Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.599/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_599/2012

Urteil vom 16. August 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
A.X.________, B.X.________ geb. Y.________,
Tannerstrasse 60, 5000 Aarau,
Beschwerdeführer,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau,
Rechtsdienst, Telli-Hochhaus, 5004 Aarau.

Gegenstand
Kantons- und Gemeindesteuern 2007,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 2. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.

 Die Eheleute A.X.________ und B.X.________ geb. Y.________ verfügen über eine
Beteiligung von neun Prozent (135 von 1'500 Namenaktien zu Fr. 1'000.--) an der
C.________ AG mit Sitz in D.________/AG. Die Steuerkommission Aarau veranlagte
die Eheleute am 25. Januar 2010 für die Kantons- und Gemeindesteuer 2007. In
der Folge ersuchten die Eheleute X.________-Y.________ um sinngemässe Anwendung
des Teilsatzverfahrens auf die Erträge aus ihrer neunprozentigen Beteiligung.
Die Steuergesetzgebung des Kantons Aargau kennt das Teilsatzverfahren für
Beteiligungserträge seit dem Steuerjahr 2007, setzt allerdings eine
Beteiligungsquote von mindestens zehn Prozent voraus. Das Begehren der Eheleute
X.________-Y.________ blieb sowohl vor der Steuerkommission Aarau als
Einsprachebehörde (Entscheid vom 3. Mai 2010), dem Steuerrekursgericht des
Kantons Aargau (25. August 2011) und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
2. Kammer (2. Mai 2012) erfolglos.

B.

 Mit Eingabe vom 19. Juni 2012 erheben die Eheleute X.________-Y.________ beim
Bundesgericht "Beschwerde". Sie beantragen hauptsächlich, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Mai 2012 sei aufzuheben, die
Beschwerde vom 26. September 2011 [an die Vorinstanz] sei gutzuheissen, und es
sei die Besteuerung [der Erträge] aus der neunprozentigen Beteiligung auf den
Steuerbetrag zu beschränken, der sich im Fall einer zehnprozentigen Beteiligung
ergäbe.

 Während die Vorinstanz und die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung
DVS, von einer Stellungnahme absehen, beantragt das Steueramt des Kantons
Aargau die Abweisung der Beschwerde. Dies veranlasst die Eheleute
X.________-Y.________ (hiernach: die Steuerpflichtigen) zu abschliessenden
Bemerkungen.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier
Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44; 138 I 367 E. 1 S. 369;
138 III 471 E. 1 S. 475).

1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen einen (End-) Entscheid einer letzten
kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist grundsätzlich gegeben
(Art. 82 lit. a, Art. 83, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und
Art. 90 BGG i. V. m. Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990
über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG;
SR 642.14]). Das als "Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel ist als Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen (Urteil 2C_1049/2011
vom 18. Juli 2012 E. 1.1). Die Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen
Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.

1.3. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde
vorgebrachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es
kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz
abweichenden Begründung abweisen (Motivsubstitution; BGE 138 III 537 E. 2.2 S.
540; 137 III 385 E. 3 S. 386; 135 III 397 E. 1.4 S. 400; 133 II 249 E. 2.2 S.
550).

1.4. Trotz der Rechtsanwendung von Amtes wegen prüft das Bundesgericht, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42
BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen
Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; 134
III 102 E. 1.1 S. 104; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Die Verletzung von
Grundrechten (Art. 7-34 BV, nebst den übrigen verfassungsmässigen Rechten der
BV [BGE 134 I 23 E. 6.1 S. 31; 133 III 638 E. 2 S. 640] und den
Rechtsansprüchen der EMRK [BGE 138 I 97 E. 4.3 S. 106]), von kantonalem und
interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur, soweit eine solche Rüge
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Solche Rügen sind klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen
Entscheids darzulegen (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 136 II 489 E. 2.8 S. 494;
Urteile 2C_678/2012 vom 17. Mai 2013 E. 1.5; 2C_596/2012 vom 19. März 2013 E.
5.2, in: StR 68/2013 S. 474).

1.5. Fragen des Bundesrechts klärt das Bundesgericht mit freier Kognition (Art.
95 lit. a BGG; Urteile 2C_596/2012 vom 19. März 2013 E. 1.3; 2C_708/2012 vom
21. Dezember 2012 E. 1.4). Im Bereich des Steuerharmonisierungsrechts ist für
die Zwecke der Kognition wie folgt zu differenzieren: Grundsätzlich prüft das
Bundesgericht auch das harmonisierte kantonale Steuerrecht mit freier
Kognition, ebenso, wie es dies im Fall von Bundesrecht täte (Art. 95 lit. a
BGG). Soweit das Harmonisierungsrecht den Kantonen allerdings einen gewissen
Gestaltungsspielraum ("une certaine marge de manoeuvre") belässt, handelt es
sich bei der kantonalen Norm insoweit um (rein) kantonales Recht.

 Wird ein Verstoss gegen das (rein) kantonale Recht gerügt, prüft das
Bundesgericht lediglich, ob dessen vorinstanzliche Auslegung und Anwendung zu
einer Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG; BGE
138 V 74 E. 2 S. 76) oder der kantonalen verfassungsmässigen Rechte führt (Art.
95 lit. c BGG; BGE 134 I 153 E. 4.2.2 S. 158). Zu untersuchen ist allem voran
ein Verstoss gegen das Willkürverbot nach Art. 9 BV (BGE 137 V 143 E. 1.2 S.
145; 134 II 349 E. 3 S. 351; Urteil 9C_369/2012 vom 2. November 2012 E. 3).
Wiederum mit freier Kognition im Sinne von Art. 95 lit. a BGG ist schliesslich
zu klären, ob die kantonale Lösung, die einen harmonisierungsrechtlichen
Freiraum betrifft, die Anwendung des StHG weder in seiner horizontalen noch
vertikalen Harmonisierungsfunktion beeinträchtigt (zum Ganzen Urteil 2C_337/
2012 vom 19. Dezember 2012 E. 1.4, in: StR 68/2013 S. 368 mit zahlreichen
Hinweisen).

1.6. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können auch
kantonale Erlasse angefochten werden (Art. 82 lit. b BGG). Die
Steuerpflichtigen wenden sich gegen § 45a des Steuergesetzes [des Kantons
Aargau] vom 15. Dezember 1998 (StG/AG; SAR 651.100). Die Norm unter dem Titel
"Einkommen aus Beteiligung an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften" ist
am 1. Januar 2007 in Kraft getreten, womit die Frist zur abstrakten
Normenkontrolle (Art. 82 lit. b i.V.m. 101 BGG) längst verstrichen ist. Es
verbleibt die Beschwerde gegen die individuell-konkrete Verfügung bzw. den
Rechtsmittelentscheid in Anwendung der gerügten Norm (Art. 82 lit. a BGG; BGE
137 I 107 E. 1.4.2 S. 109; 128 I 155 E. 1.1 S. 158 f.; 111 Ia 270 E. 2 S. 271
f.; 110 Ia 211 E. 3 S. 214 f.; 106 Ia 310 E. 5 S. 318 ff.).

 Inhaltlich beschränkt sich die vorfrageweise (inzidente, akzessorische,
konkrete) Normenkontrolle (so BGE 139 V 72 E. 3.1.4 S. 80) auf jenen Teil der
Norm, der gerügt und für den konkreten Fall massgeblich ist (BGE 136 I 65 E.
2.3 S. 69 f.). Erweist sich die Rüge der fehlenden Verfassungsmässigkeit der
generell-abstrakten Norm als begründet, hebt das Bundesgericht den gestützt auf
die angefochtene Norm ergangenen individuell-konkreten Anwendungsakt auf.

1.7. Die Steuerpflichtigen rügen Verstösse gegen "unbestrittene Grundsätze des
Steuerrechts", worunter sie die Rechtsgleichheit, die Gleichmässigkeit der
Besteuerung, die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und
das von ihnen als solches bezeichnete "Degressionsverbot" verstehen. Die
Beschwerde ist knapp gehalten. Mit Blick auf die Praxis zu den Laienbeschwerden
(Urteile 2C_708/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 1.4, in: StR 68/2013 S. 212;
2C_851/2011 vom 15. August 2012 E. 1.2) genügen die Steuerpflichtigen ihrer
Pflicht, die angeblichen Verfassungsverletzungen hinreichend zu rügen und zu
begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), allerdings gerade noch.

1.8. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzlichen
Feststellungen können nur berichtigt werden, sofern sie entweder offensichtlich
unrichtig, d. h. willkürlich ermittelt worden sind (Art. 9 BV; BGE 137 II 353
E. 5.1 S. 356; zum Willkürbegriff: BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; 137 I 1 E. 2.4 S.
5) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105
Abs. 2 BGG). Zudem hat die beschwerdeführende Partei aufzuzeigen, dass die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234).

2.

2.1. Das Bundessteuer- (Art. 16 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über
die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]) und damit auch das
Steuerharmonisierungsrecht (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 StHG) folgen im Bereich des
Einkommens natürlicher Personen dem Konzept der Reinvermögenszugangstheorie
("théorie de l'accroissement du patrimoine" bzw. "imposition du revenu global
net"; dazu Urteile 2C_1273/2012 vom 13. Juni 2013 E. 2.1; 2C_1151/2012 vom 3.
Juni 2013 E. 2.1, zur Publikation bestimmt). Nach dieser Konzeption sind die
steuerbaren Einkünfte (das Steuerobjekt) im vollen, hundertprozentigen Umfang
in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen ("Vollbesteuerung"). Die
Besteuerung setzt in jedem Fall eine (formell-) gesetzliche Grundlage voraus
(vgl. zum Legalitätsprinzip BGE 138 V 32 E. 3.1.1 S. 35; 136 II 337 E. 5.1 S.
348 f.; 132 I 157 E. 2.2 S. 159; 131 II 562 E. 3.1 S. 565). Soll es
ausnahmsweise bei einer Teilbesteuerung bleiben, erfordert auch dies eine
gesetzliche Grundlage.

2.2. Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz II vom 23. März 2007 erhielten die
Kantone mit Wirkung ab 1. Januar 2009 (AS 2008 2893) die Möglichkeit, die
"wirtschaftliche Doppelbelastung" der Anteilsinhaber und ihrer
Kapitalgesellschaft oder Genossenschaften zu mildern. Der hierfür massgebende
Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG lautet:

 Bei Dividenden, Gewinnanteilen, Liquidationsüberschüssen und geldwerten
Vorteilen aus Beteiligungen aller Art, die mindestens 10 Prozent des Grund-
oder Stammkapitals einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ausmachen
(qualifizierte Beteiligungen), können die Kantone die wirtschaftliche
Doppelbelastung von Körperschaften und Anteilsinhabern mildern.

 Die Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gewinn zunächst auf Ebene
der Körperschaft und hierauf der ausgerichtete Beteiligungsertrag auf Ebene der
Anteilsinhaber besteuert wird. Dies ist freilich die zwangsläufige Folge
dessen, dass die Körperschaft ein eigenes Rechtssubjekt und Steuersubjekt ist.

2.3. Erreicht wird die Milderung der "wirtschaftlichen Doppelbelastung"
dadurch, dass die Beteiligungserträge auf Ebene der Anteilsinhaber in
vermindertem Umfang erfasst werden. Den Kantonen steht es nach Art. 7 Abs. 1
Satz 2 StHG frei, davon Gebrauch zu machen (Botschaft vom 22. Juni 2005 zum
Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für
unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen [Unternehmenssteuerreformgesetz
II], BBl 2005 4733, insb. 4848). Ergreifen sie die Möglichkeit, schreibt ihnen
das Harmonisierungsrecht freilich eine Mindestbeteiligungsquote von zehn
Prozent vor. Was das Ausmass und die Methode der Teilbesteuerung betrifft,
bestehen keine harmonisierungsrechtlichen Vorgaben. Im Vordergrund stehen zwei
Modelle: Im Fall des  Teileinkünfteverfahrens wird die Teilbesteuerung dadurch
erreicht, dass das Steuerobjekt nicht vollumfänglich in die Steuerbemessung
einbezogen wird. Dieses Vorgehen entspricht der vom Bund gewählten Methode, der
die Beteiligungserträge um 40 Prozent (Beteiligungen im Privatvermögen; Art. 20
Abs. 1bis DBG) bzw. 50 Prozent (Beteiligungen im Geschäftsvermögen; Art. 18b
DBG) herabsetzt. Die Teilbesteuerung kann auch durch ein Teilsatzverfahren
verwirklicht werden. Der Kanton Aargau hat sich für diese zweite Methode
entschieden. § 45a StG/AG, in Kraft getreten am 1. Januar 2007, trägt folgenden
Wortlaut:

 Das Einkommen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften
mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz wird zu 40 Prozent des
Satzes des gesamten steuerbaren Einkommens besteuert, wenn die steuerpflichtige
Person mit mindestens 10 Prozent am Aktien-, Grund- oder Stammkapital beteiligt
ist.

2.4. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten (vgl. E.
2.2). Einige Kantone - darunter der Kanton Aargau - haben der sich
abzeichnenden Bundeslösung vorgegriffen und das dem künftigen
Harmonisierungsrecht entsprechende kantonale Recht vor Anbruch des Steuerjahrs
2009 in Kraft gesetzt. Mit dieser Konstellation hat sich das Bundesgericht
schon verschiedentlich auseinandergesetzt. Es gelangte zur Auffassung, das
früher in Kraft gesetzte kantonale Teilbesteuerungsverfahren sei insoweit auf
den später in Kraft getretenen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG gestützt, als die
kantonale Novelle eindeutig im Hinblick auf die parallel verlaufende Ergänzung
der Bundesgesetzgebung zustande gekommen ist und die rasche Umsetzung der
harmonisierungsrechtlichen Entlastungsmöglichkeit bezweckt hat. Einen
hinreichend engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang bejahte es betreffend
die Steuerperiode 2008 im Fall der Kantone Basel-Landschaft (Urteil 2C_62/2008
vom 25. September 2009 E. 4.4, in: StE 2010 A 21.16 Nr. 12) und Zürich (Urteil
2C_30/2008 vom 25. September 2009 E. 4.5), verwarf ihn hingegen betreffend den
Kanton Schaffhausen, wo das revidierte Recht schon mit der Steuerperiode 2004
anwendbar wurde (BGE 136 I 65 E. 4.3 S. 73 ff.).

2.5. Gemäss Art. 190 BV sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das
Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Aus diesem
Grund kann einem Bundesgesetz weder im Rahmen der abstrakten noch der
vorfrageweisen Normenkontrolle die Anwendung versagt werden. Zur Ermittlung des
Geltungsbereichs von Art. 190 BV im harmonisierten kantonalen Steuerrecht ist -
ähnlich wie zur Bestimmung der Kognition (vgl. E. 1.5) - eine Differenzierung
anhand der Art und des Umfangs der bundesrechtlichen Vorgabe erforderlich.
Soweit das kantonale Steuergesetz lediglich die konkrete bundesrechtliche
Vorgabe umsetzt - hier etwa die zwingende Mindestbeteiligungsquote von zehn
Prozent - und es von dieser nicht abweicht, unterliegt auch das kantonale
Steuergesetz dem verfassungsrechtlichen Anwendungsgebot von Art. 190 BV. Ihm
kommt in einem solchen Fall die Bedeutung eines blossen Umsetzungsakts zu.
Belässt das Steuerharmonisierungsrecht den Kantonen allerdings einen gewissen
Gestaltungsspielraum ("une certaine marge de manoeuvre"), handelt es sich
insoweit bei der kantonalen Norm unter dem Gesichtspunkt von Art. 190 BV um
rein kantonales Recht. Als solches kann die Bestimmung uneingeschränkt einer
vorfrageweisen Prüfung unterzogen werden.

2.6. In der bisherigen Praxis hat sich das Bundesgericht in abstrakter (BGE 136
I 49 [Bern]) wie vorfrageweiser Kontrolle (BGE 136 I 65 [Schaffhausen]) bereits
mit der Frage der Verfassungsmässigkeit des Teilbesteuerungsverfahrens
auseinandergesetzt. Im ersten Fall hiess es das bernische Teilsatzverfahren
gut, soweit es durch Art. 7 Abs. 1 StHG abgedeckt war, hob in der angefochtenen
Bestimmung allerdings die durch das Harmonisierungsrecht nicht vorgegebenen
Satzteile "mit Sitz in der Schweiz" und "oder der Verkehrswert der Beteiligung
mindestens zwei Millionen Franken" auf. Im gleichentags erlassenen Schaffhauser
Entscheid lag dem Bundesgericht eine vorharmonisierte Bestimmung vor, aufgrund
deren ab einer 20-prozentigen Beteiligungsquote das Halbsatzverfahren galt. In
der Verquickung von zivilrechtlicher (bei nicht qualifizierter Beteiligung) und
wirtschaftlicher Betrachtungsweise (bei qualifizierter Beteiligung) erblickte
das Bundesgericht einen unzulässigen Methodenpluralismus. Die ungleiche
Besteuerung verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV)
und in der Folge gegen den Grundsatz der "Belastungsgleichheit" (Art. 127 Abs.
2 BV). Das gesetzliche Grenzminimum (20 Prozent) sei überdies willkürlich. Es
beruhe zwar auf einem politischen Entscheid, sei aber mit sachlichen Gründen
nicht zu rechtfertigen und führe zu unhaltbaren Unterscheidungen bei der
Besteuerung (zum Ganzen: BGE 136 I 65 E. 5.5 S. 78).

3.

3.1. Die Steuerpflichtigen bestreiten die Verfassungsmässigkeit von § 45a StG/
AG, was die Steuerbelastung im Grenzbereich zwischen nicht erreichter und
erreichter Mindestbeteiligungsquote anbelangt, und veranschaulichen ihre
Überlegungen anhand des Verlaufs der Steuerbelastungskurve, wie sie sich in
ihrem konkreten Fall ergibt. Unbeanstandet lassen sie hingegen die vom Kanton
Aargau gewählte Reduktion ("zu 40 Prozent des Satzes des gesamten steuerbaren
Einkommens"), sodass der Teilsatz nicht zu prüfen ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
vorne, E. 1.4). Auch nach den für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) führen Beteiligungserträge
aus einer knapp nicht qualifizierenden Beteiligung (hier: neun Prozent) zu
einer höheren Steuerlast als solche aus einer gerade qualifizierenden
Beteiligung von zehn Prozent. Dies bewirke, so die Vorinstanz, einen "Knick in
der Steuerbelastungskurve". Dem entgegnen die Steuerpflichtigen, es sei ebenso
verharmlosend wie sachlich unrichtig, von einem blossen "Knick" zu sprechen.
Die Unstetigkeit der Steuerbelastungskurve kennzeichne sich vielmehr durch eine
singuläre Belastungsspitze, der sich bei erreichter Mindestbeteiligungsquote
ein Steilabfall der Belastung ("degressiver Sprung nach unten") anschliesse,
mithin eine "schlagartige Entlastung". Aufgrund dieser "degressiven Disparität"
bei zehn Prozent nehme die Steuerbelastung trotz steigenden Einkommens
sprunghaft ab. Für Aktionäre mit 135 Aktien ergebe sich eine Mehrbelastung von
Fr. ... gegenüber jenen, die 150 Aktien und damit eine zehnprozentige
Beteiligung hielten. Dies sei ungerecht.

 Die Steuerpflichtigen legen dem Bundesgericht ein alternatives Modell vor. Sie
beschreiben ihr eigenes, "massgeschneidertes Prinzip" als "monotone Kurve ohne
Spitze, aber mit zwei Knicken". Zwischen diesen beiden Punkten befinde sich
eine Horizontale, auf welcher die Besteuerung der Beteiligungserträge "in
diesem Übergangsbereich knapp unterhalb von zehn Prozent" gleichmässig von 100
Prozent auf 40 Prozent abfalle. In ihrem konkreten Fall würde der Ertrag aus
der gerade nicht qualifizierenden Beteiligung von neun Prozent mit einem
Steuersatz von 53 Prozent erfasst, und nicht, wie die Vorinstanz
fälschlicherweise annehme, mit lediglich 40 Prozent.

3.2. § 45a StG/AG stimmt, soweit das Bundesrecht Vorgaben enthält, inhaltlich
mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG überein. Das vorharmonisierte aargauische
Steuerrecht trat am 1. Januar 2007 in Kraft, mithin zwei Jahre vor dem
Harmonisierungsrecht. Die zitierten Urteile zu den Kantonen Basel-Landschaft
und Zürich (vgl. E. 2.4) betrafen zwar das Steuerjahr 2008, während es hier um
die vorangehende Steuerperiode geht. Dessen ungeachtet ist unter den gegebenen
Umständen unstreitig, dass § 45a StG/AG in Anlehnung an und Vorwegnahme von
Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG geschaffen und in Kraft gesetzt worden ist. Wie die
Unterinstanz dargelegt hat und die Vorinstanz in für das Bundesgericht
verbindlicher Weise (Art. 105 Abs. 1 BGG) bestätigt, hängt die kantonale
Novelle eng mit der Unternehmenssteuerreform II des Bundes zusammen, was auch
die Steuerpflichtigen nicht bestreiten.

3.3. Während Art. 190 BV im Schaffhauser Entscheid zu den Steuerjahren 2004 und
2005 keine Wirkung entfalten konnte, weshalb das Bundesgericht die
vorharmonisierte kantonale Norm vorfrageweise auf ihre Verfassungsmässigkeit
prüfen durfte (vgl. E. 2.4 und 2.6), fehlt vorliegend eine solche Möglichkeit.
Nach dem Gesagten ist die angefochtene aargauische Teilbesteuerungsnorm durch
Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG abgedeckt, weswegen das Harmonisierungsrecht
massgebend ist (Art. 190 BV). Ist das kantonale Grenzminimum (hier: zehn
Prozent) infolge von Art. 190 BV der verfassungsgerichtlichen Überprüfung
entzogen, muss dasselbe für den Kippeffekt gelten, der sich als zwangsläufige
Folge des Grenzminimums darstellt. Die "degressive Disparität", von welcher die
Steuerpflichtigen sprechen, ist die sachlogische Folge zweier unterschiedlich
verlaufender Belastungskurven. Die eine Kurve (ordentlicher Tarif) findet ihre
rechtliche Grundlage zwar ausschliesslich im kantonalen Einkommenssteuertarif
(§ 43 StG/AG), ebenso wie die andere, wobei ein klar umschriebener Teil des
Steuerobjekts (die Erträge aus qualifizierter Beteiligung) von
Harmonisierungsrechts wegen gemildert wird. Die Ursache des Kippeffekts oder
"Knicks" ist damit im harmonisierten Steuerrecht begründet. Es ist dies die vom
Bundesgesetzgeber gewollte Konsequenz des Teilbesteuerungsverfahrens. Aus
diesem Grund ist Art. 190 BV auch unter diesem Gesichtspunkt beachtlich, Art. 7
Abs. 1 Satz 2 StHG massgebend und § 45a StG/AG insoweit einer
Verfassungskontrolle entzogen.

3.4. Die Steuerpflichtigen rügen eine Verfassungsverletzung im
"Übergangsbereich". Ein verfassungsmässiger Zustand lasse sich dadurch
herbeiführen, dass im Bereich "knapp unterhalb von zehn Prozent" die Belastung
gleichmässig von 100 Prozent auf 40 Prozent absinke. Sie schlagen
gewissermassen einen neuen "Übergangstarif" vor, dessen Anwendung sie zumindest
in ihrem eigenen Fall wünschen. Zu diesem Zweck unterbreiten sie dem
Bundesgericht das Modell einer "monotonen Kurve ohne Spitze, aber mit zwei
Knicken". Das Bundesgericht als Verfassungsgericht ist, wie ausgeführt, im
Verfahren der vorfrageweisen Normenkontrolle an Art. 190 BV gebunden. Wie der
Kippeffekt und der "Knick" stellt sich auch die Steuerbelastung im
Übergangsbereich als unmittelbare Folge der bundesgesetzlichen Regelung dar.
Dementsprechend ist der Verlauf der Steuerbelastungskurve im Übergangsbereich
einer bundesgerichtlichen Kontrolle entzogen und erweist sich die Beschwerde
auch in dieser Hinsicht als unbegründet.

4.

4.1. Dem angefochtenen Entscheid ist mithin keine Verletzung von Bundesrecht
(Art. 95 lit. a BGG) zu entnehmen. Die Beschwerde ist unbegründet und
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

4.2. Die Steuerpflichtigen haben aufgrund ihres Unterliegens die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG). Ein
Abweichen davon ist weder vor Bundesgericht noch - wie beantragt - vor der
Vorinstanz am Platz. Dem Kanton Aargau, der in seinem amtlichen Wirkungskreis
obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden den
Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 2. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. August 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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