Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.80/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_80/2012

Urteil vom 16. Januar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Rieder,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Wallis, Bahnhofstrasse 35, 1951 Sitten.

Gegenstand
Kantons-, Gemeinde- und direkte Bundessteuer (Steuerveranlagung 2006 und
Rückerstattung der Verrechnungssteuer),

Beschwerde gegen das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom
23. November 2011.

Sachverhalt:

A.
Y.________, geboren 1923, erzielte am 3. Mai 2006 einen Lottogewinn in der Höhe
von Fr. 7'509'307.90. Dieser wurde am 28. September 2006 nach Abzug der
Verrechnungssteuer von 35% auf ihr Bankkonto überwiesen.
Da Y.________ innert der ordentlichen Frist für das Steuerjahr 2006 keine
Steuererklärung eingereicht hatte, wurde sie von der Steuerverwaltung des
Kantons Wallis am 23. April 2007 gemahnt. Mit Schreiben vom 22. Mai 2007
beantragte die Tochter, X.________, für ihre Mutter eine Fristerstreckung bis
zum 30. Juni 2007. Eine Steuererklärung wurde in der Folge nicht eingereicht.
Am 11. Januar 2008 musste Y.________ wegen eines Hirntumors notfallmässig ins
Spital eingeliefert werden. Am 29. Februar 2008 führte die Steuerverwaltung des
Kantons Wallis bei Y.________ für die Steuerperiode 2006 eine
Ermessensveranlagung (sog. amtliche Veranlagung) durch. In diesem Zeitpunkt
hatte die Steuerverwaltung noch keine Kenntnis vom Lottogewinn. Die Veranlagung
wurde mit Verfügung vom 4. März 2008 an die Wohnadresse der Steuerpflichtigen
in A.________ zugestellt. Die Steuerrechnung wurde durch die im gleichen
Haushalt wohnende Schwester der Steuerpflichtigen am 18. März 2008 beglichen.
In diesem Zeitpunkt befand sich Y.________ noch immer in Spitalpflege. Sie
wurde am 26. April 2008 entlassen und gemäss ärztlicher Empfehlung zur weiteren
medizinischen Betreuung zusammen mit ihrer Schwester dauerhaft in einer Wohnung
in Brig untergebracht.
Am 31. März 2009 verstarb Y.________. Einzige gesetzliche Erbin ist ihre
Tochter, X.________. Die mit der Verwaltung des Nachlasses betraute Notarin,
Z.________, reichte am 23. Juli 2009 der Kantonalen Steuerverwaltung Wallis
u.a. eine Kopie der von W.________ als Vertreter erstellten und von der
Steuerpflichtigen am 18. Juli 2007 unterzeichneten Steuererklärung 2006 mit
Deklaration des Lottogewinns ein. Im Begleitschreiben vom 23. Juli 2009 wies
die Notarin darauf hin, W.________ habe diese Steuererklärung seinerzeit
ausgefüllt und der Steuerpflichtigen zugesandt, damit diese sie an die
Wohnsitzgemeinde weiterleite. Das sei jedoch, wie sich inzwischen
herausgestellt habe, nicht geschehen. Mit Eingabe vom 28. August 2009 wendete
sich auch X.________ an die kantonale Steuerverwaltung und verlangte die
Rückerstattung der auf dem Lottogewinn ihrer Mutter erhobenen
Verrechnungssteuer.

B.
Mit Schreiben vom 10. März 2010 leitete die Steuerverwaltung des Kantons Wallis
gegenüber X.________ als Rechtsnachfolgerin der Verstorbenen ein
Nachsteuerverfahren ein. Gleichzeitig eröffnete sie die Nachsteuerverfügungen
für die Kantons-, Gemeinde- und direkte Bundessteuer 2006 unter
Berücksichtigung des Lottogewinns. Den Anspruch auf Rückerstattung der
Verrechnungssteuer lehnte sie ab.
Gegen diesen Entscheid führte X.________ am 9. April 2010 Einsprache. Sie
machte u.a. geltend, dass die Einreichung der Steuererklärung 2006 durch die
Notarin als Einsprache und Gesuch um Wiedererwägung betreffend die amtliche
Veranlagung vom 29. Februar/4. März 2008 entgegenzunehmen und zu behandeln sei.
Mit Entscheid vom 9. November 2010 wies die Kantonale Steuerverwaltung Wallis,
Veranlagungsbehörde und Sektion Verrechnungssteuer, das Gesuch um
Fristwiederherstellung ab, trat auf die Einsprache gegen die
Ermessensveranlagung nicht ein und wies das Gesuch um Rückerstattung der
Verrechnungssteuer ab.

C.
Mit Beschwerde und Rekurs vom 13. Dezember 2010 an die Steuerrekurskommission
des Kantons Wallis beantragte X.________ u.a., der Einspracheentscheid sowie
der Entscheid über die Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs betreffend die
Verrechnungssteuer vom 9. November 2010 seien aufzuheben und es sei die
Nichtigkeit der amtlichen Veranlagung vom 4. März 2008 (Ermessensveranlagung)
festzustellen; eventualiter sei die Einsprachefrist wieder herzustellen. Der
Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer sei anzuerkennen.
Mit Urteil vom 23. November 2011 wies die Steuerrekurskommission des Kantons
Wallis das Rechtsmittel ab.

D.
Hiergegen führt X.________ am 23. Januar 2012 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit der sie die gegenüber der
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis erhobenen Anträge erneuert und
beantragt, die Angelegenheit zur Festsetzung der Steuer - unter
Berücksichtigung des Lottogewinns und
Verrechnungssteuer-Rückerstattungsanspruchs - an die Kantonale Steuerverwaltung
Wallis zurückzuweisen.
Die Kantonale Steuerverwaltung Wallis, die Steuerrekurskommission des Kantons
Wallis und die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der
Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 22. Juni 2012 von ihrem Recht auf
Replik Gebrauch gemacht.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den
Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis ist zulässig (Art. 82
lit. a BGG). Diese entscheidet in den ihr übertragenen Sachbereichen,
namentlich in Angelegenheiten der kantonalen direkten Steuern, die direkten
Bundessteuer und der Verrechnungssteuer, als einzige gerichtliche Instanz des
Kantons (Art. 150 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Wallis [StG/VS], in der
Fassung vom 9. November 2006; Art. 8 des kantonalen Ausführungsgesetzes vom 24.
September 1997 zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer; Art. 2 Abs. 1
der kantonalen Ausführungsverordnung vom 26. November 2003 zum Bundesgesetz
über die Verrechnungssteuer) und erfüllt damit die Voraussetzungen, welche die
Rechtsprechung an ein "oberes kantonales Gericht" als unmittelbare Vorinstanz
des Bundesgerichts im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG stellt
(vgl. BGE 135 II 94 E. 4.1 S. 98). Die Beschwerdeführerin ist als
Rechtsnachfolgerin der Steuerpflichtigen durch den angefochtenen Entscheid
berührt und zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a BGG). Auf die
Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen
Steuerrechts durch die kantonalen Instanzen mit freier Kognition. In den
Bereichen, in denen das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR
642.14]) den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt, beschränkt
sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210;
130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2C_705/2011 vom 26. April 2012 E. 1.5.2 mit
Hinweisen).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde, soweit die Sachverhaltsfeststellungen nicht
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG); die Feststellung des Sachverhalts
kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist
oder anderweitig auf einer solchen Rechtsverletzung beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 V 57 E. 1.3 S. 60; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.;
133 III 399 E. 7.1 S. 398).

2.
2.1 Die Verrechnungssteuer wird an der Quelle erhoben. Steuerpflichtig ist der
Schuldner der steuerbaren Leistung (Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13.
Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer, VStG; SR 642.21). Er hat die Leistung
bei der Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht auf
die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen (Art. 14 Abs. 1 VStG).
Der Empfänger der um die Steuer gekürzten Leistung kann aber nach Massgabe des
Gesetzes die Rückerstattung der Verrechnungssteuer verlangen. Voraussetzung
ist, dass die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte ordentlich
deklariert werden (Art. 1 Abs. 2 und Art. 22 VStG). Darin kommt der
Sicherungscharakter der Verrechnungssteuer zum Ausdruck. Wer die mit der
Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte und Vermögenswerte, aus denen solche
Einkünfte fliessen, entgegen den gesetzlichen Vorschriften den zuständigen
Steuerbehörden nicht angibt, verwirkt den Rückerstattungsanspruch (Art. 23
VStG).

2.2 Das Bundesgericht hat erkannt, dass der Anspruch eines Steuerpflichtigen
auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer verwirkt, wenn er mit der
Verrechnungssteuer belastete Einkünfte nicht in der nächsten Steuererklärung
deklariert oder die Selbstdeklaration nicht wenigstens so frühzeitig mit
korrekten Angaben ergänzt, dass die Einkünfte noch vor der Rechtskraft der
Veranlagung berücksichtigt werden können (BGE 113 Ib 128 E. 2b S. 130; Urteil
2A.11/1995 vom 23. Januar 1996 E. 6, in: ASA 65 S. 568 mit Hinweisen). Nach
dieser Rechtsprechung kann der Steuerpflichtige seinen Anspruch auf
Rückerstattung der Verrechnungssteuer somit durch Einreichen der
Steuererklärung auch noch nachträglich bis zum Eintritt der Rechtskraft der
ordentlichen Veranlagung wahren (Urteil 2C_95/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 2.1
mit Hinweisen, in: StR 66/2011 S. 963).

2.3 Für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens kommt es somit entscheidend
darauf an, ob der verrechnungssteuerbelastete Lottogewinn vor Eintritt der
Rechtskraft der Veranlagung ordentlich deklariert worden ist.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts im
Sinne von Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG durch Verletzung des
bundesrechtlichen Untersuchungsgrundsatzes. Die Feststellung der Vorinstanz,
wonach Y.________ sel. noch fähig gewesen sei, zumindest einen Vertreter zur
Interessenwahrung zu bestimmen, sei offensichtlich unrichtig (willkürlich); zur
Feststellung dieser Tatsache bedürfe es nämlich ärztlichen Fachwissens, über
das die Vorinstanz nicht verfüge. Sämtliche Anträge der Beschwerdeführerin auf
Beweisabnahmen (Einholung der Krankengeschichte, Befragung der Ärzte) seien von
ihr abgelehnt worden. Ausserdem sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
worden.

3.1 Art. 143 DBG verpflichtet die kantonale Steuerkommission zur Untersuchung
des Sachverhalts. Es gilt die Untersuchungsmaxime. Danach sind die
Untersuchungshandlungen von Amtes wegen durchzuführen, soweit sie für die
richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts
notwendig sind. Die Untersuchungspflicht findet ihre Grenze in der
Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (Urteil 2C_26/2007 vom 10. Oktober
2007 E. 3.2, in: ASA 78 S. 308; zum Ganzen: Zweifel/Casanova, Schweizerisches
Steuerverfahrensrecht, 2008, § 24 Rz. 46 ff. S. 321 ff. besonders Rz. 48 S.
322). Eine entsprechende Pflicht zur Abnahme der gehörig angebotenen Beweise,
soweit sie rechtserhebliche Tatsachen zum Gegenstand haben, ergibt sich auch
aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV (BGE 134 I 140 E.
5.3 S. 148 mit Hinweis). Der Untersuchungsgrundsatz folgt somit aus
bundesrechtlichen Vorschriften. Eine unvollständige (gerichtliche) Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts (vgl. BGE 135 V 23 E. 2 S. 25) sowie die
Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes als eine wesentliche
Verfahrensvorschrift stellen daher eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG dar (vgl. Urteile
9C_994/2010 vom 12. April 2011 E. 1; 8C_829/2009 vom 17. Dezember 2009 E.
3.2.2; Meyer/Dormann, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 60 zu Art. 105 BGG; je mit Hinweisen).

3.2 Es ist nicht mehr bestritten und steht fest, dass die amtliche Veranlagung
vom 29. Februar/4. März 2008 (die noch keinen Lottogewinn enthielt) der
Steuerpflichtigen Y.________ an ihrem Wohnort und Steuerdomizil in A.________
zugestellt wurde. Dass sich die Steuerpflichtige in diesem Zeitpunkt in
Spitalpflege befand, ändert an der rechtsgültigen Zustellung nichts.
Erforderlich für die Eröffnung ist nur, dass die Steuerpflichtige von der
Veranlagungsverfügung Kenntnis nehmen konnte, nicht aber, dass sie davon
tatsächlich Kenntnis genommen hat. Hierfür genügt die Zustellung an die
Wohnadresse auch bei auswärtigem Aufenthalt (zum Ganzen, vgl. BGE 122 I 139 E.
1 S. 143; 113 Ib 296 E. 2a; Urteil 2C_570/2011 vom 24. Januar 2012 E. 4.1, in:
StR 67/2012 S. 301).
Diese Veranlagung wurde innert der Frist, die dreissig Tage beträgt (Art. 132
Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer
[DBG); Art. 139 Abs. 1 StG/VS), nicht angefochten. Auf verspätete Einsprachen
kann nur eingetreten werden, wenn die steuerpflichtige Person nachweist, dass
sie durch "erhebliche Gründe" an der rechtzeitigen Einreichung der Einsprache
verhindert war und dass diese innert dreissig Tagen nach Wegfall der
Hinderungsgründe eingereicht wurde (Art. 133 Abs. 3 DBG; Art. 140 Abs. 3 StG/
VS). Krankheit bildet nach Art. 133 Abs. 3 DBG und Art. 140 Abs. 3 StG/VS
ausdrücklich einen erheblichen Grund für die Wiederherstellung der Frist. Die
Erkrankung muss aber derart sein, dass der Steuerpflichtige durch sie davon
abgehalten wird, selbst innert Frist zu handeln oder eine Drittperson mit der
notwendigen Vertretung zu betrauen (s. auch BGE 119 II 86 E. 2 S. 87; 112 V 255
; Urteil 8C_767/2008 vom 12. Januar 2009 E. 5.3.1). Geisteskrankheit oder
Geistesschwäche kann objektiv ein Hinderungsgrund sein, wenn durch sie die
Urteilsfähigkeit (Art. 16 ZGB) und damit die Prozessfähigkeit eingeschränkt ist
(BGE 108 V 226 E. 4 S. 228; Urteil 9C_209/2012 vom 26. Juni 2012 E. 3.1).

3.3 Gemäss Art. 16 ZGB ist urteilsfähig, wer in der Lage ist, vernunftgemäss zu
handeln (Art. 16 ZGB). Vorliegend hat die Vorinstanz die Urteilsfähigkeit der
verstorbenen Y.________ nicht abgeklärt. Im Zeitpunkt der Eröffnung der
amtlichen Veranlagung vom 29. Februar/4. März 2008 (spätestens am 18. März
2008) befand sich die Mutter der Beschwerdeführerin in Spitalpflege, nachdem
sie am 11. Januar 2008 wegen eines bösartigen Gehirntumors, der operativ
behandelt werden musste, eingewiesen worden war. Am 22. Januar 2008 wurde sie
von der medizinischen in die psychiatrische Abteilung verlegt. Die Mutter der
Beschwerdeführerin war in diesem Zeitpunkt 85 Jahre alt. Die Beschwerdeführerin
reichte im vorinstanzlichen Verfahren im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht
zusammen mit dem Steuerrekurs vom 13. Dezember 2010 ein ärztliches Attest von
Dr. med. U.________ vom 7. April 2010 ein und beantragte die Edition der
Krankengeschichte ihrer Mutter unter Befreiung von der ärztlichen
Schweigepflicht. Am 16. Juni 2011 legte sie den ersten Austrittsbericht des
Spitalzentrums Oberwallis vom 6. April 2008 vor mit einer Notiz der Oberärztin,
Dr. med. V.________, vom 8. Juni 2011. Darin bestätigte diese, dass die
Krankenakten des Spitalzentrums sowie weitere Akten der Abteilung
Alterspsychiatrie ediert werden könnten, sofern ein Gerichtsbeschluss gefasst
würde. Wie Dr. med. U.________, der die Patientin als Hausarzt betreute, in
seinem ärztlichen Attest vom 7. April 2010 bestätigte, geht aus dem
Austrittsbericht der alterspsychiatrischen Abteilung des Psychiatriezentrums
Oberwallis vom 8. April 2008 hervor, dass die Patientin während der
Hospitalisation nicht in der Lage war, irgendwelche geschäftlichen oder
steuerlichen Briefe zu verstehen.
Unter diesen Umständen bestanden aber objektiv Zweifel an der Urteilsfähigkeit
der Verstorbenen, und es hätten sich weitere Abklärungen aufgedrängt.

3.4 Die Frage, ob Y.________ in diesem Sinne urteils- und insbesondere
prozessunfähig war, kann aber vorläufig offen gelassen werden. Mit dem Tod der
Steuerpflichtigen am 31. März 2009 fiel ein allfälliger Hinderungsgrund (Art.
133 Abs. 3 DBG; Art. 140 Abs. 3 StG/VS) in der Person der Steuerpflichtigen
dahin und müsste ein Fristwiederherstellungsgrund bei der heutigen
Beschwerdeführerin erfüllt gewesen sein. Zudem müsste diese innert 30 Tagen
nach Wegfall des Hinderungsgrundes selbst die versäumte Rechtshandlung
nachgeholt haben. Das wird im Folgenden geprüft.

4.
4.1 Beim Tod des Steuerpflichtigen treten dessen Erben als
Gesamtrechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten, die sich aus dem
Steuerrechtsverhältniss ergeben, ein. Die Beschwerdeführerin als alleinige
gesetzliche Erbin ist somit kraft Steuersukzession in das
Steuerrechtsverhältnis der Verstorbenen eingetreten (zum Verhältnis von
Universalsukzession und Steuersukzession, vgl. BLUMENSTEIN/LOCHER, System des
schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, § 6 II S. 74). Dabei umfasst die
Steuersukzession sowohl die Zahlungssukzession, d.h. die Pflicht zur
Entrichtung der geschuldeten Steuer (vgl. BLUMENSTEIN/ LOCHER, a.a.O., S. 75;
GREMINGER/BÄRTSCHI, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, 2.
Aufl. 2008, N. 3 ff. zu Art. 12 DBG), wie auch die Verfahrenssukzession, also
den Eintritt in die verfahrensrechtliche Stellung bei noch offener Veranlagung
(für die Unternehmungsnachfolge, vgl. Urteile 2C_349/2004 vom 1. Dezember 2004
E. 2.2, in: ASA 75 S. 171; 2C_895/2008 vom 9. Juni 2009 E. 1.1., in: RDAF 2009
II 522; 2A.382/1994 vom 23. April 1997 E. 2b, in: StE 1997 B 74.11 Nr. 9). Ein
hängiges Verfahren wird in demjenigen Stadium übernommen, in dem es sich bei
Antritt der Steuersukzession befindet (BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 75 f.;
GREMINGER/BÄRTSCHI, a.a.O., N. 10 zu Art. 12 DBG; HUGUES SALOMÉ, in:
Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 3 zu Art. 12 DBG). Je
nachdem haben die Erben etwa die Steuererklärung einzureichen, Auskunft zu
erteilen oder sie können ein Rechtsmittel ergreifen (ZWEIFEL/CASANOVA,
Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, 2008, § 6 Rz. 25 ff. S. 41 f.). Die
Steuersukzession der Erben tritt ein mit dem Erwerb der Erbschaft, der sich
nach den zivilrechtlichen Vorschriften vollzieht (BLUMENSTEIN/ LOCHER, a.a.O.,
S. 74).

4.2 Es stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Steuerpflichtige
während einer behördlich angeordneten oder gesetzlichen Frist stirbt oder
handlungsunfähig wird. Eine von den Behörden gesetzte Frist kann erstreckt
(Art. 119 Abs. 2 DBG) oder wieder hergestellt werden (Art. 133 Abs. 3 DBG, s.
auch Art. 124 Abs. 4 und Art. 140 Abs. 4 DBG). Demgegenüber ist bei einer
gesetzlichen Frist nur die Wiederherstellung möglich. Dazu gehören namentlich
die Rechtsmittelfristen. Die Enumeration der Fristwiederherstellungsgründe in
Art. 133 Abs. 3 DBG und Art. 140 Abs. 3 StG/VS ist nicht abschliessend. Art.
133 Abs. 3 DBG erwähnt als Fristwiederherstellungsgründe beispielhaft den
Militär- und Zivildienst, Krankheit und Landesabwesenheit. Die (unverschuldete)
Unkenntnis der Veranlagung infolge Todes des Erblassers muss mithin auch ein
Fristwiederherstellungsgrund im Sinne von Art. 133 Abs. 2 DBG und Art. 140 Abs.
3 StG/VS sein (MARTIN ZWEIFEL, Die verfahrens- und steuerstrafrechtliche
Stellung der Erben, ASA 64 S. 340).

4.3 Die Steuergesetze kennen kein spezielles Fristwiederherstellungsverfahren.
Das Fristwiederherstellungsgesuch ist - im Gegensatz zur Einsprache (132 Abs. 1
DBG) - an keine Form gebunden und daher auch mündlich möglich. Nach einer
Lehrmeinung kann die Steuerverwaltung auch von Amtes wegen (analog zur
Revision, Art. 147 Abs. 1 DBG) Wiederherstellung gewähren, wenn der
Wiederherstellungsgrund aus den Akten ersichtlich ist (ZWEIFEL/CASANOVA,
a.a.O., § 8 Rz. 16 S. 66; MARTIN ZWEIFEL, in: Kommentar zum Schweizerischen
Steuerrecht, Band I/2b, 2. Aufl. 2008, N. 21 zu Art. 133). Auf jeden Fall muss
aber der Steuerpflichtige innert 30 Tagen nach Wegfall des Hinderungsgrundes
ein begründetes (sinngemässes oder ausdrückliches) Gesuch um Wiederherstellung
der versäumten Frist stellen. Denn die Behörde muss wissen, ob sich der
Steuerpflichtige auf einen Wiederherstellungsgrund beruft.
Im Gegensatz hierzu muss die Einsprache schriftlich abgefasst sein, wobei es
aber genügt, dass aus der Einsprache der Anfechtungswille hervorgeht (Art. 132
Abs. 1 DBG; Zweifel, a.a.O., N. 18 zu 132 DBG). Die Einsprache gegen eine
Ermessensveranlagung ist zu begründen (Art. 132 Abs. 3 DBG), wobei an die
Begründung keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Für die Begründung der
Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung reicht es aus, dass der
Beschwerdeführer der Einsprache die ausgefüllte vollständige Steuererklärung
beifügt (Urteile 2C_279/2011 vom 17. Oktober 2011 E. 3.2, in: StE 2012 B 93.5
Nr. 26, StR 67/2012 S. 59; 2C_620/2007 vom 2. Juli 2008 E. 2.1, in: StE 2009 B
95.1 Nr. 13; 2C_136/2011 vom 30. April 2012 E. 4.2.1, nicht publiziert). Beides
muss innerhalb der Einsprache- oder der gemäss Art. 133 Abs. 3 DBG bzw. 140
Abs. 3 StG/VS wiederhergestellten Frist, die 30 Tage ab Wegfall des
Hinderungsgrundes beträgt, erfolgen (Urteil 2A.72/2004 vom 4. Juli 2005 E. 5
f., in: StR 60/2005 S. 973).

4.4 Vorliegend hat Notarin Z.________ im Auftrag der Beschwerdeführerin am 21.,
22. und 23. Juli 2009 mit der Gemeindeverwaltung des Wohnorts der verstorbenen
Steuerpflichtigen sowie mit der Steuerverwaltung des Kantons Wallis
telefoniert. Gemäss den Ausführungen in der Einsprache und im kantonalen Rekurs
wie auch in der vorliegenden Beschwerde wollte die Notarin abklären, wann die
Verrechnungssteuer auf dem Lottogewinn zurückerstattet werde. Dabei sei der
Notarin mitgeteilt worden, dass die Steuerverwaltung keine Kenntnis von einem
Lottogewinn habe; wahrscheinlich sei die Steuererklärung nicht eingereicht
worden. Der Notarin sei aber nicht gesagt worden, dass eine
Ermessensveranlagung ergangen sei. Am 23. Juli 2009 reichte die Notarin daher
eine Kopie der von der Steuerpflichtigen unterzeichneten Steuererklärung bei
der kantonalen Steuerverwaltung ein. Im Begleitschreiben wies sie darauf hin,
dass die damals bereits 85-jährige Steuerpflichtige die Steuererklärung nicht
an die Wohnsitzgemeinde weitergeleitet habe.
Gemäss den Einsprache- und Beschwerdeausführungen erhielt die Notarin sodann am
19. August 2009 einen Telefonanruf von der kantonalen Steuerverwaltung.
Anlässlich dieses Gesprächs habe sie erstmals von der amtlichen Veranlagung
(Ermessensveranlagung) erfahren. Die Notarin habe dargelegt, dass die
verstorbene Y.________ im Zeitpunkt der Ermessensveranlagung bereits alt und
krank gewesen sei, worauf der Beamte erklärt habe, dass unter diesen Umständen
über eine Rückerstattung der Steuer diskutiert werden könne; allerdings müsse
der Nachweis erbracht werden, "dass Frau Y.________ im Zeitpunkt des Erhalts
der Steuerveranlagung nicht mehr voll urteilsfähig war" (Rekurs vom 13.
Dezember 2010 an die kantonale Steuerkommission S. 5). Mit E-Mail vom 24.
August 2009 forderte der Beamte die Notarin ausserdem auf, im Hinblick auf die
"Nachsteuer" verschiedene Unterlagen und Bankbelege betreffend die Auszahlung
und Verwendung des Lottogewinns sowie die Steuerdeklaration der
Beschwerdeführerin für den Kanton Bern einzureichen.
Eine gleichartige Aufforderung erging mit eingeschriebenem (nicht datiertem)
Brief auch an die Beschwerdeführerin persönlich mit Frist zur Einreichung der
erwähnten Unterlagen bis zum 20. November 2009. Am 28. August 2009 reichte die
Beschwerdeführerin einen schriftlichen Antrag auf Rückerstattung der
Verrechnungssteuer ein.

4.5 Es ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin spätestens Ende August
2009 von der amtlichen Veranlagung Kenntnis hatte, wobei sie sich das Wissen
der Notarin anrechnen lassen muss. Die Beschwerdeführerin wurde zudem
persönlich aufgefordert, im Hinblick auf die Nachbesteuerung Unterlagen
vorzulegen. In der Folge reichte die Beschwerdeführerin am 28. August 2009
einen schriftlichen Antrag auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ein. Darin
kann aber - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - keine gültige
(schriftliche) Einsprache und kein (konkludentes) Fristwiederherstellungsgesuch
erblickt werden. Weder wird darin - ausdrücklich oder sinngemäss - Einsprache
erhoben noch wird um Wiederherstellung der Einsprachefrist ersucht. An diesem
Ergebnis ändert auch die am 23. Juli 2009 eingereichte (Kopie der)
Steuererklärung nichts.
Erst mit der Einsprache vom 9. April 2010 gegen die Nachsteuerveranlagung vom
10. März 2010 wurde durch den Anwalt der Beschwerdeführerin die Krankheit und
Urteilsunfähigkeit der Verstorbenen unter Angabe der Beweismittel erstmals
ausführlich beschrieben, und es wurde beantragt, die Einreichung der
Steuererklärung durch die Notarin als Einsprache zu behandeln. Diese Eingabe
kann jedoch nicht als rechtzeitig für das Fristwiederherstellungsgesuch
betrachtet werden, nachdem die Beschwerdeführerin ab Ende August 2009 von der
amtlichen Veranlagung Kenntnis hatte.

5.
Die Beschwerdeführerin macht auch Nichtigkeit der Veranlagungsverfügung vom 29.
Februar 2008/4. März 2008 geltend. Deren Eröffnung sei wegen fehlender
Prozessfähigkeit (infolge der Urteilsunfähigkeit) der Steuerpflichtigen als
nicht erfolgt zu betrachten.
Der Einwand ist unbehelflich. Gemäss der Rechtsprechung wird Nichtigkeit, d.h.
absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, angenommen, wenn der ihr anhaftende
Mangel besonders schwer wiegt und offensichtlich oder zumindest leicht
erkennbar ist. Voraussetzung ist, dass die Rechtssicherheit durch die Annahme
der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgründe kommen
namentlich die funktionelle oder sachliche Unzuständigkeit der verfügenden
Behörde sowie schwer wiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 137 I 273 E.
3.1 S. 275 mit Hinweisen). Vorliegend geht es um die Frage, ob Y.________
infolge ihrer Krankheit nicht in der Lage war, rechtzeitig zu handeln.
Krankheit bildet aber keinen Nichtigkeits-, sondern gemäss Art. 133 Abs. 3 DBG
und Art. 140 Abs. 3 StG/VS einen Fristwiederherstellungsgrund.

6.
Die Einsprache und das Fristwiederherstellungsgesuch sind somit eindeutig
verspätet. Die Veranlagung ist in Rechtskraft erwachsen, ohne dass der
verrechnungssteuerbelastete Lottogewinn (rechtzeitig) deklariert worden wäre,
und der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf diesem Einkommen
verwirkt. Die Frage, ob Y.________ sel. infolge ihrer Krankheit urteilsunfähig
war (vorn E. 3.4), kann damit definitiv offenbleiben. Die Beschwerde ist
abzuweisen.

7.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind entsprechend dem
Verfahrensausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 und 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 15'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie der Steuerrekurskommission
des Kantons Wallis und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Wyssmann