Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.580/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
2C_580/2012

Urteil vom 13. November 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
1. ProLitteris, Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und
bildende Kunst,
2. SSA, Société Suisse des Auteurs,
3. SUISA, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik,
4. Suissimage, Schweizerische Genossenschaft für Urheberrechte an
audiovisuellen Werken,
5. Swissperform, Gesellschaft für Leistungsschutzrechte,
Beschwerdeführerinnen, alle vertreten durch SUISA, Vincent Salvadé, Directeur
général adjoint,

gegen

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE), Stauffacherstrasse 65/
59g, 3003 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
GT 3a - Einzug von Vergütungen für die Radio- und Fernsehbenutzung in Hotel-
und Spitalzimmern sowie in Ferienhäusern und Ferienwohnungen
(Aufsichtsbeschwerde),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom
14. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Auf verschiedene Eingaben hin eröffnete das Eidgenössische Institut für
Geistiges Eigentum (im Folgenden: IGE) am 4. April 2011 ein
Aufsichtsbeschwerdeverfahren gegen die ProLitteris Schweizerische
Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und bildende Kunst, die SSA Société
Suisse des Auteurs, die SUISA Genossenschaft der Urheber und Verleger von
Musik, die Suissimage Schweizerische Genossenschaft für Urheberrechte an
audiovisuellen Werken und die Swissperform Gesellschaft für
Leistungsschutzrechte in Bezug auf die Erhebung von Vergütungen für die Radio-
und Fernsehnutzung in Hotel- und Spitalzimmern, Ferienhäusern und
Ferienwohnungen. Nach Einholung von Stellungnahmen der genannten
Verwertungsgesellschaften wies das IGE mit Verfügung vom 7. Juni 2011 die
Gesellschaften an, bis zum Vorliegen einer rechtsgenüglichen Tarifgrundlage auf
den Einzug von Vergütungen für Radio- und Fernsehnutzungen in Hotel- und
Spitalzimmern sowie in Ferienhäusern und Ferienwohnungen zu verzichten.

B.
Die genannten Verwertungsgesellschaften erhoben dagegen Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht. Dieses wies mit Urteil vom 14. Mai 2012 die
Beschwerde ab und bestätigte die Verfügung des IGE.

C.
ProLitteris, SSA, SUISA, Suissimage und Swissperform erheben gemeinsam
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts und die Verfügung des IGE seien aufzuheben und
den Aufsichtseingaben sei keine Folge zu geben. Eventuell sei die Sache zur
neuen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht, subeventualiter an das IGE,
zurückzuweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht und das IGE verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Gegen den Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer
aufsichtsrechtlichen Streitigkeit betreffend die Anwendung von
Urheberrechts-Tarifen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90
BGG; Urteil 2C_527/2007 vom 13. Mai 2008 E. 2.3, in: sic! 10/2008 S. 717). Die
Beschwerdeführerinnen sind als Adressatinnen der angefochtenen
aufsichtsrechtlichen Anordnung zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Streitig ist die Vergütung für die Verbreitung von Radio- und
Fernsehsendungen in Hotel- und Spitalzimmern sowie in Ferienhäusern und
-wohnungen. Es geht dabei um Rechte nach Art. 10 Abs. 2 lit. f in Verbindung
mit Art. 22 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1
sowie Art. 37 lit. b in Verbindung mit Art. 38 des Bundesgesetzes vom 9.
Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
(Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1), die nur über zugelassene
Verwertungsgesellschaften (Art. 40 und 41 URG) geltend gemacht werden können
(vgl. BGE 133 III 568 E. 4.3 S. 574). Diese stellen für die von ihnen
geforderten Vergütungen Tarife auf, verhandeln darüber mit den massgebenden
Nutzerverbänden und legen die Tarife der Eidgenössischen Schiedskommission für
die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (im Folgenden:
ESchK) zur Genehmigung vor (Art. 46 URG). Die ESchK genehmigt einen ihr
vorgelegten Tarif, wenn er in seinem Aufbau und in den einzelnen Bestimmungen
angemessen ist (Art. 59 Abs. 1 URG). Rechtskräftig genehmigte Tarife sind für
die Gerichte verbindlich (Art. 59 Abs. 3 URG).

2.2 Der Tarif kann keine Vergütungen vorsehen für Nutzungen, die
urheberrechtlich gar nicht geschützt sind. Im Streitfall obliegt es den
Zivilgerichten, darüber zu entscheiden, was vom Urheberrecht umfasst wird (BGE
125 III 141 E. 4a S. 144 f.). Die Genehmigung eines Tarifs durch die ESchK kann
nicht Vergütungsansprüche schaffen, welche vom Gesetz nicht vorgesehen sind
(vgl. BGE 135 II 172 E. 2.3 S. 177 ff.). Umgekehrt kann im Bereich der
kollektiven Verwertung auch eine Vergütung, die vom Gesetz vorgesehen wäre, nur
dann geltend gemacht werden, wenn ein genehmigter und gültiger Tarif besteht
(Art. 46 Abs. 1 URG; BARRELET/EGLOFF/KÜNZI, Das neue Urheberrecht, 3. Aufl.
2008, Rz. 5, 9 und 10 zu Art. 46 URG). Die Vorinstanz hat sich daher mit Recht
nicht dazu geäussert, ob ein Vergütungsanspruch von Gesetzes wegen besteht,
sondern nur darüber, ob der geltende Tarif dafür eine Vergütung vorsieht.
Unerheblich ist bei dieser Lage auch, ob nach den internationalen
Urheberrechtsabkommen die streitige Nutzung dem Urheberrecht unterliegt, wie
die Beschwerdeführerinnen geltend machen.

2.3 Massgebend ist hier der Gemeinsame Tarif 3a 2008-2013 (im Folgenden: GT
3a), der von der ESchK am 4. Dezember 2007 genehmigt und mit Beschluss vom 26.
März 2010 bis zum 31. Dezember 2013 verlängert worden ist. Streitig ist die
Auslegung dieses Tarifs. Die Tarife im Sinne von Art. 46 URG stützen sich auf
Bundesrecht. Reglemente, die von Privaten aufgrund einer bundesrechtlichen
Grundlage aufgestellt werden, gelten als Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit.
a BGG (HANSJÖRG SEILER, in: Kommentar Bundesgerichtsgesetz, N. 27 f. zu Art. 95
BGG mit Hinweisen); die Auslegung des Tarifs unterliegt damit als Frage des
Bundesrechts der freien Kognition des Bundesgerichts (vgl. BGE 133 III 568 E.
5.5 S. 578 sowie Urteil 4A_418/2007 vom 13. Dezember 2007 E. 8 und 9, in: sic!
4/2008 S. 289).

2.4 Der GT 3a bezieht sich nach Ziff. 2.1 Abs. 1 auf die Verwendung von Ton-
und Tonbild-Trägern, auf den Empfang von Sendungen zur Hintergrund-Unterhaltung
in Verkaufsgeschäften, Restaurants, Aufenthaltsräumen, Arbeitsräumen etc. sowie
für "music-on-hold". Nach Ziff. 2.1 Abs. 2 GT 3a bedeutet
Hintergrund-Unterhaltung, dass die Verwendung des Repertoires begleitende,
ergänzende, nebensächliche Funktion hat.
Die Vorinstanz hat erwogen, Hotel- und Spitalzimmer sowie Ferienhäuser und
-wohnungen seien in der allerdings nicht abschliessenden Aufzählung von Ziff.
2.1 Abs. 1 GT 3a nicht erwähnt. Der Begriff der Hintergrund-Unterhaltung
bedeute eine als Hintergrund gedachte Unterhaltung, die eine freundliche
Stimmung für einen anderen Zwecken dienenden Aufenthalt schaffen solle. Im
Hotel- oder Spitalzimmer oder in einer Ferienwohnung sei aber von einem
Gebrauch im Vordergrund auszugehen, weil man in diesen Räumen Radio- oder
Fernsehgeräte deshalb einschalte, weil man Sendungen hören oder schauen möchte.
Dieser Empfang stelle keine Hintergrund-Unterhaltung dar. Nutzungsbeschriebe in
Tarifen seien nicht extensiv auszulegen. Die Aufzählung der Räume in Ziff. 2.1
Abs. 1 GT 3a sei deshalb als einschränkendes Kriterium zu verstehen und beziehe
sich auf Räume, die einem global und nicht eindeutig definierten Personenkreis
zugänglich seien, während sich bei Hotel- und Spitalzimmern sowie
Ferienwohnungen die Berechtigten in der Regel genau eruieren liessen. Für eine
enge Auslegung spreche auch, dass für die von den Beschwerdeführerinnen
beantragten Nutzungen keine Verhandlungen mit den massgeblichen Nutzerverbänden
erfolgt seien.

2.5 Die Beschwerdeführerinnen rügen im Zusammenhang mit dem letztgenannten
Argument eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung; sie hätten
mit Nutzerverbänden, welche die Hotelnutzungen vertreten, Verhandlungen
geführt. In Bezug auf die Ferienwohnungen bestünden gar keine im Sinne von Art.
46 Abs. 2 URG massgebenden Nutzerverbände, so dass keine Verhandlungspflicht
bestanden habe.
Diese Rüge zielt jedoch am Kern der vorinstanzlichen Argumentation vorbei:
Streitig und zu entscheiden ist nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen
allenfalls auf den Einbezug von Nutzerverbänden verzichtet werden kann.
Zutreffend ist aber die Auffassung der Vorinstanz, dass gerade dann, wenn -
allenfalls auch rechtmässig - gewisse Nutzerkreise nicht in die Verhandlungen
einbezogen wurden, eine restriktive Auslegung des Tarifs angezeigt ist. Dafür
spricht die für die Vertragsauslegung geltende Maxime "in dubio contra
stipulatorem" (vgl. BGE 138 V 176 E. 6 S. 181; 132 III 264 E. 2.2 S. 267; 124
III 155 E. 1b S. 158 f.): Von den Verwertungsgesellschaften, welche in aller
Regel die Tarifentwürfe ausformulieren und vorschlagen, ist zu verlangen, dass
sie darin die vergütungspflichtigen Verwendungen genügend präzise regeln.

2.6 In diesem Sinne ist die Argumentation der Vorinstanz überzeugend: Die hier
streitigen Lokalitäten sind in Ziff. 2.1 GT 3a nicht ausdrücklich genannt.
Diese Aufzählung ist zwar nicht abschliessend, stützt aber die Auffassung der
Vorinstanz, dass nur Räume umfasst sind, die in der Regel der Öffentlichkeit
oder doch einem grösseren, unbestimmten Personenkreis zugänglich sind. Auch die
von den Beschwerdeführerinnen angeführten Arbeitsräume haben nicht den gleichen
privaten Charakter wie ein Hotel- oder Spitalzimmer oder eine Ferienwohnung.

2.7 Wenn die Vorinstanz auf die allgemeinsprachliche Umschreibung der
Hintergrundmusik abstellt, so deckt sich das sinngemäss mit der Umschreibung
der Hintergrund-Unterhaltung, die der Tarif in Ziff. 2.1 Abs. 2 selber enthält:
Die Sendung wird begleitend zu einer anderen Aktivität wahrgenommen und nicht
mit dem Hauptzweck, sie zu sehen oder zu hören. Diese Umschreibung ist
zugeschnitten auf Hintergrund-Unterhaltung, die etwa in Verkaufsläden oft
abgespielt wird; typisch dafür ist, dass man die Sendung neben der
Hauptbeschäftigung (beispielsweise des Einkaufens) nur im Hintergrund
wahrnimmt. Dies ist nicht nur die Optik des Publikums, welches die Sendung
wahrnimmt, sondern auch des Rauminhabers (Laden- oder Restaurantbetreiber), der
die Sendung abspielen lässt: Er will seinem Publikum eine Unterhaltung
anbieten, die begleitend und nebensächlich zu einer anderen Aktivität
wahrgenommen wird. Demgegenüber geht die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass
ein Hotel- oder Spitalgast oder ein Mieter einer Ferienwohnung in seinem Zimmer
bewusst ein Radio- oder Fernsehgerät anschaltet, um eine bestimmte Sendung
wahrzunehmen. Entscheidend ist dabei nicht der Umstand, dass in einem Hotel
oder Spital der Hauptzweck des Aufenthalts nicht die Radio- oder
Fernsehbenutzung ist, sondern dass während der Sendung deren Wahrnehmung die
Hauptbeschäftigung ist.

2.8 Zwar ist den Beschwerdeführerinnen insofern zuzustimmen, dass die
effektiven Motive des Nutzers schwierig zu erheben sind. Die Vorinstanz hat
denn auch kein Beweisverfahren durchgeführt zu ihrer sachverhaltlichen Annahme,
dass in Hotel- und Spitalzimmern sowie Ferienwohnungen das Gerät eingeschaltet
werde, um die Sendung wahrzunehmen; dies entspricht jedoch der allgemeinen
Lebenserfahrung. Freilich kann nicht ausgeschlossen werden, dass jemand in
Hotel- oder Spitalzimmern - wie unter Umständen auch zu Hause - Radio hört als
Hintergrund für andere Aktivitäten; umgekehrt mag es auch Gäste geben, die
gezielt in ein Restaurant gehen, um die dort laufenden Fernsehsendungen
anzusehen (z.B. während einer Fussball-Weltmeisterschaft). Abzustellen ist aber
auf typische Situationen. Für diese trifft die Auffassung der Vorinstanz zu.

2.9 An diesem Ergebnis ändert schliesslich auch die Berufung der
Beschwerdeführerinnen auf die Rechtsgleichheit oder eine URG-konforme Auslegung
nichts, wonach im Zweifelsfalle der Tarif so auszulegen sei, dass die
Verwertungsgesellschaften ihre Pflichten gemäss Art. 44 URG möglichst umfassend
wahrnehmen können. Es liegt in der Natur des Urheberrechts, dass gewisse
Aktivitäten je nachdem, in welchem Umfeld sie erfolgen, vergütungspflichtig
sind oder eben nicht (vgl. z.B. die Verwendung zum Eigengebrauch gemäss Art. 19
URG). Art. 44 URG verpflichtet sodann nur die Verwertungsgesellschaften
gegenüber den Rechtsinhabern zum Tätigwerden, kann aber nicht zu Lasten der
Nutzer eine Vergütungspflicht begründen, für welche gar kein Tarif besteht.

3.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführerinnen die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu gleichen Teilen und unter solidarischer
Haftung (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen zu
gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung II, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. November 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger