Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.339/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_339/2012

Urteil vom 10. Juli 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Winiger.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, Postfach, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 13. März 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Der montenegrinische Staatsangehörige X.________ (geb. 1973) hielt sich
1991 und 1992 als Asylbewerber in der Schweiz auf. Nach seiner Wegweisung lebte
er in Deutschland und Montenegro. Am 17. Juli 2008 heiratete er in seiner
Heimat die Schweizer Bürgerin Y.________ (geb. 1955), reiste am 24. Oktober
2008 in die Schweiz ein und erhielt in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung
für den Kanton Bern. Nach dem Umzug der Eheleute in den Kanton Zürich erteilte
das Migrationsamt des Kantons Zürich X.________ eine Aufenthaltsbewilligung,
die bis zum 24. Oktober 2010 verlängert wurde.

1.2 Im Rahmen einer polizeilichen Einvernahme wegen häuslicher Gewalt gab die
Ehefrau von X.________ an, ihr Ehemann sei in Deutschland wegen eines
Tötungsdeliktes zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Abklärungen des
Migrationsamtes ergaben, dass X.________ in Deutschland zu folgenden Strafen
verurteilt worden war: im Jahr 1995 wegen versuchten gemeinschaftlichen
Diebstahls im besonders schweren Fall und wegen gemeinschaftlichen Diebstahls
zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu DM 5.--; im Jahr 1997 wegen
versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von
acht Monaten; im Jahr 1998 wegen versuchten Mordes in drei Fällen zu einer
Freiheitsstrafe von zehn Jahren und im Jahr 2002 wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Euro 5.--. Im
Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vom 7. Januar 2009 hatte
X.________ angegeben, nicht vorbestraft zu sein.

1.3 Mit Verfügung vom 2. Februar 2011 wies das Migrationsamt ein Gesuch
X.________s um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihm Frist
bis 30. April 2011, um die Schweiz zu verlassen. Die Sicherheitsdirektion sowie
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürichs bestätigten am 27. Januar 2012 bzw.
13. März 2012 diesen Entscheid.

1.4 X.________ und Y.________ beantragen mit Eingabe vom 13. April 2012 die
Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts sowie die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung von X.________. Auf die Anordnung eines
Schriftenwechsels wurde verzichtet.
Mit Verfügung vom 18. April 2012 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.
Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann ohne
Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden.

2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung
wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der
Betroffene muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte
Sachverhalt klar und eindeutig mangelhaft erscheint (vgl. Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E.
7.1, 462 E. 2.4). Auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung
und an der Beweiswürdigung tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 101 E.
3 S.104 f.). Der Beschwerdeführer muss - in Auseinandersetzung mit der
Begründung im angefochtenen Entscheid - im Einzelnen dartun, inwiefern die
Sachverhaltsfeststellung oder die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar und
damit willkürlich erscheint.

2.2 Die Eingabe des Beschwerdeführers genügt diesen Anforderungen über weite
Strecken nicht: Er behauptet zwar, die Vorinstanz habe den rechtserheblichen
Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt, er führt indessen nicht
aus, inwiefern dies offensichtlich der Fall sein soll. Der Beschwerdeführer
beschränkt sich darauf, seine Sicht der Dinge, wie er sie teilweise bereits der
Vorinstanz dargelegt hat, zu wiederholen. Mit den Ausführungen im angefochtenen
Entscheid zu seinen Einwänden setzt er sich nicht vertieft auseinander. Soweit
der Beschwerdeführer vorbringt, eine Mitarbeiterin der Einwohnerkontrolle
Wetzikon habe sein Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ausgefüllt
und "wider besseres Wissen" die Frage nach den Vorstrafen verneint, weshalb er
nie die Absicht gehabt habe, die Behörden zu täuschen, kann ihm nicht gefolgt
werden: Diese Rüge erhebt der Beschwerdeführer erstmals vor dem Bundesgericht
und erscheint - soweit es sich ohnehin nicht um eine neue Tatsache im Sinne von
Art. 99 Abs. 1 BGG handelt - als reine Schutzbehauptung; jedenfalls hat der
Beschwerdeführer das Gesuchsformular unterzeichnet, auf welchem das Vorliegen
von Vorstrafen verneint wurde.
Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Beweiswürdigung denkbar
wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings
unhaltbaren oder widersprüchlichen Wertung beruht, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. BGE 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362;
Urteil 2C_231/2011 vom 21. Juli 2011 E. 4.3). Dass und inwiefern dies hier der
Fall wäre, legt der Beschwerdeführer nicht genügend dar und ist auch sonst
nicht ersichtlich.
2.3
2.3.1 Aufgrund des für das Bundesgericht damit verbindlich festgestellten
Sachverhalts ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden: Die
Aufenthaltsbewilligung kann widerrufen bzw. nicht verlängert werden, wenn eine
ausländische Person oder ihr Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben
macht oder wesentliche Tatsachen verschweigt (Art. 62 lit. a AuG [SR 142.20])
bzw. die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe
verurteilt worden ist (Art. 62 lit. b AuG; beide im vorliegenden Fall jeweils
in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 lit. b und Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG). Von
einer solchen wird praxisgemäss bei einem Freiheitsentzug von mehr als einem
Jahr ausgegangen (BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5). Dabei sind auch im Ausland
verhängte Strafen von Bedeutung (vgl. etwa die Urteile 2C_264/2011 vom 15.
November 2011 E. 3.3; 2C_427/2008 vom 23. Januar 2009 E. 3.2; 2C_381/2008 vom
14. Januar 2009 E. 2.2; ferner BGE 134 II 25 E. 4.3.1 S. 29). Der
Beschwerdeführer ist in Deutschland wegen dreifachen Mordversuchs, wegen
versuchten und vollendeten Diebstahls und wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln gesamthaft zu Freiheitsstrafen von zehn Jahren und acht
Monaten sowie Geldstrafen von 120 Tagessätzen verurteilt worden. Der
Beschwerdeführer hat damit einen Widerrufsgrund gesetzt, den er den Behörden
zudem verschwiegen hat (Urteil 2C_651/2009 vom 1. März 2010 E. 4.1 mit
Hinweisen).
2.3.2 Die Nichtverlängerung seiner Bewilligung erweist sich auch als
verhältnismässig (vgl. dazu BGE 135 II 377 E. 4.3 u. 4.5): Zwar will der
Beschwerdeführer aus den Verurteilungen seine Lehren gezogen haben; dies genügt
indessen nicht, um die Gefahr eines weiteren Rückfalls auszuschliessen und sein
privates Interesse dem öffentlichen Interesse des Schutzes der Bevölkerung vor
potenziell rückfallgefährdeten ausländischen Straftätern aus Drittstaaten
vorgehen zu lassen. Das Bundesgericht verfolgt im Zusammenhang mit Delikten
gegen die körperliche Integrität - in Übereinstimmung mit der in Europa
vorherrschenden Rechtsauffassung - ausländerrechtlich eine strenge Praxis (BGE
125 II 521 E. 4.a/aa S. 526 f.; 122 II 433 E. 2.c S. 436 f.): Selbst ein
relativ geringes Rückfallrisiko muss in diesen Fällen nicht hingenommen werden.
Der Beschwerdeführer hat gegenüber den Behörden sein Vorleben verschwiegen und
diese über eine wesentliche Tatsache getäuscht. Aufgrund der
ausländerrechtlichen Reaktion auf sein strafbares Verhalten in Deutschland
musste ihm - entgegen seinen Einwänden - bewusst gewesen sein, dass eine
Verurteilung zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes auch für
die schweizerischen Behörden relevant sein würde; dennoch oder gerade deshalb
hat er die entsprechenden Vorkommnisse verschwiegen. Zwar liegt die
Verurteilung - wie er einwendet - über zehn Jahre zurück, doch hat er einen
wesentlichen Teil dieser Zeit im Strafvollzug in Deutschland verbracht; in der
Schweiz hält er sich erst wieder seit Oktober 2008 und damit seit weniger als
vier Jahren auf. Der Beschwerdeführer ist erst mit 35 Jahren in die Schweiz
gekommen und hat seine Beziehungen zu seiner Heimat aufrecht erhalten, wo er
zudem im Jahr 2011 nach eigenen Angaben vier Monate gelebt hat.
2.3.3 Richtig ist, dass seiner Schweizer Ehefrau eine Übersiedlung nach
Montenegro nicht leicht fallen dürfte, doch übertrifft die gegen ihren Ehemann
verhängte Strafe den vom Bundesgericht als Richtwert definierten Rahmen von
zwei Jahren, ab dem keine Bewilligung mehr erteilt wird, selbst wenn dem
Ehepartner die Ausreise unzumutbar oder nur schwer zumutbar erscheint, deutlich
("Reneja"-Praxis; BGE 135 II 377 E. 4.4 S. 382; 130 II 176 E. 4.1 S. 185). Ob
seine Gattin tatsächlich nichts von seinem Vorleben gewusst hat, wie geltend
gemacht wird, kann unter diesen Umständen dahin gestellt bleiben. Zudem hat das
Ehepaar bereits vier Monate zusammen in Montenegro gelebt; gemäss den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bestehen gemäss Aussagen der
Ehefrau sodann Pläne, "irgendwann" in Montenegro zu leben.
2.3.4 Soweit sich der Beschwerdeführer schliesslich sinngemäss auf die Urteile
des EGMR Emre gegen Schweiz vom 22. Mai 2008 (Beschwerde Nr. 42034/04) bzw.
Emre (N°2) gegen Schweiz vom 11. Oktober 2011 (Beschwerde Nr. 5056/10) beruft,
ist ihm entgegenzuhalten, dass die dort zu beurteilenden Verhältnisse (bloss 18
½ Monate Freiheitsstrafe, Tatbegehung als Jugendlicher, psychische Krankheit)
in wesentlichen Punkten anders lagen.
2.3.5 Der angefochtene Entscheid gibt die bundesgerichtliche Praxis zutreffend
wieder und das Verwaltungsgericht hat die auf dem Spiele stehenden Interessen
im Rahmen von Art. 62 lit. a und b AuG bzw. Art. 8 Ziff. 2 EMRK sorgfältig
gegeneinander abgewogen (vgl. auch das Urteil des EGMR Boultif gegen Schweiz
vom 2. August 2001, publ. in: VPB 2001 Nr. 138 S. 1392). Es kann für alles
Weitere vollumfänglich auf seine zutreffenden Überlegungen verwiesen werden
(Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend haben die unterliegenden Beschwerdeführer
die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 BGG). Es sind
keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juli 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger