Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.701/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_701/2012

Urteil vom 24. November 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.

Verfahrensbeteiligte
X.________ Beteiligungen AG, c/o Bank X.________ AG, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Oliver Untersander,

gegen

Kantonales Steueramt Zürich.

Gegenstand
Direkte Bundessteuer 2008,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, 2. Kammer,
vom 23. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ Beteiligungen AG mit Sitz in Zürich ist eine Subholding der
X.________ Holding AG; sie bezweckt das Halten und Verwalten von Beteiligungen.
Mit öffentlichem Übernahmeangebot vom 15. Januar 2008 kündigte die X.________
Holding AG ihre Absicht an, die Y.________ AG vollständig zu übernehmen und
deren Aktivitäten in einen neu gegründeten Anlagefonds nach luxemburgischem
Recht zu überführen. Die Y.________ AG war eine börsenkotierte
Investmentgesellschaft, deren Geschäftstätigkeit in der Beteiligung an
führenden Unternehmen aus dem Bereich der Medizinaltechnik bestand.
Den bisherigen Aktionären der Y.________ AG wurden Anteile des neu gegründeten
luxemburgischen Anlagefonds gegen ihre Aktien im Tausch angeboten. Im März 2008
konnte dieses Übernahmeangebot erfolgreich abgeschlossen werden und erwarb der
luxemburgische Anlagefonds sämtliche Anlagen der Y.________ AG, die damit nur
noch über flüssige Mittel verfügte. In der Folge wurde die Y.________ AG in
X.________ Invest AG umbenannt, und am 28. November 2008 fusionierte sie mit
der X.________ Beteiligungen AG als Schwestergesellschaft per 30. Juni 2008.
Im Sommer 2009 übernahm die X.________ Beteiligungen AG im Rahmen eines
öffentlichen Übernahmeangebots sämtliche Aktien der Z.________ AG, wofür sie
unter anderem die aus der Fusion mit der X.________ Invest AG erhaltenen
liquiden Mittel einsetzte.

B.
Für die Steuerperiode 2008 deklarierte die X.________ Beteiligungen AG einen
steuerbaren Reingewinn von Fr. 5'954'450.--, indem sie u.a. die
Vorjahresverluste der X.________ Invest AG im Betrag von Fr. 74'713'618.--
gewinnschmälernd abzog. Das kantonale Steueramt Zürich verweigerte der kantonal
im Genuss des Holdingprivilegs stehenden und damit gewinnsteuerfreien
X.________ Beteiligungen AG diese Verlustverrechnung bei der direkten
Bundessteuer und veranlagte sie am 9. März 2011 mit einem steuerbaren
Reingewinn von Fr. 80'668'000.-- (bei einem Beteiligungsabzug von 14,711%) und
einem Eigenkapital von Fr. 457'055'210.--.

C.
Nach erfolglos gebliebenen Rechtsmitteln auf kantonaler Ebene hat die
X.________ Beteiligungen AG am 13. Juli 2012 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie
beantragt sinngemäss, das kantonal letztinstanzliche Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Mai 2011 aufzuheben und für die
direkte Bundessteuer einen steuerbaren Gewinn von Fr. 5'954'450.-- sowie einen
Beteiligungsabzug von 100% festzusetzen.

D.
Das kantonale Steueramt Zürich, das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie
die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. Art. 82 BGG in Verbindung mit Art. 146 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG, SR.
642.11]).

2.
2.1 Gegenstand der Gewinnsteuer der juristischen Person ist der Reingewinn
(Art. 57 DBG). Vom Reingewinn der Steuerperiode (Art. 79 DBG) können Verluste
aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abgezogen werden,
soweit sie bei der Berechnung des steuerbaren Reingewinns dieser Jahre nicht
berücksichtigt werden konnten (Art. 67 Abs. 1 DBG). Was die Übernahme eines
allfälligen Verlustvortrags (Art. 67 Abs. 1 DBG) betrifft, so enthalten das DBG
und namentlich dessen Artikel 67 aber keine ausdrückliche Vorschrift (s. auch
HANS JAKOB NOLD, Die zeitliche Bemessung des Gewinns im
Unternehmungssteuerrecht, 1984, S. 303 ff., der daraus schliesst, dass die
Berücksichtigung eines Verlustvortrags sich nicht auf das Gesetz stützen
lässt). Sie ergibt sich zwar nicht direkt aus Art. 67 Abs. 1 DBG, wohl aber aus
dem Grundsatz, dass ordentliche und ausserordentliche Verlustvorträge
richtigerweise stets als Steuerbilanzpositionen vorzutragen (vgl. BERNHARD
FELIX SCHÄRER, Verlustverrechnung von Kapitalgesellschaften im interkantonalen
Doppelbesteuerungsrecht: Leistungsfähigkeitsprinzip und
Schlechterstellungsverbot bei Aufwertungen und Sanierungen, S. 65) und
dementsprechend aufgrund der allgemeinen Ordnung zur steuerneutralen Abwicklung
von Fusionen zu berücksichtigen sind (vgl. Urteile 2C_351/2011 vom 4. Januar
2012 E. 2.1 und 2.3, StR 67/2012 188 m.w.H.; 2C_85/2012 vom 6. September 2012
E. 2.2). Die in die Verlustvortragsperiode (Art. 67 Abs. 1 DBG) fallenden
Verluste der übertragenden Gesellschaft sind daher auch bei der übernehmenden
Gesellschaft zu berücksichtigen.

2.2 Einer solchen Verlustverrechnung sind allerdings auch Grenzen gesetzt. Die
steuerneutrale Übertragung verlangt dem Grundsatz nach, dass stille Reserven
den bisherigen Vermögenswerten verhaftet bleiben. Der Verlustvortrag ist
ebenfalls mit dem Unternehmen verknüpft, weshalb im Rahmen der
Unternehmensumstrukturierung eine gewisse wirtschaftliche Kontinuität verlangt
werden muss (StR 67/2012 188 E. 3.1). Da aber nach dem Fusionsgesetz selbst
eine Gesellschaft in Liquidation sich als übertragende Gesellschaft an einer
Fusion beteiligen kann, darf die steuerneutrale Übertragung der stillen
Reserven und die Verlustverrechnung einer Gesellschaft nicht bereits deshalb
verweigert werden, weil betriebliches oder Anlagevermögen verwertet worden ist.
Es bedarf daher qualifizierter Voraussetzungen, um die Übertragung stiller
Reserven bzw. die gesetzlich vorgesehene Verlustverrechnung ausnahmsweise nicht
zuzulassen. Das ist namentlich der Fall, wenn keine sachlichen bzw.
betriebswirtschaftlichen Gründe für die Umstrukturierung vorliegen, wobei die
blosse Schaffung von Verlustverrechnungspotential nicht als solcher Grund zu
qualifizieren ist (E. 3.2). Die Verlustverrechnung nach Art. 67 DBG steht
überdies - wie generell jede Rechtsausübung - unter dem Vorbehalt des
Missbrauchsverbots und ist namentlich ausgeschlossen, wo eine Steuerumgehung
oder ein so genannter Mantelhandel vorliegt (E. 3.4; siehe auch die Besprechung
dieses Urteils durch WALTER JAKOB/URS SCHÜPFER/JVO GRUNDER, Fusion mit
umstrittener Verlustverrechnung im Konzern - Bundesgericht schafft Klarheit, ST
86 [2012], S. 265 ff. sowie den Kommentar in ZStP 21 S. 66 ff.; neuerdings die
Urteile 2C_85/2012 vom 6. September 2012 E. 3 und 2C_834/2011 vom 6. Juli 2012
E. 6.2.2).

3.
3.1 In Anwendung dieser Praxis hat die Vorinstanz hier zutreffend Folgendes
festgehalten: Aus dem Blickwinkel der X.________-Gruppe mag es durchaus Sinn
gemacht haben, die X.________ Invest AG mit der Beschwerdeführerin zu
fusionieren, um so die Gruppenstruktur zu vereinfachen. Die in der fusionierten
Gesellschaft vorhandenen (flüssigen) Mittel gingen so auf die
Beschwerdeführerin über. Damit lagen zwar Indizien vor, dass die Pflichtige aus
der Umstrukturierung Profit gezogen hat, was aber wohl auf jede Schwesterfusion
zutreffen dürfte. Darüber hinaus sind keine betriebswirtschaftlichen Gründe für
die Fusion ersichtlich oder geltend gemacht. Indem von der X.________ Invest AG
lediglich und praktisch ausschliesslich Barmittel auf die Beschwerdeführerin
übergingen, war eine minimale wirtschaftliche Kontinuität gar nicht möglich.
Deshalb ist die Verlustverrechnung zu Recht verweigert worden.

3.2 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, überzeugt nicht:
Zwar ist richtig, dass eine Vermögensverwaltungsgesellschaft wie jede andere
Gesellschaft fusionieren darf. Die Verlustverrechnung ist hier denn auch nicht
deshalb und von Vornherein ausgeschlossen worden, sondern aufgrund der
konkreten Verhältnisse im Einzelfall; diese sprechen vorliegend gegen die
Verlustanrechnung.
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass die wirtschaftliche
Kontinuität bei Vermögensverwaltungsgesellschaften immer gegeben sei, gehe doch
das bestehende Vermögen stets über. Dem ist entgegenzuhalten, dass das
bestehende Barvermögen hier wohl auf die Beschwerdeführerin überging, aber
praktisch unverzüglich zum Erwerb anderer Vermögensanlagen eingesetzt wurde.
Das mag wohl eine dynamische Vorgehensweise darstellen, beweist aber gerade,
dass von einer wirtschaftlichen Kontinuität nicht die Rede sein kann. Könnte
dieses Erfordernis schon durch die blosse Übertragung liquider Mittel erfüllt
werden, so würde es jeglicher Substanz beraubt.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten - und von der Vorinstanz teilweise
anerkannten - betriebswirtschaftlichen Gründe für die Fusion
(Kosteneinsparungs- und Rationalisierungsgründe etc.) reichen hier nicht aus,
um die wirtschaftliche Kontinuität darzutun und eine Verlustanrechnung sachlich
zu rechtfertigen. Aus dem zitierten Urteil 2C_351/2011 vom 4. Januar 2012
ergibt sich - entgegen der Beschwerdeführerin - gerade nicht, dass eine solche
Anrechnung hier gewährt werden müsste.

4.
4.1 Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.

4.2 Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 65 f. BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten
(Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 30'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kantonalen Steueramt Zürich, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und der Eidgenössischen Steuerverwaltung
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Matter