Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.780/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_780/2012

Urteil vom 3. September 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________,
3. Z.________,
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Antonia Kerland,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, Postfach, 8090 Zürich
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090
Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 13. Juni 2012.

Erwägungen:

1.
X.________ (geb. 1967) stammt aus Mazedonien. Er verfügt seit dem 4. Juli 1996
im Kanton Zürich über eine Niederlassungsbewilligung. Seine ebenfalls aus
Mazedonien stammende Gattin und zwei (V.________ [geb. 1996] und W.________
[geb. 2003]) der vier Kinder leben (mit Niederlassungsbewilligungen) in der
Schweiz. Die Töchter Y.________ (geb. 1993) und Z.________ (geb. 1995)
verblieben bei der Grossmutter mütterlicherseits in der Heimat. Am 26./27.
Oktober 2008 ersuchte X.________ darum, seinen Töchtern den Aufenthalt in der
Schweiz zu gestatten, doch zog er dieses Gesuch in der Folge zurück. Am 14.
Februar 2011 verstarb die Grossmutter in Mazedonien, worauf X.________ am 29.
März 2011 erneut darum ersuchte, seinen Töchtern eine Einreise- und
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Diese befinden sich nach einem
Ferienaufenthalt seit dem 20. August 2011 in der Schweiz und haben am 7.
September 2011 ihrerseits um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im
Familiennachzug ersucht. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies die Gesuche
am 23. März 2012 ab. Das Verwaltungsgericht bestätigte diesen Entscheid am 13.
Juni 2012. X.________, Y.________ und Z.________ beantragen vor Bundesgericht,
dieses Urteil aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, den Familiennachzug
zu bewilligen.

2.
Die Beschwerde erweist sich, soweit darauf einzutreten ist, als offensichtlich
unbegründet und kann ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
BGG erledigt werden:
2.1
2.1.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung
wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der
festgestellte Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und
eindeutig mangelhaft erscheint (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl.
BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). Auf rein appellatorische Kritik
an der Sachverhaltsermittlung und an der Beweiswürdigung tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.). Die Beschwerdeführer
müssen - in Auseinandersetzung mit der Begründung im angefochtenen Entscheid -
im Einzelnen dartun, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung oder die
Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich sein soll (vgl.
BGE 134 II 244 E. 2.1-2.3).
2.1.2 Die vorliegende Eingabe genügt diesen Anforderungen nur beschränkt: Die
Vorinstanz ist davon ausgegangen, die Beschwerdeführer hätten bloss behauptet,
indessen entgegen ihrer Mitwirkungspflicht (vgl. hierzu BGE 124 II 361 E. 2b;
122 II 385 E. 4c/cc) nicht belegt, dass für die Töchter keine alternative
Betreuungsmöglichkeit in Mazedonien bestanden habe. Es ist nicht ersichtlich
und wird nicht rechtsgenügend dargetan, inwiefern es verfassungsrechtlich
unzulässig sein sollte, von ihnen diesbezüglich nicht nur eine Begründung,
sondern auch Belege zu verlangen und deren Fehlen im Rahmen der Beweiswürdigung
mitzuberücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat seinen Entscheid nicht nur
hierauf, sondern überdies auf weitere Kriterien (Alter der
Beschwerdeführerinnen, Integrationsschwierigkeiten, Widersprüchlichkeit der
Äusserungen hinsichtlich der Kontakte zur weiteren Familie) gestützt, sodass
der entsprechende Aspekt kaum ins Gewicht fällt und nicht entscheidwesentlich
erscheint. Soweit die Beschwerdeführer heute entsprechende Unterlagen
nachreichen, handelt es sich um unzulässige Noven, da sie diese Erklärungen
bereits in das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hätten einbringen können
und müssen (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 133 IV 342 E. 2.1).
2.2
2.2.1 Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von
Niedergelassenen haben Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1
AuG). Das entsprechende Recht muss innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht
werden; Kinder über zwölf Jahre sind innerhalb von zwölf Monaten nachzuziehen
(Art. 47 Abs. 1 AuG). Die Fristen beginnen mit der Einreise oder der Entstehung
des Familienverhältnisses zu laufen (Art. 47 Abs. 3 AuG) bzw. mit dem
Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 126 Abs. 3 AuG). Wurde der Nachzug
fristgerecht beantragt, ist er zu bewilligen, wenn kein Rechtsmissbrauch bzw.
kein Widerrufsgrund vorliegt (vgl. Art. 51 Abs. 1 und Art. 63 AuG), der
Nachzugsberechtigte über das Sorgerecht verfügt und das Kindeswohl dem Nachzug
nicht offensichtlich entgegensteht (vgl. BGE 136 II 78 E. 4.7 und 4.8 S. 85
ff.; vgl. MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/ Bolzli, Migrationsrecht, 3.
Aufl. 2012, N. 3a zu Art. 42 und N. 2 zu Art. 43 AuG). Ein nachträglicher, d.h.
ein nicht fristgerechter, Familiennachzug wird dagegen nur bewilligt, wenn
hierfür wichtige familiäre Gründe sprechen (Art. 47 Abs. 4 AuG; Urteil 2C_276/
2011 vom 10. Oktober 2011 E. 4, nicht publ. in: BGE 137 II 393 ff.).
2.2.2 Solche liegen unter anderem dann vor, wenn das Kindeswohl schwergewichtig
nur durch einen Nachzug in die Schweiz sachgerecht gewahrt werden kann (vgl.
Art. 75 VZAE [SR 142.201]). Entgegen dem Wortlaut dieser Verordnungsbestimmung
ist dabei nach der Rechtsprechung jedoch nicht ausschliesslich auf das
Kindeswohl abzustellen; es bedarf vielmehr einer Gesamtschau unter
Berücksichtigung aller relevanten Elemente im Einzelfall. Dabei ist dem Sinn
und Zweck der Fristenregelung Rechnung zu tragen, welche die Integration der
Kinder erleichtern will, indem diese durch einen frühzeitigen Nachzug unter
anderem auch eine möglichst umfassende Schulbildung in der Schweiz geniessen
sollen. Zudem geht es darum, Nachzugsgesuchen entgegenzuwirken, die
rechtsmissbräuchlich erst kurz vor Erreichen des erwerbstätigen Alters gestellt
werden, wobei die erleichterte Zulassung zur Erwerbstätigkeit und nicht (mehr)
die Bildung einer echten Familiengemeinschaft im Vordergrund steht (BBl 2002
3754 f. Ziff. 1.3.7.7). Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen
hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben; dabei ist Art. 47
Abs. 4 Satz 1 AuG jeweils aber dennoch so zu handhaben, dass der Anspruch auf
Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV nicht verletzt wird
(Urteile 2C_765/2011 vom 28. November 2011 E. 2.1; 2C_205/2011 vom 3. Oktober
2011 E. 4.2; 2C_709/2010 vom 25. Februar 2011 E. 5.1.1).
2.3
2.3.1 Die Töchter des Beschwerdeführers waren bei Einreichung des Gesuchs um
Familiennachzug bereits 17 Jahre und rund sechs Monate bzw. nicht ganz 16 Jahre
alt. Sie wären innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Ausländergesetzes
nachzuziehen gewesen, nachdem der Beschwerdeführer seit 1996 und seine Gattin
seit Juli 2001 hier über Niederlassungsbewilligungen und damit über einen
Rechtsanspruch auf die Zusammenführung verfügt haben. Zwar wurde 2008 um einen
Nachzug ersucht, doch hat der Beschwerdeführer das entsprechende Begehren
wieder zurückgezogen; damit nahm er in Kauf, dass die Beschwerdeführerinnen
nicht mehr von der günstigeren neuen Regelung würden profitieren und einem
späteren Gesuch nur ausnahmsweise noch würde entsprochen werden können. Er
erachtete die Zusammenführung der Gesamtfamilie damals offenbar nicht für
vordringlich genug, um an dieser festzuhalten.
2.3.2 Wenn die kantonalen Behörden nun einen "nachträglichen" Familiennachzug
im Rahmen von Art. 47 Abs. 4 AuG abgelehnt haben, ist dies nicht zu
beanstanden: Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Sozialisierung und Ausbildung
in Mazedonien durchlaufen. Die Eltern haben sie bewusst dort bei der
Grossmutter zurückgelassen und damit akzeptiert, die entsprechenden familiären
Beziehungen künftig nur besuchsweise und damit eingeschränkt leben zu können.
Zwar ist die Grossmutter am 14. Februar 2011 verstorben, doch waren die
Beschwerdeführerinnen zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Alter, das es ihnen
erlaubte, mit der finanziellen Hilfe der Eltern aus der Schweiz, allenfalls
unter punktueller Betreuung durch in der Heimat lebende Familienmitglieder oder
durch Dritte, selbständig zu leben. Es mutet - wie die Vorinstanz zu Recht
festgestellt hat - erstaunlich an, dass ein Bruder des Beschwerdeführers zwar
bereit sein soll, finanziell für die Beschwerdeführerinnen hier aufzukommen,
sollte dies notwendig sein, jedoch niemand in Mazedonien gefunden werden
konnte, um die Beschwerdeführerinnen allenfalls bis zur (nunmehr bereits
eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden) Volljährigkeit altersgerecht zu
betreuen. Die Beschwerdeführerinnen haben keinerlei Beziehungen zur Schweiz und
sprechen keine Landessprache, weshalb ihnen die Integration in den hiesigen
Verhältnissen schwerfallen dürfte. Es sind keine stichhaltigen Gründe
ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerinnen kurz vor ihrer Volljährigkeit
und damit im Wesentlichen mit Blick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt noch in die
Schweiz sollten nachgezogen werden können, nachdem die Eltern sich während
Jahren nicht hierum bemüht haben, obwohl sie über einen entsprechenden
Rechtsanspruch verfügten (vgl. die Urteile 2C_506/2012 vom 12. Juni 2012 E. 2
und 2C_888/2011 vom 20. Juni 2012 E. 3.2).

3.
3.1 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
angefochtene Entscheid verletzt weder nationales noch internationales Recht
(vgl. Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Für alles Weitere wird auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Mit dem vorliegenden
Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

3.2 Die unterliegenden Beschwerdeführer haben die Kosten für das
bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit zu tragen (vgl.
Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art.
68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 3. September 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar