Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.813/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_813/2012

Urteil vom 21. März 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________, vertreten durch Frau X.________,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertreten durch Amt für
öffentliche Sicherheit, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Niederlassungsbewilligung/Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
31. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Die türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 1982) ehelichte am 6.
November 2000 in der Türkei den in der Schweiz niederlassungsberechtigten
V.________. Dieser beantragte am 15. Januar 2001 die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung für X.________ im Rahmen des Familiennachzugs.
Am 12. März 2001 ging beim damaligen Amt für Ausländerfragen (heute: Amt für
öffentliche Sicherheit, Abteilung Migration und Schweizer Ausweise) des Kantons
Solothurn ein am 28. Juni 2000 datiertes Schreiben von Q.________ ein, in
welchem dieser angab, X.________ sei "eigentlich" die Frau des Bruders von
V.________, W.________. V.________ habe X.________ nur geheiratet, damit diese
in die Schweiz kommen und nach der Scheidung von V.________ ihren tatsächlichen
Mann in die Schweiz nachziehen lassen könne. Anlässlich einer Befragung am 17.
April 2001 bestritt V.________ diese Anschuldigungen, worauf X.________ am 21.
Juni 2001 die Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Sie reiste am 27. Juli 2001
in die Schweiz ein.
Am 22. August 2001 reichte Q.________ ein weiteres, diesmal handschriftlich
verfasstes Schreiben beim damaligen Amt für Ausländerfragen ein und wiederholte
seine Anschuldigungen vom 28. Juni 2000. Ferner ging dort ein am 4. September
2001 datiertes, teilweise handschriftlich verfasstes, jedoch in Blockschrift
unterzeichnetes Schreiben eines U.________ (ohne Adressangabe) mit dem gleichen
Inhalt ein.
X.________ hielt sich im August und September 2001 ferienhalber in der Türkei
auf. Am 26. Mai 2002 wurde die Tochter Y.________ in der Schweiz geboren und
als Tochter von X.________ und V.________ im Zivilstandsregister eingetragen.
X.________ erhielt am 30. Juni 2006 die Niederlassungsbewilligung. Die Ehe mit
V.________ wurde am 17. September 2007 in der Türkei geschieden.
A.b Am 10. Juli 2009 heirateten X.________ und W.________.
In Beantwortung eines Fragenkatalogs des damaligen Amts für Ausländerfragen vom
4. November 2009 gab X.________ am 10. Februar 2010 an, sie sei vor der
Eheschliessung mit V.________ nie mit dessen Bruder W.________ verheiratet
gewesen, weder zivilrechtlich noch religiös. Sie habe auch keine Kinder mit
ihm. Sie und W.________ hätten einander näher kennengelernt, nachdem die Ehe
mit V.________ zu Ende gegangen sei.
In der Folge traf das Amt für öffentliche Sicherheit Vorbereitungen für die
Durchführung eines DNA-Tests bei W.________, um dessen Vaterschaft in Bezug auf
Y.________ festzustellen bzw. auszuschliessen. W.________ erklärte sich jedoch
am 7. Juni 2010 mit der Entnahme einer DNA-Probe nicht einverstanden.
A.c Am 14. April 2011 teilte das Amt für öffentliche Sicherheit X.________ mit,
es beabsichtige die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen und auf das
Familiennachzugsgesuch zugunsten von W.________ nicht einzutreten.
Mit Stellungnahme vom 19. Mai 2011 machte X.________ geltend, sie sei die Ehe
mit V.________ nicht zum Schein eingegangen. Die Meinungsverschiedenheiten,
welche bereits wenige Monate nach ihrer Einreise in die Schweiz aufgetreten
seien, seien nicht unüberwindlich gewesen, weshalb sie und V.________ bis Mitte
2002 im gleichen Haushalt gelebt hätten. Entscheidend für ihren
Scheidungswillen sei der Umstand gewesen, dass V.________ nicht der biologische
Vater von Y.________ sei, sondern dessen Bruder W.________, mit dem sie während
ihres Ferienaufenthalts im August 2001 eine aussereheliche Affäre gehabt habe.
Auf Ersuchen von X.________ fand am 1. Juni 2011 eine Besprechung im Amt für
öffentliche Sicherheit statt. Dabei gab X.________ an, weder V.________ noch
W.________ wüssten, dass V.________ nicht Y.________s leiblicher Vater sei.
Ihre Beziehung zu W.________ habe acht Monate nach der Heirat mit V.________
begonnen. Sie habe den Brauch gebrochen, indem sie während der Ehe ein Kind mit
einem anderen Mann gezeugt habe. Sollte die Familie davon erfahren, müsste sie
dafür getötet werden. Sie habe Angst vor ihrer eigenen Familie und der Familie
ihres Ehemannes.
Am 17. Februar 2012 widerrief das Departement des Innern des Kantons Solothurn
(nachfolgend: Departement) die Niederlassungsbewilligungen von X.________ und
Y.________ und wies sie aus der Schweiz weg. Ferner ordnete es an, infolge
Widerrufs der Niederlassungsbewilligung werde auf das Familiennachzugsgesuch
für W.________ nicht eingetreten.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (nachfolgend: Verwaltungsgericht)
wies die von X.________ und Y.________ erhobene Beschwerde mit Urteil vom 31.
Juli 2012 ab.

C.
X.________ und Y.________ erheben am 28. August 2012 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht und beantragen, das
angefochtene Urteil aufzuheben, die Streitsache zur Durchführung einer
mündlichen Verhandlung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen, festzustellen,
es liege ein Härtefall gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20) vor, und
den Familiennachzug für W.________ zu bewilligen.
Das Verwaltungsgericht und das Departement beantragen die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Migration
schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde.
Mit Präsidialverfügung vom 4. September 2012 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist der letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Entscheid
eines kantonalen Gerichts auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welcher
grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
unterliegt (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG, Art. 82 lit. a BGG).
Gegen Entscheide über den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, weil
grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist
(BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Ob der Anspruch auf Weiterbestehen der
Niederlassungsbewilligung im konkreten Fall zu bejahen ist, betrifft nicht die
Eintretensfrage, sondern die materielle Behandlung der Beschwerde (BGE 136 II
177 E. 1.1 S. 179). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ist somit zulässig, soweit sie sich auf den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerinnen bezieht.
Der Antrag, der Familiennachzug sei zu bewilligen, ist hingegen unzulässig,
weil die Vorinstanz lediglich den Nichteintretensentscheid des Departements
hinsichtlich des Gesuchs um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den
Ehemann der Beschwerdeführerin 1 geschützt hat.
Soweit die Beschwerdeführerinnen sinngemäss geltend machen, ihnen sei gestützt
auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG eine Härtefallbewilligung zu erteilen, ist darauf
nicht einzutreten. Diese Bewilligung stellt eine Ermessensbewilligung dar (BGE
137 II 345 E. 3.2.1), auf die von Bundesrechts wegen kein Anspruch besteht. Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Nichterteilung
einer Bewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG ist gemäss Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG ausgeschlossen.
Streitgegenstand bildet demnach der vorinstanzliche Entscheid, den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerinnen und den
Nichteintretensentscheid betreffend Familiennachzug von W.________ zu
bestätigen. Der Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung vor der
Vorinstanz ist als Begründung für den Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen
Urteils zu verstehen.

1.2 Die Beschwerdeführerinnen sind gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Erhebung der
Beschwerde legitimiert.

1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt, so dass auf
die Beschwerde - mit den erwähnten Einschränkungen - einzutreten ist.

1.4 Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen die ihnen auferlegte
Ausreiseverpflichtung zur Wehr setzen, ist auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten, da Entscheide
betreffend die Wegweisung gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG davon
ausgeschlossen sind. Diesbezüglich stünde den Beschwerdeführerinnen - unter
gewissen Voraussetzungen (vgl. BGE 137 II 305) - die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde offen, in deren Rahmen eine Verletzung des Rechts auf
Leben und auf persönliche Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 1 und 2 BV gerügt werden
könnte. Die Verfassungsrüge muss indessen rechtsgenüglich begründet sein (vgl.
Art. 116 BGG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG); auf rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II
489 E. 2.8 S. 494). Es prüft die Verletzung von Grundrechten nur insoweit, als
diese klar, sachbezogen und falls möglich belegt dargetan werden (BGE 137 II
305 E. 3.3 S. 310). Die Äusserungen in der Beschwerdeschrift, wonach der
Wegweisungsentscheid für die Beschwerdeführerin 1 lebensbedrohende Konsequenzen
haben könne, genügen diesen Anforderungen nicht. Auf die (sinngemäss erhobene)
subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist daher nicht einzutreten.

2.
2.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). In Bezug
auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und
Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).

2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts
kann nur beanstandet bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder
ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art.
105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substanziiert
vorzubringen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254), setzt zudem voraus,
dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

3.
Die Beschwerdeführerinnen beanstanden, dass die Vorinstanz es unterlassen habe,
eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Darin liege eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV und allenfalls des Anspruchs
auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

3.1 Die Beschwerdeführerinnen verkennen, dass aus Art. 29 Abs. 2 BV kein Recht
auf mündliche Anhörung fliesst (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148). Sie hatten im
Rahmen des Schriftenwechsels vor der Vorinstanz Gelegenheit, ihren Standpunkt
darzulegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV
ist somit gewahrt.

3.2 Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert die Öffentlichkeit von gerichtlichen
Verfahren, in denen über "zivilrechtliche Ansprüche" befunden wird. Entscheide
über die Einreise, den Aufenthalt und die Entfernung ausländischer Personen
betreffen keine zivilrechtlichen Ansprüche im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(Nichtzulassungsentscheid des EGMR Ilic gegen Kroatien vom 19. September 2000
[Nr. 42389/98 ]). Die Bestimmung kommt daher im Verfahren betreffend den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht zur Anwendung.

4.
Die Beschwerdeführerinnen rügen sodann eine willkürliche Beweiswürdigung durch
die Vorinstanz. Die durch Q.________ und U.________ geäusserten Vorbringen
seien haltlos; ohne Überprüfung hätte den entsprechenden Schreiben keine
Beweiskraft zuerkannt werden dürfen.

4.1 Die Vorinstanz qualifiziert die Ehe der Beschwerdeführerin 1 mit V.________
gestützt auf die Schreiben von Q.________ vom 28. Juni 2000 und vom 22. August
2001 sowie auf jenes von U.________ vom 4. September 2001 als Scheinehe. In
einer Eventualbegründung hält sie sodann fest, selbst ohne die Annahme einer
Scheinehe sei die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen, weil die
Beschwerdeführerin 1 diese auf rechtsmissbräuchliche Weise erlangt habe. Die
Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung ist zulässig, weil das
Abstellen auf die genannten Schreiben den Schluss einer Scheinehe nahelegt und
eine andere Sachverhaltswürdigung somit den Ausgang des Verfahrens beeinflussen
kann (vgl. E. 2.2).

4.2 Die Beschwerdeführerinnen hatten im Verfahren vor der Vorinstanz geltend
gemacht, die beiden Schreiben von August und September 2001 seien vermutlich
von der gleichen Person verfasst worden und könnten deshalb nicht als
glaubwürdig gelten. Die Urheberschaft dieser Schreiben sei zwingend zu klären.
Die Vorinstanz wies diesen Beweisantrag im angefochtenen Urteil sinngemäss ab
und erwog, es sei nicht weiter beachtlich, ob das Schreiben von U.________ vom
4. September 2001 eine Fälschung darstelle. Zumindest eine Person habe zuvor
gewusst, dass sich die Beschwerdeführerin 1 nach Erhalt der
Niederlassungsbewilligung von V.________ scheiden lassen und W.________ in die
Schweiz nachzuziehen versuchen würde. In ihrer Vernehmlassung vom 24. September
2012 hält die Vorinstanz dafür, aufgrund des voraussagenden Charakters hätten
diese Schreiben so grosse Beweiskraft, dass eine Befragung dieser Personen vor
Gericht nicht notwendig erschienen sei.
Bereits eine oberflächliche Betrachtung der beiden Schreiben vom 22. August
2001 (Absender: Q.________) und vom 4. September 2001 (Absender: U.________)
zeigt, dass die beiden Handschriften grosse Ähnlichkeit aufweisen. Dessen
ungeachtet geht die Vorinstanz von zwei Personen als Urheber aus und stellt auf
die entsprechenden Aussagen ab. In den Akten finden sich keine Hinweise darauf,
dass die Vorinstanz die Identität der beiden Personen geklärt hätte. Dies wäre
- sofern die Schreiben als Beweismittel dienen sollten - aufgrund der
Ähnlichkeit der Handschrift und der Tatsache, dass das Schreiben von U.________
keine individuelle Unterschrift enthält, notwendig gewesen. Infolge der
ungeklärten Urheberschaft des Schreibens von U.________ ist die Glaubwürdigkeit
von Q.________ in Frage gestellt. Die erwähnten Schreiben taugen daher für sich
genommen nicht als Beweismittel für die Annahme, es habe sich bei der Ehe
zwischen der Beschwerdeführerin 1 und V.________ um eine Scheinehe gehandelt.

4.3 Ob die Vorinstanz zu Recht angenommen hat, der Sachverhalt der Scheinehe
sei dadurch erstellt, dass die Ereignisse sich so zugetragen haben, wie
"zumindest eine Person" im voraus vermutet habe, kann letztlich offen bleiben.
Auch ohne Nachweis einer Scheinehe durften die Niederlassungsbewilligungen der
Beschwerdeführerinnen widerrufen werden, wie nachfolgend darzulegen ist.

5.
5.1 Die Beschwerdeführerin 1 macht geltend, sie habe die Migrationsbehörde zu
keinem Zeitpunkt über rechtsrelevante Umstände täuschen wollen. Bis kurz vor
der Scheidung habe sie geglaubt, die Ehe mit V.________ retten zu können.
Im erstinstanzlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin 1 zu, die
Haushaltsgemeinschaft mit V.________ bereits Mitte 2002 aufgelöst zu haben. Ihr
vor Bundesgericht geäussertes Vorbringen, sie habe noch im Jahr 2007 - fünf
Jahre später und ohne dass in der Zwischenzeit die Ehegemeinschaft wieder
aufgenommen worden wäre - an der Ehe festhalten wollen, erscheint nicht
glaubhaft. Im Übrigen ist für die Führung einer Ehegemeinschaft im
ausländerrechtlichen Sinn der Ehewille beider Gatten erforderlich; das
alleinige Festhalten eines Ehegatten an der Ehe hindert deren definitives
Scheitern nicht. Aufgrund der massgeblichen Sach- und Rechtslage ist aber diese
Frage hier nicht weiter von Belang (vgl. E. 5.2).

5.2 Die Niederlassungsbewilligung war der Beschwerdeführerin 1 gestützt auf
Art. 17 Abs. 2 zweiter Satz des (per 1. Januar 2008 aufgehobenen)
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; BS 1 121) erteilt worden; die Beschwerdeführerin 2 hatte die
Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG
erhalten. Die in der Schweiz gelebte Ehegemeinschaft der Beschwerdeführerin 1
mit V.________ hatte am 27. Juli 2001 begonnen und Mitte 2002 geendet; sie
dauerte somit weniger als ein Jahr. Die Voraussetzung des in jenem Zeitpunkt
anwendbaren Art. 17 Abs. 2 ANAG, wonach der (ausländische) Ehegatte einer
aufenthaltsberechtigten ausländischen Person Anspruch auf Erteilung und
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat, solange die Ehegatten zusammen
wohnen, war somit nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft Mitte 2002 nicht
mehr erfüllt; zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wäre es nie
gekommen. Da der Bewilligungswiderruf nach Inkrafttreten des AuG am 1. Januar
2008 erfolgte, sind dafür die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen
heranzuziehen. Die ehemals in Art. 17 Abs. 2 ANAG geregelten Ansprüche auf
Familiennachzug sind in Art. 43 Abs. 2 und 3 AuG niedergelegt. Gemäss Art. 51
Abs. 2 lit. b AuG erlöschen diese Ansprüche, wenn Widerrufsgründe nach Art. 62
AuG vorliegen. Die Niederlassungsbewilligung kann gestützt auf Art. 63 Abs. 1
lit. a AuG in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG widerrufen werden, wenn die
ausländische Person im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder
wesentliche Tatsachen verschwiegen hat. Nach Art. 90 lit. a AuG müssen die
ausländischen Personen an der Feststellung des massgebenden Sachverhalts
mitwirken und dabei insbesondere zutreffende und vollständige Angaben über die
für die Regelung des Aufenthalts wesentlichen Tatsachen machen. Die
ausländische Person ist somit verpflichtet, den Behörden wahrheitsgetreu über
alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein
kann. Nach der Rechtsprechung sind dabei nicht nur Umstände wesentlich, nach
denen die Migrationsbehörde ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen
die ausländische Person wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid
massgeblich sein können. Insbesondere muss die ausländische Person der
Migrationsbehörde Mitteilung machen, wenn die eheliche Gemeinschaft nicht mehr
gelebt wird (Urteil 2C_15/2011 vom 31. Mai 2011 E. 4.2.1).

5.3 In den Gesuchen um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 31. Mai
2002, 12. Mai 2003, 13. Mai 2004 und 18. Mai 2005 gab die Beschwerdeführerin 1
jeweils an, sie wohne mit ihrem Ehemann im gleichen Haushalt. Nach ihrer
eigenen Aussage traf dies jedoch ab Mitte 2002 nicht mehr zu. Aus der
expliziten Fragestellung in den Gesuchsformularen geht ohne Weiteres hervor,
dass die Angaben zu den aktuellen Wohn-, Lebens- und Erwerbsverhältnissen für
die Bearbeitung des Gesuchs von Bedeutung sind. Der Beschwerdeführerin 1 musste
klar sein, dass sie mit ihren fortgesetzten unwahren Angaben betreffend ihre
Ehesituation die Behörde täuschte.
Auch im Gesuch um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 23. Mai 2006
gab die Beschwerdeführerin 1 an, sie lebe mit V.________ zusammen. Anlässlich
der Erteilung der Niederlassungsbewilligung am 30. Juni 2006 wurde der
Beschwerdeführerin 1 ein Informationsschreiben ausgehändigt, in dem explizit
darauf hingewiesen wurde, die Niederlassungsbewilligung könne wieder entzogen
werden, wenn sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen
wesentlicher Tatsachen erschlichen worden sei.

5.4 Unter diesen Umständen musste die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin 1
die Migrationsbehörde jahrelang nicht über die Aufhebung des gemeinsamen
Haushalts informierte, zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung führen. Es
ist evident, dass die Beschwerdeführerin 1 die Niederlassungsbewilligung durch
falsche Angaben betreffend die Führung einer Ehegemeinschaft erschlichen hat.
Ihr Einwand, sie habe dies nicht gewollt, kann insbesondere mit Blick auf das
Informationsschreiben vom 30. Mai 2006 nicht gehört werden. Der Widerrufsgrund
von Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG ist somit
erfüllt.

6.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, der Widerruf der
Niederlassungsbewilligungen sei unverhältnismässig. Zudem sei Art. 8 Ziff. 1
EMRK verletzt, wenn die Tochter Y.________ von ihrem gesetzlichen Vater
V.________ getrennt werde.

6.1 Zu Gunsten der Beschwerdeführerin 1 fällt ins Gewicht, dass sie beruflich
integriert und finanziell unabhängig ist. Auch strafrechtlich ist sie nicht in
Erscheinung getreten. Ihr Vorbringen, sie habe sich tadellos verhalten, trifft
jedoch nicht zu, nachdem sie die Migrationsbehörde jahrelang getäuscht und
damit eine Niederlassungsbewilligung erschlichen hat. Vor diesem Hintergrund
spielt die Dauer ihres Aufenthalts in der Schweiz von ungefähr zehn Jahren eine
untergeordnete Rolle. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die
Beschwerdeführerin 1 besonders gut integriert wäre, spricht sie doch nach
dieser relativ langen Zeit kaum Deutsch und ist mit einem in der Türkei
lebenden Mann verheiratet. Unter diesen Umständen erscheint eine Rückkehr
dorthin für die noch junge Beschwerdeführerin 1 durchaus zumutbar.

6.2 Die im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils zehnjährige Beschwerdeführerin 2
ist in der Schweiz geboren. Es mag zutreffen, dass sie sich ausgezeichnet
integriert hat. Sie befindet sich jedoch noch in einem anpassungsfähigen Alter.
Nachdem die Beschwerdeführerin 1 kaum Deutsch spricht, ist mit der Vorinstanz
davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin 2 die türkische Sprache zumindest
mündlich beherrscht. Allfällige Schwierigkeiten sprachlicher und kultureller
Art, welche mit dem Wechsel der Umgebung verbunden sein könnten, sind nicht
unüberwindlich. Es ist der Beschwerdeführerin 2 daher zumutbar, ihrer Mutter in
die Türkei zu folgen.
Daran ändert auch die Beziehung zu ihrem gesetzlichen Vater nichts: V.________
ist nicht sorgeberechtigt und kann die familiäre Beziehung zu seinem Kind aus
zivilrechtlichen Gründen ohnehin nur eingeschränkt, durch Ausübung des ihm
eingeräumten Besuchsrechts, leben (Urteile 2C_336/2012 vom 3. August 2012 E.
3.2; 2C_578/2011 vom 1. Dezember 2011 E. 3.4.3 mit Hinweisen). Praxisgemäss
erscheint die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung des nicht
obhutsberechtigten ausländischen Elternteils nur geboten, wenn dieser mit dem
Kind eine wirtschaftlich und affektiv besonders enge Beziehung pflegt (BGE 120
Ib 1 E. 3c S. 5), die wegen der Distanz zum Herkunftsland praktisch nicht
aufrechterhalten werden könnte (BGE 120 Ib 22 E. 4a S. 24 f.; Urteil des EGMR
Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande vom 31. Januar 2006 [Nr.
50435/99], § 42). Diese Rechtsprechung muss auch im umgekehrten Fall gelten,
wenn - wie hier - das Aufenthaltsrecht des ausländischen Kindes in Frage steht.
In der Beschwerde wird nicht dargetan, wie der Kontakt zwischen Y.________ und
V.________, welche seit Mitte 2002 nicht mehr zusammen leben, gepflegt wird.
Die Berufung auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK erschöpft sich in der Behauptung, der
Kontakt könnte nicht enger sein. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist keine
Abhängigkeit erkennbar. Art. 8 Ziff. 1 EMRK ist daher nicht verletzt, wenn die
Tochter Y.________ ihrer Mutter in die Türkei folgen muss. Der Kontakt zwischen
ihr und V.________ kann besuchsweise oder über elektronische Medien gepflegt
werden. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 1,
welcher die Ausreiseverpflichtung der Tochter Y.________ zur Folge hat (vgl. E.
7), erweist sich auch unter diesem Blickwinkel nicht als unverhältnismässig.

7.
Die Vorinstanz hat erwogen, die Niederlassungsbewilligung der
Beschwerdeführerin 2 hätte nicht widerrufen werden dürfen, weil der Widerruf
nicht auf Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG
gestützt werden könne. Minderjährige Kinder würden aber grundsätzlich den
Aufenthaltsort des sorgeberechtigten Elternteils (hier der Mutter) teilen, so
dass die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 mit der Abmeldung
ins Ausland bzw. (falls keine Abmeldung erfolgt) nach sechs Monaten Aufenthalt
im Ausland erlösche. Dennoch hat die Vorinstanz den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 geschützt.
Die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 besteht grundsätzlich
unabhängig von der Bewilligung der Beschwerdeführerin 1 und kann nur widerrufen
werden, wenn (auch) bei ihr ein Widerrufsgrund vorliegt (ANDREAS ZÜND/LADINA
ARQUINT HILL, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in:
Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, S. 311 ff., Rz. 8.23). Jedoch hat sich die
unmündige Beschwerdeführerin 2, welche durch die Beschwerdeführerin 1 vertreten
wird, deren täuschendes Verhalten anrechnen zu lassen (Urteile 2C_40/2007 vom
27. Juni 2007 E. 5.4; 2A.326/2006 vom 25. August 2006 E. 2.2; vgl. auch BGE 112
Ib 473 E. 3d S. 476 f.). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung der
Beschwerdeführerin 2 ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

8.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz den Widerruf der
Niederlassungsbewilligungen zu Recht bestätigt hat.
Nachdem der Widerruf der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 1
rechtmässig ist, erweist sich auch der Nichteintretensentscheid des
Departements betreffend das Gesuch um Familiennachzug für W.________ als
korrekt. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt ebenfalls zu bestätigen.

9.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen
ist, soweit darauf einzutreten ist.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführerinnen die
Kosten zu tragen (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG), wobei die Beschwerdeführerin 1 für
die Kosten der minderjährigen Beschwerdeführerin 2 aufzukommen hat.
Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. März 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Genner