Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.485/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_485/2012, 2C_486/2012

Urteil vom 28. November 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
Steuerverwaltung des Kantons Wallis, Bahnhofstrasse 35, Postfach 351, 1951
Sitten,
Beschwerdeführerin,

gegen

A. und B.X.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Treuhandbüro Supersaxo, Treuhand & Revision.

Gegenstand
Kantons- und Gemeindesteuern 2005 - 2008,

Beschwerde gegen das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom
21. September 2011.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der Kantonalen
Steuerverwaltung Wallis (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen den kantonal
instanzabschliessenden Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis
vom 21. September 2011 betreffend die Kantons-, Gemeinde- und direkte
Bundessteuern der Steuerperioden 2005-2008 von A. und B.X.________
(Beschwerdegegner). Die Beschwerdeführerin beantragt, die Beschwerdegegner für
die direkte Bundessteuer mit einem steuerbaren Nettoeinkommen von Fr.
310'517.-- (2005), Fr. 219'338.-- (2006), Fr. 116'241.-- (2007) und Fr.
327'538.-- (2008) sowie für die Kantons- und Gemeindesteuern mit einem
steuerbaren Nettoeinkommen von Fr. 312'417.-- (2005), Fr. 221'168.-- (2006),
Fr. 114'479.-- (2007) und Fr. 330'138.-- (2008) zu veranlagen. Streitig sind
die Abzüge für Standeskosten und Pauschalspesen.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Gutheissung der Beschwerde. Die
Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegner
reichten keine Stellungnahme ein.

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Verletzung
von Grundrechten und von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur insofern,
als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
Vorliegend geht es um die Anwendung von Art. 25 und 27 Abs. 1 des
Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG; SR
642.11) sowie Art. 21 und 23 Abs. 1 des Walliser Steuergesetzes vom 10. März
1976 (StG/VS). Diese Normen sowie die Vorschriften in Art. 9 Abs. 1 und Art. 10
Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der
Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (StHG, SR 642.14) stimmen
inhaltlich überein. Ein Gestaltungsspielraum zugunsten des kantonalen
Gesetzgebers besteht nicht. Unter dieser Voraussetzung ist praxisgemäss auch
die Anwendung des harmonisierten kantonalen Rechts - wie das Bundesrecht - mit
freier Kognition zu prüfen (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; Urteil 2C_272/2011 vom
5. Dezember 2011 E. 1.3 mit Hinweisen, in: StR 67 S. 128).
I. Direkte Bundessteuer

3.
Gemäss Art. 27 Abs. 1 DBG können bei selbständiger Erwerbstätigkeit zur
Ermittlung des Reineinkommens (Art. 25 DBG) die geschäfts- und berufsmässig
bedingten Kosten abgezogen werden. Darunter werden Kosten verstanden, die nach
wirtschaftlichem Ermessen als der Gewinnung des Einkommens förderlich erachtet
werden können. Nicht abziehbar sind die Aufwendungen insbesondere für den
Unterhalt des Steuerpflichtigen und seiner Familie sowie der durch die
berufliche Stellung des Steuerpflichtigen bedingte Privataufwand (Art. 34 lit.
a DBG). Dazu gehört auch der von einer steuerpflichtigen Person aufgrund ihrer
gehobenen beruflichen Tätigkeit getätigte Privataufwand. Diese sogenannten
Standeskosten können selbst dann nicht als Gewinnungskosten anerkannt werden,
wenn die steuerpflichtige Person glaubt, sie wegen ihrer beruflichen Stellung
auf sich nehmen zu müssen (BGE 124 II 29 E. 3d S. 34; 100 Ib 480 E. 3a in fine;
Urteil des Bundesgerichts vom 19. März 1971 E. 3, in: ASA 41 S. 26; vgl. DANIEL
AESCHBACH, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band I, 3. Aufl. 2009, N.
22 zu § 41 StG/AG; LEUCH/KÄSTLI, Praxiskommentar zum Berner Steuergesetz, I.
Teil, N. 35 zu Art. 31 StG/BE; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001,
N. 13 ff. zu Art. 34 DBG; YVES NOËL, Commentaire romand, Impôt fédéral direct,
N. 6 zu Art. 34 LIFD; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Kommentar zum
harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, N. 21 zu § 33 StG/ZH;
MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 13 N. 21 S. 276; MATTHIAS
SCHWEIGHAUSER, Kommentar zum Steuergesetz des Kantons Basel-Landschaft, 2004,
N. 188 zu § 29 St/BL).
Streitig sind vorliegend die jährlich aufgewendeten Kosten des
Beschwerdegegners für die Eintrittskarte (Saisonkarte) des Eishockeyclubs
Z.________ im Wert von Fr. 666.--. Der Beschwerdegegner ist als Zahnarzt in
Z.________ selbständig erwerbend, die Beschwerdegegnerin hilft ihm in der
Zahnarztpraxis. Die Vorinstanz hat den Abzug zugelassen mit der Begründung, es
gehöre zum guten Ton, als Geschäftsmann in Z.________ eine solche Karte zu
besitzen; der Umstand, dass der Beschwerdegegner (damaliger Rekurrent) eine
solche Karte besitze, obschon er keine Spiele besuche, lasse darauf schliessen,
dass er die Karte lediglich aus geschäftlichen Gründen erworben habe.
Dieser Begründung hält die Beschwerdeführerin zu Recht entgegen, dass der
Erwerb der Karte in keiner Weise durch die selbständige Erwerbstätigkeit des
Beschwerdegegners bedingt ist. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Erwerb
der Eintrittskarte für die Erzielung des Umsatzes aus der Zahnarztpraxis
erforderlich sein könnte. Im Erwerb einer Saisonkarte kann auch kein Sponsoring
erblickt werden, da ein Zusammenhang zwischen dem Kauf der Karte und einer auf
den Markt zu bringenden Ware oder Dienstleistung fehlt. Es handelt sich
vielmehr um einen Privataufwand, den der Beschwerdegegner allenfalls mit
Rücksicht auf sein gesellschaftliches Ansehen und seine berufliche Stellung
macht, der aber mit seiner beruflichen Tätigkeit als Zahnarzt nichts zu tun
hat. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen.

4.
Der Sinn von Pauschalierungen im Steuerrecht besteht darin, Untersuchungen über
den Umfang insbesondere geringfügiger Berufsauslagen im Veranlagungsverfahren
zu vereinfachen. Pauschalierungsverfügungen haben insofern Normcharakter, als
die entsprechenden Beiträge zum Abzug zuzulassen sind, wenn die Voraussetzungen
erfüllt sind (LOCHER, a.a.O., N. 70 zu Art. 26 DBG mit Hinweis auf das Urteil
des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 1999, in: StE 1999 B 22.3 Nr. 68).
Die Beschwerdegegner haben unter dem Titel Pauschalspesen für sich jährlich
insgesamt Fr. 7'400.-- geltend gemacht. Die Veranlagungsbehörde hat eine
Pauschalierung abgelehnt und nur die belegten Positionen im Umfang von jährlich
Fr. 3'600.-- anerkannt. Demgegenüber hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil
jährliche Pauschalspesen von Fr. 7'400.-- zugelassen mit der Begründung, nach
der Praxis überstiegen die bei selbständiger Erwerbstätigkeit zulässigen
Pauschalspesen die von den Beschwerdegegnern geltend gemachten Ansätze. Mit dem
bereits im kantonalen Verfahren vorgebrachten Einwand der Beschwerdeführerin,
die zitierte Spesenregelung betreffe nur selbständigerwerbende Personen, bei
denen Spesen auch tatsächlich entstünden, und die Tätigkeit als selbständiger
Zahnarzt sei kein Beruf, wo Spesen anfallen würden, setzte die Vorinstanz sich
nicht auseinander (vgl. Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 28. Februar
2011 zur Beschwerde vom 7. Dezember 2010). In der Tat ist nicht zu sehen,
inwiefern den Beschwerdegegnern zusätzliche, nicht belegte Spesen entstanden
sein könnten. Auch die Beschwerdegegner bringen nichts vor, was die zusätzlich
geltend gemachten Spesen als begründet erscheinen liesse. Die Beschwerde ist
auch in diesem Punkt gutzuheissen.
II. Staats- und Gemeindesteuern

5.
Die hier zur Anwendung gelangenden Vorschriften des Bundes- und des kantonalen
Rechts sind harmonisiert (vorn E. 2). Die Beschwerde ist folglich auch in Bezug
auf die Staats- und Gemeindesteuern begründet.

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Sache zur
Neufestsetzung der steuerbaren Nettoeinkommen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) den
Beschwerdegegnern aufzuerlegen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 66 Abs. 1
und 5 BGG). Über die Kosten des vorangegangenen Verfahrens hat die Vorinstanz
im neuen Entscheid zu befinden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der direkten Bundessteuer 2005-2008
gutgeheissen, das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 21.
September 2011 aufgehoben und die Sache zur Neufestsetzung der steuerbaren
Nettoeinkommen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern 2005-2008
gutgeheissen, das Urteil der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 21.
September 2011 aufgehoben und die Sache zur Neufestsetzung der steuerbaren
Nettoeinkommen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdegegnern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis
und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. November 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Wyssmann