Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.677/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_677/2012

Urteil vom 16. Juli 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Fürsprecher Thomas Marfurt,

gegen

Amt für Migration und Personenstand
des Kantons Bern, Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern.

Gegenstand
Aufenthaltsrecht; vorsorgliche Massnahmen,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, vom 5. Juni 2012.

Erwägungen:

1.
Nach ihrer Heirat mit einem Schweizer Bürger (3. März 2003) wurde der
russischen Staatsangehörigen X.________ (geb. 1975) die Aufenthaltsbewilligung
erteilt. Im Februar 2004 reiste ihr Sohn Y.________ aus erster Ehe (geb. 1996)
im Familiennachzug zu ihr und erhielt seinerseits eine Aufenthaltsbewilligung
zum Verbleib bei seiner Mutter. X.________ wurde am 31. August 2010 vom
Obergericht des Kantons Bern wegen Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz und Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren bedingt verurteilt. Mit Verfügung vom 12. Mai 2009 lehnte das Amt für
Migration und Personenstand des Kantons Bern eine Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligungen von X._______ (Mutter) und Y.________ (Sohn) unter
Hinweis auf die Straffälligkeit und auf den Bezug von Sozialhilfe ab. Die
diesbezüglichen Beschwerden wiesen die Polizei- und Militärdirektion sowie
anschliessend das Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Urteil vom 27. April
2011) ab. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht blieb erfolglos
(Urteil 2C_474/2011 vom 22. Dezember 2011). Gestützt auf den rechtskräftigen
Wegweisungsentscheid hatten die Betroffenen Ende Februar 2012 auszureisen.

Am 14. Februar 2012, gut einen Monat nach Eröffnung des bundesgerichtlichen
Urteils (9. Januar 2012), stellten X.________ und Y.________ ein Gesuch um
Erteilung einer Bewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG
(Härtefallbewilligung), auf welches das Amt für Migration und Personenstand des
Kantons Bern mit Verfügung vom 17. Februar 2012 nicht eintrat. Dagegen erhoben
die Betroffenen Beschwerde an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons
Bern, wobei sie um vorsorgliche Gewährung des Aufenthalts während des dortigen
Beschwerdeverfahrens ersuchten; das entsprechende Gesuch wurde am 19. April
2012 abgewiesen. Die gegen diese verfahrensleitende Verfügung erhobene
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil des
Einzelrichters vom 5. Juni 2012 ab, soweit darauf einzutreten war.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Juli 2012
beantragen X.________ und Y.________ dem Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die "Ausweisung" der Gesuchsteller sei
bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides über die Härtefallgesuche
auszusetzen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

2.
2.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem
Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Ist die Beschwerde
gegen ein Endurteil in der Sache nach diesem Ausschlussgrund unzulässig, ist
sie nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens (BGE 134 II 192 E. 1.3 S.
195; 134 V 138 E. 3 S. 144; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.) auch unzulässig,
soweit sie sich gegen den einem Endurteil vorausgehenden Zwischenentscheid -
etwa über vorsorgliche Massnahmen - richtet.

Mit dem Urteil 2C_474/2011 vom 22. Dezember 2011 ist rechtskräftig entschieden
worden, dass der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung auf der
Grundlage der Anspruchsbestimmung von Art. 42 AuG nicht zu erneuern war. Bei
dieser Konstellation konnte sich der Beschwerdeführer nicht (mehr) auf Art. 8
EMRK berufen, um seinerseits eine Bewilligungsverlängerung zu beanspruchen (E.
3.3). Die Beschwerdeführer haben denn auch am 14. Februar 2012 die Erteilung
einer Härtefallbewilligung im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG beantragt;
auf Bewilligungen nach Art. 30 AuG besteht kein Rechtsanspruch. Die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Beschwerdeentscheid des
Verwaltungsgerichts über einen diesbezüglichen Zwischenentscheid ist
unzulässig. Sie könnte indessen als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegengenommen werden (Art. 113 BGG), soweit die diesbezüglichen
Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind.

2.2 Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG; s. ohnehin Art. 98 BGG). Entsprechende
Rügen bedürfen spezifischer Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2
BGG). Es genügt dabei nicht, verfassungsmässige Rechte zu nennen, die verletzt
sein sollen; vielmehr muss - in Auseinandersetzung mit den Erwägungen der
Vorinstanz - aufgezeigt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid solche
Rechte missachtet und er im Ergebnis verfassungswidrig ist (zur Rügepflicht
gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG s. BGE 136 II 489 E. 2.8 S. 494; 133 II 396 E. 3 S.
399 f. mit Hinweisen).
Zu beachten ist zudem Art. 115 lit. b BGG. Danach ist zur Verfassungsbeschwerde
berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Fehlt es an einem
Bewilligungsanspruch, ist der Ausländer durch die Bewilligungsverweigerung
nicht in rechtlich geschützten Interessen betroffen und wäre er nicht
legitimiert, den Sachentscheid in materieller Hinsicht wegen Verletzung des
Willkürverbots anzufechten (BGE 133 I 185). Angefochten ist zwar vorliegend
nicht ein Sachentscheid, sondern bloss ein diesem vorausgehender
Zwischenentscheid über vorsorgliche Massnahmen. Diesbezüglich ist erforderlich,
dass der Zwischenentscheid für die Betroffenen einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG); angesichts
von Art. 115 lit. b BGG muss es sich dabei um einen Nachteil rechtlicher Natur
handeln (Urteil 2D_58/2011 vom 9. Januar 2012 E. 2.1).
2.3
2.3.1 Die Beschwerdeführer erwähnen Art. 8, 29 Abs. 1 und 30 BV (bzw. Art. 6
EMRK). Inwiefern das Verwaltungsgericht diese Rechte mit seinem Entscheid
verletzt haben könnte, wird in der Beschwerdeschrift nicht nachvollziehbar
aufgezeigt. Es bleibt allein die Rüge, über das Begehren um vorsorgliche
Massnahmen sei willkürlich entschieden worden. Ob die Beschwerdeführer zu
dieser Rüge legitimiert sind, ist angesichts von Art. 93 Abs. 1 lit. a in
Verbindung mit Art. 115 lit. b BGG zweifelhaft (vorne E. 2.2). Ohnehin aber
fehlt es der Beschwerde aus den nachfolgenden Gründen (auch) diesbezüglich an
einer hinreichenden Begründung.
2.3.2 Wird Willkür gerügt, muss namentlich aufgezeigt werden, dass der
angefochtene Entscheid im Ergebnis willkürlich ist (s. zum Begriff der Willkür
BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 136 III 552 E. 4.2 S. 560; 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.; 134
II 124 E. 4.1 S. 133). Besondere Zurückhaltung übt das Bundesgericht bei der
Überprüfung von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, die ihrerseits auf
einer Interessenabwägung aufgrund einer Beurteilung prima facie beruhen, bzw.
von diesbezüglichen Rechtsmittelentscheiden, was sich auf die Anforderungen an
die Beschwerdebegründung auswirkt (vgl. BGE 134 II 349 E. 3 S. 351 f.; Urteil
2C_11/2007 vom 21. Juni 2007 E. 2.3.2).
Ausgangspunkt für die vom Verwaltungsgericht bestätigte Ablehnung des Gesuchs
um vorsorgliche Massnahmen durch die Polizei- und Militärdirektion ist der
Umstand, dass den Beschwerdeführern eine Bewilligungsverlängerung selbst nach
einer Interessenabwägung unter der Voraussetzung des Bestehens eines
Rechtsanspruchs rechtskräftig verweigert worden ist und sie rechtskräftig
weggewiesen worden sind. Das Verwaltungsgericht hält dafür, dass unter diesen
Umständen ein sofort nach Eintreten der Rechtskraft der ersten
Bewilligungsverweigerung gestelltes Gesuch um eine ausländerrechtliche
Bewilligung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und um die mit Argumenten
ersucht wird, die bereits im eben abgeschlossenen Verfahren mit überprüft
worden sind (Schulsituation, Integrationsgrad des Sohnes), geringe
Erfolgsaussichten habe, weshalb keine Gründe ersichtlich seien, welche für die
Beschwerdeführenden ein Abwarten des Entscheids über die Härtefallbewilligung
im Ausland als unzumutbar erscheinen liessen. Ergänzend kann auf Art. 17 AuG
verwiesen werden, wonach der Aufenthalt während der Dauer des
Bewilligungsverfahrens nur gestattet werden muss, wenn die
Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind. Ob diese Norm
vorliegend, wo es nicht um eine erstmalige Gesuchseinreichung geht, unmittelbar
anwendbar ist, mag dahingestellt bleiben (MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/
Bolzli, Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012 Zürich, Art. 17 N. 1); sie vermag jedoch
in einem Fall, wo rechtskräftige Wegweisungsentscheide vorliegen, zumindest als
Richtschnur zu dienen. Inwiefern die Einschätzung des Verwaltungsgerichts
namentlich über die Erfolgsaussichten der nachgeschobenen Gesuche bei der hier
gegebenen Ausgangslage willkürlich sein sollte, lässt sich mit den
Schilderungen in der Beschwerdeschrift nicht aufzeigen.
2.4
Die Beschwerde enthält, soweit sie überhaupt zulässig ist, insgesamt
offensichtlich keine hinreichende Begründung (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG), und
es ist darauf mit Entscheid des Einzelrichters im vereinfachten Verfahren nach
Art. 108 BGG nicht einzutreten.

2.5 Die Gerichtskosten sind entsprechend dem Verfahrensausgang den
Beschwerdeführern nach Massgabe von Art. 65 sowie 66 Abs. 1 erster Satz und
Abs. 5 BGG aufzuerlegen.

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juli 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Feller