Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.499/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_499/2012

Urteil vom 26. Juli 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Herrn Daniel Käslin, Herrn Ivo Würsch, Rechtsanwälte,

gegen

Gemeinde Y.________,
Beschwerdegegnerin,

Kantonale Steuerverwaltung Graubünden.

Gegenstand
Grundstückgewinnsteuer,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4.
Kammer, vom 17. April 2012.

Sachverhalt:
X.________ erwarb am 4. Februar 2005 in der Gemeinde Y.________ die Parzelle
Nr. B.________ mit Wohnhaus zum Kaufpreis von Fr. 880'000.--. Am 1. Oktober
2010 veräusserte er diese an seine Tochter A.________ zum Preis von Fr. 1,3
Mio. weiter. Da X.________ - trotz zweimaliger Mahnung, einer Bussenverfügung
und Androhung einer Ermessensveranlagung - die Steuererklärung für
Grundstückgewinnsteuern nicht eingereicht hatte, veranlagte die
Steuerverwaltung des Kantons Graubünden ihn am 12. Dezember 2011 zu einem
steuerbaren Grundstückgewinn von Fr. 409'880.-- und einer
Grundstückgewinnsteuer von je Fr. 61'482.-- für Kanton und Gemeinde. Auf die
Einsprache, mit welcher der Steuerpflichtige die Begründung und die Urkunden
nachzureichen versprach, trat die Steuerverwaltung nicht ein. Eine Beschwerde
von X.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ab.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________
dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 17. April 2012 sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung der
Einsprache an die Einsprachebehörde zurückzuweisen. Überdies sei festzustellen,
dass die Veranlagungs- und Einsprachebehörde in seiner Sache krass
pflichtwidrig gehandelt hätten.

Es wurden die kantonalen Akten eingefordert. Vernehmlassungen wurden nicht
eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen
Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a und Art.
86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 BGG). Mit der Beschwerde kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts durch die
kantonalen Instanzen an sich mit freier Kognition. In den Bereichen, in welchen
das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (StHG; SR 642.14) den Kantonen einen gewissen
Gestaltungsspielraum belässt, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts
indessen auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.;
Urteil 2C_705/2011 vom 26. April 2012 E. 1.5.2 mit Hinweisen).

1.2 Angefochten war bei der Vorinstanz ein Nichteintretensentscheid
(Einspracheentscheid). Das Verwaltungsgericht konnte daher nur prüfen, ob die
Einsprachebehörde auf die bei ihr erhobene Einsprache zu Recht nicht
eingetreten war. Nicht zu prüfen waren dagegen materielle Fragen der
Veranlagung (vgl. BGE 132 V 74 E. 1.1 S. 76 mit Hinweis). Damit ist auch der
Streitgegenstand für das bundesgerichtliche Verfahren verbindlich festgelegt.
Das heisst, die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts kann nicht weiter sein,
als sie der Vorinstanz zustand. Zu überprüfen ist nur, ob die Bestätigung des
Nichteintretensentscheids (Einspracheentscheids) durch die Vorinstanz eine
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 und 96 BGG bewirkt hat.

2.
Das Steuergesetz für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG) regelt die
Grundstückgewinnsteuer im Anschluss an die Steuer vom Einkommen in den Artikeln
41 ff. Es gelten für die Grundstückgewinnsteuer grundsätzlich die gleichen
Verfahrensvorschriften wie für die Einkommenssteuer. Der Steuerpflichtige wird
durch Zustellung des Formulars zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert
(Art. 127 Abs. 1 StG). Er hat diese wahrheitsgemäss und vollständig
auszufüllen, rechtsgültig zu unterzeichnen und mit den verlangten Unterlagen
fristgerecht einzureichen (Art. 127 Abs. 2 StG). Die Veranlagungsbehörde prüft
die Steuererklärung, erlässt die nötigen Auflagen, verlangt Beweismittel ein,
nimmt die erforderlichen Untersuchungen vor und stellt die für eine
vollständige und richtige Besteuerung massgebenden tatsächlichen Verhältnisse
fest (Art. 130a StG). Hat der Steuerpflichtige trotz Mahnung seine
Verfahrenspflichten nicht erfüllt oder können die Steuerfaktoren mangels
zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden, so nimmt die
Veranlagungsbehörde die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen vor (Art. 131
Abs. 1 lit. a und b StG). Eine solche kann der Steuerpflichtige nur wegen
offensichtlicher Unrichtigkeit anfechten. Die Einsprache ist zu begründen und
muss allfällige Beweismittel nennen. Genügt die Einsprache diesen
Erfordernissen nicht, wird auf sie nicht eingetreten (Art. 137 Abs. 4 StG).

Diese Vorschriften sind mit den entsprechenden Bestimmungen des
Steuerharmonsierungsgesetzes weitgehend harmonisiert (vgl. Art. 42 Abs. 1 und
2, Art. 46 Abs. 1 und 3 und Art. 48 Abs. 2 StHG).

3.
Gemäss diesen Vorschriften waren die Voraussetzungen für die Vornahme einer
Ermessensveranlagung durch die Kantonale Steuerverwaltung, Abteilung
Spezialsteuern, offensichtlich gegeben:

Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben der Steuerverwaltung des Graubünden,
Abteilung Spezialsteuern, am 16. Mai 2011 ein erstes Mal gemahnt, die
Steuererklärung für die Grundstückgewinnsteuer auf der Handänderung vom 1.
Oktober 2010 innert zwanzig Tagen einzureichen. Der Beschwerdeführer reagierte
darauf nicht. Am 14. Juli 2011 erfolgte eine zweite Mahnung zur Einreichung der
Steuererklärung innert zehn Tagen mit dem Hinweis, dass nach unbenutztem Ablauf
der Frist eine Ordnungsbusse verfügt und die Veranlagung gemäss Art. 131 StG
nach Ermessen vorgenommen werde. Nachdem der Beschwerdeführer die
Steuererklärung noch immer nicht eingereicht hatte, auferlegte ihm die
Steuerverwaltung mit Verfügung vom 16. November 2011 eine Busse und setzte ihm
nochmals eine Frist von acht Tagen zur Einreichung der vollständigen
Steuererklärung an. Sie wies ihn zudem darauf hin, nach unbenutztem Ablauf
dieser Frist werde eine Veranlagung nach Ermessen gemäss Art. 131 StG
vorgenommen, die nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden
könne; zudem könnte in einem späteren Zeitpunkt ein Nach- und
Strafsteuerverfahren eingeleitet werden, sofern sich ergeben sollte, dass die
Veranlagung wegen der Versäumnisse des Steuerpflichtigen zu tief ausgefallen
sei.

Nachdem der Beschwerdeführer auch dieser Aufforderung nicht nachgekommen war,
veranlagte die kantonale Steuerverwaltung am 12. Dezember 2011 die
Grundstückgewinnsteuer. Die Veranlagung erfolgte nach Ermessen mit
entsprechender Rechtsmittelbelehrung. Der steuerbare Grundstückgewinn belief
sich auf Fr. 409'880.--, wobei die Steuerverwaltung vom Verkaufserlös (Fr. 1,3
Mio.) den Erwerbspreis (Fr. 880'000.--) sowie Gebühren und Abgaben (in der Höhe
von Fr. 10'120.--) als Anlagekosten in Abzug brachte. Weitere Anlagekosten
(insbesondere die Investitionen aus dem Umbau des Jahres 2006) fanden keine
Berücksichtigung.

4.
4.1 Da eine Ermessensveranlagung vorlag, worauf in der Verfügung und
Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden war, oblag dem Beschwerdeführer der
Unrichtigkeitsnachweis, das heisst, er hatte zu begründen, inwiefern die
Veranlagung offensichtlich unrichtig ist, und die allfälligen Beweismittel zu
nennen. Auf eine Einsprache, die diesen Erfordernissen nicht genügt, ist nicht
einzutreten (Art. 137 Abs. 4 StG). Eine entsprechende Bestimmung enthält auch
das Steuerharmonisierungsgesetz (Art. 48 Abs. 2 StHG). Dabei handelt es sich
nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um ein Gültigkeitserfordernis, bei
dessen Fehlen auf die Einsprache ohne Ansetzung einer weiteren Nachfrist nicht
eingetreten wird (BGE 123 II 552 E. 4c-e; 2A.39/2004 vom 29. März 2005 E. 5.2,
in: ASA 75 S. 329; vgl. Martin Zweifel, in: Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Bd. I/2b, 2. Aufl. 2008, N. 34 zu Art. 132 DBG).

4.2 Mit Eingabe vom 6. Januar 2012 teilte der Beschwerdeführer der
Einsprachebehörde mit:

"Ich erhebe hiermit formell Einsprache gegen obgenannte Verfügung. Begründung
und Beweismittel werden nachgereicht."

Damit hat der Beschwerdeführer die Prozessvoraussetzung nicht erfüllt. Die
Begründung der Einsprache innert der Einsprachefrist ist wie erwähnt
Voraussetzung für die erfolgreiche Anfechtung einer Ermessensveranlagung nach
Art. 131 StG (Art. 137 Abs. 4, Art. 48 Abs. 2 StHG). Die Mitteilung, Begründung
und Beweismittel würden nachgereicht, genügt dafür nicht. Auf die Einsprache
war aus diesem Grund nicht einzutreten.

4.3 Wenn daher die Vorinstanz den Einspracheentscheid
(Nichteintretensentscheid) der kantonalen Steuerverwaltung bestätigt und die
Beschwerde abgewiesen hat, verletzt dies Bundesrecht nicht. Nicht weiter
eingehen musste die Vorinstanz auf die Bauabrechnungen der Firma C.________ AG
resp. D.________ AG vom 21. Februar 2012 (Gesamtabrechnung der Projektkosten
für den Zeitraum 2005-2008). Um diese prüfen zu können, hätte zuerst der
Nichteintretensentscheid (Einspracheentscheid) beseitigt werden müssen, damit
Einspracheinstanz und Beschwerdeinstanz sich mit der materiellen Seite der
Veranlagung, das heisst mit der Bauabrechnung, hätten befassen können (vgl. E.
1.2).

5.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der
Beschwerdeführer erstmals vortragen, dass bereits aus der im Jahr 2007
erfolgten Grundstückschatzung ersichtlich gewesen sei, dass Investitionen von
Fr. 739'929.-- vorgenommen worden seien. Die Mitarbeiter der kantonalen
Steuerverwaltung hätten über das Datennetz online ohne Weiteres Zugriff auf die
durch das Amt für Schätzungswesen erhobenen Daten, wie eine telefonische
Nachfrage ergeben habe. Indem der Veranlagungsbeamte diese für die
Ermessenstaxation massgebliche und ihm bekannte Tatsache nicht berücksichtigt
habe, sei er pflichtwidrig, willkürlich und rechtsmissbräuchlich vorgegangen.
Das rechtsmissbräuchliche und willkürliche Verhalten der Steuerverwaltung wiege
im Vergleich zur Nachlässigkeit des Beschwerdeführers derart schwer, dass der
Nichteintretensentscheid unter den gegebenen Umständen nicht mehr
gerechtfertigt werden könne.
Diese Vorbringen sind neu und daher unzulässig (Art. 99 BGG). Im Zeitpunkt der
Ermessensveranlagung war die Grundstückschatzung des Jahres 2007 längstens
bekannt. Es kann daher nicht gesagt werden, dass erst der angefochtene
Entscheid Anlass zur telefonischen Anfrage beim Schätzungsamt gegeben hätte (
BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 128 f.; 133 III 393 E. 3 S. 395). In Frage stehen
im Übrigen auch im bundesgerichtlichen Verfahren nur der
Nichteintretensentscheid der Einsprachebehörde und keine materiellen Fragen
(vorn E. 1.2). Im Übrigen ist die Steuerbehörde in solchen Fällen nicht
verpflichtet, aktiv nach Sachverhaltselementen zu fahnden, die sich günstig für
die Steuerpflichtigen auswirken könnten. Zur Behebung solcher Mängel von
Veranlagungsentscheiden dient eben die Einsprache und für den Beschwerdeführer
wäre es ein Leichtes gewesen, in der Einsprache auf den in den Jahren 2005 und
2006 erfolgten Umbau der Liegenschaft hinzuweisen und die Beweise zu
offerieren. Bei dieser Sachlage ist es nicht möglich, auf den
Einspracheentscheid (Nichteintretensentscheid) zurückzukommen.

6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang ist der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 65
und 66 Abs. 1 BGG). Entschädigungspflichtige Parteikosten sind nicht
entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Y.________, der
Kantonalen Steuerverwaltung Graubünden, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juli 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Wyssmann