Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.532/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_532/2012

Urteil vom 12. Juni 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern.

Gegenstand
Ausländerrecht; Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 1. Mai 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1962) stammt ursprünglich aus dem Kosovo. Nach
mehrjährigen Aufenthalten als Saisonnier in der Schweiz wurde ihm am 27. August
1997 als Vater eines Schweizer Kindes eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Am
9. Februar 2009 erhielt er die Niederlassungsbewilligung; seit dem 16.
September 2010 ist er Schweizer Bürger.

1.2 Am 23. Februar 2011 ersuchte X.________ das Amt für Migration des Kantons
Luzern erfolglos darum, seinen Sohn aus erster Ehe (geb. 1996), dessen
Sorgerecht ihm im Scheidungsurteil vom 11. September 1996 übertragen worden
war, in die Schweiz nachziehen zu können. Die Justiz- und Sicherheitsdirektion
und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern bestätigten die entsprechende
Verfügung mit Entscheiden vom 2. November 2011 bzw. 1. Mai 2012.

1.3 X.________ beantragt vor Bundesgericht, das verwaltungsgerichtliche Urteil
aufzuheben und dem Gesuch um Familiennachzug vom 23. Februar 2011 zu
entsprechen.

2.
2.1 Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet, soweit der
Beschwerdeführer sich darin überhaupt sachbezogen mit den entscheidrelevanten
Ausführungen der Vorinstanz im Einzelnen auseinandersetzt und den gesetzlichen
Anforderungen genügend darlegt, dass und inwiefern deren Erwägungen Recht
verletzen sollen (vgl. Art. 42 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E.
2.1 - 2.3; 137 II 305 E. 3.3 S. 310 mit Hinweisen). Die Beschwerde kann
aufgrund der zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die
ergänzend verwiesen wird (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG), ohne Weiterungen im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt werden.
2.2
2.2.1 Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizer
Bürgern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 des
Ausländergesetzes [AuG; SR 142.20]). Der Anspruch ist bei Kindern über 12
Jahren innerhalb von zwölf Monaten nach deren Einreise oder der Entstehung des
Familienverhältnisses geltend zu machen (Art. 47 Abs. 1 AuG). Bestand das
Familienverhältnis - wie hier - bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, hat
die entsprechende Frist ab dem 1. Januar 2008 zu laufen begonnen (vgl. Art. 126
Abs. 3 AuG). Nur ausländische (oder allenfalls nachträglich eingebürgerte)
Personen, die ohne Anspruch fristgerecht, aber erfolglos ein erstes
Nachzugsgesuch gestellt haben, können in einer späteren Anspruchssituation -
erneut fristgerecht - um einen Nachzug ersuchen (vgl. BGE 137 II 393 ff.).
2.2.2 Wurde das Gesuch nicht fristgerecht eingereicht, wird ein in diesem Sinn
"nachträglicher" Familiennachzug bewilligt, wenn "wichtige familiäre Gründe"
vorliegen, wobei Kinder über 14 Jahre anzuhören sind, "sofern dies
erforderlich" erscheint (Art. 47 Abs. 4 AuG). Entsprechende Gründe liegen unter
anderem dann vor, wenn das Kindeswohl schwergewichtig nur durch einen Nachzug
in die Schweiz sachgerecht gewahrt werden kann (vgl. Art. 75 VZAE [SR
142.201]). Entgegen dem Wortlaut dieser Verordnungsbestimmung ist dabei nach
der Rechtsprechung jedoch nicht ausschliesslich auf das Kindeswohl abzustellen;
es bedarf vielmehr einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller relevanten
Elemente im Einzelfall. Dabei ist dem Sinn und Zweck der Fristenregelung
Rechnung zu tragen, welche die Integration der Kinder erleichtern will, indem
diese durch einen frühzeitigen Nachzug unter anderem auch eine möglichst
umfassende Schulbildung in der Schweiz geniessen sollen. Zudem geht es darum,
Nachzugsgesuchen entgegenzuwirken, die rechtsmissbräuchlich erst kurz vor
Erreichen des erwerbstätigen Alters gestellt werden, wobei die erleichterte
Zulassung zur Erwerbstätigkeit und nicht (mehr) die Bildung einer echten
Familiengemeinschaft im Vordergrund steht (BBl 2002 3754 f. Ziff. 1.3.7.7). Die
Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des
Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben und darf nicht die Regel bilden; dabei ist
Art. 47 Abs. 4 Satz 1 AuG jeweils aber dennoch so zu handhaben, dass der
Anspruch auf Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV nicht
verletzt wird (Urteile 2C_765/2011 vom 28. November 2011 E. 2.1; 2C_205/2011
vom 10. Oktober 2011 E. 4.2; 2C_709/2010 vom 25. Februar 2011 E. 5.1.1).
2.3
2.3.1 Dem Beschwerdeführer ist am 9. Februar 2009 die Niederlassungsbewilligung
erteilt worden. Ab diesem Zeitpunkt verfügte er über einen Rechtsanspruch, um
seinen Sohn aus erster Ehe nachziehen zu können; dieser war damals bereits über
12 Jahre alt war (vgl. die zu Art. 42 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 AuG analoge
Regelung von Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 AuG). Der Beschwerdeführer
macht nicht geltend, sich bereits früher gestützt auf Art. 44 AuG (Ehegatten
und Kinder von Personen mit Aufenthaltsbewilligung) ohne Bewilligungsanspruch
fristgerecht um den Nachzug seines Sohnes bemüht zu haben. Sein Gesuch vom 23.
Februar 2011 war somit verspätet; die Frist, um den Sohn nachziehen zu können,
ist spätestens am 9. Februar 2010 abgelaufen. Mit der Einbürgerung hat sich dem
Beschwerdeführer keine neue Nachzugsmöglichkeit innert Frist eröffnet; es
änderte sich dadurch nur die gesetzliche Anspruchsgrundlage (Art. 42 statt 43
AuG), nicht die Nachzugsfrist gemäss Art. 47 Abs. 1 AuG (in Verbindung mit Art.
126 Abs. 3 AuG). Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz das Gesuch des
Beschwerdeführers zu Recht als nicht fristgerechten, nachträglichen
Familiennachzug behandelt.
2.3.2 Sie durfte ohne Verletzung von Bundesrecht auch das Vorliegen der
entsprechenden Voraussetzungen verneinen: Der Sohn des Beschwerdeführers war
bei Einreichen des Gesuchs bereits 15 Jahre alt. Die Vorinstanz ist davon
ausgegangen, dass der Beschwerdeführer nicht belegt habe, dass er mit seinem
Sohn trotz der Trennung einen regelmässigen Kontakt bzw. eine vorrangige
Beziehung unterhalten hätte. Auch sei mit Blick auf das Alter des Jugendlichen
weder dargetan noch ersichtlich, warum die Grossmutter trotz ihren 74 Jahren
und den damit verbundenen altersbedingten Gebrechen nicht mehr in der Lage sein
sollte, wie bisher für diesen zu sorgen. Soweit der Beschwerdeführer unter
Einreichung eines ärztlichen Zeugnisses erstmals geltend macht, seine Mutter
habe einen Schlaganfall erlitten, und er im vorliegenden Verfahren mit neuen
Unterlagen zu belegen versucht, dass er regelmässig in den Kosovo zurückgekehrt
sei, handelt es sich um unzulässige echte Noven, die vom Bundesgericht nicht
berücksichtigt werden können (Art. 99 BGG; vgl. BGE 133 IV 342 E. 2.1). Es wäre
an ihm gewesen, seinen Mitwirkungspflichten (vgl. BGE 124 II 361 E. 2b) in den
kantonalen Verfahren nachzukommen und die entsprechenden Unterlagen dort
einzureichen. Hierzu bestand umso mehr Anlass, als bereits das Justiz- und
Sicherheitsdepartement darauf hingewiesen hatte, dass der Beschwerdeführer
bezüglich der veränderten Familienverhältnisse seine Behauptungen nicht
rechtsgenügend belege. Im Übrigen erschöpfen sich seine Ausführungen vor
Bundesgericht in appellatorischer Kritik an der Sachverhaltsfeststellung bzw.
an der Beweiswürdigung. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und inwiefern
diese offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich wären (vgl. Art. 105 Abs.
2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.).

2.3.3 Der Beschwerdeführer hat sich während Jahren nicht um den Nachzug seines
Sohnes bemüht. Dieser unterhält keine Beziehungen zur Schweiz. Er ist in seiner
Heimat eingeschult worden; neben seiner Grossmutter und Mutter leben auch noch
Schwestern des Beschwerdeführers dort, womit nicht dargetan bzw. ersichtlich
erscheint, inwiefern wichtige familiäre Gründe für den beantragten
nachträglichen Familiennachzug sprechen würden. Sollte die Grossmutter
gesundheitlich angeschlagen sein (das ärztliche Zeugnis bestätigt nur, dass sie
eine Physiotherapie benötige), ist nicht einzusehen, weshalb die Mutter oder
die Tanten, auch wenn sie inzwischen verheiratet sein sollten, nicht helfend
einspringen könnten. Der Beschwerdeführer hat die Trennung von seinem Sohn mit
der Einreise in die Schweiz ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt; es
steht ihm frei, die Beziehung zu diesem wie bisher besuchsweise und per Telefon
zu pflegen (vgl. BGE 124 II 366 E. 3a). Dass der Sohn die Einreise in die
Schweiz wünscht, hat der Beschwerdeführer wiederholt dargelegt; dessen
persönliche Anhörung war deshalb - entgegen seinen Vorbringen - nicht
erforderlich (vgl. Art. 47 Abs. 4 AuG).

3.
3.1 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juni 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar