Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.2/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_2/2012

Urteil vom 22. Februar 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner,

gegen

Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.

Gegenstand
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung / unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung,

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung
III, Instruktionsrichter, vom 28. November 2011.

Sachverhalt:

A.
Der nigerianische Staatsangehörige X.________ (geb. 1981) durchlief nach
illegaler Einreise (unter falscher Identität) in der Schweiz 2002/03 zunächst
erfolglos ein Asylverfahren. Am 5. Oktober 2005 reiste er erneut illegal ein
und heiratete am 25. November 2005 die Schweizer Bürgerin Y.________ (geb.
1983), worauf er die Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs
erhielt. Die Eheleute leben seit Mai/Juli 2010 getrennt; ihre gemeinsame
Tochter Z.________ (2009) wurde gemäss Entscheid des Gerichtspräsidiums Baden
vom 27. Juni 2011 unter die elterliche Obhut der Mutter gestellt und es wurde
dem Vater ein gerichtsübliches Besuchsrecht zugesprochen (jedes zweite
Wochenende, 2 Wochen Ferien).

B.
Zwischen 2007 und 2010 erwirkte X.________ 14 Strafbefehle und 3
Strafverfügungen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz und gegen
das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz; gegen ihn bestehen sodann gemäss
Betreibungsregisterauszug vom 22. Juli 2011 offene Betreibungen von rund Fr.
42'600.-- und 51 Verlustscheine von rund Fr. 53'700.-- .

C.
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2010 verweigerte das Migrationsamt des Kantons
Aargau X.________ die Niederlassungsbewilligung, drohte ihm den Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung an und verwarnte ihn - "im Sinne einer allerletzten
Chance zur Bewährung". Am 4. März 2011 unterbreitete das kantonale Amt die
Akten dem Bundesamt für Migration zur Zustimmung zur Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung.

D.
Nachdem das Bundesamt für Migration X.________ das rechtliche Gehör gewährt
hatte, verweigerte es mit Entscheid vom 8. Juli 2011 diese Zustimmung. Die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege lehnte es ab und wies X.________ aus
der Schweiz weg. Das Bundesamt erwog im Wesentlichen, die Voraussetzungen für
einen Weiterbestand des Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
nach Auflösung der Familiengemeinschaft seien mangels erfolgreicher Integration
nicht erfüllt.

E.
Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ an das Bundesverwaltungsgericht und
beantragte dort u.a., die Zustimmung zur Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung sei zu erteilen. Gleichzeitig ersuchte er um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Mit Verfügung vom 28. November 2011 wies das Bundesverwaltungsgericht das
letztgenannte Ersuchen ab und verpflichtete X.________ zur Zahlung eines
Kostenvorschusses von Fr. 1'000.--. Das Gericht erwog im Wesentlichen, das bei
ihm erhobene Rechtsmittel sei aussichtslos.

F.
Mit Eingabe vom 30. Dezember 2011 führt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, die
letztgenannte Verfügung aufzuheben und ihm - dem Beschwerdeführer - im
Verfahren betreffend Verweigerung der Zustimmung zur Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung zu gewähren. Dasselbe Begehren stellt er auch für das
Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht.

Die Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist dagegen nicht durchgeführt
worden.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86
Abs. 1 lit. a BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde,
mithin ein Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131 mit
Hinweis). Von einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil ist auszugehen, wenn
nicht nur die unentgeltliche Rechtspflege verweigert, sondern - wie hier -
zugleich auch die Anhandnahme des Rechtsmittels von der Bezahlung eines
Kostenvorschusses durch die gesuchstellende Partei abhängig gemacht wird (BGE
128 V 199 E. 2b S. 202 mit Hinweisen). Bei Zwischenentscheiden folgt der
Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteil 5A_145/2010 vom 7. April 2010 E. 1.1).
In dieser geht es hier um eine im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer
(AuG, SR 142.20) und Art. 8 EMRK anspruchsbegründende Verlängerung einer
Aufenthaltsbewilligung bzw. der Zustimmung dazu, mithin um eine Angelegenheit,
die der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht unterliegt (Art. 82 ff. BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
Insoweit steht dasselbe Rechtsmittel auch gegen die Verweigerung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht offen. Auf die vorliegende Beschwerde ist daher
einzutreten.

2.
Der Bundesrat legt fest, in welchen Fällen Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- und
Niederlassungsbewilligungen sowie kantonale arbeitsmarktliche Vorentscheide dem
Bundesamt für Migration zu unterbreiten sind (Art. 99 AuG). Das Bundesamt ist
u.a. zuständig für die Zustimmung zu solchen Bewilligungen, wenn es ein
Zustimmungsverfahren zur Koordination der Praxis im Rahmen des Gesetzesvollzugs
für bestimmte Personen- und Gesuchskategorien als notwendig erachtet (Art. 85
Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt
und Erwerbstätigkeit, VZAE; SR 142.201). Dies ist u.a. der Fall bei der
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers nach der Auflösung der
ehelichen Gemeinschaft mit dem schweizerischen Ehegatten, falls der Ausländer
nicht aus einem Mitgliedstaat der EG oder der EFTA stammt (Art. 77 VZAE in
Verbindung mit Ziff. 1.3.1.4 der Weisungen "Verfahren und Zuständigkeiten" des
Bundesamtes für Migration [Fassung vom 30. September 2011], abrufbar unter
www.bfm.admin.ch; zur Bundesrechtskonformität dieses Zustimmungserfordernisses
vgl. Urteil 2C_140/2010 vom 17. Juni 2010, E. 5.4. und 5.5). Diese
Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weswegen der Kanton Aargau die Akten dem
Bundesamt für Migration zur Zustimmung zu unterbreiten hatte. Dessen Entscheid
unterliegt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 112 AuG in
Verbindung mit Art. 31 VGG).

3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Ersuchen des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen, weil es dessen
Rechtsmittel als aussichtslos erachtet.

Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 29
Abs. 3 BV Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten
beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als
ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als
aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage
halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine
Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger
Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen
Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht
deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 133 III 614 E. 5 S.
616 mit Hinweis). Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen,
beurteilt sich aufgrund einer summarischen Prüfung nach den Verhältnissen zur
Zeit, zu der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wird (BGE 133
III 614 E. 5 S. 616 mit Hinweisen).

4.
4.1 Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder
unter 18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Nach Auflösung der
Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch des Ehegatten und der
Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den
Artikeln 42 und 43 weiter, wenn u.a. die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre
bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a
AuG).

Das Bundesverwaltungsgericht durfte angesichts der umfangreichen
Vorstrafenliste und der zahlreich vorhandenen Betreibungen und Verlustscheine
vorliegend aufgrund summarischer Prüfung annehmen, der Beschwerdeführer sei in
der Schweiz nicht erfolgreich integriert und es fehle deswegen schon von
vornherein an den Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG. Die
Beteuerungen des Beschwerdeführers, Strafbefehle und Strafverfügungen gegen ihn
seien nur bis zum 4. August 2010 ergangen, worauf er sich "stark gebessert"
habe und nach der (kantonalen) Verwarnung "seinen Verpflichtungen absolut
nachgekommen" sei, sind insoweit zu relativieren, als auch nach der Verwarnung
vom 9. Dezember 2010 weitere Betreibungen hinzugekommen sind (vgl.
Betreibungsregisterauszug vom 22. Juli 2011). Aus dem Umstand, dass ihm der
Kanton die Aufenthaltsbewilligung verlängern wollte, kann er sodann nichts für
sich ableiten, ist der Bund bei der Erteilung seiner Zustimmung doch nicht an
einen kantonalen Entscheid gebunden (Urteil 2C_140/2010 vom 17. Juni 2010, E.
5.4).

4.2 Zu prüfen bleibt, ob das Bundesverwaltungsgericht die Aussichtslosigkeit
auch darin erkennen durfte, dass die Voraussetzungen für einen Bleibeanspruch
in Bezug auf die Beziehung zu seiner Tochter offensichtlich nicht erfüllt
seien; hat ein Ausländer nämlich nahe Verwandte mit einem gefestigten
Anwesenheitsrecht in der Schweiz und wird die intakte familiäre Beziehung
tatsächlich gelebt, kann es sodann Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV
verletzen, wenn ihm die Anwesenheit in der Schweiz untersagt und damit sein
Familienleben vereitelt wird (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen).

4.3 Aus familienrechtlichen Gründen muss der Elternteil, der sich für das
Zusammenleben mit seinen Kindern auf Art. 8 EMRK beruft, grundsätzlich über das
Sorge- bzw. Obhutsrecht verfügen (BGE 2C_711/2010 vom 1. April 2011 E. 2.3.1;
137 I 247 E. 4.2.1 und 4.2.2 S. 250 f.; 135 I 153 E. 2.2.4 S. 158; Urteile
2C_173/2011 vom 24. Juni 2011 E. 4 und 5; 2C_234/2010 vom 11. Juli 2011 E.
2.4). Dabei sind die zivilrechtlichen Vorgaben von den Migrationsbehörden
anzuerkennen, so lange sie nicht auf den dort vorgesehenen Rechtswegen
abgeändert wurden (Urteil 2C_234/2010 vom 11. Juli 2011 E. 2.4.2). Der nicht
sorge- bzw. obhutsberechtigte Ausländer kann die familiäre Beziehung mit seinen
Kindern schon aus zivilrechtlichen Gründen von vornherein nur in einem
beschränkten Rahmen leben, nämlich durch Ausübung des ihm eingeräumten
Besuchsrechts. Hierzu ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass er dauernd im
gleichen Land wie das Kind lebt und dort über eine Aufenthaltsbewilligung
verfügt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist
ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn zwischen dem Ausländer und dessen Kindern
in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht besonders enge Beziehungen
bestehen, die - würde eine Bewilligung verweigert - wegen der Distanz zwischen
der Schweiz und dem Land, in welches der Ausländer vermutlich auszureisen
hätte, praktisch nicht aufrechterhalten werden könnten. Zudem muss sich der
Ausländer tadellos verhalten haben (vgl. Urteil 2C_578/2011 vom 1. Dezember
2011, E. 3.4.3, mit Hinweisen).

Diese letztgenannte Voraussetzung ist beim Beschwerdeführer offensichtlich
nicht erfüllt. Dass das Sorgerecht entgegen den Ausführungen im angefochtenen
Entscheid noch gar nicht der Mutter zugesprochen worden ist, ändert nichts; es
ist von den tatsächlichen Betreuungsverhältnissen auszugehen (Z.________ lebt
unter der Obhut ihrer Mutter, vgl. vorne lit. A). Ausserdem ist nicht
ersichtlich, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der
Kindsmutter vom 13. September 2011, wonach der Beschwerdeführer "ein guter
Mensch" und "toller Vater" sei, willkürlich gewürdigt hätte; das entsprechende,
nicht unterzeichnete und zudem unrichtig adressierte Schreiben befindet sich
nicht in den amtlichen Akten der Vorinstanz. Sodann ist das Besuchsrecht nicht
besonders grosszügig ausgestaltet (vgl. ebenfalls vorne lit. A), und der
Beschwerdeführer umschreibt auch die Art der Beziehungspflege zu seiner Tochter
nicht.

Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz das bei ihr erhobene Rechtsmittel ohne
Rechtsverletzung als aussichtslos bezeichnen und das entsprechende Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abweisen.

5.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.

Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 65/
66 BGG). Seinem Gesuch, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren, kann nicht
entsprochen werden, zumal der angefochtene Entscheid im Einklang mit der
veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts steht und der
Beschwerdeführer deshalb nicht ernsthaft mit einer Gutheissung seiner Anträge
rechnen durfte (Art. 64 Abs. 1 BGG). Vorliegend rechtfertigen es die Umstände
jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz
2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, Instruktionsrichter, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. Februar 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Zünd Klopfenstein