Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.430/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_430/2012

Urteil vom 21. Mai 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________ und Y.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Amt für Migration Basel-Landschaft,
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf,
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse
2, 4410 Liestal.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 15. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Y.________ (geb. 1960) und X.________ (geb. 1959) stammen aus der Republik
Serbien und gehören der Ethnie der Roma an. Sie durchliefen ab 2002 in der
Schweiz erfolglos ein Asylverfahren (Entscheid der Schweizerischen
Asylrekurskommission vom 25. September 2006). Am 29. Dezember 2006 lehnte das
Bundesamt für Migration (BFM) es ab, die Wegweisungsverfügung in Wiedererwägung
zu ziehen, wogegen Y.________ ohne Erfolg an das Bundesverwaltungsgericht
gelangte (Urteil vom 2. September 2010). Bereits am 23. September 2008 hatte
Y.________ das Amt für Migration Basel-Landschaft darum ersucht, ihr eine
Aufenthaltsbewilligung aufgrund einer schwerwiegenden persönlichen Notlage zu
erteilen bzw. diesen Antrag dem Bundesamt für Migration zu unterbreiten, was
das Amt für Migration am 9. September 2010 ablehnte.

1.2 Am 16. September 2010 beantragten Y.________ und X.________, ihnen sei im
Familiennachzug eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Familie ihrer
Tochter Z.________ und ihrem Ehemann A.________ sowie den drei Enkelkindern
(geb. 1995, 1998 und 2006) zu erteilen. Die Eheleute A.________ und Z.________
befinden sich seit 1995 in der Schweiz (Asylverfahren); sie wurden im Oktober
2006 vorläufig aufgenommen und verfügen seit Juni 2008 hier über
Härtefallbewilligungen. Das Amt für Migration Basel-Landschaft lehnte dieses
Gesuch am 7. März 2011 ab. Auf eine hiergegen eingereichte Beschwerde trat der
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 6. September 2011 nicht ein. Das
Kantonsgericht stellte am 15. Februar 2012 fest, dass der Regierungsrat zwar
die Eingabe hätte an die Hand nehmen müssen, dass der Entscheid in der Sache
indessen richtig gewesen sei, da Y.________ und X.________, wie der
Regierungsrat zu Recht festgehalten habe, keinen Aufenthaltsanspruch gestützt
auf Art. 8 EMRK geltend machen könnten.

1.3 Y.________ und X.________ beantragen vor Bundesgericht, das Urteil des
Kantonsgerichts vom 15. Februar 2012 aufzuheben und ihnen den Aufenthalt im
Kanton Basel-Landschaft zu bewilligen; allenfalls sei die Angelegenheit zu
neuem Entscheid an das Amt für Migration zurückzuweisen.

2.
Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche Bewilligungen
betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch
einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG) - sowie unter dem gleichen Vorbehalt -
gegen Bewilligungsentscheide auf dem Gebiet des Asyls (Art. 83 lit. d BGG). Der
Betroffene muss den entsprechenden Anspruch in vertretbarer Weise darlegen und
rechtsgenügend begründen, andernfalls auf seine Eingabe nicht eingetreten wird
(vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3).

3.
Wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat, verfügen die Beschwerdeführer
weder über einen gesetzlichen noch einen konventionsmässig begründeten Anspruch
auf die von ihnen beantragte Bewilligung:
3.1
3.1.1 Ab Einreichung des Asylgesuchs bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig
angeordneten Wegweisung, nach einem Rückzug des Asylgesuchs oder bis zur
Anordnung einer Ersatzmassnahme bei nicht durchführbarem Vollzug kann eine
asylsuchende Person kein Verfahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen
Aufenthaltsbewilligung einleiten, ausser es bestehe ein Anspruch hierauf (Art.
14 Abs. 1 AsylG [SR 142.31]; "Ausschliesslichkeit bzw. Vorrang des
Asylverfahrens"). Die entsprechende Regelung will das Asylverfahren
beschleunigen und verhindern, dass die Gesuchsteller dieses verschleppen oder
eine drohende Wegweisung hinauszögern, indem sie nach dem negativen
Asylentscheid zusätzlich um eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung
nachsuchen (vgl. BBl 1990 II 573, S. 623 ff.; Urteil 2A.8/2005 vom 30. Juni
2005 E. 3.1). Zur Vermeidung von Härtefällen kann der Kanton seit dem 1. Januar
2007 unter gewissen Umständen mit Zustimmung des Bundesamts für Migration (BFM)
im asylrechtlichen Rahmen einer ihm zugewiesenen Person eine
Aufenthaltsbewilligung erteilen (Art. 14 Abs. 2 AsylG ["asylrechtlicher
Härtefall"]). Will er hiervon Gebrauch machen, zeigt er dies unverzüglich dem
BFM an (Art. 14 Abs. 3 AsylG). Der betroffenen Person kommt erst im
(Zustimmungs-)Verfahren vor dem Bundesamt und nicht bereits im kantonalen
Verfahren Parteistellung zu (Art. 14 Abs. 4 AsylG). Das Bundesgericht hat diese
Regelung im Lichte der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (Art. 29a BV),
nicht aber in Bezug auf Art. 6, 8 und Art. 13 EMRK (BGE 137 I 128 E. 4.4 und
4.5 S. 133 f.) kritisiert, weshalb mangels einer unmittelbaren
Verfassungsgerichtsbarkeit die entsprechende gesetzgeberische Vorgabe bis zu
einer allfälligen Anpassung gestützt auf Art. 190 BV hinzunehmen ist (BGE 137 I
128 E. 4.3).
3.1.2 Auf die Erteilung der kantonalen Härtefallbewilligung, welche unter den
Vorgaben von Art. 14 Abs. 2 AsylG analog der ausländerrechtlichen Regelung von
Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20; "allgemeiner ausländerrechtlicher
Härtefall") erfolgt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [Hrsg.], Handbuch zum
Asyl- und Wegweisungsverfahren, 2009, S. 241), besteht kein Rechtsanspruch. Es
handelt sich dabei um eine Ermessensbewilligung (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.1
S. 348), gegen deren Verweigerung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ausgeschlossen ist (BGE 137 I 128 E. 2 S. 129 f.; THOMAS
HÄBERLI, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK Bundesgerichtsgesetz, 2.
Aufl. 2011, N. 134 zu Art. 83 BGG; ALAIN WURZBURGER, in: Corboz et al. [Hrsg.],
Commentaire de la LTF, 2009, N. 69 zu Art. 83 BGG; HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/
von Werdt/Güngerich, SHK Bundesgerichtsgesetz, 2007, N. 38 zu Art. 83 BGG).
Soweit die Beschwerdeführer den kantonalen Entscheid in diesem Zusammenhang
infrage stellen, kann auf ihre Eingabe deshalb von vornherein nicht eingetreten
werden.
3.2
3.2.1 Entgegen ihrer Auffassung ist dies auch gestützt auf Art. 8 EMRK nicht
möglich: Der Schutz des Familien- und Privatlebens begründet kein absolutes
Recht auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat in dem Sinn, dass dieser
verpflichtet wäre, Nicht-Staatsangehörigen die Einreise, die
Aufenthaltsbewilligung- oder -verlängerung vorbehaltlos zu gewähren (BGE 137 I
247 E. 4.1 S. 249; Urteil des EGMR Gezginci gegen Schweiz vom 9. Dezember 2010
[Nr. 16327/05], §§ 54 ff.). Hat ein Ausländer nahe Verwandte in der Schweiz und
ist die familiäre Beziehung zu diesen intakt und wird sie tatsächlich gelebt,
kann es das in Art. 8 Abs. 1 EMRK garantierte Recht auf Achtung des
Familienlebens verletzen, wenn ihm die Anwesenheit in der Schweiz untersagt
wird. Der sich hier aufhaltende Angehörige muss dabei aber über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht verfügen, was der Fall ist, wenn er das Schweizer Bürgerrecht
oder eine Niederlassungsbewilligung bzw. eine Aufenthaltsbewilligung besitzt,
die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 135 I 143 E.
1.3.1 S. 145 f.; 130 II 281 E. 3.1 mit Hinweisen). Zwar erfasst der Schutz von
Art. 8 Ziff. 1 EMRK abgesehen von der Kernfamilie, d.h. den Beziehungen
zwischen Ehepartnern sowie zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern,
auch solche zu anderen nahen Verwandten, soweit die entsprechenden Bindungen
intakt sind und tatsächlich gelebt werden, doch muss in diesem Fall zwischen
der über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Person und dem um die
Bewilligung nachsuchenden Ausländer ein über die üblichen familiären
Beziehungen bzw. emotionale Bindungen hinausgehendes, besonderes
Abhängigkeitsverhältnis bestehen (BGE 137 I 154 E. 3.4.2; 129 II 11 E. 2 S. 14;
120 Ib 257 E. 1d und e S. 261 f.; Urteile 2C_451/2007 vom 22. Januar 2008 E.
2.2 und 2A.564/2006 vom 10. Januar 2007 E. 2.4; EGMR-Urteile Ezzouhdi gegen
Frankreich vom 13. Februar 2001 [Nr. 47160/99] § 34 und Slivenko gegen Lettland
vom 9. Oktober 2003 [Nr. 48321/99] § 97; MEYER-LADEWIG, EMRK, 3. Aufl. 2012, N.
52 zu Art. 8; GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5.
Aufl. 2012, § 22 N. 18 S. 237). Dies ist hier losgelöst von der Frage, ob die
Familie der Tochter sich auf ein gefestigtes Anwesenheitsrecht gestützt auf den
kombinierten Schutzbereich des Familien- und Privatlebens berufen kann (vgl.
hierzu BGE 130 II 281 ff.), nicht der Fall.
3.2.2 Die Beschwerdeführer sind 51 und 52 Jahre alt und verfügen, was nicht
bestritten ist, über normale geistige und körperliche Fähigkeiten. Sie sind
nicht auf die Pflege durch ihre Tochter und deren Familie angewiesen. Zwar
machen sie geltend, dass sie als Grosseltern regelmässig die Enkelkinder
betreuen würden und die Tochter die Mutter insofern unterstütze, als diese
weder lesen noch schreiben könne. Hierin liegen jedoch, wie die Vorinstanz zu
Recht festgestellt hat, keine Umstände, die eine Abhängigkeit im Sinne der
Rechtsprechung begründen würden (vgl. das Urteil 2C_451/2007 vom 22. Januar
2008 E. 2). Die Beschwerdeführer hätten die Schweiz gestützt auf den negativen
Asylentscheid verlassen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 2.
September 2010 entschieden, dass ihrem Wegweisungsvollzug nach Serbien keine
Hindernisse entgegenstehen. Zwar mag es für die Beschwerdeführer schwieriger
werden, den Kontakt mit ihrer erwachsenen Tochter und den Stiefkindern in der
gleichen Intensität zu pflegen wie heute, doch können normale familiäre
Beziehungen, wie sie zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern bzw.
zwischen Grosseltern und Enkelkindern üblich sind, auch besuchsweise, per
Telefon und über die neuen Medien gelebt werden. Ein Anwesenheitsrecht im Land
ist hierzu nicht erforderlich. Auch aus den von den Beschwerdeführern
angerufenen Vorgaben des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte
des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention; SR 0.107) ergibt sich kein
unmittelbarer Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
(insbesondere an die Grosseltern; vgl. BGE 135 I 153 E. 2.2.2 S. 157; 126 II
377 E. 5), weshalb dahingestellt bleiben kann, ob und inwiefern die
Beschwerdeführer sich überhaupt hierauf zugunsten ihrer Enkelkinder, die nicht
am vorliegenden Verfahren beteiligt sind, berufen können.
3.2.3 Aus dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens können die Beschwerdeführer
schliesslich ebenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten: Aus diesem ergibt sich
ein Recht auf Verbleib im Land bloss unter besonderen Umständen. Eine lange
Anwesenheit, zumal wenn sie wie hier auf der Dauer des Asylverfahrens beruht,
und die damit verbundene normale Integration genügen praxisgemäss hierzu für
sich allein nicht; erforderlich sind besonders intensive, über eine normale
Integration hinausgehende private Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher
Natur bzw. entsprechende vertiefte soziale Beziehungen zum ausserfamiliären
Bereich (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.; 120 Ib 16
E. 3b S. 22). Die Beschwerdeführer legen - entgegen ihrer Mitwirkungspflicht -
nicht dar, dass und inwiefern sie hier über solche verfügen würden; sie berufen
sich ausschliesslich auf die Beziehungen zur Familie ihrer Tochter.

4.
4.1 Da sich die Beschwerdeführer somit nicht in vertretbarer Weise auf einen
Bewilligungsanspruch berufen können, ein solcher jedoch Eintretensvoraussetzung
nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG bildet, ist auf die vorliegende Beschwerde
nicht einzutreten. Dies kann durch den Präsidenten als Einzelrichter im
Verfahren nach Art. 108 BGG geschehen.

4.2 Aufgrund der Rechtsprechung, welche im angefochtenen Entscheid zutreffend
wiedergegeben worden ist, war die vorliegende Eingabe offensichtlich
aussichtslos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung abzuweisen ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Die unterliegenden
Beschwerdeführer werden dementsprechend kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Mai 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar