrzeugausweises und der
Kontrollschilder, Überlassen eines Motorfahrzeugs an eine Person ohne
Führerausweis), wofür er jugendrechtlich bestraft bzw. jeweils gebüsst wurde.
Am 29. September 2005 verurteilte das Strafgericht Basel-Landschaft ihn wegen
versuchter Tötung, qualifizierten Raubs, Irreführung der Rechtspflege,
Zuwiderhandlung gegen das Waffengesetz, Überlassens eines Motorfahrzeugs ohne
Führerausweis sowie mehrfachen Betäubungsmittelkonsums zu einer Zuchthausstrafe
von 5 Jahren.

B.
X.________ wurde im Anschluss hieran am 22. September 2006 vom Rekursgericht im
Ausländerrecht des Kantons Aargau für drei Jahre aus der Schweiz ausgewiesen
(Urteil des Bundesgerichts 2A.662/2006 vom 17. April 2007). X.________ ist am
20. Juli 2007 vorzeitig aus dem Strafvollzug entlassen und gleichentags in die
Türkei ausgeschafft worden. Am 11. August 2010 heiratete er dort seine seit dem
21. September 2010 in der Schweiz eingebürgerte Verlobte, worauf diese am 20.
August 2010 darum ersuchte, ihrem Gatten sei der Familiennachzug zu gestatten,
was das Amt für Migration und Integration sowie das Rekursgericht im
Ausländerrecht des Kantons Aargau ablehnten.

C.
Z.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Rekursgerichts im
Ausländerrecht vom 26. Juni 2012 aufzuheben; dem Familiennachzugsgesuch für
X.________ sei zu entsprechen; eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Z.________ macht geltend, dass ihr Ehegatte
keine Gefahr mehr darstelle und er altrechtlich für nur drei Jahre ausgewiesen
worden sei, weshalb keine weitere Prüfung unter dem neuen Recht habe erfolgen
dürfen. Eine Interessenabwägung führe heute zum Schluss, dass kein Grund für
den beanstandeten Eingriff in das Recht auf Familienleben mehr bestehe.
Das Rekursgericht im Ausländerrecht und das Amt für Migration und Integration
des Kantons Aargau sowie das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde
abzuweisen. Z.________ hat an ihren Anträgen und Ausführungen festgehalten.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin ist Schweizer Bürgerin türkischer Abstammung und seit
dem 11. August 2010 mit X.________ verheiratet. Sie hat grundsätzlich einen
gesetzlich (Art. 42 Abs. 1 AuG [SR 142.20]) wie verfassungs- (Art. 13 BV) bzw.
konventionsmässig (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) begründeten Anspruch darauf, ihren
Gatten in die Schweiz nachziehen zu können. Ob die entsprechenden
Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (BGE
136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.). Auf die fristgerecht
eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82
i.V.m. Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario] und Art. 86 lit. d BGG) ist im
folgenden Rahmen einzutreten: Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu ins Auge springen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es ist
grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann diesen bloss berichtigen oder
ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher
Verfahrensrechte ermittelt wurde (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der Betroffene muss
rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt klar
und eindeutig mangelhaft erscheint (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4). Er hat
sich in rechtlicher wie sachverhaltsmässiger Hinsicht sachbezogen mit den
Ausführungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen. Soweit die
Darlegungen in der Beschwerdeschrift diesen Vorgaben nicht genügen, die
Beschwerdeführerin insbesondere einfach wiederholt, was sie im kantonalen
Verfahren bereits vorgebracht hat, ist auf ihre Kritik nicht weiter einzugehen.

2.
2.1
2.1.1 Die Ansprüche nach Art. 42 AuG erlöschen, wenn sie rechtsmissbräuchlich
geltend gemacht werden (Art. 51 Abs. 1 lit. a AuG) oder Widerrufsgründe gemäss
Art. 63 AuG vorliegen (Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG). Einen derartigen
Widerrufsgrund setzt ein Ausländer unter anderem dann, wenn er "zu einer
längerfristigen Freiheitsstrafe" verurteilt worden ist (Art. 62 lit. b in
Verbindung mit Art. 63 lit. a AuG). Als längerfristig im Sinne von Art. 62 lit.
b AuG gilt eine Freiheitsstrafe, die ein Jahr überschreitet (BGE 135 II 377 E.
4.2 und E. 4.5 S. 379 ff.). Wird diese Grenze erreicht, spielt es keine Rolle,
ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (Urteil
2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1). Das Strafmass muss sich aus einem
einzigen Strafurteil ergeben und nicht bloss durch das Zusammenrechnen von
kürzeren Freiheitsstrafen aus einer Mehrzahl von Erkenntnissen (BGE 137 II 297
E. 2 S. 299 ff.).
2.1.2 Der Widerruf bzw. die Verweigerung der Bewilligung rechtfertigt sich
jedoch lediglich, wenn die jeweils im Einzelfall vorzunehmende
Interessenabwägung die entsprechende Massnahme auch als verhältnismässig (Art.
5 Abs. 2 BV) erscheinen lässt. Dabei sind namentlich die Schwere des
Verschuldens, die Dauer der Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner
Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Art. 96 AuG; Urteil 2C_793
/2008 vom 27. März 2009 E. 2.1 mit Hinweisen). Was das Fernhalteinteresse
betrifft, so darf bei Ausländern, welche sich nicht auf das
Freizügigkeitsabkommen (FZA; SR 0.142.112.681) berufen können, im Rahmen der
Interessenabwägung abgesehen von der aktuellen Gefährdung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit, die von der betroffenen Einzelperson ausgeht,
namentlich auch generalpräventiven Gesichtspunkten Rechnung getragen werden
(Urteil 2C_36/2009 vom 20. Oktober 2009 E. 2.1). Bei einem mit einem Schweizer
Bürger verheirateten Ausländer, der erstmals oder nach bloss kurzer
Aufenthaltsdauer um die Erneuerung seiner Bewilligung nachsucht, nimmt das
Bundesgericht an, dass die Grenze, von der an in der Regel selbst dann keine
solche mehr erteilt wird, wenn dem Ehepartner die Ausreise un- oder nur schwer
zumutbar erscheint, bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren liegt. In dieser
Situation bedarf es besonderer Umstände, um die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung dennoch zu rechtfertigen ("Reneja"-Praxis: BGE 110 Ib
201 ff.). Dabei handelt es sich indessen um keine feste Grenze, die im
Einzelfall nicht über- oder unterschritten werden dürfte. Entscheidend ist
immer die Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen im
Einzelfall (BGE 120 Ib 6 E. 4b S. 14).
2.2
2.2.1 Hat ein Ausländer nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht
in der Schweiz und wird die intakte familiäre Beziehung tatsächlich gelebt,
kann es Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV verletzen, wenn ihm die Anwesenheit
in der Schweiz untersagt und damit sein Familienleben vereitelt wird (BGE 130
II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen). Der betreffende Anspruch gilt indessen
nicht absolut. Vielmehr ist nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ein Eingriff in das durch
Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und
eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die
nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche
Wohl des Landes, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der
Gesellschaft und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Die Konvention bzw. die diese verbindlich auslegende Rechtsprechung des EGMR
verlangt im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK eine Abwägung zwischen dem privaten
Interesse der betroffenen Person am Aufenthalt im Land einerseits und dem
öffentlichen Interesse an ihrer Entfernung bzw. Fernhaltung zu einem der dort
genannten Zwecke andererseits, wobei dieses gestützt auf die vom EGMR
entwickelten Kriterien jenes in dem Sinne überwiegen muss, dass die Massnahme
notwendig erscheint (BGE 135 I 143 E. 2.1 S. 147, 153 E. 2.2.1 S. 156; 122 II 1
E. 2 S. 6 mit Hinweisen).
2.2.2 Soweit eine Straftat zur Diskussion steht, welche in Art. 121 Abs. 3 BV
(Fassung vom 28. November 2010; "Ausschaffungsinitiative") genannt ist
(vorsätzliches Tötungsdelikt oder Raub usw.) und dazu führen soll, dass der
ausländische Täter bzw. die ausländische Täterin "alle Rechtsansprüche auf
Aufenthalt in der Schweiz verliert", trägt das Bundesgericht der entsprechenden
Wertung im Rahmen des geltenden Ausländergesetzes insoweit Rechnung, als dies
zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu Konflikten mit dem
Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den einzelnen Konventionsstaaten im
Rahmen des Schutzes des Privat- und Familienlebens bei der Umsetzung ihrer
Migrations- und Ausländerpolitik im Einzelfall zugesteht (Urteil 2C_828/2011
vom 12. Oktober 2012 E. 5. 3, zur Publikation vorgesehen).

3.
3.1 Der Gatte der Beschwerdeführerin ist in der Schweiz geboren und hier
aufgewachsen. Er hat eine Ausbildung als Maurer absolviert und war
anschliessend auf diesem Beruf tätig. Er ist indessen immer wieder
strafrechtlich in Erscheinung getreten. Am 29. September 2005 wurde er
schliesslich unter anderem wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, begangen am
11. Januar 2004, und qualifizierten Raubes, verübt am 27. Dezember 2003, zu
einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt. X.________ hatte mit einem
Gehilfen sein argloses Opfer in einen Hinterhalt gelockt und mehrfach auf
dieses geschossen. Das Tötungsdelikt, welches nach Auffassung des Strafgerichts
an der Grenze zum versuchten Mord lag, wurde nicht vollendet, weil er das Opfer
trotz Abgabe von mehreren Schüssen nicht tödlich traf. Dem Umstand, dass er
einer Blutrache der Familie eines Freundes zuvorkommen wollte, ist insofern
Rechnung getragen worden, als er nicht wegen versuchten Mordes, sondern (nur)
wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt wurde (vgl. das Urteil 2A.662/
2006 vom 17. April 2007 E. 3.2). Gestützt auf dieses Verhalten ist er in der
Folge rechtskräftig für drei Jahre (altrechtlich: Art. 10 ANAG) aus der Schweiz
ausgewiesen worden.

3.2 Wenn die Vorinstanz davon ausgegangen ist, dass ihm deswegen trotz der
Heirat mit der Beschwerdeführerin (noch) keine Bewilligung zum Verbleib im Land
erteilt werden könne, ist dies nicht zu beanstanden:
3.2.1 Nach der bundesgerichtlichen Praxis verunmöglicht eine strafrechtliche
Verurteilung die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung nicht ein für
allemal. Soweit die ausländische Person, gegen welche die Entfernungsmassnahme
ergriffen wurde, nach wie vor einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der
Bewilligung hat, kann eine Neubeurteilung angezeigt sein, wenn sie sich seit
der Verurteilung bzw. Strafverbüssung bewährt und sich für eine angemessene
Dauer in ihrer Heimat klaglos verhalten hat, sodass eine Integration in die
hiesigen Verhältnisse nunmehr absehbar und eine allfällige Rückfallgefahr
vernachlässigbar erscheint. Die generalpräventiven Überlegungen verlieren an
Bedeutung, soweit die Entfernungs- bzw. Fernhaltemassnahme gegen den Fehlbaren
ergriffen, durchgesetzt und für eine der Schwere der Tat angemessene Zeitdauer
aufrechterhalten wurde. Hat sich der Betroffene zwischenzeitlich nichts mehr
zuschulden kommen lassen und geht von ihm keine Gefahr mehr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung aus, besitzen sie für sich allein in der Regel kein
genügendes Gewicht, um eine fortwährende Einschränkung des Rechts auf
Familienleben zu rechtfertigen. Der Zeitablauf, verbunden mit einer
Deliktsfreiheit, kann dazu führen, dass die Interessenabwägung anders
auszufallen hat als zum Zeitpunkt der strafrechtlichen Verurteilung oder der
Entlassung aus dem Strafvollzug. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass
die seit der Tat verflossene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers
beim bewilligungsrechtlichen Entscheid mitzuberücksichtigen sind (BGE 130 II
493 E. 5 S. 504; ANDREAS ZÜND/THOMAS HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen
im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat-
und Familienlebens, in: EuGRZ 1/2013 Rz. 45; vgl. die Urteile 2C_715/2011 vom
2. Mai 2012 E. 4.3; 2C_964/2010 vom 5. Dezember 2011 E. 3.3; 2C_36/2009 vom 20.
Oktober 2009 E. 3.2).
3.2.2 Bei der diesbezüglich erforderlichen Interessenabwägung fällt vorliegend
ins Gewicht, dass der Gatte der Beschwerdeführerin bewusst und von langer Hand
geplant, Leib und Leben eines Dritten (vgl. das Urteil 2A.662/2006 vom 17.
April 2007 E. 3.2) in Gefahr gebracht hat. Er beging ein schweres Gewaltdelikt,
welches seine Ausweisung rechtfertigte, obwohl er in der Schweiz geboren ist
und hier sein ganzes bisheriges Leben verbracht hat (sog. "Ausländer der
zweiten Generation"). Wie seine Verurteilung wegen Raubes belegt, schreckte er
auch anderweitig nicht von der Anwendung von Gewalt gegen Personen zurück.
Seine früheren Verurteilungen wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs waren ihm
keine Warnung; im Gegenteil: Er wurde immer schwerer und gewaltbelasteter
strafbar. Das Bundesgericht führte in seinem Urteil vom 17. April 2007 aus (E.
3.4):
"Fest steht, dass der Beschwerdeführer eine Bereitschaft zu besonders
gravierenden Delikten gezeigt hat. Ausserdem ist es ihm nicht gelungen, die
hier allgemein geltenden Regeln der Konfliktbewältigung zu akzeptieren. Es ist
daher zu befürchten, dass er unter anderem dann, wenn etwas nicht nach seinen
Vorstellungen verläuft, wieder zu Gewaltdelikten neigen wird. Da hierbei die
Verletzung zentraler Rechtsgüter (Leib und Leben) droht, ist das Risiko eines
Rückfalls umso weniger hinzunehmen."
3.2.3 Mit Blick auf die demnach allenfalls zu befürchtende künftige
Rechtsgüterverletzung durfte die Vorinstanz im Rahmen der Beurteilung des
Nachzugsgesuchs hohe Anforderungen an die ausländerrechtlich allenfalls noch in
Kauf zu nehmende Rückfallgefahr bei einem erneuten dauernden Aufenthalt von
X.________ in der Schweiz stellen. Zwar hat dieser das Land nach der
vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug am 20. Juli 2007 verlassen; zum
Zeitpunkt des Familiennachzugsgesuchs befand er sich indessen erst seit 3 1/2
Jahren wieder in der Türkei. Er hat sich nach eigenen Angaben dort nichts mehr
zuschulden kommen lassen, doch kann nach dem verbindlich festgestellten
Sachverhalt des Rekursgerichts nicht gesagt werden, er habe sich inzwischen
umfassend bewährt und seine Persönlichkeit sei derart gefestigt, dass kein
relevantes Rückfallrisiko mehr bestehe: X.________ lebt offenbar in einem
Bergdorf im Haus seiner Grossmutter. Mit Gelegenheitsjobs erzielt er im Sommer
ein geringes Einkommen. Er geht keiner regelmässigen Erwerbstätigkeit nach und
kommt für seinen Unterhalt nicht oder nur beschränkt selber auf.
3.2.4 Trotz seiner Sozialisierung in der Schweiz blieb er den archaischen
Rechts- und Denkschemen seiner heimatlichen Kultur verpflichtet, wie die
versuchte Vereitelung der allfälligen Blutrache durch die Wiederherstellung der
Familienehre belegt. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Gatten seit 2002
liiert. Zu dieser Zeit besass sie in der Schweiz lediglich eine
Niederlassungsbewilligung und verfügte zudem noch ausschliesslich über die
türkische Staatsbürgerschaft. Bei ihrer Heirat in der gemeinsamen Heimat am 11.
August 2010 musste sie sich bewusst sein, dass das Familienleben mit ihrem
Gatten wegen dessen Straffälligkeit allenfalls nicht oder bestenfalls zeitlich
verzögert in der Schweiz würde gelebt werden können. Die schweizerische
Staatsbürgerschaft erwarb sie erst am 21. September 2010 und damit nach der
Heirat. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass ihr aufgrund der
türkischen Staatsbürgerschaft und der kulturellen Vertrautheit mit den
Verhältnissen in ihrer früheren Heimat zugemutet werden kann, dorthin zu
übersiedeln, falls sie sofort mit ihrem Ehegatten dauernd zusammenleben will,
auch wenn ihr dies nicht leichtfallen würde; andernfalls hat sie die
entsprechende Beziehung über die Landesgrenzen hinweg besuchsweise zu pflegen,
bis vernünftigerweise kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass sich der
Beschwerdeführer in der Schweiz nunmehr problemlos integrieren und nicht wieder
straffällig werden wird.
3.2.5 Die Ausweisung des Gatten der Beschwerdeführerin wurde altrechtlich auf
drei Jahre beschränkt, doch geschah dies im Hinblick darauf, dass er seine
Angehörigen in der Schweiz danach wieder sollte besuchen und seine
Verbundenheit mit den hiesigen Werten besuchsweise aktiv belegen können. Das
Gesuch um Familiennachzug ist - wie die Vorinstanz zu Recht angenommen hat -
hiervon unabhängig nach den Vorgaben des Ausländergesetzes zu prüfen (Art. 42
Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. b und Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG). Aus der
zeitlichen Limitierung der altrechtlichen Ausweisung kann die
Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten; es wurde damit die
Fernhaltewirkung der Massnahme relativiert, indessen keine (Vertrauens-)
Grundlage dafür geschaffen, dass sie ein allfälliges Familienleben mit ihrem
Gatten danach vorbehaltlos in der Schweiz würde pflegen können. Die im
konkreten Fall aufgrund der gesamten Umstände zu bestimmende Dauer der
Bewährung ist eine Frage der Verhältnismässigkeit; es geht dabei um eine
prognostische Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen, welches
der aufenthaltsbeendenden Massnahme bzw. der damit verbundenen Einreisesperre
zugrunde liegt, im öffentlichen Interesse der Gefahrenabwehr die Fernhaltung
(weiterhin) gebietet bzw. rechtfertigt.
3.2.6 Dabei ist sinnvollerweise heute an die Regelung der Dauer der
Einreisesperre in Art. 67 AuG anzuknüpfen, welche die Ausweisung als
Fernhaltemassnahme im Rahmen des Schengenrechts (RL 2008/115/EG) für
Drittstaatsangehörige ersetzt hat: Danach wird ein Einreiseverbot grundsätzlich
für höchstens fünf Jahre verhängt, doch ist eine längere Dauer zulässig, wenn
die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung darstellt bzw. dargestellt hat (Art. 67 Abs. 3 AuG). Hiervon ist
beim Gatten der Beschwerdeführerin mit Blick auf seine strafrechtlich relevante
Vergangenheit grundsätzlich auszugehen. Seine Ausweisung ist auf drei Jahre
beschränkt gewesen, was bei der neurechtlichen Beurteilung des Nachzugsgesuchs
nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben kann. Unter diesen Umständen ist davon
auszugehen, dass er in zwei bis drei Jahren, sofern er sich bewährt, ein neues
Gesuch stellen kann.

4.
4.1 Der angefochtene Entscheid verletzt somit weder Bundes- noch
Konventionsrecht. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.

4.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Rekursgericht im
Ausländerrecht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar