Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.348/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_348/2012

Urteil vom 13. März 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Dubs.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Simon,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertreten durch Migration und
Schweizer Ausweise, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
19. März 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Der türkische Staatsangehörige X.________ ist 1973 in der Schweiz geboren
und verfügt über eine Niederlassungsbewilligung. Am 21. Juli 1994 heiratete er
in der Türkei die in der Schweiz niedergelassene Landsfrau Y.________, die
ebenfalls in der Schweiz geboren ist, aber während den ersten sechs Schuljahren
in der Türkei lebte, bevor sie im Alter von 13 Jahren wieder in die Schweiz
zurückkehrte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Das erste Kind verstarb
1998 und wurde auf dem Friedhof in A.________ bestattet. Das zweite Kind ist
1998 geboren.
A.b X.________ wurde in der Schweiz straffällig und wie folgt verurteilt:
Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 14. September 2007 wegen
Beschimpfung, Drohung, vorsätzlicher Beschäftigung eines Ausländers ohne
Bewilligung (mehrfache Begehung), Fahrens in angetrunkenem Zustand, Vereitelung
der Blutprobe, Verletzung der Verkehrsregeln (mehrfache Begehung),
pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall und Vergehens gegen das Waffengesetz: 200
Tagessätze Geldstrafe zu je Fr. 80.--, bedingt, Probezeit 3 Jahre, und Fr.
15'000.-- Busse. (Tatzeit: 9. April 2001 bis 23. Mai 2005)
Urteil des Richteramts Thal-Gäu vom 4. Dezember 2008 wegen Menschenhandels
(mehrfache Begehung), Förderung der Prostitution, versuchter Nötigung und
Geldwäscherei: 18 Monate Freiheitsstrafe und Fr. 10'000.-- Busse. (Tatzeit: ca.
2003 bis 5. September 2005)
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. April 2011
wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand: 40 Tagessätze Geldstrafe zu je Fr.
70.--. (Tatzeit: 8. Oktober 2010)
A.c Gemäss Betreibungsregisterauszug vom 22. Juli 2011 bestehen gegen
X.________ 14 offene Verlustscheine im Betrag von Fr. 54'953.65 und offene
Betreibungen im Betrag von Fr. 245'822.20. Per 20. Februar 2008 wurde über
X.________ der Konkurs eröffnet. Zudem beziehen er und seine Familie seit 8.
Januar 2009, mit einem Unterbruch von 5 Monaten am Anfang des Jahres 2011,
Sozialhilfe, wobei bis zum 8. August 2011 insgesamt Fr. 61'424.10 ausbezahlt
wurden. Seit Oktober 2011 befindet sich X.________ im Strafvollzug.

B.
Mit Verfügung vom 19. Dezember 2011 widerrief das Departement des Innern des
Kantons Solothurn die Niederlassungsbewilligung von X.________ und wies ihn an,
die Schweiz am Tag seiner Haftentlassung zu verlassen. Die dagegen beim
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. April 2012
beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom vom 19. März 2012
aufzuheben und die Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung zu verlängern.
Zudem stellt er das Begehren, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.
Das Verwaltungsgericht sowie - im Namen des Departements des Innern - die
Abteilung Migration und Schweizer Ausweise schliessen auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Vernehmlassung des Bundesamtes
für Migration erfolgte verspätet. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit,
sich nochmals zu äussern, Gebrauch gemacht.

D.
Mit Verfügung vom 1. Mai 2012 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen
Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen den
kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c [e
contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S.4).
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Eingabe
grundsätzlich einzutreten.
Auf die Beschwerde kann jedoch nicht eingetreten werden, soweit damit der
Schluss der Vorinstanz, es liege kein schwerwiegender persönlicher Härtefall
(Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG) vor, beanstandet wird. Insofern steht die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht offen (Art. 83 lit.
c Ziff. 5 BGG).
Die Niederlassungsbewilligung wird unbefristet und ohne Bedingungen erteilt
(Art. 34 Abs. 1 AuG). Wird das den Widerruf der Niederlassungsbewilligung
bestätigende Urteil aufgehoben, gilt die Bewilligung weiter. Sie muss dafür
nicht verlängert werden (zur Verlängerung der Kontrollfrist vgl. PETER
UEBERSAX, in: Uebersax/Rudin/ Hugi Yar/Geiser (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl.
2009, Rz. 7.282; vgl. zum ANAG: derselbe, Ausländerrecht, 2002, Rz. 5.101). Der
auf Verlängerung lautende Antrag ist insofern überflüssig.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt
oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105
Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert
vorzubringen ist (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.;
133 III 350 E. 1.3 S. 351, 393 E. 7.1 S. 398, 462 E. 2.4 S. 466), setzt zudem
voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Auf rein appellatorische Kritik an
der Sachverhaltsermittlung oder der Beweiswürdigung tritt das Bundesgericht
nicht ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.). Neue Tatsachen und Beweismittel
dürfen nur insoweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz
dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 I 143 E. 1.5 S. 146 f.).
Die Führungsberichte vom 11. April 2012 sowie vom 10. September 2012, der
Auszug aus dem Betreibungsregister vom 10. April 2012 und die
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich vom 26. März 2012 sind so
genannte "echte Noven", die im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall
unzulässig sind (BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). Sie wären aber ohnehin nicht
geeignet, am Ausgang des vorliegenden Verfahrens etwas zu ändern.

2.
2.1 Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem
Jahr, verurteilt worden ist, wobei mehrere unterjährige Strafen bei der
Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62
lit. b AuG [SR 142.20]; BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381; 137 II 297 E. 2). Keine
Rolle spielt, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen
wurde (Urteil 2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1). Ein Widerruf ist auch
möglich, wenn der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche
Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen oder diese
gefährdet hat (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG). Die Praxis geht hiervon aus, wenn er
durch sein Handeln besonders hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr
gebracht hat, sich von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und
sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zeigt, dass er auch künftig weder
gewillt noch fähig erscheint, sich an die Rechtsordnung zu halten (BGE 137 II
297 E. 3 S. 302 ff.; Urteile 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.2 und
2C_310/2011 vom 17. November 2011 E. 5). Sogar das Bestehen von
privatrechtlichen Schulden kann gegebenenfalls einen schwerwiegenden Verstoss
gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, wenn die Verschuldung
mutwillig erfolgt ist (BGE 137 II 297 E. 3.3 S. 304). Die genannten
Widerrufsgründe gelten auch, falls der Ausländer sich seit mehr als 15 Jahren
ununterbrochen und ordnungsgemäss im Land aufgehalten hat (Art. 63 Abs. 2 AuG).

2.2 Mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ist der
Widerrufsgrund von Art. 62 lit. b (i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG) gegeben,
was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Die Vorinstanz hat zudem angenommen,
dass aufgrund der Schuldenwirtschaft ein schwerwiegender Verstoss gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt; der Beschwerdeführer wendet sich
auch nicht hiergegen. Da ein einziger Widerrufsgrund genügt, bedarf keiner
näheren Betrachtung, ob vorliegend auch der Widerrufsgrund gemäss Art. 63 1
lit. b AuG erfüllt ist.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe nicht die gesamten
Umstände des Einzelfalls in die Interessenabwägung einbezogen, sondern nur
Aspekte berücksichtigt, die sich negativ auf die Beurteilung auswirkten, und
rügt eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots.

3.1 Nach Art. 63 AuG "kann" die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden.
Die Massnahme muss - wie jedes staatliche Handeln - verhältnismässig sein (vgl.
Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG). Zur Beurteilung der Frage, ob dies der Fall
ist, sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des
Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers
während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen
Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu
berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3). Die Niederlassungsbewilligung eines
Ausländers, der sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll zwar nur mit
besonderer Zurückhaltung widerrufen werden, doch ist dies bei wiederholter bzw.
schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren
ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. das Urteil
2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3 [Widerruf der
Niederlassungsbewilligung eines hier geborenen 43-jährigen Türken] und der
Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] Trabelsi
gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011 [Nr. 41548/06], Ziff. 53 ff., bezüglich
der Ausweisung eines in Deutschland geborenen, wiederholt straffällig
gewordenen Tunesiers). Bei schweren Straftaten, Rückfall und wiederholter
Delinquenz besteht - überwiegende private oder familiäre Bindungen vorbehalten
- auch in diesen Fällen ein öffentliches Interesse daran, zur Aufrechterhaltung
der Ordnung bzw. Verhütung von (weiteren) Straftaten die Anwesenheit des
Ausländers zu beenden. Bei schweren Straftaten muss zum Schutz der
Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein geringes Restrisiko weiterer
Beeinträchtigungen wesentlicher Rechtsgüter nicht in Kauf genommen werden (vgl.
Urteil 2C_926/2011 vom 12. Oktober 2012 E. 2.2.1, zur Publikation vorgesehen).
Analoge Kriterien ergeben sich aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 13 BV in
Verbindung mit Art. 36 BV. Mit Blick auf das gefestigte Anwesenheitsrecht
seiner Ehegattin sowie seines minderjährigen Kindes kann sich der
Beschwerdeführer auch auf diese grundrechtlichen Bestimmungen berufen (vgl. BGE
135 I 143 E. 1.3.2 und E. 2 S. 146 ff., 153 E. 2 S. 154 ff.; je mit Hinweisen).
Von Bedeutung sind auch die Nachteile, welche dem Ehepartner oder dem Kind
erwachsen würden, müssten sie dem Betroffenen in dessen Heimatstaat folgen
(Urteile 2C_793/2008 vom 27. März 2009 E. 2.1; 2A.65/2006 vom 23. Juni 2006 E.
2 mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Boultif gegen Schweiz vom 2. August 2001, publ. in: VPB 65/2001 Nr. 138 S. 1392
Rz. 48 S. 1389 f.; vgl. auch die Urteile des EGMR Üner gegen Niederlande vom
18. Oktober 2006, Rz. 57, sowie Maslov gegen Österreich vom 23. Juni 2008, Rz.
57 f.).

3.2 Ausgangspunkt und Massstab für die Schwere des Verschuldens und die
fremdenpolizeiliche Interessenabwägung im Rahmen eines Bewilligungsentzugs
gestützt auf Art. 62 lit. b AuG (Verurteilung zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe) ist die vom Strafgericht verhängte Strafe (BGE 129 II 215 E.
3.1 S. 216). Die Vorinstanz ging daher zu Recht vom Urteil des Amtsgerichts
Thal Gäu vom 4. Dezember 2008 aus, mit dem der Beschwerdeführer wegen
Menschenhandels, Förderung der Prostitution, versuchter Nötigung und
Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde. Das
Amtsgericht erwog, dass er seine Machtstellung gegenüber den betroffenen Frauen
schamlos ausgenutzt und über eine sehr lange Zeit eine hohe Anzahl von Frauen
regelmässig als Ware gehandelt habe. Insgesamt sei er von 2001 bis 2005
kriminell gewesen. Die überwachten Telefongespräche zeugten von einer
erschreckenden Geringschätzung der Frauen, die sich bei ihm prostituiert
hätten. Der Beschwerdeführer habe eine grosse kriminelle Energie an den Tag
gelegt, einen schlechten Charakter offenbart und ausschliesslich aus Habgier
und ohne Rücksicht auf die jeweils von seinen Taten betroffenen Menschen
gehandelt. Er habe in leitender Stellung als Nummer zwei im Betrieb hinter
seinem abwesenden Bruder gehandelt. Im Strafverfahren habe er sich sehr
unkooperativ verhalten, jegliche Reue und Einsicht vermissen lassen und mehr
oder weniger sämtliche Vorwürfe mit einer beträchtlichen Kaltschnäuzigkeit
abgestritten. Das Amtsgericht beurteilte das Verschulden des Beschwerdeführers
als sehr schwer und stellte ihm eine schlechte Prognose.
Es geht nicht an, im ausländerrechtlichen Verfahren die strafrechtliche
Beurteilung in Frage zu stellen und die begangenen Straftaten zu
bagatellisieren, wie dies der Beschwerdeführer tut. Seine Vorbringen erwecken
den Eindruck, dass er die Schwere seiner Straffälligkeit auch heute nicht
einsieht. Die Vorinstanz hat zutreffend festgehalten, dass der Beschwerdeführer
während einer Dauer von fünf Jahren eine Vielzahl an Delikten und darunter
schwere Straftaten begangen hat. Der Menschenhandel ist heute überdies eine der
in Art. 121 Abs. 3 BV (Fassung vom 28. November 2010; "Ausschaffungsinitiative"
[AS 2011 1199]) genannten Anlasstaten, die nach dem Verfassungsgeber dazu
führen soll, dass der Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen und mit einem
Einreiseverbot belegt wird. Dieser Wertung ist im Rahmen der Interessenabwägung
insoweit Rechnung zu tragen, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem
Recht bzw. zu Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den
einzelnen Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und
Ausländerpolitik im Rahmen des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienrechts
belässt (vgl. Urteil 2C_828/2011 vom 12. Oktober 2012, zur Publikation
vorgesehen). Im Übrigen hat sich der Beschwerdeführer auch bis zum Strafvollzug
nicht klaglos verhalten (Strafbefehl vom 20. April 2011). Es trifft zwar zu,
dass das ihm hauptsächlich vorgeworfene Verhalten schon einige Zeit
zurückliegt, doch kann den kantonalen Behörden wohl kaum vorgeworfen werden,
erst nach Abschluss des Strafverfahrens die streitige fremdenpolizeiliche
Massnahme verfügt zu haben. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte
Wohlverhalten im Strafvollzug ist sodann bei der Beurteilung des
Rückfallrisikos nur von untergeordneter Bedeutung und erlaubt hier keine
positive Prognose. Zudem dürfen im Rahmen vorliegender Interessenabwägung auch
generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. Urteil 2C_679/2011
vom 21. Februar 2012 E. 3. 1). Es besteht somit ein erhebliches öffentliches
Interesse an der Entfernung des Beschwerdeführers aus der Schweiz.

3.3 Der Beschwerdeführer lebt zwar seit der Geburt in der Schweiz. Allerdings
sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche auf eine überdurchschnittliche
Eingliederung in schweizerische Verhältnisse schliessen liessen. Dass er
jahrelang im Milieu der Prostitution und des Menschenhandels verkehrte, hohe
Schulden hat und auf Sozialhilfe angewiesen ist, spricht nicht für eine
gelungene Integration. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz
hätte einen neuen Auszug aus dem Betreibungsregister einholen müssen, ist schon
daher nicht weiter einzugehen, als vorliegend auch der aktualisierte
Betreibungsregisterauszug nichts am Schluss zu ändern vermöchte, dass der
Beschwerdeführer massiv verschuldet ist und Sozialhilfe bezieht, was nicht von
einer guten Integration zeugt. Wie die Vorinstanz zudem festhält, überstiegen
die Sozialhilfeschulden bereits im August 2011 das zu Gunsten des Staats
Solothurn im Grundbuch eingetragene Grundpfand über Fr. 60'000.--, wobei die
Familie weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen ist. Negativ fällt ins Gewicht,
dass sich der Schuldenberg vergrösserte, selbst als der Beschwerdeführer
erwerbstätig war. Dass der Beschwerdeführer sich mit A.________ verbunden
fühlt, weil sich hier das Grab seines 1998 verstorbenen ersten Kindes befindet,
ist verständlich, aber vermag die übrigen Umstände nicht aufzuwiegen. Der
Beschwerdeführer betont, dass er und seine Familie (auch) einwandfrei
Berndeutsch sprechen. Dies kann allerdings bei einem hier geborenen Ausländer,
der ausschliesslich in der deutschsprachigen Schweiz gelebt hat, als normal
vorausgesetzt werden. Jedenfalls kann nicht bloss gestützt darauf auf eine
gelungene Integration geschlossen werden, wenn die übrigen Verhältnisse - wie
hier - vielmehr auf das Gegenteil hindeuten.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe keine Beziehung zu seinem
Heimatland. Immerhin spricht er die heimatliche Sprache und hat dort
unbestrittenermassen regelmässig Ferien verbracht. Dass er sich mit seiner
Frau, die ebenfalls seit Jahren in der Schweiz lebte, in die Türkei begab, um
dort zu heiraten, deutet klar darauf hin, dass der Beschwerdeführer sowie seine
Ehegattin mit ihrem Heimatland verbunden sind und dort vermutlich auch über
Beziehungen verfügen. Zumindest leben ein Onkel sowie ein Bruder des
Beschwerdeführers in der Türkei. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, er wisse
nicht, wo sich Letzterer befinde. Er hatte aber mit seinem Bruder Kontakt, als
sich dieser bereits in die Türkei abgesetzt hatte, führten sie doch die
deliktischen Geschäfte in der Schweiz auch nach dessen Ausreise gemeinsam
weiter. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass der
Beschwerdeführer in der Türkei nicht auf sich allein gestellt sein wird und ihm
eine Ausreise in sein Heimatland zumutbar ist.

3.4 Die Ehefrau ist wie der Beschwerdeführer in der Schweiz geboren, hat aber
mehrere Jahre in der Türkei gelebt und dort die erste bis sechste Schulklasse
besucht. Sie beherrscht die türkische Sprache und die sozialen und kulturellen
Gepflogenheiten des Heimatlandes sind ihr wohl nicht unvertraut. Während der
langen Aufenthaltsdauer hat sie gewiss auch Beziehungen zur Schweiz aufgebaut.
Sie ist aber zu 80% arbeitsunfähig und daher beruflich nur beschränkt
integriert. Die psychiatrische Behandlung ihrer Depressionen und Angstzustände
wäre sodann auch in der Türkei möglich. Der Sohn, der ebenfalls Türkisch
spricht, ist noch in einem anpassungsfähigen Alter. Dass der Sohn (eventuell)
nicht von den hiesigen Ausbildungsmöglichkeiten und Lebensbedingungen wird
profitieren können, wie der Beschwerdeführer vorbringt, hat dieser sich selbst
zuzuschreiben. Der Ehefrau sowie dem Sohn wäre es jedenfalls nicht geradezu
unzumutbar, dem Beschwerdeführer in die gemeinsame Heimat zu folgen. Ist es den
Familienmitgliedern zumutbar, ihre Beziehung im Ausland zu leben, ist der
Anspruch auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK durch die verfügte
fremdenpolizeiliche Massnahme nicht verletzt. Zudem sind vorliegend aufgrund
der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers und des nicht hinzunehmenden
Rückfallrisikos auch die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Recht auf
Achtung des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfüllt.
Die Ehefrau sowie der Sohn verfügen über eine Niederlassungsbewilligung, die
durch den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers nicht
berührt wird. Letztlich kommt der Ehegattin die Wahl zu, ob sie mit dem Sohn
dem Beschwerdeführer ins Ausland folgen oder weiterhin in der Schweiz bleiben
will.

3.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass das erhebliche öffentliche Interesse an
der Entfernung des Beschwerdeführers dessen privates Interesse am weiteren
Verbleib in der Schweiz überwiegt. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt,
vermag die vorinstanzliche Interessenabwägung nicht zu erschüttern. Unter den
gegebenen Umständen waren die kantonalen Behörden vorliegend auch nicht
gehalten, aus Gründen der Verhältnismässigkeit anstelle des (gänzlichen)
Widerrufs der Anwesenheitsbewilligung des Beschwerdeführers die blosse
Androhung des Widerrufs anzuordnen (Art. 96 Abs. 2 AuG; vgl. ZÜND/ ARQUINT,
Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Uebersax et al.
[Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 8.31 und 8.36). Der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers erweist sich somit als
bundesrechts- und konventionskonform. Zur Begründung kann ergänzend auf die
zutreffenden Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil verwiesen werden.

4.
4.1 Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

4.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 65 und Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art.
68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement des Innern des Kantons
Solothurn, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Dubs