Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.39/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_39/2012

Urteil vom 20. Januar 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Moser,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertreten durch Migration und
Schweizer Ausweise.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung nach Art. 14 Abs. 2 AsylG/Art. 8 EMRK,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
23. November 2011.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Eheleute A.________ und B.________ stammen aus der Demokratischen
Republik Kongo. Sie reisten am 31. Dezember 2001 mit ihrer damals 19-monatigen
Tochter C.________ in die Schweiz ein und ersuchten hier um Asyl. Das Bundesamt
für Flüchtlinge lehnte ihr Gesuch am 10. Dezember 2002 ab und wies sie weg.
Während des hängigen Beschwerdeverfahrens wurden die Kinder D.________ (25.
Januar 2002) und E.________ (30. Januar 2004) geboren. Mit Urteil vom 26. Mai
2008 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Asylentscheid des Bundesamts.

1.2 Am 16. Juni 2008, 22. Juli 2009 und 17. Februar 2011 ersuchte die Familie
A.________ das Departement des Innern des Kantons Solothurn darum, ihr eine
asylrechtlich begründete Härtefallbewilligung zu erteilen, was dieses jeweils
informell unter Hinweis darauf ablehnte, dass den Betroffenen erst in einem
allfälligen Zustimmungsverfahren vor dem Bundesamt Parteistellung zukäme. Am
17. Mai 2011 trat das Departement formell auf das Gesuch vom 17. Februar 2011
und die ergänzenden Eingaben der Familie A.________ vom 17. März und 18. April
2011 mangels Legitimation der Betroffenen nicht ein. Die Familie A.________
gelangte hiergegen mit dem Antrag an das Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn, den Entscheid des Departements des Innern aufzuheben und allen
Familienangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Die Weigerung, ihr
Gesuch zu behandeln, verletze Art. 8, 13 und 14 EMRK. Sie hätten gestützt auf
Art. 8 EMRK einen Anspruch darauf, dass ihnen der weitere Aufenthalt in der
Schweiz bewilligt werde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies ihre
Beschwerde am 23. November 2011 ab. Der Sachverhalt falle nicht in den
Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, weshalb auch Art. 13 bzw. Art. 14 EMRK nicht
verletzt sein könnten.

1.3 Die Familie A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn aufzuheben und ihnen die beantragten
Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen; allenfalls sei die Sache an die
Vorinstanzen zurückzuweisen.

2.
2.1 Die Rechtsschriften an das Bundesgericht haben die Begehren und deren
Begründung zu enthalten, wobei in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Die Begründung
muss sachbezogen sein, d.h. den Gegenstand des angefochtenen Entscheids
betreffen, und in gezielter Form auf die für dessen Ergebnis massgeblichen
Erwägungen der Vorinstanz eingehen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3). Soweit
die Beschwerdeführer nur ihre bereits vor der kantonalen Instanz vorgebrachten
Ausführungen wiederholen, ohne gleichzeitig darzulegen, inwiefern die
Erwägungen der Vorinstanz dazu ihrerseits Bundesrecht verletzen, ist ihre
Eingabe ungenügend begründet. Dasselbe gilt, soweit sie Originaltexte aus
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zitieren, ohne
deren Bezug und Relevanz zum konkreten Fall aufzuzeigen.
2.2
2.2.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche
Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG) sowie - unter dem gleichen
Vorbehalt - gegen Bewilligungsentscheide auf dem Gebiet des Asyls, die von
einer kantonalen Vorinstanz ausgehen (Art. 83 lit. d Ziff. 2 BGG). Nach Art. 14
Abs. 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) kann der Kanton
mit Zustimmung des Bundesamts einer ihm zugewiesenen Person eine
Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn (a) diese sich seit Einreichen des
Asylgesuchs mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufhält, (b) ihr
Aufenthaltsort den Behörden immer bekannt war und (c) wegen der
fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall
vorliegt. Will der Kanton hiervon Gebrauch machen, zeigt er dies unverzüglich
dem Bundesamt an (Art. 14 Abs. 3 AsylG). Der betroffenen Person kommt erst im
(Zustimmungs-)Verfahren vor diesem und nicht bereits im kantonalen Verfahren
Parteistellung zu (Art. 14 Abs. 4 AsylG). Das Bundesgericht hat diese Regelung
im Lichte der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (Art. 29a BV), nicht
aber in Bezug auf Art. 6, 8 und Art. 13 EMRK (BGE 137 I 128 E. 4.4 und 4.5 S.
133 f.) kritisiert, weshalb mangels einer unmittelbaren
Verfassungsgerichtsbarkeit die entsprechende gesetzgeberische Vorgabe bis zu
einer allfälligen Anpassung gestützt auf Art. 190 BV hinzunehmen ist (BGE 137 I
128 E. 4.3).
2.2.2 Auf die Erteilung der kantonalen Härtefallbewilligung, welche unter den
Vorgaben von Art. 14 Abs. 2 AsylG ausländerrechtlich im Rahmen von Art. 30 Abs.
1 lit. b AuG (SR 142.20) erfolgt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [Hrsg.],
Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren, 2009, S. 241), besteht
grundsätzlich kein Rechtsanspruch. Es handelt sich dabei um eine
Ermessensbewilligung (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.21 S. 348), gegen deren
Verweigerung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ausgeschlossen ist (BGE 137 I 128 E. 2 S. 129 f.; THOMAS HÄBERLI, in: Niggli/
Uebersax/ Wiprächtiger [Hrsg.], BSK Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 134
zu Art. 83 BGG; ALAIN WURZBURGER, in: Corboz et al. [Hrsg.], Commentaire de la
LTF, 2009, N. 69 zu Art. 83 BGG; HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/von Werdt/
Güngerich, SHK Bundesgerichtsgesetz, 2007, N. 38 zu Art. 83 BGG). Soweit die
Beschwerdeführer den entsprechenden kantonalen Entscheid infrage stellen, ist
auf ihre Eingabe deshalb nicht einzutreten.
2.2.3 Mangels eines Rechtsanspruchs können sie den kantonalen Entscheid in
diesem Punkt auch nicht mit einer subsidiären Verfassungsbeschwerde vor
Bundesgericht beanstanden: Zwar kann mit dieser losgelöst von der
Bewilligungsfrage eine Verletzung von Parteirechten gerügt werden, deren
Missachtung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (sog. "Star"-Praxis:
BGE 137 II 305 E. 2 mit Hinweisen; 137 I 128 E. 3.1.1 S. 130), doch begründen
die Beschwerdeführer mit dem blossen Hinweis auf Art. 13 und 14 EMRK eine
solche nicht rechtsgenügend. Hinsichtlich einer Beeinträchtigung verfassungs-
bzw. konventionsrechtlicher Garantien gilt - was sie verkennen - eine
qualifizierte Rügepflicht (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 II 305 E. 3.3; 133
II 249 E. 1.4.2 S. 254, 396 E. 3.1 S. 399). Ergänzend kann auf die Ausführungen
in BGE 137 I 128 ff. verwiesen werden.
2.3
Auf die vorliegende Beschwerde ist im Rahmen von Art. 83 lit. c Ziff. 2 bzw.
Art. 83 lit. d Ziff. 2 BGG nur einzutreten, falls die Beschwerdeführer
anderweitig in vertretbarer Weise einen Bewilligungsanspruch geltend machen
können. Dies ist entgegen ihren Ausführungen nicht der Fall:
2.3.1 Der in Art. 8 EMRK begründete Schutz des Familienlebens begründet kein
absolutes Recht auf den Aufenthalt in einem Konventionsstaat in dem Sinn, dass
dieser verpflichtet wäre, Nicht-Staatsangehörigen die Einreise, die
Aufenthaltsbewilligung oder -verlängerung zu gewähren bzw. die von Ehepaaren
getroffene Wahl des gemeinsamen Wohnsitzes zu respektieren (BGE 137 I 247 E.
4.1 S. 249, 130 II 281 E. 3 S. 285; 126 II 377 E. 2b/cc S. 283; Urteil des EGMR
Gezginci gegen Schweiz vom 9. Dezember 2010 [16327/05], §§ 54 ff.). Die
Beschwerdeführer haben nach Abschluss des Asylverfahrens hier kein
Anwesenheitsrecht. Sie müssen das Land gemeinsam verlassen, womit sie nicht
voneinander getrennt werden und sich deshalb zur Geltendmachung eines
Bewilligungsanspruchs nicht auf den Schutz des Familienlebens berufen können
(BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 283; 121 I 267 E. 1 S. 268).
2.3.2 Aus dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens ergibt sich nach der
Rechtsprechung ein Recht auf Verbleib im Land bloss unter besonderen Umständen.
Eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration genügen
hierzu für sich allein nicht; es bedarf vielmehr besonders intensiver, über
eine normale Integration hinausgehender privater Bindungen gesellschaftlicher
oder beruflicher Natur bzw. entsprechender vertiefter sozialer Beziehungen zum
ausserfamiliären Bereich (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c S.
384 ff.; 120 Ib 16 E. 3b S. 22; Urteil 2C_266/2009 vom 2. Februar 2010 E. 3 -
5). Selbst bei längeren Anwesenheiten, welche mit keiner überdurchschnittlichen
Verbundenheit mit den hiesigen Verhältnissen einhergegangen sind, hat das
Bundesgericht das Bestehen eines Aufenthaltsanspruchs direkt gestützt auf Art.
8 EMRK bzw. Art. 13 BV wiederholt verneint (vgl. die Urteile 2C_426/2010 vom
16. Dezember 2010 E. 3 [18 Jahre] und 2C_190/2008 vom 23. Juni 2008 [25 Jahre];
vgl. auch das Urteil Gezginci gegen Schweiz, a.a.O., §§ 60 ff.).
2.3.3 Die Beschwerdeführer sind anfangs 2002 im Rahmen eines Asylverfahrens in
die Schweiz gekommen und halten sich damit seit elf Jahren im Land auf. Sie
haben nicht belegt, dass und inwiefern sie sich in dieser Zeit
überdurchschnittlich integriert hätten, auch wenn sie inzwischen (etwas)
Deutsch sprechen. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass sie nach Abschluss des
Asylverfahrens offenbar jegliche Kooperation für eine Rückkehr in ihre Heimat
verweigert haben. Zwar sind die Eltern hier während des Asylverfahrens
punktuell einer Arbeit nachgegangen, doch mussten sie aufgrund ihres Status und
des erstinstanzlichen Wegweisungsentscheids damit rechnen, dass sie im Falle
der Abweisung ihrer Asylbeschwerde nicht in der Schweiz würden bleiben dürfen.
Die Beschwerdeführer legen entgegen ihren Mitwirkungs- und Begründungspflichten
(vgl. Art. 42 und Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht dar, inwiefern sie dennoch als
überdurchschnittlich integriert zu gelten hätten, sodass die Nichterteilung der
beantragten Bewilligungen unter dem Titel des Privatlebens in vertretbarer
Weise in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen könnte.
2.3.4 Zwar sind die drei Kinder hier eingeschult worden, doch ist mit der
Vorinstanz davon auszugehen, dass sie sich noch in einem anpassungsfähigen
Alter befinden und von üblichen sozialen Bindungen abgesehen keine besonderen,
über den familiären Rahmen hinausgehenden Beziehungen zu den hiesigen
Verhältnissen aufgebaut haben, sodass ihr Recht auf Schutz des Privatlebens
ihnen einen konventionsrechtlichen Anspruch auf einen weiteren Verbleib in der
Schweiz verschaffen würde. Die Beschwerdeführer verkennen, dass die besseren
Bildungs- und Berufschancen in der Schweiz, von denen sie während des
Asylverfahrens profitieren konnten, ihnen im Rahmen des Schutzes des
Privatlebens nach Art. 8 EMRK keinen völkerrechtlichen Leistungsanspruch gegen
die Schweiz verschaffen, nicht mehr die Lebensverhältnisse ihrer Landsleute
teilen zu müssen (vgl. JENS MEYER-LADEWIG, EMRK, 3. Aufl. 2011, Rz. 73 zu Art.
8 EMRK). Ein solcher Anspruch lässt sich auch nicht in vertretbarer Weise auf
Art. 3 EMRK stützen. Eine EMRK-widrige Diskriminierung liegt nicht vor, nachdem
die Beschwerdeführer keinen Rechtsanspruch auf Verbleib im Land haben. Soweit
die Beschwerdeführer - wiederum ohne Vertiefung - Probleme im Zusammenhang mit
dem Vollzug ihrer Wegweisung geltend machen (vgl. Art. 83 AuG [SR 142.20]), ist
auf ihre Ausführungen nicht weiter einzugehen (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 3 und
4 BGG). Soweit die entsprechenden Aspekte bereits Gegenstand des
asylrechtlichen Verfahrens gebildet haben, können sie vor Bundesgericht nicht
wieder aufgeworfen werden.

3.
3.1 Da die Beschwerdeführer keinen Bewilligungsanspruch gestützt auf ihr
Familien- bzw. Privatleben darzutun vermögen bzw. sich ihre Eingabe in den
anderen Punkten nicht als rechtsgenügend begründet erweist, ist auf ihre
Eingabe durch den Präsidenten als Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach
Art. 108 BGG nicht einzutreten.

3.2 Mit dem vorliegenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw.
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme gegenstandslos.

3.3 Gestützt auf die publizierte Rechtsprechung war die vorliegende Beschwerde
aussichtslos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist
(vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Die unterliegenden Beschwerdeführer werden für das
vorliegende Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar