Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.810/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_810/2012

Urteil vom 11. Juni 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
Stadelmann, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte
Y.________
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Z.________, c/o E.________ AG,

gegen

Bundesverwaltungsgericht, Generalsekretariat, Postfach, 9023 St. Gallen.

Gegenstand
Bruch der Sperrfrist - Entzug Akkreditierung Kreis 1,

Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts,
Generalsekretariat, vom 29. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 10. April 2012 um 17.45 Uhr stellte die Medienstelle des
Bundesverwaltungsgerichts dem Kreis 1 der akkreditierten Journalisten das
Urteil A-737/2012, ein "börsenrelevantes" Urteil, per E-Mail zu; die Sperrfrist
war auf 07.00 Uhr des Folgetages angesetzt. Die Medienstelle hatte den
Journalisten bereits am Morgen die Zustellung des Urteils einschliesslich der
Sperrfrist angekündigt. Verschiedene Journalisten machten die Medienstelle
darauf aufmerksam, dass die Printmedien gegenüber den elektronischen Medien mit
der Sperrfristansetzung auf 07.00 Uhr benachteiligt würden. X.________,
akkreditierter und für die Zeitung A.________ arbeitender Journalist Kreis 1 am
Bundesverwaltungsgericht, führte dabei auch gegenüber Y.________ aus, dass die
Mitteilung so verstanden werden könnte, dass die Print-Ausgabe bereits über das
Urteil berichten dürfte, da der Text ungefähr um 07.00 Uhr vom Publikum zur
Kenntnis genommen werde. Die Medienstelle stellte in der Folge indes klar, dass
die Öffentlichkeit nicht vor 07.00 Uhr über das Urteil informiert werden dürfe.

 In der Printausgabe vom 11. April 2012 Zeitung B.________, der Zeitung
D.________ und der Zeitung A.________ fanden sich Artikel über das Urteil.
Radio D.________ berichtete online um 06.19 Uhr, da die erwähnten
Print-Ausgaben bereits vorlagen. Angesichts dieses Umstandes wurde mit
Schreiben vom 22. Juni 2012 Y.________ nach Gewährung des rechtlichen Gehörs
die Akkreditierung Kreis 1 vorübergehend entzogen. Am 27. Juni 2012 verlangte
die E.________ AG - in Vertretung von Y.________ - den Erlass einer
anfechtbaren Verfügung.

B.
Am 29. Juni 2012 erliess der Generalsekretär des Bundesverwaltungsgerichts die
folgende Verfügung gegenüber Y.________:
"1. Y.________ wird die Akkreditierung für den Kreis 1 ab Rechtskraft der
vorliegenden Verfügung entzogen.
2. Y.________ wird ab Rechtskraft der vorliegenden Verfügung die Akkreditierung
im Kreis 2 erteilt.
3. Y.________ kann beantragen, nach Ablauf von 6 Monaten ab Rechtskraft der
vorliegenden Verfügung für den Kreis 1 akkreditiert zu werden.
(...)."

C.
Vor Bundesgericht beantragt Y.________ die Verfügung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2012 aufzuheben, eventualiter eine
Verwarnung gemäss Art. 18 Abs. 1 des Informationsreglements für das
Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 (InfoRegl.; SR 173.320.4)
auszusprechen, subeventualiter die angefochtene Verfügung mangels Zuständigkeit
aufzuheben.

D.
Das Bundesverwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Vorliegend handelt es sich um einen Entscheid (dazu BGE 135 II 22 E. 1.2 S. 24)
in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), wogegen die
Beschwerde ans Bundesgericht zulässig ist (e contrario Art. 83 BGG). Vorinstanz
bildet das Bundesverwaltungsgericht (Art. 86 BGG). Die Beschwerde ist
fristgerecht eingegangen (Art. 100 BGG). Der Beschwerdeführer als
Verfügungsadressat ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

2.
Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, dass zum Entzug der
Akkreditierung mangels ausdrücklicher Normierung bei den Sanktionen in Art. 18
InfoRegl. und aufgrund der mit dem Entzug verbundenen Einschränkungen der
Rechte der Betroffenen das Bundesverwaltungsgericht als Gesamtgericht zuständig
sei und nicht das Generalsekretariat. Die Verfügung sei deshalb aufzuheben.

 Nach Art. 16 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht als Gesamtgericht nur in
wenigen Fällen vorgesehen (Abs. 1 lit. a bis lit. i); dazu gehört der Entzug
der Akkreditierung nicht. Im InfoRegl. wird das Bundesverwaltungsgericht zwar
verschiedentlich angesprochen, insbesondere bei der Verkündung,
Veröffentlichung und Anonymisierung von Urteilen (Art. 4, 5 und 8 InfoRegl.).
Dabei wird es allerdings nicht als Gesamtgericht bzw. Entscheidbehörde, sondern
als Institution erwähnt. Nach dem InfoRegl. kommen Aufgaben der
Verwaltungskommission und dem Generalsekretariat zu. Die Verwaltungskommission
ist zuständig bei der Information auf Anfrage (Art. 10 f. InfoRegl.).

 Das Generalsekretariat ist zuständig im Abschnitt "Gerichtsberichterstattung"
für die Akkreditierung und deren Aufhebung, wenn die Voraussetzungen für deren
Erteilung nicht mehr gegeben sind (Art. 13 und 14 InfoRegl.). Andere zuständige
Stellen als das Generalsekretariat werden nicht erwähnt; das
Bundesverwaltungsgericht ist in Art. 17 Abs.1 InfoRegl. lediglich als
Institution angesprochen. Insofern drängt sich aus systematischen Gründen auf,
dass auch für das Aussprechen von Sanktionen das Generalsekretariat zuständig
ist. Auch aus teleologischen Gründen ist dieser Schluss naheliegend: Sanktionen
sind Folgen für die Missachtung der Vorschriften, welche den akkreditierten
Journalisten und Journalistinnen Sonderrechte (vgl. BGE 113 Ia 309 E. 5c S.
323; Andreas Meili, Die Akkreditierung von Journalisten im öffentlichen Recht
des Bundes und der Kantone, 1990, S, S. 3, 102) einräumen. Die
Vertrauenswürdigkeit als Dauerkriterium ist ein wesentlicher Bestandteil der
Akkreditierung. Aus Sicht der Zuständigkeit macht es Sinn, dass diejenige
Stelle, welche die Vertrauenswürdigkeit im Rahmen der Akkreditierung prüft
(Art. 13 Abs. 3 InfoRegl.), auch zum Entscheid zuständig ist, wenn diese später
gestört ist. Das Generalsekretariat ist deshalb zum Entzug der Sanktionen
zuständig.

3.
Der Beschwerdeführer rügt, dass die der Sanktionsverfügung vom 29. Juni 2012
zugrunde liegende Sachanordnung (Sperrfrist) willkürlich bzw. nicht sachgerecht
und erforderlich sei, weshalb die Sanktion rechtswidrig sei.

 Zu prüfen ist indessen nur, ob der angefochtene Entscheid als
Vollstreckungsentscheid mit der Verfassung vereinbar ist, und es ist nicht auf
die Rechtmässigkeit der Sachanordnung zurückzukommen, zumal der
Beschwerdeführer nicht geltend macht (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2
BGG), "in unverjährbaren oder unverzichtbaren verfassungsmässigen Rechten
verletzt worden zu sein" (BGE 129 I 410 E. 1.1 S. 412; Tschannen/Zimmerli/
Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 323 f.). Abgesehen
davon bedarf es eines schwerwiegenden Eingriffs, um im Sanktionsverfahren die
zugrunde liegende Sachanordnung überprüfen zu können (vgl. BGE 118 Ia 209 E. 2
S. 212 ff.; Gächter/Egli, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), Kommentar zum
VwVG, 2008, N. 24 zu Art. 39), was in concreto nicht zutrifft.

4.

4.1. Sanktionen müssen verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV). Art. 18
InfoRegl. ist Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips. Nach seinem Abs. 1
können akkreditierte Journalisten und Journalistinnen, die schuldhaft gegen
Vorschriften dieses Reglements verstossen, verwarnt werden. In schweren Fällen
kann die Akkreditierung vorübergehend oder für immer entzogen werden (Abs. 2).
Insofern ist ein nach der Schwere des schuldhaften Verhaltens abgestuftes
Sanktionssystem vorgesehen, wobei normales schuldhaftes Verhalten mit einer
Verwarnung geahndet wird.

4.2. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer 1 schuldhaft gegen die
Vorschriften des InfoRegl. verstossen hat, hat er doch wissentlich und
willentlich die Sperrfrist von 07.00 Uhr missachtet. Allerdings handelt es sich
nicht um einen schweren Fall: so sind auf einer Skala von möglichen Verstössen
beispielsweise offensichtliche Persönlichkeitsverletzungen, die Nennung von
Namen in anonymisierten Urteilen, die Veröffentlichung vertraulicher oder
geheimer Informationen oder wahrheitswidrige Sachverhaltsdarstellungen, um die
Öffentlichkeit zu beeinflussen, weit schwerwiegendere Verstösse, welche nicht
mit der vorliegenden Missachtung der Sperrfrist über einen Leisten geschlagen
und insofern nicht gleich geahndet werden können. Der Beschwerdeführer hat -
wie das Bundesverwaltungsgericht selbst ausgeführt hat - zum ersten Mal gegen
die Vorschriften des InfoRegl. verstossen, und es ist entgegen der Auffassung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht Aufgabe eines konkret-individuellen
Einzelakts, ein generalpräventives Exempel für andere Journalisten zu
statuieren; im Einzelakt sind nur dessen Umstände zu berücksichtigen: dabei
ging es in casu dem Beschwerdeführer nicht darum, einen "Primeur" zu setzen,
sondern nur um eine Gleichbehandlung mit den elektronischen Medien.
Schliesslich wurde die Sperrfrist von 07.00 Uhr, ein Zeitpunkt, der die
Interessen der Printmedien nicht genügend berücksichtigt, zeitlich nur
geringfügig missachtet. Alles in allem ist die vom Bundesverwaltungsgericht
verfügte Massnahme unverhältnismässig.

5.
Den Ausführungen entsprechend ist die Beschwerde teilweise, im Sinne des
Eventualantrags, gutzuheissen. Nach Art. 18 InfoRegl. können bei Verstössen
gegen Vorschriften des Reglements drei mögliche Massnahmen ausgesprochen
werden: Verwarnung, in schweren Fällen vorübergehender Entzug der
Akkreditierung und in besonders schweren Fällen gänzlicher Entzug der
Akkreditierung. Mit der Feststellung, dass es sich vorliegend zwar um einen
schuldhaften Verstoss gegen das InfoRegl., aber nicht um einen schweren Fall
handelt, kann das Bundesgericht die Verwarnung - angesichts des fehlenden
Auswahlermessens - selbst aussprechen (Art. 107 Abs. 2 BGG).
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 BGG); eine Parteientschädigung
ist nicht geschuldet, da der Beschwerdeführer nicht durch einen externen
Anwalt, sondern durch einen unternehmensinternen Juristen vertreten ist und
somit nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Fall von Prozessführung
in eigener Sache vorliegt (vgl. Urteil 2C_807/2008 E. 4.3 mit Hinweisen; nicht
publizierte E. 4 in BGE 129 III 276).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Sinne des Eventualantrags teilweise gutgeheissen, und
die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni
2012 werden durch folgende Ziffer ersetzt:
"1. Y.________ wird gestützt auf Art. 18 Abs. 1 des Informationsreglements für
das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 verwarnt."

 Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juni 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Errass

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben