Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.475/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
2C_475/2012

Urteil vom 10. Dezember 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Winiger.

1. Verfahrensbeteiligte
Azienda elettrica ticinese (AET),
2. AET NE1 SA,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Pietro Crespi,

gegen

swissgrid ag,

Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom.

Gegenstand
Definition und Abgrenzung Übertragungsnetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
vom 12. April 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die
Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) in Kraft getreten.
Gemäss Art. 18 Abs. 1 dieses Gesetzes wird das Übertragungsnetz auf
gesamtschweizerischer Ebene von der nationalen Netzgesellschaft betrieben. Die
Netzgesellschaft muss Eigentümerin des von ihr betriebenen Netzes sein (Art. 18
Abs. 2 StromVG). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen überführen bis
spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (d.h. bis spätestens
1. Januar 2013) das Übertragungsnetz auf gesamtschweizerischer Ebene auf die
nationale Netzgesellschaft (Art. 33 Abs. 4 StromVG). Kommen die
Elektrizitätsversorgungsunternehmen dieser Verpflichtung nicht nach, erlässt
die Elektrizitätskommission (ElCom) auf Antrag der nationalen Netzgesellschaft
oder von Amtes wegen die erforderlichen Verfügungen (Art. 33 Abs. 5 StromVG).
A.b Am 1. Juni 2010 stellte die nationale Netzgesellschaft swissgrid ag bei der
ElCom ein Gesuch mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass das gesamte 220/
380-kV-Netz als Übertragungsnetz gelte (mit den in den Beilagen definierten
Ausnahmen) und das Eigentum daran an die nationale Netzgesellschaft zu
übertragen sei. Die ElCom stellte das Gesuch am 5. Juli 2010 allen
Übertragungsnetzeigentümern zu und gab ihnen Gelegenheit, dazu Stellung zu
nehmen.
A.c Mit Schreiben vom 9. Juli 2010 reichte die Nordostschweizerische Kraftwerke
Grid AG (nachfolgend: NOK Grid AG) ebenfalls ein Feststellungsbegehren
betreffend Definition und Abgrenzung des Übertragungsnetzes bei der ElCom ein.
Sie beantragte, das Übertragungsnetz sei aufgrund einer an den Funktionen
ausgerichteten Betrachtungsweise zu definieren und vom Verteilnetz abzugrenzen.
Das Feststellungsbegehren der swissgrid ag mit der spannungsbasierten Zuordnung
sei abzuweisen.
A.d Am 11. November 2010 erliess die ElCom eine Verfügung, die sie der
swissgrid ag, der NOK Grid AG und den Übertragungsnetzeigentümern eröffnete.
Darin wurde u.a. festgehalten:
"(...)
3. Grenzüberschreitende Leitungen und die erforderlichen Nebenanlagen auf der
Spannungsebene 220/380 kV gehören zum Übertragungsnetz und sind auf die
swissgrid ag zu überführen, unabhängig davon, ob sie mit dem Übertragungsnetz
vermascht sind oder nicht.
4. Leitungen im grenzüberschreitenden Übertragungsnetz einschliesslich der zur
Übertragung von Elektrizität erforderlichen Nebenanlagen, die nach dem 1.
Januar 2005 in Betrieb genommen wurden, und für die eine Ausnahme beim
Netzzugang und bei der Berechnung der anrechenbaren Kosten gewährt wurde,
gehören zum Übertragungsnetz. Sie sind nach Ablauf der Ausnahmeregelung auf die
swissgrid ag zu überführen.
5. Nicht grenzüberschreitende Zubringerleitungen zu Leitungen gemäss Ziffer 4
und die erforderlichen Nebenanlagen auf Spannungsebenen tiefer als 220 kV
gehören nach Ablauf der Ausnahmeregelung für Leitungen und erforderliche
Nebenanlagen gemäss Ziffer 4 zum Übertragungsnetz. Sie sind auf diesen
Zeitpunkt auf die swissgrid ag zu überführen.
(...)
10. Stichleitungen gehören nicht zum Übertragungsnetz und sind nicht auf die
swissgrid ag zu überführen. Das Gesuch der swissgrid ag wird in diesem Punkt
teilweise gutgeheissen. Ziffer 3b des Gesuchs der NOK Grid AG wird teilweise
gutgeheissen. Stichleitungen, die nach einem Netzausbau Teil des vermaschten
Übertragungsnetzes werden, gehören ab diesem Zeitpunkt zum Übertragungsnetz und
sind auf die swissgrid ag zu überführen."

B.
B.a
Gegen diese Verfügung erhoben die Azienda elettrica ticinese (AET) und die AET
NE1 SA am 4. Januar 2011 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Verfahren
A-69/2011) mit dem Hauptantrag (A):
"1. Il ricorso è accolto.
2. La decisione 11 novembre 2010 della Commissione federale dell'elettricità
ElCom (921-10-005) è modificata e completata con l'inserimento di un nuovo
punto dal seguente tenore:
5bis.
Nei casi, come quello della rete di distribuzione di AET fra Magadino e
Mendrisio, in cui la rete di distribuzione ha due punti di connessione con la
rete di trasporto, al gestore della rete di distribuzione non possono incombere
oneri in relazione alle quantità di energia che transita sulla sua rete,
destinata alla rete di trasporto (riconoscimento del diritto di netting,
rimborso delle perdite, ecc.).
3. La definizione e delimitazione della rete di trasporto, come chiesto al
punto 2 del presente ricorso, deve essere presa in considerazione per il
calcolo delle tariffe a partire dal 1° gennaio 2009.
4. Le spese e la tassa di giustizia sono poste a carico della Commissione
federale dell'elettricità ElCom, la quale è condannata a corrispondere ad AET e
ad AET NE1 SA congrue ripetibili."
Im Weiteren stellten sie die folgenden Eventualbegehren (B):
"1. Il ricorso è accolto.
Il punto 5 della decisione 11 novembre 2010 della Commissione federale
dell'elettricità ElCom (921-10-005) è annullato e le linee di 220 kV Magadino -
Manno di AET NE1 SA e 150 kV Manno - Mendrisio di AET sono riconosciute
appartenere alla rete di trasporto e devono essere trasferite a swissgrid SA.
2. La definizione e delimitazione della rete di trasporto, come chiesto al
punto 1 del presente ricorso, deve essere presa in considerazione per il
calcolo delle tariffe a partire dal 1° gennaio 2009.
3. Le spese e la tassa di giustizia sono poste a carico della Commissione
federale dell'elettricità ElCom, la quale è condannta a corrispondere ad AET e
ad AET NE1 SA congrue ripetibili."
B.b Das Bundesverwaltungsgericht hiess mit Urteil vom 12. April 2012 die
Beschwerde teilweise gut und stellte in Abänderung resp. Ergänzung von Ziff. 5
des Dispositivs der Verfügung vom 11. November 2010 fest, dass die 150
kV-Verbindung Manno-Mendrisio zum Übertragungsnetz gehöre und bis spätestens 1.
Januar 2013 ins Eigentum der swissgrid ag zu überführen sei (Ziff. 1). Im
Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Ziff. 2).

C.
Mit Eingabe vom 15. März 2012 erheben die AET und die AET NE1 SA gemeinsam
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit
dem Antrag:
"1. Il ricorso è accolto.

1.1 Il punto 1 della sentenza 12 aprile 2012 del Tribunale amministrativo
federale è modificato e completato come segue:
La domanda 1 in via subordinata del ricorso 4 gennaio 2011 al TAF è accolta. Di
conseguenza, in modifica, rispettivamente completamento, della cifra 5 del
dispositivo della decisione del 11 novembre 2010, è accertato che le linee 220
kV Magadino-Manno di AET NE1 SA e 150 kV Manno-Mendrisio di AET appartengono
alla rete di trasporto e devono essere trasferite a swissgrid SA.

1.2 Il punto 2 della sentenza 12 aprile 2012 del Tribunale amministrativo
federale è modificato nel senso che le domande no. 2 e 3 in via principale e la
domanda no. 2 in via subordinata del ricorso 4 gennaio 2011 sono irricevibili."
Zudem beantragen sie Abänderung der vorinstanzlichen Kostenverlegung.
Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, dem Begehren der Beschwerdeführerinnen
sei stattzugeben und die swissgrid ag pflichtet dem Antrag der
Beschwerdeführerinnen bei. Die ElCom äussert sich zur Sache, ohne einen
ausdrücklichen Antrag zu stellen und das Eidgenössische Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation verzichtet auf eine Stellungnahme. Die ElCom
stellt am 23. Oktober 2012 dem Bundesgericht ihr Schreiben vom 2. Oktober 2012
an alle Parteien des erstinstanzlichen Verfahrens zu, worin sie eine teilweise
Wiedererwägung der Verfügung vom 11. November 2010 in Betracht zieht.
Die AET und die AET NE1 SA äussern sich mit Eingabe vom 30. Oktober 2012 zu den
eingegangenen Stellungnahmen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den
Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art.
86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerinnen sind als
Eigentümerinnen von Leitungen, deren Zugehörigkeit zum Übertragungsnetz im
Streit steht, zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2 Gemäss Art. 54 Abs. 1 BGG wird das Verfahren in der Regel in der Sprache
des angefochtenen Entscheids geführt. Verwenden die Parteien eine andere
Amtssprache, so kann der Verfahren in dieser Sprache geführt werden. Hier ist
der Entscheid in Deutsch ergangen, die Beschwerde wurde jedoch - wie bereits
vor der Vorinstanz - in Italienisch abgefasst. Es rechtfertigt sich, das
bundesgerichtliche Verfahren in Deutsch zu redigieren, da die
Beschwerdeführerinnen bzw. ihr Vertreter offensichtlich beider Sprachen mächtig
sind und auch nicht geltend machen, das Verfahren sei in Italienisch zu führen.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerinnen hatten vor der Vorinstanz einerseits Anträge
bezüglich der Tarifberechnung gestellt. Andererseits hatten sie beantragt, dass
"le linee di 220 kV Magadino-Manno di AET NE1 SA e 150 kV Manno-Mendrisio di
AET" als zum Übertragungsnetz gehörend anzuerkennen seien.

2.2 Die Vorinstanz hat erwogen (vgl. angefochtener Entscheid E. 5),
Tarifberechnungen bildeten nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens;
deshalb könne auf das Hauptbegehren der Beschwerdeführerinnen sowie auf das
Eventualbegehren B.2 nicht eingetreten werden, da sich diese Begehren auf
Tariffragen bezögen. Insoweit beanstanden die Beschwerdeführerinnen den
angefochtenen Entscheid nicht.
Weiter hat die Vorinstanz ausgeführt, die streitgegenständliche 150 kV-Leitung
Manno-Mendrisio gehöre zum Übertragungsnetz; auch insoweit ist der
vorinstanzliche Entscheid nicht angefochten. In Bezug auf die 220 kV-Leitung
Magadino-Manno erwog die Vorinstanz, die Beschwerdeführerin 1 sei gemeinsam mit
der Aziende Industriali di Lugano (AIL) SA Eigentümerin dieser Leitung (vgl.
angefochtener Entscheid E. 10.2). Weiter habe sie bereits mit Urteil A-157/2011
vom 21. Juli 2011 erkannt, dass diese Leitung zum Übertragungsnetz gehöre und
auf die swissgrid ag zu überführen sei; auf die entsprechenden Vorbringen der
Beschwerdeführerinnen brauche daher nicht weiter eingegangen zu werden. In
Ziffer 1 des Dispositivs hiess die Vorinstanz die Beschwerde nur teilweise gut
und ordnete die Zugehörigkeit der 150 kV-Leitung Manno-Mendrisio zum
Übertragungsnetz an. In Ziffer 2 wies sie die Beschwerde im Übrigen (also
namentlich in Bezug auf die Leitung Magadino-Manno) ab, soweit sie darauf
eintrat.

2.3 Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, die 220 kV-Leitung Magadino-Manno,
welche Gegenstand des inzwischen rechtskräftig gewordenen Urteils A-157/2011
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_736/2011 vom 8. Juni 2012) bildete, sei
nicht identisch mit ihrer 220 kV-Leitung Magadino-Manno, welche Gegenstand des
Verfahrens A-69/2011 bilde. Über letztere Leitung sei entgegen der Annahme der
Vorinstanz im Urteil A-157/2011 nicht entschieden worden. Sie gehöre genauso
wie die 150 kV-Leitung Manno-Mendrisio oder die 220 kV-Leitung Magadino-Manno
der AIL Servizi SA zum Übertragungsnetz.

2.4 Aus den Akten geht in der Tat hervor, dass zwei parallele 220 kV-Leitungen
Magadino-Manno bestehen. Die Vorinstanz räumt in ihrer Vernehmlassung ein, sie
sei irrtümlich davon ausgegangen, es bestehe nur eine 220 kV-Leitung
Magadino-Manno. Die swissgrid ag bestätigt, dass es sich nach ihrem
Kenntnisstand bei der 220 kV-Verbindung Magadino-Manno um eine Doppelleitung
(zwei Stromkreise auf einem Masten) handle, von denen eine im Eigentum der AIL
Servizi SA, die andere im Eigentum der Beschwerdeführerin 2 stehe. Sodann liegt
auf der Hand und wird auch von der Vorinstanz bestätigt, dass die hier
streitige 220 kV-Leitung Magadino-Manno der Beschwerdeführerin 2 gleich zu
behandeln ist wie die parallele Leitung der AIL Servizi SA. Die gleiche
Auffassung vertritt auch die swissgrid ag.

2.5 Die Beschwerde erweist sich daher als begründet und ist gutzuheissen. Es
ist festzustellen, dass auch die 220 kV-Leitung Magadino-Manno der
Beschwerdeführerin 2 zum Übertragungsnetz gehört und auf die swissgrid ag zu
überführen ist.

3.
Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren
vor Bundesgericht eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 4
i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG). Eine Neuregelung des vorinstanzlichen Kosten- und
Entschädigungsentscheids drängt sich hingegen nicht auf, da auch bei diesem
Ausgang die Beschwerdeführerinnen vor der Vorinstanz nur teilweise obsiegt
haben (teilweises Nichteintreten).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
12. April 2012 wird insoweit abgeändert, als in Gutheissung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten ist, auch die 220 kV-Verbindung Magadino-Manno der
Beschwerdeführerin 2 zum Übertragungsnetz gehört und auf die swissgrid ag zu
überführen ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerdeführerinnen für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der swissgrid ag, der
Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom, dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, sowie dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie
und Kommunikation, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger