Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.658/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_658/2012

Urteil vom 3. Dezember 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Emil Robert Meier,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, Postfach, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Niederlassungsbewilligung (Widerruf),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 30. Mai 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Der türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 1975) war ab 1998 in seiner
Heimat mit seiner Landsfrau Y.________ (geb. 1979) liiert. Am 8. März 2001 kam
der gemeinsame Sohn W.________ zur Welt. Am 28. Juli 2003 reiste X.________ in
die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Am 29. September 2003 heiratete er
die im Kanton Zürich niedergelassene türkische Staatsangehörige Z.________
(geb. 1985), woraufhin er eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Am 7. Dezember
2005 gebar Z.________ das Kind V.________; auf Klage von X.________ hin stellte
das Bezirksgericht Zürich am 26. Oktober 2006 fest, dass er nicht der Vater von
V.________ sei.

1.2 Am 16. Oktober 2008 wurde X.________ die Niederlassungsbewilligung erteilt.
Spätestens ab Dezember 2008 lebten die Eheleute X.Z.________ getrennt und mit
Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 26. Mai 2009 wurde die Ehe zwischen
X.________ und Z.________ geschieden. Am 14. Dezember 2009 heiratete X.________
in der Türkei seine frühere Lebensgefährtin Y.________ und stellte am 18. Mai
2010 ein Gesuch um Nachzug seiner Ehefrau.

1.3 Mit Verfügung vom 18. November 2010 widerrief das Migrationsamt des Kantons
Zürich die Niederlassungsbewilligung von X.________, setzte ihm Frist zum
Verlassen der Schweiz bis 28. Februar 2012 und wies das Nachzugsgesuch ab. Die
Sicherheitsdirektion sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
bestätigten am 8. März 2012 bzw. 30. Mai 2012 diesen Entscheid.

1.4 X.________ beantragt mit Eingabe vom 4. Juli 2012, das angefochtene Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und es sei dem
Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung zu belassen. Eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Auf die Anordnung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet.

2.
Gegen Entscheide über den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, weil
grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist
(BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).

3.
3.1 Gemäss Art. 43 AuG (SR 142.20) haben ausländische Ehegatten von Personen
mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Abs. 1). Nach einem
ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die
Ehegatten Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Abs. 2). Die
Ansprüche nach Art. 43 AuG erlöschen, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend
gemacht werden, namentlich um Vorschriften des AuG und seiner
Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen (Art.
51 Abs. 2 lit. a AuG). Erfasst wird davon die sogenannte Scheinehe bzw.
Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche
Gemeinschaft beabsichtigen (BGE 128 II 145 E. 2.1 S. 151 mit Hinweisen). Der
Anspruch entfällt darüber hinaus auch bei rechtsmissbräuchlicher Berufung auf
eine nur noch formell und ohne Aussicht auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer
ehelichen Gemeinschaft bestehende Ehe (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151 mit
Hinweisen).

3.2 Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit 62 lit. a AuG kann die
Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer oder sein
Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche
Tatsachen verschwiegen hat. Das Bundesgericht hat ausgeführt, dass die unter
dem alten Recht (Art. 9 Abs. 2 lit. a und Abs. 4 lit. a ANAG) zu diesem
Widerrufsgrund entwickelte Praxis im Wesentlichen auch für Art. 62 lit. a AuG
gilt. Namentlich muss die falsche Angabe oder das Verschweigen wesentlicher
Tatsachen in der Absicht erfolgt sein, gestützt darauf den Aufenthalt oder die
Niederlassung bewilligt zu erhalten. Der Ausländer ist verpflichtet, den
Behörden wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den
Bewilligungsentscheid massgebend sein kann (Art. 3 Abs. 2 und Art. 13f ANAG
bzw. Art. 90 AuG). Wesentlich sind nicht nur Umstände, nach denen die
Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der
Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich
sein können (Urteile 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 2.1; 2C_15/2011 vom 31. Mai
2011 E. 4.2.1).

3.3 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Entscheid von der dargestellten
Rechtsprechung aus und hat diese korrekt angewandt.
3.3.1 Vorab vermag der Beschwerdeführer nicht mit der Rüge durchzudringen, die
Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt bzw. den
Sachverhalt unvollständig festgestellt, indem seine erste Ehefrau nicht als
Zeugin befragt worden sei. Zwar umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör u.a.
auch das Recht der Betroffenen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu
werden. Jedoch ist dieser Anspruch nicht verletzt, wenn ein Gericht deshalb auf
die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits
abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in
vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine
Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 134 I 140
E. 5.3 S. 148 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen waren vorliegend ohne
Weiteres erfüllt: Auf die Einvernahme der Ex-Frau des Beschwerdeführers durfte
die Vorinstanz verzichten, da deren Aussagen den Verfahrensakten entnommen
werden können. Damit kann auch die Frage offen gelassen werden, ob die
Beschwerde an das Verwaltungsgericht überhaupt einen expliziten Beweisantrag
auf Zeugenbefragung der ersten Ehefrau des Beschwerdeführers enthielt.
3.3.2 Der zeitliche Ablauf präsentiert sich hier wie folgt: Der
Beschwerdeführer lebte mit seiner heutigen Ehefrau und Mutter seines
elfjährigen Sohnes zwischen 1998 und 2002 in der Türkei. Nur zwei Monate nach
seiner Einreise als Asylbewerber in die Schweiz heiratete er hier eine
niederlassungsberechtigte Landsfrau. 2005 kam der aussereheliche Sohn
V.________ zur Welt. Im Vaterschaftsprozess sagte die damalige Ehefrau aus, man
habe gar nie richtig zusammengewohnt. Kaum hatte der Beschwerdeführer die
Niederlassungsbewilligung erhalten, lebten die Eheleute angeblich ab Dezember
2008 getrennt und liessen sich Ende Mai 2009 scheiden. Der Beschwerdeführer
besuchte seine heutige Ehefrau bereits während der ersten Ehe ferienhalber,
ehelichte diese nur rund sechs Monate nach der Scheidung im Dezember 2009 und
stellte kurz darauf das Nachzugsgesuch.
3.3.3 Aus dem soeben dargestellten zeitlichen Ablauf der Ereignisse ergibt sich
eindeutig, dass der Beschwerdeführer nach einem aus zahlreichen Verfahren
bekannten Verhaltensmuster (vgl. dazu etwa Urteile 2C_535/2012 vom 30. August
2012; 2C_540/2010 vom 8. März 2011; 2C_47/2010 vom 16. Juni 2010; 2C_734/2009
vom 19. April 2010; 2C_559/2009 vom 11. Februar 2010; 2C_311/2009 vom 5. Januar
2010) planmässig vorgegangen ist, um sich in der Schweiz ein Anwesenheitsrecht
zu verschaffen und seiner Familie den Nachzug zu ermöglichen. Ob eine Scheinehe
vorliegt, kann trotz einiger Indizien dahingestellt bleiben. Jedenfalls bestand
die Ehe mit der niedergelassenen ersten Ehefrau schon vor Erteilung der
Niederlassungsbewilligung nur noch formell und wurde vom Beschwerdeführer
aufrechterhalten zum alleinigen Zweck, die Erteilung der
Niederlassungsbewilligung zu erwirken. Er beabsichtigte keineswegs, diese Ehe
weiterzuführen, und hat die Behörden diesbezüglich jahrelang gezielt getäuscht.
Damit hat der Beschwerdeführer wissentlich wesentliche Tatsachen verschwiegen,
um sich ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz zu verschaffen. Ob die
verschwiegene aussereheliche Vaterschaft für sich allein zum Entzug der
Bewilligung geführt hätte, ist nicht entscheidend. Durch die Bekanntgabe der
Existenz des ausserehelichen Sohnes, dessen Mutter seine heutige Ehefrau ist,
hätte sich die Ausländerbehörde jedenfalls veranlasst gesehen bzw. sehen
müssen, die Beziehung der Ehegatten näher zu überprüfen, womit ihr die
effektiven ehelichen Umstände bekannt geworden wären. Hätten somit die
Fremdenpolizeibehörden von seinen tatsächlichen familiären Verhältnissen und
seinen Plänen Kenntnis gehabt, wäre dem Beschwerdeführer die
Niederlassungsbewilligung nicht erteilt worden. Die Voraussetzungen für deren
Widerruf gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG sind
somit erfüllt. Ergänzend kann auf die überzeugenden Erwägungen im angefochtenen
Entscheid (insb. E. 3) verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.4 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist unter den gegebenen
Umständen auch verhältnismässig. Zwar scheint der Beschwerdeführer zumindest
beruflich integriert zu sein. Von einer eigentlichen Verwurzelung in der
Schweiz kann jedoch nicht gesprochen werden. Hierfür sprechen weder die
Aussage, dass seine drei Brüder in der Schweiz lebten noch die weiteren von ihm
vorgebrachten Umstände wie der gute Leumund, die Einhaltung seiner finanziellen
Verpflichtungen oder die nicht näher substantiierten "zahlreichen
Freundschaften und Bekanntschaften auch mit Schweizern". Allgemeines
Wohlverhalten wird an sich als selbstverständlich vorausgesetzt und bedarf
keiner besonderen Erwähnung. Der Beschwerdeführer lebte sodann bis zum 28.
Altersjahr in seiner Heimat und hat damit die prägenden Lebensjahre in der
Türkei verbracht. Es darf weiter davon ausgegangen werden, dass er mit den
kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seines Heimatlandes, das er
auch ferienhalber immer wieder besucht hat, nach wie vor bestens vertraut ist.
Ins Gewicht fällt zudem, dass seine heutige Ehefrau, sein Sohn, seine Eltern
sowie weitere Verwandte dort leben. Dem Beschwerdeführer ist somit zuzumuten,
in seine Heimat zurückzukehren.

4.
Der verfügte Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich damit als
bundesrechtskonform. Die Beschwerde ist somit als offensichtlich unbegründet im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Bei diesem Ergebnis
besteht auch kein Anlass, dem Eventualantrag (Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur Neubeurteilung) stattzugeben.
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 f. BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, der
Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger