Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.650/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_650/2012

Urteil vom 21. Januar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli,

gegen

1. C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Kaiser,
2. D.________,
Beschwerdegegner,

Departement Finanzen und Ressourcen, Abteilung Landwirtschaft, Sektion
Strukturverbesserungen und Raumnutzung, Telli-Hochhaus, 5004 Aarau.

Gegenstand
Bäuerliches Bodenrecht; Feststellungsverfügung bez. landwirtschaftliches
Gewerbe,

Beschwerde gegen das Urteil der Landwirtschaftlichen Rekurskommission des
Kantons Aargau vom 15. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 22. Juli 2009 stellte X.________ beim Departement Finanzen und
Ressourcen des Kantons Aargau, Abteilung Landwirtschaft, das Gesuch, es sei
festzustellen, dass es sich beim Hof Y.________ in G.________ um ein
landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des bäuerlichen Bodenrechts handle.
Eigentümerin des Hofs Y.________ ist die Erbengemeinschaft A.________,
verstorben am 10. Juli 2007. Zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bestand die
Gemeinschaft aus der Ehefrau des Verstorbenen, B.________, sowie den drei
Nachkommen X.________, C.________ und D.________. Am 30. März 2010 verstarb
B.________, sodass die Erbengemeinschaft fortan noch aus den drei Nachkommen
bestand.
Hintergrund des Gesuches von X.________ bildete der Umstand, dass diese den Hof
Y.________ bereits zu Lebzeiten des Erblassers bewirtschaftete und im Rahmen
der Erbteilung einen Anspruch auf Zuweisung geltend machen will, was die
Qualifikation als landwirtschaftliches Gewerbe voraussetzt.
Mit Verfügung vom 21. April 2010 stellte das kantonale Departement Finanzen und
Ressourcen jedoch fest, dass es sich bei den betreffenden Grundstücken nicht um
ein landwirtschaftliches Gewerbe handle.

B.
Gegen die Verfügung des Departements beschwerte sich X.________ am 7. Juni 2010
bei der Landwirtschaftlichen Rekurskommission des Kantons Aargau. Sie ersuchte
in der Hauptsache um Aufhebung der angefochtenen Verfügung sowie um
Feststellung, dass die streitbetroffenen Grundstücke des Hofs Y.________ ein
landwirtschaftliches Gewerbe bilden. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie für
das Beschwerdeverfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Mit Zwischenentscheid vom 19. Januar 2011 wies der Präsident der
Landwirtschaftlichen Rekurskommission das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung zufolge Aussichtslosigkeit ab. Eine von X.________ hiergegen
beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde wurde mit Urteil 2C_179/2011 vom 10.
März 2011 abgewiesen.
Mit Urteil vom 15. Mai 2012 wies die Landwirtschaftliche Rekurskommission die
Beschwerde von X.________ auch in der Hauptsache ab.

C.
Mit Eingabe vom 2. Juli 2012 führt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragt im
Wesentlichen erneut, es sei festzustellen, dass die streitbetroffenen
Grundstücke des Hofs Y.________ ein landwirtschaftliches Gewerbe bildeten.
C.________ sowie die Landwirtschaftliche Rekurskommission des Kantons Aargau
schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement, handelnd durch das Bundesamt für Justiz, liess sich zur
Sache vernehmen, ohne einen Antrag zu stellen. D.________ hat sich nicht
vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 84 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche
Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) kann, wer ein schutzwürdiges Interesse hat,
von der Bewilligungsbehörde feststellen lassen, ob ein landwirtschaftliches
Gewerbe oder Grundstück dem Realteilungsverbot, dem Zerstückelungsverbot, dem
Bewilligungsverfahren oder der Belastungsgrenze unterliegt (lit. a) oder der
Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks bewilligt werden
kann (lit. b). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können zudem auch
die Begriffsbestimmungen von Art. 6-10 BGBB zum Gegenstand einer
Feststellungsverfügung gemacht werden (BGE 129 III 186 E. 2.1 S. 189 f., 129
III 693 E. 3 S. 695). Um eine solche Angelegenheit geht es hier, da die
Qualifikation als landwirtschaftliches Gewerbe gemäss Art. 7 Abs. 1 BGBB im
Streit liegt (vgl. E. 2 ff. hiernach). Letztinstanzliche kantonale
Beschwerdeentscheide unterliegen Art. 89 BGBB zufolge der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht in Anwendung von
Art. 82 ff. BGG. Vorliegend wurde der kantonale Rechtsweg ausgeschöpft und es
liegt ein Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts i.S.v. Art. 86 Abs. 2 BGG
vor, da die Landwirtschaftliche Rekurskommission in ihrem Zuständigkeitsbereich
stets als einzige kantonale Gerichtsinstanz entscheidet (Urteil 2C_390/2009 vom
14. Januar 2010 E. 3.3; § 41 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 11.
November 1980 über die Erhaltung und Förderung der Landwirtschaft; SAR 910.100;
in Kraft gewesen bis zum 31. Juli 2012). Als Adressatin des angefochtenen
Entscheids ist die Beschwerdeführerin ohne Weiteres zur Ergreifung der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert (Art. 89 Abs.
1 BGG). Auf das im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Rechtsmittel
(Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 100 Abs. 1 BGG) ist daher einzutreten.

2.
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 BGBB in der Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes
vom 5. Oktober 2007 (AS 2008 3585; BBl 2006 6337), welche seit 1. September
2008 in Kraft ist, gilt als landwirtschaftliches Gewerbe eine Gesamtheit von
landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen, die als Grundlage der
landwirtschaftlichen Produktion dient und zu deren Bewirtschaftung, wenn sie
landesüblich ist, mindestens eine Standardarbeitskraft (SAK) nötig ist. In der
Fassung vom 20. Juni 2003 (AS 2003 4123), welche bis zum 31. August 2008 in
Kraft stand, verlangte Art. 7 Abs. 1 BGBB für die Qualifikation als
landwirtschaftliches Gewerbe, dass die Bewirtschaftung mindestens drei Viertel
einer Standardarbeitskraft benötigt.

2.2 Im vorliegenden Fall hielt das Departement Finanzen und Ressourcen des
Kantons Aargau fest, die Bewirtschaftung des Hofs Y.________ benötige rund 0.5
SAK, weswegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als landwirtschaftliches
Gewerbe nicht erfüllt seien. Im Verfahren vor der Landwirtschaftlichen
Rekurskommission wandte die Beschwerdeführerin unter Berufung auf eine
Expertise des Schweizerischen Bauernverbands ein, das Potenzial des Hofs
Y.________ betrage 0.812 SAK, womit jedenfalls die Anforderungen von Art. 7
Abs. 1 BGBB in der Fassung vom 20. Juni 2003 (min. 0.75 SAK) erfüllt wären. Die
Vorinstanz ging jedoch davon aus, dass das neue Recht, d.h. Art. 7 Abs. 1 BGBB
in der Fassung vom 5. Oktober 2007, angewendet werden müsse, weswegen für die
Anerkennung als landwirtschaftliches Gewerbe ein Potenzial von mindestens 1.0
SAK vorausgesetzt sei, was der Hof Y.________ unbestrittenermassen nicht
erfülle. In der Anwendung des neuen Rechts durch die Landwirtschaftliche
Rekurskommission erkennt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von
Bundesrecht, was im Nachfolgenden zu prüfen ist.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Hauptbegründung geltend, sie habe bei
der Erstinstanz ausdrücklich um Feststellung der Gewerbeeigenschaft nach Art. 7
Abs. 1 BGBB in der Fassung vom 20. Juni 2003 ersucht. Mit diesem Gesuch habe
sie den Verfahrensgegenstand abschliessend definiert. Die Landwirtschaftliche
Rekurskommission sei daher gar nicht berechtigt gewesen, zu eruieren, welche
Fassung des Gesetzes anwendbar sei.

3.2 Dem Einwand kann nicht gefolgt werden: Zum einen kann dem Gesuch der
Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2009 keine Präzisierung der Anträge in der von
ihr behaupteten Art entnommen werden; lediglich in der Begründung ihrer Anträge
gibt sie sinngemäss zu verstehen, sie erachte das alte Recht für anwendbar. Zum
andern setzt der Erlass einer Feststellungsverfügung - wie bereits ausgeführt
(E. 1 hiervor) - ein schutzwürdiges Interesse voraus. Dies hat zur Folge, dass
die nachgesuchte Verfügung der Klarstellung von konkreten Rechtsverhältnissen
dienen muss; bloss theoretische oder abstrakte Rechtsfragen sind demgegenüber
nicht feststellungsfähig (HERRENSCHWAND/STALDER, in: Büsser et. al. [Hrsg.],
Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991,
2. Aufl. 2011, Rz. 1 zu Art. 84; RHINOW/KOLLER/KISS/TURNHERR/BRÜHL-MOSER,
Öffentliches Prozessrecht, 2. Aufl. 2010, Rz. 1281). Hat die
Landwirtschaftliche Rekurskommission demnach (als Rechtsmittelinstanz) über die
Qualifikation eines bestimmten Hofes als landwirtschaftliches Gewerbe zu
entscheiden, so muss sie zuerst über die im konkreten Fall anzuwendende Fassung
des Gesetzes befinden, wie dies die Vorinstanz hier richtigerweise getan hat.

4.
4.1 Gemäss Art. 94 Abs. 1 BGBB (i.V.m. Art. 95b BGBB) richtet sich eine
Erbteilung nach dem Recht, das bei der Eröffnung des Erbgangs gegolten hat;
wird das Teilungsbegehren nicht innert Jahresfrist seit Inkrafttreten dieses
Gesetzes gestellt, so gilt in jedem Fall das neue Recht. Auf diese
übergangsrechtliche Bestimmung beruft sich die Beschwerdeführerin in einer
Eventualbegründung und behauptet, sie habe innerhalb eines Jahres seit dem
Inkrafttreten der Revision vom 5. Oktober 2007, d.h. noch vor dem 1. September
2009, ein (partielles) Teilungsbegehren gestellt, woraus folge, dass für das
vorliegende Feststellungsverfahren noch die bis zum 31. August 2008 in Kraft
gewesene Fassung von Art. 7 Abs. 1 BGBB Anwendung finde.

4.2 Die Rüge geht ins Leere: Die Vorinstanz hat sich mit dieser Argumentation
der Beschwerdeführerin ausführlich auseinandergesetzt und festgehalten, dass
innert der gemäss Art. 94 Abs. 1 BGBB massgeblichen Frist weder von der
Beschwerdeführerin noch von einem der andern Erben ein Teilungsbegehren
gestellt worden ist. An diesen von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG):
Sachverhaltsfeststellungen können vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich - sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105
Abs. 2 BGG). Zwar behauptet die Beschwerdeführerin im vorliegenden Zusammenhang
die offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen und
verweist dabei im Wesentlichen auf das Schreiben ihres damaligen
Rechtsvertreters vom 19. August 2009 an die Beschwerdegegner, mit welchem "in
verbindlicher Weise die Zuweisung des (...) Hofs Y.________ (...) beansprucht"
wurde. Wie die Vorinstanz aber willkürfrei erkannt hat, lässt der Wortlaut
dieses Schriftstücks eine Teilungsabsicht jedenfalls nicht zweifelsfrei
erkennen. In diesem Zusammenhang durfte die Landwirtschaftliche
Rekurskommission auch berücksichtigen, dass das besagte Schreiben von einem
Anwalt verfasst wurde, von welchem eine präzise Wortwahl erwartet werden kann.
Gegen eine Teilungsabsicht spricht sodann, dass die Beschwerdeführerin noch mit
E-Mail vom 10. März 2011 mitteilte, sie "wünsche die Teilung des Nachlasses
derzeit nicht". Dass sich diese Erklärung nicht auf den Hof Y.________, sondern
nur auf die Bereitschaft zu einer vollständigen Erbteilung bezogen haben soll,
wie dies die Beschwerdeführerin behauptet, erscheint wenig plausibel und wäre
wohl zumindest für den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 2 auch
nicht ohne Weiteres so zu verstehen gewesen. Bei dieser Sachlage ist es unter
den hier massgeblichen Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz im Schreiben vom 19. August 2009 kein Teilungsbegehren erkannte.

5.
Da mithin davon auszugehen ist, dass innerhalb eines Jahres seit dem
Inkrafttreten der Revision vom 5. Oktober 2007 kein Erbteilungsbegehren
gestellt wurde, scheidet gemäss dem Obenstehenden eine Anwendung des zum
Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs geltenden Rechts von vornherein aus und es
ist der vorliegende Fall nach Massgabe des neuen Rechts zu beurteilen, zumal
grundsätzlich das im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung geltende Recht Anwendung
findet (vgl. WIEDERKEHR/RICHLI, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band
I, 2012, Rz. 800; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6.
Aufl. 2010, Rz. 325 ff.; jeweils mit Hinweisen). Somit ist für das Erreichen
der Gewerbegrenze ein SAK-Wert von mindestens 1.0 erforderlich (vgl. E. 2
hiervor), was der Hof Y.________ selbst nach Darstellung der Beschwerdeführerin
nicht erfüllt.

6.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde unbegründet und somit abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die unterliegende Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat der anwaltlich
vertretenen Beschwerdegegnerin 1 ausserdem eine Parteientschädigung für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Landwirtschaftlichen
Rekurskommission des Kantons Aargau sowie dem Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Zähndler