Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.806/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
2C_806/2012, 2C_807/2012

Urteil vom 12. Juli 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Aubry Girardin, Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

2C_806/2012
Verfahrensbeteiligte
1.  X1.________,
2. X2A.________ und X2B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X2C.________ und X2D.________,
3.  X3.________,
4.  X4A.________ und  X4B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X4C.________,
5.  X5A.________ und  X5B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X5C.________ und X5D.________,
6.  X6A.________ und  X6B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X6C.________,
7.  X7A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X7B.________ und
X7C.________,
8.  X8A.________ und  X8B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X8C.________,
9.  X9A.________ und  X9B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von
X9C.________ und X9D.________,
10.  X10.________,
11.  X11A.________ und  X11B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X11C.________,
12.  X12A.________ und  X12B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X12C.________ und X12D.________,
13.  X13A.________ und  X13B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X13C.________,
14.  X14A.________ und  X14B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X14C.________,
15.  X15A.________ und  X15B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X15C.________ und X15D.________,
16.  X16A.________ und  X16B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X16C.________,
17.  X17A.________ und  X17B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X17C.________,
18.  X18A.________ und  X18B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X18C.________ und X18D.________,
19.  X19A.________ und  X19B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X19C.________ und X19D.________,
20.  X20A.________ und  X20B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X20C.________ und X20D.________,
21.  X21A.________ und  X21B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X21C.________,
22.  X22A.________ und  X22B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X22C.________ und X22D.________,

alle vertreten durch Rechtsanwalt Remo Cahenzli,
Beschwerdeführer,

2C_807/2012

Verfahrensbeteiligte
1.  X23A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X23B.________
und X23C.________,
2.  X24A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X24B.________,
3. X25A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X25B.________ und
X25C.________,
4.  X26A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X26B.________,
5. X27A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X27B.________,
6.  X28A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X28B.________,
7.  X29A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X29B.________,
8.  X30A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X30B.________,
9.  X31A.________, für sich und als gesetzliche Vertreter X31B.________ und
X31C.________,
10.  X32A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X32B.________,
11.  X33A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X33B.________ und
X33C.________,
12.  X34A.________ und  X34B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X34C.________,
13.  X35A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X35B.________ und
X35C.________,
14.  X36A.________ und  X36B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X36C.________,
15.  X37A.________ und  X37B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X37C.________,
16.  X38A.________ und  X38B.________, für sich und als gesetzliche Vertreter
von X38C.________,
17. X39A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X39B.________,
18. X40A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X40B.________ und
X40C.________,
19. X41A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X41B.________,
20. X42A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X42B.________ und
X42C.________,
21. X43A.________,
für sich und als gesetzliche Vertreterin X43B.________ und X43C.________,
22. X44A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter X44B.________ und
X44C.________,
23. X45A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X45B.________,
24. X46A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin X46B.________ und
X46C.________,
25. X47A.________, für sich und als gesetzliche Vertreter von X47B.________,
26. X48A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X48B.________,
27. X49A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X49B.________,
28. X50A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X50B.________,
29. X51A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X51B.________,
30. X52A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X52B.________,
31. X53A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X53B.________,
32.  X54A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X54B.________,
33. X55A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X55B.________,
34. X56A.________, für sich und als gesetzlicher Vertreter von X56B.________,
35. X57A.________, für sich und als gesetzliche Vertreterin von X57B.________,

alle vertreten durch Rechtsanwalt Remo Cahenzli,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierung des Kantons Graubünden, Graues Haus, Reichsgasse 35, 7001 Chur,
vertreten durch das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement des
Kantons Graubünden, Quaderstrasse 17, 7000 Chur.

Gegenstand
Sprachenfreiheit,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden (1.
Kammer als Verfassungsgericht) vom 22. Mai 2012.

Sachverhalt:

A. 
Der Grosse Rat des Kantons Graubünden beschloss im August 2003 die Herausgabe
der rätoromanischen Lehrmittel in Rumantsch Grischun und beauftragte die
Regierung, ein Konzept für dessen Einführung in den Schulen auszuarbeiten. Am
21. Dezember 2004 verabschiedete die Regierung des Kantons Graubünden ein
Grobkonzept betreffend Rumantsch Grischun in der Schule. Danach sollte dieses
als "Alphabetisierungssprache" bereits ab der 1. Primarklasse eingeführt
werden. Am 24. April 2007 erliess die Regierung unter dem Titel "Rumantsch
Grischun in der Schule: Ausgestaltungsphase "Pionier" in den Schuljahren 2007/
08-2010/11" einen weiteren Beschluss, worin sie diese Ausgestaltungsphase als
Schulversuch bewilligte. In der Folge beschlossen zahlreiche Gemeinden,
namentlich im Münstertal und in der Surselva, sich als Pioniergemeinden im
Sinne dieses Beschlusses zu betätigen. Später jedoch formierte sich Widerstand
gegen Rumantsch Grischun in der Schule. Im Münstertal und in der Surselva
wurden kommunale Volksinitiativen lanciert mit dem Ziel, das Rumantsch Grischun
als "Alphabetisierungssprache" wieder abzuschaffen und diese durch das Idiom zu
ersetzen.

B. 
Am 5. Dezember 2011 beschloss die Regierung des Kantons Graubünden:

"Es wird festgestellt, dass ein allfälliger Wechsel der Schulsprache vom
Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich auf Beginn der 1.
Primarklasse zu erfolgen hat. Ausnahmsweise kann ein entsprechender Wechsel in
der Schulsprache auch für Schüler und Schülerinnen, die derzeit die 1.
Primarklasse besuchen, bis spätestens zu Beginn des Schuljahres 2012/2013
vorgenommen werden, sofern dies von der Schulträgerschaft beschlossen wird.
Diese Feststellung erfolgt im Sinne einer Ergänzung der Rahmenbedingungen im
Zusammenhang mit dem von der Regierung am 24. April 2007 bewilligten
Schulversuch betreffend Ausgestaltungsphase "Pionier" 2007 bis 2011 des
Projekts "Rumantsch Grischun in der Schule".
Am 19. Januar 2012 erhoben X1.________ und Mitbeteiligte, allesamt Eltern von
schulpflichtigen Kindern aus dem Münstertal, Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden mit dem Antrag, der Beschluss der Regierung vom 5.
Dezember 2011 sei aufzuheben.
Ebenfalls am 19. Januar 2012 erhoben X23A.________ und Mitbeteiligte, allesamt
Eltern von schulpflichtigen Kindern aus der Surselva, Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit dem gleichen Antrag.
Mit zwei Urteilen vom 22. Mai 2012 wies das Verwaltungsgericht die beiden
Beschwerden ab.

C.

C.a. X1.________ (und Mitbeteiligte) erheben mit gemeinsamer Eingabe vom 27.
August 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren
2C_806/2012) mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts und den
mitangefochtenen Beschluss der Regierung aufzuheben, eventualiter die
Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem
beantragen sie, es sei ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

C.b. X23A.________ und Mitbeteiligte erheben ebenfalls Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_807/2012) mit dem
nämlichen Antrag.

C.c. In beiden Verfahren beantragen Verwaltungsgericht und Regierung des
Kantons Graubünden die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügungen des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts vom 14. November 2012 wurden die Gesuche um aufschiebende
Wirkung abgewiesen.
Die Parteien äusserten sich im Laufe des Instruktionsverfahrens gemäss der
bundesgerichtlichen Praxis zum Replikrecht (vgl. BGE 138 I 484 E. 2 S. 485 f.).
Im Verfahren 2C_806/2012 reichte überdies der Cussagl da scuola Val Müstair
Eingaben in deutscher Sprache ein.

D. 
Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung hat die Angelegenheit am 12. Juli 2013
an einer öffentlichen Sitzung beraten.

Erwägungen:

1. 
Die beiden Beschwerden lauten weitestgehend wörtlich gleich und richten sich
gegen zwei im wesentlichen gleichlautende Urteile, welche beide den selben
Regierungsbeschluss betreffen. Beiden liegt der nämliche Sachverhalt zu Grunde
und es stellen sich die gleichen Tat- und Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich
daher, die Verfahren 2C_806/2012 und 2C_807/2012 zu vereinigen und in einem
einzigen Urteil zu erledigen (Art. 24 BZP in Verbindung mit Art. 71 BGG).

2.

2.1. Die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen kantonal
letztinstanzliche Endentscheide in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts
sind zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Die
Beschwerdeführer sind als Eltern schulpflichtiger Kinder durch den
vorinstanzlichen Entscheid besonders berührt, haben ein schutzwürdiges
Interesse an dessen Aufhebung und sind damit zur Anfechtung beim Bundesgericht
befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die form- und fristgerecht eingereichten
Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.

2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der
Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen
Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein
sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 ; 134 I 83 E. 3.2 ; 133 III 393 E. 6, 439 E. 3.2
; 133 II 249 E. 1.4.2); wird eine solche Verfassungsrüge nicht vorgebracht,
kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine
Verfassungsverletzung tatsächlich vorliegt (BGE 131 I 377 E. 4.3) .

2.3. Im Verfahren vor Bundesgericht haben die Parteien, die Beteiligten und zur
Beschwerde berechtigten Behörden das Recht sich zu äussern (Art. 102 BGG).
Eingaben unbeteiligter Dritter sind unbeachtlich. Die Eingaben des Cussagl da
scuola Val Müstair sind aus den Akten zu weisen.

3. 
Die Beschwerdeführer rügen eine Gehörsverletzung, indem die Vorinstanz sich mit
ihren Argumenten nicht oder nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Wird ein
Entscheid unter Berufung auf die formelle Natur des rechtlichen Gehörs
aufgehoben, so geht die Sache an die untere Instanz zu neuem Entscheid zurück.
Die Beschwerdeführer stellen indessen ein reformatorisches Hauptbegehren und
nur eventualiter ein Rückweisungsbegehren. Sie streben damit primär einen
Entscheid in der Sache an und nicht eine Neubeurteilung durch die Vorinstanz;
da sie in der Sache ausschliesslich Verfassungsrügen erheben, bezüglich welcher
das Bundesgericht (auf entsprechende Rüge hin) eine uneingeschränkte Kognition
hat (Art. 95 lit. a BV), kann das Bundesgericht den Hauptantrag beurteilen.

4.

4.1. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass im Kanton Graubünden die
Gemeinden zuständig sind, über die Schulsprache zu entscheiden. Das wird auch
von der Regierung bestätigt. Der streitige Beschluss stellt diese Zuständigkeit
nicht prinzipiell in Frage, hat aber zur Folge, dass es den Gemeinden zwar frei
steht, von der Schulsprache Rumantsch Grischun auf das Idiom zu wechseln (oder
umgekehrt), dass aber dieser Wechsel für diejenigen Schüler, welche bereits
eingeschult wurden, nicht mehr zum Tragen kommt. Dies ist Streitthema.

4.2. Das Verwaltungsgericht hat dazu erwogen, es gehe um einen vom Kanton
initiierten und finanzierten Schulversuch nach Art. 6 des Gesetzes vom 26.
November 2000 für die Volksschulen des Kantons Graubünden (SchulG; BR 421.000)
in Verbindung mit Art. 33 des Gesetzes vom 30. August 2007 über den
Finanzhaushalt und die Finanzaufsicht des Kantons Graubünden (FFG; per 1.
Dezember 2012 aufgehoben). Der angefochtene Beschluss finde in Art. 6 SchulG
eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Gemeindeautonomie sei nicht
verletzt, weil den Gemeinden die freie Entscheidung über die Wahl der
Schulsprache nicht beschränkt worden sei. Sodann werde die Sprachenfreiheit
nicht missachtet, da kein Wechsel vom Romanischen auf Deutsch oder Italienisch
angeordnet worden sei, sondern ein solcher innerhalb des Romanischen. Zudem sei
der angefochtene Beschluss auch pädagogisch sinnvoll, damit kein Schüler
gezwungen werde, während der obligatorischen Schulzeit die Schulsprache zu
wechseln; dies wäre für die Schüler verwirrend und würde die Spracherlernung
und die Chancengleichheit bei den Aufnahmeprüfungen gefährden. Ferner habe der
Grosse Rat im Dezember 2011 ein neues Schulgesetz erlassen, wobei die von der
Regierung getroffene Lösung akzeptiert worden sei.

5.

5.1. Drei Normen der Bundesverfassung enthalten Regeln über die Sprachen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft: Art. 4 BV bestimmt die Landessprachen,
darunter auch das "Rätoromanisch". Art. 18 BV garantiert ausdrücklich die
Sprachenfreiheit. Art. 70 BV schliesslich regelt die Fragen der Amtssprachen,
jene des Territorialitätsprinzips und jene der Kompetenzen von Bund und
Kantonen im Bereich der Sprache.

5.2. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Sprachenfreiheit (Art. 18
BV); entgegen der Auffassung der Vorinstanz falle auch der Gebrauch des
rätoromanischen Idioms in den Geltungsbereich der Sprachenfreiheit. Der
streitige Beschluss greife ohne genügende gesetzliche Grundlage und in
unverhältnismässiger Weise in die Sprachenfreiheit ein.

5.3. Zu prüfen ist also zunächst, ob die Sprachenfreiheit (Art. 18 BV) einen
Anspruch darauf gibt, im Idiom anstatt in Rumantsch Grischun unterrichtet zu
werden.

5.4. Die Sprachenfreiheit (Art. 18 BV) garantiert das Recht, eine Sprache nach
eigener Wahl zu benützen, insbesondere auch die Muttersprache (BGE 138 I 123 E.
5.1; 136 I 149 E. 4.1; 122 I 236 E. 2b; 121 I 196 E. 2a ; so genannte "aktive
Seite der Sprachenfreiheit", vgl. Regula Kägi-Diener, St. Galler BV-Kommentar,
2. A. 2008, Rz. 13 zu Art. 18). Als Individual-Grundrecht schützt sie den
Gebrauch sowohl der rätoromanischen Idiome ( GIOVANNI BIAGGINI, BV-Kommentar,
2007, Rz. 6 zu Art. 70) als auch des Rumantsch Grischun ( JÖRG PAUL MÜLLER/
MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. A. 2008, S. 294; STEPHAN
HÖRDEGEN, Der Freiburger Sprachenfall - Kontroverse über die Unterrichtssprache
in der Schule im Lichte der Sprachenfreiheit und der Bildungschancengleichheit,
AJP 2003 S. 769 f.). In diesen privaten Bereich der Sprachenfreiheit - d. h
wenn es um die Freiheit der einzelnen Bürgerinnen und Bürger geht, welche
Sprache sie benützen und in welcher sie untereinander kommunizieren wollen -,
hat sich der Staat nicht einzumischen. Im öffentlichen Bereich der
Sprachenfreiheit - wozu die Festlegung der Unterrichtssprache an den Schulen
zweifellos gehört - können und müssen Bund, Kantone und Gemeinden dagegen tätig
werden (vgl. dazu sogleich). Es geht hier um die so genannte "passive Seite der
Sprachenfreiheit", also die Frage, in welcher Sprache sich die staatlichen
Behörden an die Bevölkerung wenden. Dabei gilt es vorab - was gerade auch für
den hier zu beurteilenden Fall mitentscheidend ist - zu beachten, dass die
staatliche Festlegung der Unterrichtssprache die einzelnen Bürgerinnen und
Bürger in ihrer Wahlfreiheit, in welcher Sprache sie untereinander sprechen
möchten, nicht beeinträchtigt (vgl. zum Ganzen Auer/Malinverni/Hottelier; Droit
constitutionnel suisse, Volume II, Berne 2013 p. 310).

5.5. Die Sprachenfreiheit wird eingeschränkt durch das Amtssprachen-und
Territorialitätsprinzip: Die Kantone bestimmen ihre Amtssprachen, wobei sie das
Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften wahren, auf die herkömmliche
sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die angestammten
sprachlichen Minderheiten Rücksicht nehmen (Art. 70 Abs. 2 BV); der Einzelne
hat kein Recht, mit den Behörden in einer beliebigen Sprache zu verkehren,
sondern hat - unter Vorbehalt besonderer Ansprüche (z.B. Art. 31 Abs. 2 BV;
Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK) - die jeweilige Amtssprache zu
benützen (BGE 138 I 123 E. 5.2; 136 I 149 E. 4.3; 124 III 205 E. 4; 122 I 236
E. 2c). Art. 70 Abs. 2 BV verbietet auch die bewusste Verschiebung
hergebrachter Sprachgrenzen oder die Unterdrückung von hergebrachten
Minderheitssprachgruppen (BGE 100 Ia 462 E. 2b S. 466; 122 I 236 E. 2h;
BIAGGINI, a.a.O., Rz. 9 zu Art. 70; REGULA KÄGI-DIENER, a.a.O., Rz. 26 zu Art.
70; GIORGIO MALINVERNI, Kommentar [a]BV, Rz. 28 f. zur Sprachenfreiheit; DANIEL
THÜRER, Zur Bedeutung des sprachenrechtlichen Territorialprinzips für die
Sprachenlage im Kanton Graubünden, ZBl 85/1984 S. 241 ff., 249). Diese
Grundsätze gelten insbesondere für den Schutz der traditionellen sprachlichen
Minderheiten wie des Italienischen und des Rätoromanischen (vgl. Art. 70 Abs. 5
BV; BGE 138 I 123 E. 8; CHRISTINE MARTI-ROLLI, La liberté de la Langue en droit
suisse, 1978, S. 37; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 298; PIERRE TSCHANNEN,
Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. A. 2011, S. 223 Rz. 7).

5.6. Das Territorialitätsprinzip gilt auch für den Unterricht an staatlichen
Schulen: Die Sprache ist sowohl für das Individuum als auch für das Kollektiv,
die Schulsprache für die Identitätsbildung des einzelnen Kindes wie auch für
den Fortbestand einer Sprachgemeinschaft von erheblicher Bedeutung (BGE 100 Ia
462 E. 4 S. 469 f.; THOMAS FLEINER, Sprachenfreiheit, in: Merten/Papier
[Hrsg.], Handbuch der Grundrechte, 2007, S. 406 f., 412 f.; HÖRDEGEN, a.a.O.,
S. 770 f.; MÜLLER/ SCHEFER, a.a.O., S. 302; TSCHANNEN, a.a.O., S. 230 Rz. 30;
BARBARA WILSON, La liberté de la langue des minorités dans l'enseignement,
1999, S. 113 f.). Das Interesse am Fortbestand einer Sprachgemeinschaft kann
dem Interesse des Einzelnen, in einer bestimmten Sprache unterrichtet zu
werden, entgegenstehen (BGE 138 I 123 E. 5.2 und 8). Zudem geht es beim
Unterricht an staatlichen Schulen nicht um eine Einschränkung der
Sprachenfreiheit als Abwehrgrundrecht, sondern um einen Leistungsanspruch
gegenüber dem Staat im Rahmen von Art. 19 und Art. 62 Abs. 2 BV, wobei neben
dem Anliegen der Bewahrung sprachlich homogener Territorien auch der Aspekt der
finanziellen Belastung des Gemeinwesens zu beachten ist (vgl. generell zu Art.
19 und 62 BV: BGE 138 I 162 E. 3.2 und 4.6.2; 130 I 352 E. 3.3; 129 I 12 E.
6.4). Die Sprachenfreiheit gibt aus diesen Gründen kein Recht, an den
staatlichen Schulen in einer beliebigen (Mutter-) Sprache unterrichtet zu
werden; vielmehr findet der Unterricht in derjenigen Sprache statt, welche die
Kantone - oder gemäss kantonalem Recht die Gemeinden - entsprechend den
Grundsätzen von Art. 70 Abs. 2 BV festlegen (vgl. noch zur alten BV: BGE 100 Ia
462 E. 2a; 122 I 236 E. 2d; 125 I 347 E 5c; zur geltenden BV: BGE 138 I 123 E.
5.2; Urteil 2P.112/2001 vom 2. November 2001 E. 2; PASCAL MAHON in Aubert/
Mahon, a.a.O., Rz. 8 zu Art. 19; MARCO BORGHI, Kommentar zur (a) BV, Rz. 35 zu
Art. 27; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, 2.
A. 2006, S. 689 Rz. 1542; FLEINER, a.a.O., S. 433 f.; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O.,
S. 302 f.). So ist die Sprachenfreiheit nicht verletzt, wenn ein Kind
romanischer Muttersprache, das in einer mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde
lebt, dort in deutscher Sprache unterrichtet wird (BGE 100 Ia 462 E. 4). In
späteren Urteilen wurde erkannt, in zwei- oder mehrsprachigen Gebieten könne
sich aus der Sprachenfreiheit ein Anspruch darauf ergeben, in einer der
mehreren traditionellen Sprachen unterrichtet zu werden, sofern dies nicht zu
einer unverhältnismässigen Belastung des Gemeinwesens führt (BGE 125 I 347 E.
5c; 122 I 236 E. 2d S. 240; 106 Ia 299 E. 2b/cc S. 306). Insoweit besteht ein
verfassungsmässiges Recht auf Schulunterricht in derjenigen Sprache, die am
betreffenden Ort gesprochen wird ( KÄGI-DIENER, a.a.O., Rz. 13 zu Art. 18;
GIUSEP NAY, Romanischdebatte: die rechtlichen Pflichten und Einschränkungen für
die Politik, ZGRG 2011 S. 133; KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 261; MÜLLER/
SCHEFER, a.a.O., S. 303). In der Lehre wird es - unter Verweis auf § 24 des
Zürcher Volksschulgesetzes vom 7. Februar 2005 - als zulässig erachtet, als
Schulsprache "grundsätzlich die Standardsprache" festzulegen (Biaggini, a.a.O.,
Rz. 8 zu Art. 18), wobei sich der Begriff der Standard- oder Amtssprache in
Bezug auf das Rätoromanische auf Rumantsch Grischun beziehe (Borghi, a.a.O.,
Rz. 27; Nay, a.a.O., S. 136).

5.7. Vorliegend ist nicht in Frage gestellt, dass die romanischsprachigen
Kinder der Beschwerdeführer in romanischer Sprache unterrichtet werden.
Umstritten ist aber, ob sich die Garantie der Unterrichtssprache auf das Idiom
oder auf Rumantsch Grischun bezieht (vgl. auch vorne E. 5.3).

5.7.1. Das Verhältnis zwischen den rätoromanischen Idiomen und dem in den
1980er-Jahren geschaffenen Rumantsch Grischun lässt sich nicht ohne weiteres
mit dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Sprachen vergleichen: Rumantsch
Grischun ist zwar eine künstliche Schöpfung, die aber nicht mit dem Ziel
geschaffen wurde, die herkömmlichen Sprachgebiete zu verändern, sondern um eine
gemeinsame Schriftsprache für alle romanischen Idiome zu gewinnen (Botschaft
vom 4. März 1991 über die Revision des Sprachenartikels der Bundesverfassung,
BBl 1991 II 309, S. 316, 322).

5.7.2. Traditionell umfasste der rechtliche Begriff des Rätoromanischen alle
rätoromanischen Idiome, zumindest diejenigen, die eine eigene Schriftsprache
entwickelt hatten, namentlich die vorliegend interessierenden Idiome Vallader
und Sursilvan (zit. Botschaft, BBl 1991 II 309, S. 316; DAGMAR RICHTER,
Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat, 2005, S.
884 f.; RUDOLF VILETTA, Grundlagen des Sprachenrechts, 1978, S. 147; GIAN-RETO
GIERÉ, Die Rechtsstellung des Rätoromanischen in der Schweiz, 1956, S. 60;
MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 26, 101; THÜRER, a.a.O., S. 259). Diese waren in den
entsprechenden Kreisen und Gemeinden auch Rechtssprache ( ARNO BERTHER,
Elements d'in nov linguatg giuridic Rumantsch, in: Schweizer/Borghi [Hrsg.],
Mehrsprachige Gesetzgebung in der Schweiz, S. 243 f.) und traditionelle
Unterrichtssprache ( GIERÉ, a.a.O., S. 60, 74, 78).

5.7.3. Bereits in der Botschaft vom 1. Juni 1937 über die Anerkennung des
Rätoromanischen als Nationalsprache (BBl 1937 II 1) wies der Bundesrat darauf
hin, dass das Rätoromanische verschiedene Idiome mit eigenen Schriftsprachen
kennt und sich bisher keine einheitliche Schriftsprache herauszubilden
vermochte, was einerseits einer künftigen Nationalsprache auf den ersten Blick
Schwierigkeiten zu bereiten scheine, anderseits eine wertvolle Bereicherung des
Sprachschatzes darstelle (a.a.O., S. 3 f.). Er hielt es aber nicht für
erforderlich, die Frage zu regeln, welche von den verschiedenen romanischen
Idiomen als Nationalsprache erklärt werden sollte, da die neue Nationalsprache
ja nicht als offizielle Sprache erklärt werden sollte; im übrigen erscheine es
auch vom sprachlichen Standpunkte aus gerechtfertigt, diesem Umstand keine
allzu grosse Bedeutung beizulegen, da es sich trotz der dialektalen
Abweichungen mit ihren Besonderheiten und Verschiedenheiten doch um eine
Sprache handle, die sich in verschiedenen Ausdrucksformen als Einheit darstelle
(a.a.O., S. 10 f., 25).

5.7.4. Die geltende Bundesverfassung anerkennt nach ihrem Wortlaut "das
Rätoromanische" als eine der vier Landessprachen (Art. 4 BV) und - im Verkehr
mit Personen rätoromanischer Sprache - auch als Amtssprache des Bundes (Art. 70
Abs. 1 BV). Der Bund unterstützt zudem kantonale Massnahmen zur Förderung der
rätoromanischen Sprache (Art. 70 Abs. 5 BV). Auch die bundesgerichtliche
Rechtsprechung anerkennt den Schutz des Rätoromanischen als erhebliches
öffentliches Interesse (BGE 100 Ia 462 E. 4 S. 469; 116 Ia 345 E. 5b; Urteil
1P.554/1991 vom 12. Oktober 1992 E. 4, ZBl 94/1993 S. 133). Die Angehörigen der
rätoromanischen Sprachgruppe haben ein Recht darauf, dass ihre Sprache als
Amtssprache verwendet wird (Urteil 1P.82/1999 vom 8. Juli 1999 E. 4b, ZBl 101/
2000 S. 610; Urteil P.1295/1981 vom 7. Mai 1982 E. 3, ZBl 83/1982 S. 356 E.
3c). Weder aus der Bundesverfassung noch aus der zitierten Rechtsprechung
ergibt sich aber, ob mit dem Rätoromanischen die Idiome oder Rumantsch Grischun
gemeint ist ( KÄGI-DIENER, a.a.O., Rz. 17 zu Art. 70). Nach dem Wortlaut der
Bundesverfassung ist aber eher davon auszugehen, dass "das Rätoromanische" auf
eidgenössischer Ebene als eine Sprache behandelt wird.

Dort verwenden die Behörden die Amtssprachen in ihren Standardformen (Art. 5
Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2007 über die Landessprachen und die
Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften [Sprachengesetz, SpG; SR
441.1]), worunter grundsätzlich die Hochsprache gemeint ist (Sébastien Moret,
Vielsprachigkeit und Sprachenordnung am Beispiel der Schweiz: ein Beitrag unter
Berücksichtigung des neuen Sprachengesetzes; in: Kultur und Kunst, 2010, S.
92). In Bezug auf das Rätoromanische legt Art. 6 Abs. 3 SprG fest, dass sich
Personen rätoromanischer Sprache in ihren Idiomen oder in Rumantsch Grischun an
die Bundesbehörden wenden können; diese antworten in Rumantsch Grischun. Vor
Bundesgericht wird das Verfahren auf Rumantsch Grischun geführt (Art. 54 Abs. 1
BGG; vgl. BGE 139 II 145 ,122 I 93 E. 1).

5.7.5. Was das kantonale Verfassungsrecht betrifft, so lautet Art. 3 der
Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai/14. September 2003 (KV/GR) wie
folgt:

1  Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch sind die gleichwertigen Landes- und
Amtssprachen des Kantons.

2  Kanton und Gemeinden unterstützen und ergreifen die erforderlichen
Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der
italienischen Sprache. Sie fördern die Verständigung und den Austausch zwischen
den Sprachgemeinschaften.

3  Gemeinden und Kreise bestimmen ihre Amts- und Schulsprachen im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten und im Zusammenwirken mit dem Kanton. Sie achten dabei auf die
herkömmliche sprachliche Zusammensetzung und nehmen Rücksicht auf die
angestammten sprachlichen Minderheiten.
Die Beschwerdeführer machen nicht geltend (vgl. Art. 106 Abs. 2 BV), dass in
dem von ihnen angerufenen Art. 3 der Verfassung mit dem Rätoromanischen nur die
Idiome gemeint seien. Nach der Entstehungsgeschichte der Kantonsverfassung
wollte sich der Verfassungsgeber offenbar in der Frage Idiome/Rumantsch
Grischun nicht festlegen, sondern Flexibilität bewahren (Richter, a.a.O., S.
890 ff.).

Angesichts dieser Umstände kann nicht gesagt werden dass sich der
verfassungsrechtliche Anspruch auf Schulunterricht in rätoromanischer Sprache
spezifisch auf die Idiome bezieht. Vielmehr lässt das kantonale
Verfassungsrecht (wie soeben erwähnt bewusst) offen, welche Version des
Rätoromanischen gemeint ist. Die Wahl zwischen Idiom und Rumantsch Grischun ist
daher eher eine sprachpolitische als eine grundrechtliche Frage. Dafür spricht
auch, dass es neben den Beschwerdeführern, welche die Rückkehr zum Idiom
anstreben, vermutlich auch (wenn auch wohl minderheitlich) Eltern gibt, welche
lieber beim Rumantsch Grischun bleiben möchten. Die Situation ist insoweit
derjenigen in der deutschsprachigen Schweiz ähnlich, wo es auch Familien gibt,
welche den Schweizerdeutschen Dialekt als Unterrichtssprache (zumindest in der
Grundschule, wie dies in der Vergangenheit häufig, wenn nicht sogar
mehrheitlich der Fall war) bevorzugen würden. Andere Eltern wiederum begrüssen,
dass sich heute auch dort Hochdeutsch als Unterrichtssprache durchgesetzt hat.
Würde die Festlegung einer der Versionen als Grundrechtseingriff betrachtet,
hätte dies zur Folge, dass zwangsläufig immer ein Teil der Kinder in ihren
Grundrechten eingeschränkt würde, da es aus finanziellen Gründen für die
Gemeinden kaum als zumutbar erscheint, einen Unterricht in zwei Sprachen
parallel anzubieten.

5.8. Aus dem bisher Gesagten folgt, dass - was die aktive Seite der
Sprachenfreiheit (vorne E. 5.4) - betrifft, die lokalen Minderheiten durchaus
einen verfassungsrechtlichen Anspruch haben, ihre Idiome zu verwenden und sich,
zumal die Kantonsverfassung das "Rätoromanische" nicht näher definiert, auch in
diesen Idiomen an die Behörden zu wenden (vgl. so auch ausdrücklich Art. 3 Abs.
5 des kantonalen Sprachengesetzes vom 19. Oktober 2006 [SpG/GR]). Was die
passive Seite der Sprachenfreiheit (wozu auch die Festlegung der
Unterrichtssprache gehört, vorne E. 5.4) betrifft, ist dem grundrechtlichen
Anspruch der Minderheiten hingegen Genüge getan, wenn der Unterricht in
Beachtung des Territorialitätsprinzips in romanischer Sprache - sei dies nun in
den Idiomen oder in Rumantsch Grischun - angeboten wird. Der Beschluss der
Regierung, wonach es den am Schulversuch beteiligten Gemeinden zwar frei steht,
von der Schulsprache Rumantsch Grischun auf das Idiom zu wechseln (oder
umgekehrt), dass aber dieser Wechsel für diejenigen Schüler, welche bereits
eingeschult wurden, nicht mehr zum Tragen kommt, berührt den Schutzbereich von
Art. 18 BV nicht.

Damit ergibt sich insgesamt, dass der streitige Beschluss, mit welchem die
Freiheit der Gemeinden, zwischen Idiom und Rumantsch Grischun zu wählen, in
zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird, keinen Eingriff in die Sprachenfreiheit
darstellt.

5.9. Ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht berührt, ist die Rüge,
der streitige Beschluss greife ohne genügende gesetzliche Grundlage und in
unverhältnismässiger Weise in die Sprachenfreiheit ein (Art. 36 Abs. 1 und 3
BV), gegenstandslos. Die Rüge, die gesetzliche Grundlage (Art. 6 SchulG) des
streitigen Beschlusses sei ungenügend, könnte damit nur im Zusammenhang mit
anderen Grundrechten vorgebracht werden (z.B. Gewaltenteilung oder
Gemeindeautonomie); solche werden aber von den Beschwerdeführern nicht
angerufen, so dass darauf nicht einzugehen ist (E. 2.2).

6. 
Die Beschwerdeführer berufen sich (beiläufig) auf die Europäische Charta der
Regional- oder Minderheitssprachen vom 5. November 1992 (SR 0.441.2) : Darin
hat sich die Schweiz verpflichtet, in Bezug auf Regional- und
Minderheitssprachen bestimmte Ziele und Grundsätze anzuwenden (Art. 2 Abs. 1
und Art. 7), u.a. die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das
Lehren und Lernen (Art. 7 lit. f). Sodann hat sich die Schweiz verpflichtet,
den Grundschulunterricht auf Rätoromanisch anzubieten (Art. 2 Abs. 2 und Art. 8
Abs. 1 lit. b Ziff. i der Konvention i.V.m Erklärung der Schweiz lit. a.).
Daraus ergibt sich aber nicht, ob dies auf Rumantsch Grischun oder im Idiom
erfolgt. Als Regional- oder Minderheitensprache im Sinne der Charta gelten
Sprachen, die herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von
Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, deren Zahl kleiner ist als die der
übrigen Bevölkerung und die sich von den Amtssprachen dieses Staates
unterscheiden, nicht aber die Dialekte der Amtssprachen und die Sprachen von
Zuwanderern (Art. 1 lit. a).

Abgesehen davon, dass die genannte Charta weitgehend programmatische
Bestimmungen enthält und sich in diesem Sinne in erster Linie an den
Gesetzgeber richtet (Botschaft vom 25. November 1996 über die Europäische
Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, BBI 1997 I 1165, 1179; vgl.
generell zum self-executing Charakter von Verträgen BGE 133 I 286 E. 3.2, 130 I
113 E. 3.3), ist diesen Bestimmungen hinreichend Rechnung getragen worden. Es
geht hier in erster Linie darum, dass das Rätoromanische - welches unter
Berücksichtigung aller seiner Idiome selber eine Minderheitssprache darstellt
und von kaum einem Prozent der schweizerischen Gesamtbevölkerung (ca. 40'000
Personen, vgl. Auer/Malinverni/Hottellier, a.a.O. S. 310) gesprochen wird -
nicht verschwindet und eine Unterrichtssprache bleibt, was hier der Fall ist.

Die von der Regierung erlassene angefochtene Übergangsregelung erweist sich
daher auch nicht als konventionswidrig.

7.

7.1. Die Beschwerdeführer rügen sodann eine Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebots und des Diskriminierungsverbots (Art. 8 BV). Sie machen
geltend, die vom streitigen Beschluss betroffenen Kinder würden einen
nachteiligen Aussenseiterstatus erhalten, da sie nur einen sehr geringen Anteil
an einem Schuljahrgang bildeten, die in Rumantsch Grischun unterrichtet würden.
Die Vorinstanz und die Regierung rechtfertigen den Beschluss umgekehrt damit,
die Chancengleichheit der betroffenen Kinder wahren zu wollen, weil diese sonst
gezwungen würden, während der Schulzeit die Schulsprache zu wechseln, was ihre
Spracherlernung erschweren und die Chancengleichheit bei den Aufnahmeprüfungen
in höhere Schulen schmälern würde, da diejenigen Schüler, welche ab der ersten
Primarklasse auf Rumantsch Grischun alphabetisiert wurden, die
Aufnahmeprüfungen aufgrund der einschlägigen regierungsrätlichen Verordnung in
dieser Sprache abzulegen hätten.

7.2. Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist verletzt,
wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche
Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt,
die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist
verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder
Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Dem
Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein
weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene
Gestaltungsvorstellungen schmälert (BGE 138 I 225 E. 3.6.1; 136 I 1 E. 4.1 S.
5; 135 V 361 E. 5.4.1 S. 369; 134 I 23 E. 9.1 S. 42).

7.3. Die von der Regierung gegebene Begründung erscheint nicht zwingend, zumal
sie auf einer Verordnung beruht, welche die Regierung in eigener Kompetenz auch
ändern könnte. Trotzdem kann die beschlossene Regelung nicht als rechtsungleich
betrachtet werden. Rumantsch Grischun ist unter der romanischsprachigen
Bevölkerung notorisch umstritten, aber dies ist vom Bundesgericht jedenfalls
hinzunehmen (vorne E. 7.2 am Ende). In der dadurch geschaffenen Konstellation
kann es je nach Situation für die Schulabsolventen vorteilhaft oder nachteilig
sein, Rumantsch Grischun bzw. die Idiome zu beherrschen. Das Anliegen der
Regierung, dass die Kinder nicht während der Schulzeit die Schulsprache ändern
müssen, ist vertretbar, auch wenn es ohnehin schon dadurch relativiert wird,
dass die romanischsprachigen Kinder ihren Unterricht teilweise auch auf deutsch
erhalten, wie die Regierung vorbringt (vgl. auch Wilson, a.a.O., S. 355 ff).
Auch wenn andere Lösungen ebenfalls denkbar gewesen wären, kann nicht gesagt
werden, der streitige Beschluss sei sachlich nicht haltbar oder überschreite
den zuständigen Behörden zustehenden Ermessensspielraum. Unter diesen Umständen
liegt erst recht keine Diskriminierung (Art. 8 Abs. 2 BV) vor.

8.

8.1. Die Beschwerdeführer rügen schliesslich eine Verletzung des
Rückwirkungsverbots. Die Vorinstanz habe mit ihrer unzutreffenden Auffassung,
der angefochtene Regierungsbeschluss stelle - weil damals der Ausstieg aus dem
Schulversuch nicht geregelt worden sei - eine Ergänzung des Beschlusses vom 24.
April 2007 dar, zugelassen, dass die Regierung während des laufenden Spiels
eine wesentliche Spielregel zu Ungunsten der Beschwerdeführer und der
Pioniergemeinden ändern könne.

8.2. Eine nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 BV grundsätzlich verpönte echte
Rückwirkung liegt vor, wenn die Anwendung eines neuen Erlasses an ein Ereignis
anknüpft, das sich vor dessen Inkrafttreten ereignet hat und das im Zeitpunkt
des Inkrafttretens der neuen Norm abgeschlossen ist. Stellt eine Regelung
hingegen auf Verhältnisse ab, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts
entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern, liegt
eine unechte Rückwirkung vor, welche zulässig ist, solange sie nicht gegen
wohlerworbene Rechte verstösst (BGE 138 I 189 E. 3.4; 137 II 371 E. 4.2; 133 II
97 E. 4.1).

8.3. Der angefochtene Beschluss hat zur Folge, dass diejenigen Schüler, welche
bei seinem Erlass bereits in Rumantsch Grischun eingeschult waren, weiterhin in
dieser Sprache unterrichtet werden. Er knüpft damit an einen Sachverhalt
(Schulbesuch) an, der zwar vor dem streitigen Beschluss begonnen hat, aber
weiterhin andauert. Eine echte Rückwirkung liegt nicht vor und ebenso wenig ein
Eingriff in wohlerworbene Rechte.

9. 
Die Beschwerden sind daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang tragen die
Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu gleichen
Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 65/66 BGG).
Parteientschädigungen sind nicht zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 2C_806/2012 und 2C_807/2012 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerden werden abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern
auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Regierung des Kantons Graubünden und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (1. Kammer als Verfassungsgericht),
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein

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