Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.741/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_741/2012

Urteil vom 11. Juni 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
Stadelmann, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte
1.  X.________,
2.  Zeitung A.________ AG,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Claudia Schoch,

gegen

Bundesverwaltungsgericht, Generalsekretariat, Postfach, 9023 St. Gallen.

Gegenstand
Bruch der Sperrfrist - Entzug Akkreditierung Kreis 1,

Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts,
Generalsekretariat, vom 29. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 10. April 2012 um 17.45 Uhr stellte die Medienstelle des
Bundesverwaltungsgerichts dem Kreis 1 der akkreditierten Journalisten das
Urteil A-737/2012, ein "börsenrelevantes" Urteil, per E-Mail zu; die Sperrfrist
war auf 07.00 Uhr des Folgetages angesetzt. Die Medienstelle hatte den
Journalisten bereits am Morgen die Zustellung des Urteils einschliesslich der
Sperrfrist angekündigt. Verschiedene Journalisten machten die Medienstelle
darauf aufmerksam, dass die Printmedien gegenüber den elektronischen Medien mit
der Sperrfristansetzung auf 07.00 Uhr benachteiligt würden. X.________,
akkreditierter und für die Zeitung A.________ arbeitender Journalist Kreis 1 am
Bundesverwaltungsgericht, führte dabei aus, dass die Mitteilung so verstanden
werden könnte, dass die Print-Ausgabe bereits über das Urteil berichten dürfte,
da der Text ungefähr um 07.00 Uhr vom Publikum zur Kenntnis genommen werde. Die
Medienstelle stellte in der Folge indes klar, dass die Öffentlichkeit nicht vor
07.00 Uhr über das Urteil informiert werden dürfe.
In der Printausgabe vom 11. April 2012 Zeitung B.________, der Zeitung
C.________ und der Zeitung A.________ fanden sich Artikel über das Urteil.
Radio D.________ berichtete online um 06.19 Uhr, da die erwähnten
Print-Ausgaben bereits vorlagen. Angesichts dieses Umstandes wurde mit
Schreiben vom 22. Juni 2012 X.________ nach Gewährung des rechtlichen Gehörs
die Akkreditierung Kreis 1 vorübergehend entzogen. Am 27. Juni 2012 verlangte
die Redaktion der Zeitung A.________ - in Vertretung von X.________ - den
Erlass einer anfechtbaren Verfügung.

B.
Am 29. Juni 2012 erliess der Generalsekretär des Bundesverwaltungsgerichts die
folgende Verfügung gegenüber X.________:
"1. X.________ wird die Akkreditierung für den Kreis 1 ab Rechtskraft der
vorliegenden Verfügung entzogen.
2. X.________ wird ab Rechtskraft der vorliegenden Verfügung die Akkreditierung
im Kreis 2 erteilt.
3. X.________ kann beantragen, nach Ablauf von 6 Monaten ab Rechtskraft der
vorliegenden Verfügung für den Kreis 1 akkreditiert zu werden.

 (...)."

C.
Vor Bundesgericht beantragen X.________ und die Zeitung A.________, u.a. die
Beschwerde gutzuheissen und die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.
Juni 2012 aufzuheben, eventualiter eine Verwarnung gemäss Art. 18 Abs. 1 des
Informationsreglements für das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008
auszusprechen (InfoRegl.; SR 173.320.4).

D.
Das Bundesverwaltungsgericht beantragt vernehmlassungsweise Abweisung der
Beschwerde. Die Beschwerdeführer haben sich am 15. November 2012 zur
Vernehmlassung geäussert.

Erwägungen:

1.
Vorliegend handelt es sich um einen Entscheid (dazu BGE 135 II 22 E. 1.2 S. 24)
in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), wogegen die
Beschwerde ans Bundesgericht zulässig ist (e contrario Art. 83 BGG). Vorinstanz
bildet das Bundesverwaltungsgericht (Art. 86 BGG). Die Beschwerde ist
fristgerecht eingegangen (Art. 100 BGG). Sowohl der Beschwerdeführer 1 als
Verfügungsadressat als auch die Beschwerdeführerin 2 als Drittbetroffene sind
zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

2.
Die Beschwerdeführer rügen, dass die der Sanktionsverfügung vom 29. Juni 2012
zugrunde liegende Sachanordnung (Sperrfrist) gegen Grundrechte verstosse,
weshalb die Sanktion rechtswidrig sei.

 Zu prüfen ist indessen nur, ob der angefochtene Entscheid als
Vollstreckungsentscheid mit der Verfassung vereinbar ist, und es ist nicht auf
die Rechtmässigkeit der Sachanordnung zurückzukommen, zumal die
Beschwerdeführer nicht geltend machen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2
BGG), "in unverjährbaren oder unverzichtbaren verfassungsmässigen Rechten
verletzt worden zu sein" (BGE 129 I 410 E. 1.1 S. 412; TSCHANNEN/ZIMMERLI/
MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 323 f.). Abgesehen
davon bedarf es eines schwerwiegenden Eingriffs, um im Sanktionsverfahren die
zugrunde liegende Sachanordnung überprüfen zu können (vgl. BGE 118 Ia 209 E. 2
S. 212 ff.; GÄCHTER/EGLI, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), Kommentar zum
VwVG, 2008, N. 24 zu Art. 39), was in concreto nicht zutrifft.

3.

3.1. Sanktionen müssen verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV), unabhängig
davon, ob das staatliche Verhalten Grundrechte einschränkt (Art. 36 BV).
Abgesehen davon, bilden diese im vorliegenden Verwaltungsrechtsverhältnis nur
dann Prüfmassstab, wenn die Verfügungsgrundlage selber in Frage gestellt wird
(vgl. PIERRE TSCHANNEN, Systeme des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2008, Rz.
101), was die Beschwerdeführer indes unterlassen haben. Art. 18 InfoRegl. ist
Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips. Nach seinem Abs. 1 können
akkreditierte Journalisten und Journalistinnen, die schuldhaft gegen
Vorschriften dieses Reglements verstossen, verwarnt werden. In schweren Fällen
kann die Akkreditierung vorübergehend oder für immer entzogen werden (Abs. 2).
Insofern ist ein nach der Schwere des schuldhaften Verhaltens abgestuftes
Sanktionssystem vorgesehen, wobei normales schuldhaftes Verhalten mit einer
Verwarnung geahndet wird.

3.2. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer 1 schuldhaft gegen die
Vorschriften des InfoRegl. verstossen hat, hat er doch wissentlich und
willentlich die Sperrfrist von 07.00 Uhr missachtet. Allerdings handelt es sich
nicht um einen schweren Fall: so sind auf einer Skala von möglichen Verstössen
beispielsweise offensichtliche Persönlichkeitsverletzungen, die Nennung von
Namen in anonymisierten Urteilen, die Veröffentlichung vertraulicher oder
geheimer Informationen oder wahrheitswidrige Sachverhaltsdarstellungen, um die
Öffentlichkeit zu beeinflussen, weit schwerwiegendere Verstösse, welche nicht
mit der vorliegenden Missachtung der Sperrfrist über einen Leisten geschlagen
und insofern nicht gleich geahndet werden können. Der Beschwerdeführer hat -
wie das Bundesverwaltungsgericht selbst ausgeführt hat - zum ersten Mal gegen
die Vorschriften des InfoRegl. verstossen, und es ist entgegen der Auffassung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht Aufgabe eines konkret-individuellen
Einzelakts, ein generalpräventives Exempel für andere Journalisten zu
statuieren; im Einzelakt sind nur dessen Umstände zu berücksichtigen: dabei
ging es in casu dem Beschwerdeführer nicht darum, einen "Primeur" zu setzen,
sondern nur um eine Gleichbehandlung mit den elektronischen Medien.
Schliesslich wurde die Sperrfrist von 07.00 Uhr, ein Zeitpunkt, der die
Interessen der Printmedien nicht gebührend berücksichtigt, zeitlich nur
geringfügig missachtet. Alles in allem ist die vom Bundesverwaltungsgericht
verfügte Massnahme unverhältnismässig.

4.
Die Beschwerde ist demzufolge teilweise, im Sinne des Eventualantrags,
gutzuheissen. Nach Art. 18 InfoRegl. können bei Verstössen gegen Vorschriften
des Reglements drei mögliche Massnahmen ausgesprochen werden: Verwarnung, in
schweren Fällen vorübergehender Entzug der Akkreditierung und in besonders
schweren Fällen gänzlicher Entzug der Akkreditierung. Mit der Feststellung,
dass es sich vorliegend zwar um einen schuldhaften Verstoss gegen das
InfoRegl., aber nicht um einen schweren Fall handelt, kann das Bundesgericht
die Verwarnung - angesichts des fehlenden Auswahlermessens - selbst aussprechen
(Art. 107 Abs. 2 BGG). Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 BGG)
und das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführern eine reduzierte
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Sinne des Eventualantrags teilweise gutgeheissen, und
die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni
2012 werden durch folgende Ziffer ersetzt:
"1. X.________ wird gestützt auf Art. 18 Abs. 1 des Informationsreglements für
das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 verwarnt."

 Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführern für das
bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr.
1'500.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juni 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Errass

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