Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.761/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_761/2012

Urteil vom 12. April 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Egli.

Verfahrensbeteiligte
Einwohnergemeinde X.________, handelnd durch den Gemeinderat,
Beschwerdeführerin,

gegen

Finanzdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 19, 6002 Luzern.

Gegenstand
Finanzausgleich,

Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Luzern vom 12.
Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 9. Juni 2011 legte das Finanzdepartement des Kantons Luzern
die Finanzausgleichsleistungen an die Einwohnergemeinde X.________ für das Jahr
2012 fest. Dabei wurde der Zuschlag für Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion
nicht mehr gewährt, was eine Reduktion des Ressourcenausgleichs gegenüber dem
Vorjahr um Fr. 358'429.-- zur Folge hatte. Das Finanzdepartement begründete
dieses Vorgehen damit, die Einwohnergemeinde X.________ sei im Richtplan 2009
des Kantons Luzern nicht länger als "Subzentrum" eingestuft. Dagegen erhob die
Einwohnergemeinde X.________ Verwaltungsbeschwerde, die am 12. Juni 2012 vom
Regierungsrat des Kantons Luzern abgewiesen wurde.

B.
Vor Bundesgericht beantragt die Einwohnergemeinde X.________, den Entscheid des
Regierungsrates des Kantons Luzern vom 12. Juni 2012 aufzuheben und ihr im
Rahmen der zugesicherten Besitzstandsgarantie beim Ressourcenausgleich den
Beitrag für zentralörtliche Funktion im Sinne von § 5 Abs. 2 des Gesetzes des
Kantons Luzern vom 5. März 2002 über den Finanzausgleich (SRL 610; nachfolgend
FAG/LU; in der bis am 31. Dezember 2012 gültig gewesenen Fassung [nachfolgend:
aFAG/LU]) zu gewähren.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE
136 II 436 E. 1 S. 438; 133 II 249 E. 1.1 S. 251).

1.2 Angefochten ist ein kantonaler Endentscheid (vgl. Art. 90 BGG) über
Finanzausgleichsleistungen an die Beschwerdeführerin. Es handelt sich dabei um
eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG, die
grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
unterliegt. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrats des Kantons Luzern
ist nach dem kantonalen Recht letztinstanzlich (§ 18 FAG/LU; §§ 148 lit. b und
150 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 über die
Verwaltungsrechtspflege [SRL 40; nachfolgend: VRG/LU]). Zu klären ist, ob diese
kantonale Ordnung mit den Vorgaben des Art. 86 BGG vereinbar ist (vgl. Art. 130
Abs. 3 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ist die Beschwerde gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen zulässig. Die Kantone setzen als unmittelbare Vorinstanzen
des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen
Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das
Bundesgericht unterliegen (Art. 86 Abs. 2 BGG). Für Entscheide mit vorwiegend
politischem Charakter können die Kantone anstelle eines Gerichts eine andere
Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen (Art. 86 Abs.
3 BGG).

2.2 In Übereinstimmung mit den Materialien legen Lehre und Rechtsprechung die
in Art. 86 Abs. 3 BGG enthaltene Ausnahme vom kantonalen Gerichtszugang
restriktiv aus (BGE 136 II 436 E. 1.2 S. 438 f.; 136 I 42 E. 1.5 S. 45 f. mit
weiteren Hinweisen). Der Begriff des vorwiegend politischen Charakters ist
namentlich durch die mangelnde Justiziabilität sowie die spezielle
Ausgestaltung der demokratischen Mitwirkungsrechte und die damit verbundenen
Aspekte der Gewaltenteilung geprägt (Urteile 2C_885/2011 vom 16. Juli 2012 E.
2.2.3.2; 8C_103/2010 vom 19. August 2010 E. 1.3). Art. 86 Abs. 3 BGG soll den
Kantonen beispielsweise die Möglichkeit einräumen, nicht justiziable, politisch
bedeutsame Verwaltungsakte des Parlaments von der verwaltungsgerichtlichen
Überprüfung auszunehmen (BGE 136 II 436 E. 1.2 S. 439).

2.3 Erforderlich ist durchwegs, dass der politische Charakter eines Entscheids
offensichtlich ist und allfällige rechtlich schutzwürdige Interessen als
nebensächlich erscheinen lässt (BGE 136 I 42 E. 1.5.4 S. 46). Wo dagegen
Verfassungs-, Gesetz- und Verordnungsgeber als Ergebnis des politischen
Prozesses konkrete Rechtspositionen schaffen, tritt der politische Charakter
eines Entscheids in den Hintergrund, besonders wenn nicht Akte höchster
kantonaler Staatsorgane betroffen sind (BGE 136 II 436 E. 1.3 S. 439). So fällt
namentlich in einlässlich normierten Sachbereichen, die erstinstanzlich durch
Verwaltungsbehörden vollzogen werden, der Gerichtsausschluss des Art. 86 Abs. 3
BGG grundsätzlich ausser Betracht.

2.4 Nicht als Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter betrachtet die
Rechtsprechung etwa die Erteilung von Wasserkraftkonzessionen, wenn damit die
Beurteilung justiziabler Vorschriften verbunden ist (BGE 136 II 436 E. 1.3 S.
439) oder den Entscheid über die Steuerbefreiung einer Stiftung (BGE 136 I 42
E. 1.6 S. 46 f.). Zulässig ist der Ausschluss einer kantonalen gerichtlichen
Beurteilung demgegenüber zum Beispiel für den Beschluss des Zürcher Kantonsrats
über die Richtplanfestsetzung (BGE 136 I 265 E. 1.1 S. 267), bei der aus
staatspolitischen Gründen verlangten Ermächtigung zur Einleitung einer
Strafuntersuchung gegen Magistratspersonen (BGE 135 I 113 E. 1 S. 116) und für
einen Regierungsratsbeschluss zur zwangsweisen Bildung eines Schulkreises aus
Gründen einer "vernünftigen Schulplanung" (Urteil 2C_885/2011 vom 16. Juli 2012
E. 2.2). In Bezug auf Entscheide über die Zusammenlegung von Gemeinden konnte
das Bundesgericht die Frage offenlassen (Urteil 1C_91/2009 vom 10. November
2009 E. 1.6).

3.
Der Ausschluss vom kantonalen Gerichtszugang ist zulässig, sofern der
angefochtene Entscheid zu den interkommunalen Finanzausgleichsleistungen nach
der Rechtsordnung einen vorwiegend politischen Charakter aufweist.

3.1 Der interkommunale Finanzausgleich soll vorab sicherstellen, dass die
Luzerner Gemeinden, deren Autonomie in der Luzerner Verfassung gewährleistet
wird, die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen können (vgl. §§ 68 und 78 KV/LU
[SR 131.213]; § 1 FAG/LU; KURT STALDER, in: Kommentar der Kantonsverfassung
Luzern, 2010, N. 22 zu § 78 KV/LU; Urteil 2P.32/2003 vom 18. Februar 2003 E.
2.2). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der interkommunale
Finanzausgleich für den Handlungsspielraum einer Gemeinde von entscheidender
Bedeutung und berührt damit zentrale hoheitliche Interessen der Gemeinden (vgl.
BGE 138 II 506 E. 2.1.2 S. 509; 136 II 274 E. 4.2 S. 279: 135 I 43 E. 1.3 S.
47; 135 II 156 E. 3.3 S. 160; ferner Urteile 2C_542/2011 vom 3. Juni 2012 E.
1.3; 2C_366/2009, 2C_368/2009 vom 3. März 2010 E. 2.4; EQUEY/WEBER, La nouvelle
péréquation intercommunale vaudoise, RDAF 2011 I S. 221 ff., 251 ff.).

3.2 Diese schutzwürdigen Interessen der Gemeinden werden in der Luzerner
Verfassung anerkannt (§ 78 KV/LU) und durch das kantonale
Finanzausgleichsgesetz (FAG/LU) verwirklicht. Dabei werden die vorliegend
strittigen jährlichen Finanzausgleichsleistungen (vgl. § 2 FAG/LU) nicht von
den höchsten kantonalen Staatsorganen primär nach Gesichtspunkten politischer
Zweckmässigkeit gewährt, sondern gemäss den konkreten gesetzlichen Vorgaben
berechnet und vom zuständigen Departement verfügungsweise zugesprochen (§ 16 f.
FAG/LU). Soweit dem Regierungsrat als Verordnungsgeber Handlungsspielraum
zukommt, ist dieser durch die gesetzlich vorgegebenen Ziele, Zahlen,
Bandbreiten und Faktoren begrenzt (vgl. Urteil 1P.363/2002 vom 7. Mai 2003 E.
2.10). Diese gesetzliche Ordnung schafft im Verhältnis zwischen Kanton und
Gemeinden ein Verwaltungsrechtsverhältnis mit entsprechenden Ansprüchen der
Gemeinden (vgl. Urteil 2C_272/2012 vom 9. Juli 2012 E. 4.4.5 mit Hinweisen;
FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 117 ff., 163 ff.). Dies unterscheidet
die jährlichen Finanzausgleichsleistungen von den besonderen Beiträgen, die -
unter Vorbehalt der per 1. Januar 2013 eingeführten Pro-Kopf-Beiträge an
Gemeindefusionen - als Ermessensleistungen konzipiert sind und vom
Regierungsrat gewährt werden (§§ 12 f. aFAG/LU bzw. §§ 12 ff. FAG/LU).

3.3 Zu Recht wird in der Lehre mit Bezug auf die hier strittigen
Finanzausgleichsleistungen darauf hingewiesen, dass in Bereichen, wo strittige
Politikinhalte zu justiziablem Recht geronnen sind, eine gerichtliche Kontrolle
im Streitfall grundsätzlich sachgerecht ist (vgl. MARTIN WIRTHLIN, Kontinuität
und Brüche in der Verwaltungsrechtspflege, ZBJV 2007 S. 373 ff., 402 ff.). Wie
auch der Luzerner Gesetzgeber anlässlich der Einführung der Pro-Kopf-Beiträge
an Gemeindefusionen (§§ 13a ff. FAG/LU) festgehalten hat, sind
Finanzausgleichsleistungen jedenfalls dann der verwaltungsgerichtlichen
Kontrolle zu unterstellen, wenn die konkrete Beitragszusprechung nicht im
Ermessen des Regierungsrates liegt (vgl. 18 Abs. 2 FAG/LU; Botschaft B 28 des
Regierungsrates des Kantons Luzern vom 27. Januar 2012, S. 24 f., abrufbar
unter www.lu.ch/index/kantonsrat/geschaefte/botschaften.htm). Das gilt auch für
die jährlichen Finanzausgleichsleistungen, die folglich nicht als Entscheide
mit vorwiegend politischem Charakter nach Art. 86 Abs. 3 BGG qualifiziert
werden können.

4.
Auf die Beschwerde ist mangels Letztinstanzlichkeit des angefochtenen
Entscheids nicht einzutreten (Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG; BGE 136 II 436 E. 1.4
S. 440). Angesichts der Bundesrechtswidrigkeit von § 18 aFAG/LU bzw. § 18 Abs.
1 FAG/LU mit Bezug auf den Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zur
Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern zuständig (§ 148 lit. b VRG/LU). An dieses ist die Sache zur weiteren
Bearbeitung zu überweisen (Art. 30 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 42 E. 2 S. 47 f mit
Hinweis; Urteile 1C_540/2008 vom 26. März 2009 E. 1.2.4; 2D_89/2008 vom 30.
September 2008 E. 3.1).

5.
Die Beschwerdeführerin hat aufgrund der Rechtsmittelbelehrung und der Regelung
in § 18 aFAG/LU Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht. Unter diesen
Umständen sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Akten werden an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern überwiesen, damit
es im Sinne der Erwägungen verfahre.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Regierungsrat des Kantons
Luzern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. April 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Egli