Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.796/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_796/2012

Urteil vom 8. März 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Sintzel,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung (Wiedererwägungsgesuch),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 18. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
Die aus Kroatien stammende X.________ (geb. 1978) reiste im Jahre 2005 in die
Schweiz ein und heiratete am 20. Dezember 2005 den Schweizer Bürger Y.________
(geb. 1979). Gestützt auf diese Eheschliessung erhielt sie eine
Aufenthaltsbewilligung. Ab dem 20. August 2007 lebten die Eheleute getrennt. Da
X.________ die baldige Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft in Aussicht
gestellt hatte, verlängerte das Migrationsamt die Aufenthaltsbewilligung
"ausnahmsweise und ohne Präjudiz" bis zum 30. Juni 2009. Mit Verfügung vom 14.
Januar 2010 lehnte das Amt eine weitere Verlängerung ab, da die Eheleute seit
nunmehr fast drei Jahren getrennt lebten. Den hiegegen gerichteten Rekurs wies
der Regierungsrat des Kantons Zürich am 19. Mai 2010 ab. Dieser Entscheid
erwuchs in Rechtskraft.

B.
Am 29. Juni 2010 ersuchte X.________ wiedererwägungsweise um "Verlängerung" der
Aufenthaltsbewilligung, da sie und ihr Gatte die eheliche Wohn- und
Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen hätten. Dieses Wiedererwägungsgesuch
blieb ohne Erfolg, ebenso der gegen den entsprechenden ablehnenden Bescheid
gerichtete Rekurs an die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich. Diese hielt
in ihrem Entscheid vom 27. September 2011 fest, X.________ habe weder
substantiiert noch glaubhaft darlegen können, inwiefern sich seit dem
rechtskräftig gewordenen Entscheid des Regierungsrates vom 19. Mai 2010 neue
wesentliche Tatsachen ergeben hätten, aufgrund derer das Migrationsamt gehalten
gewesen wäre, das Wiedererwägungsgesuch an die Hand zu nehmen. Das kantonale
Verwaltungsgericht schützte auf Beschwerde hin diesen Entscheid mit - ebenfalls
rechtskräftig gewordenem - Urteil vom 14. Dezember 2011.

C.
Einen Monat später, mit Eingabe vom 17. Januar 2012 wandte sich der
Rechtsvertreter von X.________ erneut an das Migrationsamt und ersuchte dieses,
"gestützt auf die heutige Situation meiner Mandantin, das beiliegende Gesuch
ihres Ehemannes und ihrer selbst um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
(...) zu prüfen und gutzuheissen". Er machte geltend, dass seine Mandantin
"aufgrund der geänderten besseren Verhältnisse Anspruch auf Behandlung ihres
neuen Begehrens um eine Aufenthaltsbewilligung und damit um eine Wiedererwägung
ihrer früheren Gesuche" habe.
Mit Verfügung vom 14. März 2012 trat das Migrationsamt auf das Gesuch nicht
ein, im Wesentlichen mit der Begründung, es lägen keine neuen wesentlichen
Tatsachen vor. Im Weiteren setzte das Migrationsamt X.________ Frist bis zum
13. April 2012, um die Schweiz zu verlassen. Der hiegegen bei der
Sicherheitsdirektion erhobene Rekurs blieb in der Hauptsache erfolglos, und mit
Urteil vom 18. Juli 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die
gegen den Direktionsentscheid vom 23. April 2012 gerichtete Beschwerde
ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat (dem Ehemann hatte es diesbezüglich die
Beschwerdeberechtigung abgesprochen, da er am vorinstanzlichen Verfahren nicht
teilgenommen habe).

D.
Mit gemeinsamer Eingabe vom 23. August 2012 führen X.________ und Y.________
"Beschwerde" beim Bundesgericht mit den Anträgen, das letztgenannte Urteil
"einschliesslich (der) früheren kantonalen Entscheide und Verfügungen"
aufzuheben und die Sache "an die zürcherischen Behörden zurückzuweisen mit der
Auflage, der Beschwerdeführerin 1 eine Aufenthaltsbewilligung zum Aufenthalt in
der Schweiz zu erteilen". Gleichzeitig wird um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ersucht.

E.
Mit Verfügung vom 30. August 2012 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde -
antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht
durchgeführt worden.
X.________ und Y.________ haben sich mit Eingabe vom 29. Januar 2013 noch
einmal geäussert und als neues Beweismittel einen am 21./24. Januar 2013
abgeschlossenen Arbeitsvertrag für die Ehefrau eingereicht.

Erwägungen:

1.
1.1 Als Ehefrau eines Schweizer Bürgers hat die Beschwerdeführerin 1 einen
grundsätzlichen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz (Art. 42
Abs. 1 AuG), so dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid zulässig ist (Art. 82 lit.
a, Art. 83 lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG).

1.2 Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit damit die
Aufhebung der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden "kantonalen
Entscheide und Verfügungen" verlangt wird. Diese sind durch das Urteil des
Verwaltungsgerichts ersetzt worden (Devolutiveffekt) und gelten inhaltlich als
mitangefochten (vgl. BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144).

1.3 Der Streitgegenstand wird durch den Gegenstand des angefochtenen Entscheids
und durch die Parteibegehren bestimmt, wobei der angefochtene Entscheid den
möglichen Streitgegenstand begrenzt (BGE 136 II 165 E. 5 S. 174; 133 11 181 E.
3.3 S. 189). Vorliegend kann es ausschliesslich um die Frage gehen, ob das
Migrationsamt auf das von den Beschwerdeführern gestellte (Wiedererwägungs-)
Gesuch vom 17. Januar 2012 hätte eintreten müssen.

1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz auf genügend begründete Rüge hin (Art. 106 Abs. 2 BGG) oder von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

1.5 Das Vorbringen von neuen Tatsachen oder Beweismitteln ist nur insofern
möglich, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gegeben hat (Art. 99
Abs. 1 BGG, vgl. BGE 135 I 143 E. 1.5 S. 146 f.). Tatsachen oder Beweismittel,
welche sich auf das vorinstanzliche Prozessthema beziehen, sich jedoch erst
nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden sind, können von
vornherein nicht durch das angefochtene Urteil veranlasst worden sein (vgl.
Urteil 2C_94/2009 vom 16. Juni 2009 E.2.2). Soweit sich die Beschwerdeführer
auf ein solches Beweismittel berufen (Arbeitsvertrag vom 21./24. Januar 2013),
handelt es sich um ein so genanntes "echtes Novum", welches im
bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unzulässig ist (BGE 133 IV 342 E.
2.1 S. 344).

2.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf die
Beschwerde des Ehemannes nicht eingetreten (E. 1. 2 des angefochtenen Urteils
in Verbindung mit Ziff. 1 des Urteilsdispositivs).
Die Vorinstanz hat festgestellt, der Ehemann habe am Verfahren vor der
Sicherheitsdirektion nicht teilgenommen. Diese Sachverhaltsfeststellung ist
nicht offensichtlich unrichtig: Zwar hatte der Ehemann am Verfahren vor dem
Migrationsamt teilgenommen, doch war der Rekurs an die Sicherheitsdirektion
ausschliesslich im Namen der Beschwerdeführerin 1 erhoben worden. Bei dieser
Sachlage ist es nicht rechtswidrig, wenn das Verwaltungsgericht auf die bei ihm
(auch) vom Ehemann erhobene Beschwerde nicht eingetreten ist.

3.
3.1 Gestützt auf Art. 29 BV ist eine Verwaltungsbehörde verpflichtet, auf ein
neues Gesuch einzutreten, wenn die Umstände (Sachverhalt oder Rechtslage) sich
seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn der Gesuchsteller
erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihm im früheren
Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen, für ihn
rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Die
Wiedererwägung von Verwaltungsentscheiden, die in Rechtskraft erwachsen sind,
ist nicht beliebig zulässig. Sie darf namentlich nicht bloss dazu dienen,
rechtskräftige Verwaltungsentscheide immer wieder infrage zu stellen oder die
Fristen für die Ergreifung von Rechtsmitteln zu umgehen. Diese Grundsätze
gelten auch für die Wiedererwägung eines negativen Entscheids über eine
Aufenthaltsbewilligung (BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181; Urteile 2C_1039/2012 vom
16. Februar 2013 E. 3.1, 2C_1007/2011 vom 12. März 2012 E. 4.2, 2C_195/2011 vom
17. Oktober 2011 E. 3.2).
Wird also ein neues Gesuch mit Sachverhaltsvorbringen begründet, die bereits im
Rahmen eines früheren Gesuchs rechtskräftig beurteilt wurden oder hätten
beurteilt werden sollen, ist darauf grundsätzlich nicht einzutreten bzw.
allenfalls höchstens unter den analogen - strengen - Voraussetzungen einer
Revision (BGE 138 I 61 E. 4.3 S. 72; 136 II 177 E. 2.2.1 S. 181).

3.2 Das Verwaltungsgericht stellte - für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich (vorne E. 1.4) - fest, die Beschwerdeführerin habe bereits ihr
erstes Wiedererwägungsgesuch damit begründet, sie habe die eheliche Wohn- und
Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten wieder aufgenommen. Die daraufhin vom
Migrationsamt vorgenommenen Abklärungen hätten indessen ergeben, dass der
Ehemann nicht schlüssig darlegen könne, weshalb er weiterhin über eine andere,
in Dietikon gelegene Wohnung verfüge. Damit werde die Wiederaufnahme der
ehelichen Gemeinschaft nicht begründet. Im Rahmen des neuen Gesuches (vorne
lit. C) sei nun vorgetragen worden, der Ehemann habe diese Wohnung in Dietikon
aufgegeben und lebe nun wieder bei seiner Ehefrau in Kloten. Durch das
Zusammenwohnen an der gleichen Adresse bzw. in der gleichen Wohnung werde die
Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft aber nicht belegt.
Diese Sachverhaltswürdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden: Für eine
gegenüber der ersten Verfügung neuen materiellen Beurteilung genügt es nicht,
dass ein Wiedererwägungsgrund geltend gemacht wird, sondern er muss effektiv
vorliegen (Urteil 2C_1039/2012 vom 16. Februar 2013 E. 3.2). Das geltend
gemachte Zusammenwohnen genügt nicht, um die Wiederaufnahme der ehelichen
Lebensgemeinschaft zu begründen.

3.3 Die Beschwerdeführerin macht sodann nicht geltend, es habe sich seit dem
rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2011 (vorne
lit. B, am Ende) eine wesentliche Änderung ergeben. Vielmehr bringt sie selber
vor, sie habe das neue Wiedererwägungsgesuch vom 17. Januar 2012 damit
begründet, "dass die eheliche Gemeinschaft nun seit bald einem Jahr unverändert
bestehe"; sie lebe nun seit mehr als zwei Jahren wieder mit ihrem Ehemann
zusammen. Sie beruft sich damit auf Tatsachen, die sie bereits im Rahmen des
früheren Rekursverfahrens vorbrachte und die dort rechtskräftig beurteilt
wurden. Auch aus dem Gesuch vom 17. Januar 2012 ergibt sich, dass die -
damaligen - Gesuchsteller das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember
2011 kritisieren, weil es "die wesentlichen neu eingetretenen Tatsachen" nicht
berücksichtigt habe. Dabei beschränkten sie sich aber auf eine Wiederholung der
Argumentation, wie sie sie dem Verwaltungsgericht bereits vorgetragen hatten
(vgl. kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 25. Oktober 2011). Diese
Argumente hätten allenfalls dazu gedient, jenes Urteil des Verwaltungsgerichts
- vom 14. Dezember 2011 - beim Bundesgericht anzufechten; sie können aber
keinen Grund für ein neues Gesuch (bzw. für eine Wiedererwägung) bilden.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahren werden die unterliegenden Beschwerdeführer unter
solidarischer Haftung kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Ihrem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege kann mangels nachgewiesener Prozessarmut (Art.
64 Abs. 1 BGG) nicht entsprochen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Migrationsamt, der
Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) des Kantons Zürich
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. März 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein