Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.286/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_286/2012

Urteil vom 10. April 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Seiler,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Y.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider-Koch,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002
Luzern.

Gegenstand
Ausländerrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 16. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1983) stammt aus Kenia. Sie heiratete am 16. Dezember 2003
einen Schweizer Bürger (geb. 1956), mit dem sie vom Januar 2004 bis zum Oktober
2007 zusammenlebte, wobei sie sich aber vom 21. August 2004 bis zum 14.
September 2005 in ihrer Heimat aufhielt. 2008 wurde der Sohn Y.________
geboren. 2010 hob das Amtsgericht Luzern-Stadt dessen Kindsverhältnis zum
schweizerischen Vater und Ehegatten rückwirkend auf.

1.2 Am 1. Februar 2011 lehnte das Amt für Migration des Kantons Luzern es ab,
die am 14. September 2007 abgelaufene Aufenthaltsbewilligung von X.________ zu
verlängern. Diese gelangte hiergegen erfolglos an das Justiz- und
Sicherheitsdepartement sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern.
X.________ beantragt für sich und ihren Sohn vor Bundesgericht, den
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid vom 16. Februar 2012 aufzuheben, ihnen
eine Aufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung) zu erteilen oder die Sache hierfür
an das Amt für Migration zurückzuweisen.

2.
Die Beschwerde erweist sich aufgrund der vom Verwaltungsgericht zutreffend
wiedergegebenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung als offensichtlich
unbegründet und kann ohne Weiterungen im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt
werden:
2.1
2.1.1 Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) in Kraft getreten. Nach dessen
Art. 126 Abs. 1 bleibt auf Gesuche, die vor diesem Zeitpunkt eingereicht worden
sind, das bisherige Recht - d.h. das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121) - anwendbar. Da die
Beschwerdeführerin am 12. November 2007 die Verlängerung ihrer Bewilligung
beantragt hat, ist ihr Gesuch noch in Anwendung des alten Rechts zu beurteilen,
auch wenn das Migrationsamt erst nach Inkrafttreten des Ausländergesetzes
hierüber entschied.
2.1.2 Die Beschwerdeführer machen deshalb vergeblich geltend, es bestehe bei
ihnen ein nachehelicher Härtefall im Sinne des neuen Rechts (Art. 50 AuG): Die
Frage hat im Kanton nicht Verfahrensgegenstand gebildet oder bilden müssen
(vgl. das Urteil 2C_869/2010 vom 19. April 2011 E. 2.3) und ist deshalb (auch)
im vorliegenden Verfahren nicht weiter zu prüfen. Hieran ändert nichts, dass
sich das Bewilligungsverfahren bis ins Jahr 2011 hingezogen hat. Soweit die
Beschwerdeführer dies beanstanden, ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen,
dass sie mit einer Rechtsverzögerungsbeschwerde auf eine Beschleunigung des
Verfahrens hätten hinwirken können und sich dieses - was sie nicht bestreiten -
nicht zuletzt auch gerade deshalb verzögert hat, weil ihr Aufenthaltsort
während eineinhalb Jahren unbekannt geblieben ist; im Übrigen haben sie von der
Verfahrensdauer insofern profitiert, als sie sich in dieser Zeit im Land
aufhielten. Am anwendbaren Recht hätte sich so oder anders nichts geändert
(vgl. das Urteil 2C_869/2010 vom 19. April 2011 E. 2.4).
2.1.3 Soweit die Beschwerdeführer darauf hinweisen, dass die kantonalen
Instanzen es zu Unrecht abgelehnt haben, ihre Situation als Härtefall nach
altem Recht zu bewerten und ihnen ermessensweise die Bewilligung zu verlängern
(Art. 13 lit. f BVO, Art. 4 ANAG; vgl. BGE 122 II 186 E. 1; 119 Ib 91 E. 2 S.
96 ff.), verkennen sie, dass diesbezüglich mangels eines entsprechenden
(Bewilligungs-)Anspruchs weder die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Ziff. 5 BGG; BGE 137 II 345 E.
3.2.1 S. 348) noch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offensteht (vgl. BGE
137 II 305 E. 2 mit Hinweisen; Urteil 2C_699/2008 vom 30. September 2008 E.
2.3). Es kann auf ihre entsprechenden Ausführungen deshalb nicht weiter
eingegangen werden.
2.2
2.2.1 Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat trotz
ordnungsgemässem und ununterbrochenem Aufenthalt von fünf Jahren keinen
Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung seiner Bewilligung im Sinne von Art. 7
ANAG mehr, falls die Ehe geschlossen wurde, um die Vorschriften über Aufenthalt
und Niederlassung zu umgehen ("Ausländerrechtsehe"), oder falls sich die
Berufung darauf anderswie als rechtsmissbräuchlich erweist (Art. 7 Abs. 2 ANAG;
BGE 128 II 145 E. 2 u. 3; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff.). Dies ist praxisgemäss der
Fall, wenn sich der Ausländer auf eine Ehe beruft, die ohne jegliche Aussichten
auf Wiedervereinigung nur noch (formell) aufrechterhalten wird, um von der
damit verbundenen Aufenthaltsbewilligung zu profitieren. Hierzu dient Art. 7
ANAG nicht, auch wenn er - anders als Art. 17 ANAG - an das formelle Bestehen
der Ehe anknüpft und nicht an das tatsächliche Zusammenleben der Gatten (BGE
130 II 113 E. 4.2; 119 Ib 417 ff.). Zwar soll die Regelung verhindern, dass der
ausländische Partner mit Blick auf die Erneuerung seiner Bewilligung der
Willkür des schweizerischen Gatten ausgeliefert ist; damit akzeptierte der
Gesetzgeber jedoch nicht, dass jener seinerseits Art. 7 ANAG zu
institutsfremden Zwecken missbraucht.
2.2.2 Die Ehe der Beschwerdeführerin mit ihrem Schweizer Ehemann ist noch nicht
geschieden, doch leben die Gatten unbestrittenermassen seit Oktober 2007
getrennt. Unter Berücksichtigung der Landesabwesenheit (21. August 2004 bis 22.
November 2005) hat das eheliche Zusammenleben insgesamt 2 Jahre und 9 Monate
gedauert. Selbst wenn das Jahr, in welchem die Beschwerdeführerin sich in ihrer
Heimat aufhielt, mitberücksichtigt würde, wären die für den Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung erforderlichen 5 Jahre Aufenthalt in der Schweiz
nicht erreicht. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass nach der
Aufhebung des gemeinsamen Haushalts eine Wiedervereinigung der Gatten geplant
gewesen wäre. Hiergegen spricht der Umstand, dass sie eine Beziehung mit einem
anderen Mann eingegangen ist, aus der 2008 der Sohn Y.________ hervorging. Die
kantonalen Behörden durften deshalb ohne Verletzung von Bundes(verfassungs)
recht davon ausgehen, dass der Ehewille vor Ablauf der von Art. 7 Abs. 1 Satz 2
ANAG geforderten Aufenthaltsdauer von fünf Jahren erloschen war und sich die
Beschwerdeführerin auf eine inhaltsleer gewordene Beziehung berief, an deren
Wiederaufleben sie selber nicht mehr glaubte. Sie kann deshalb aus Art. 7 ANAG
nichts zu ihren Gunsten ableiten.
2.2.3 Auch Art. 8 EMRK (bzw. Art. 13 Abs. 1 BV) steht der Nichtverlängerung der
Bewilligung nicht entgegen: Die Beschwerdeführerin pflegt keine Beziehungen zu
Angehörigen der Kernfamilie, die hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht
verfügen würden (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285). Zwar weist sie darauf hin,
dass sie enge Kontakte zu ihrer Stieftochter unterhalte; diese ist indessen
volljährig und es ist nicht ersichtlich und wird nicht dargetan, inwiefern
zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis bestünde, das es ihr gestatten
würde, sich diesbezüglich auf den konventionsrechtlichen Schutz ihres Privat-
oder Familienlebens und einen sich daraus ergebenden Bewilligungsanspruch zu
berufen (vgl. BGE 129 II 11 E. 2 S. 14; 120 Ib 257 E. 1d und e S. 261 f.;
EGMR-Urteil Slivenko gegen Litauen vom 9. Oktober 2003 [Nr. 48321/99] § 97).
Aus dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens ergibt sich ein Recht auf Verbleib
im Land bloss unter besonderen Umständen, wobei eine lange Anwesenheit und die
damit verbundene normale Integration für sich alleine nicht genügen; es bedarf
hierzu vielmehr besonders intensiver, über eine normale Integration
hinausgehender privater Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher Natur
bzw. entsprechender vertiefter sozialer Beziehungen zum ausserfamiliären bzw.
ausserhäuslichen Bereich (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286 mit Hinweisen). Solche
sind hier nicht ersichtlich: Die Beschwerdeführerin ist erst mit rund 21 Jahren
in die Schweiz gekommen. Sie hält sich noch nicht sehr lange im Land auf und
kann hier nur als beschränkt integriert gelten (Sprachkenntnisse,
Fürsorgeabhängigkeit, Betreibungen usw.). Ihr Sohn verfügt nicht (mehr) über
die schweizerische Staatsbürgerschaft und befindet sich noch in einem
anpassungsfähigen Alter; es ist ihm zumutbar, das Land mit der
sorgeberechtigten Beschwerdeführerin zu verlassen. Der mutmassliche Vater
stammt seinerseits aus Nigeria und hat erklärt, sich vorstellen zu können, mit
der Beschwerdeführerin und dem gemeinsamen Sohn in Afrika zu leben.

3.
3.1 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Für
alles Weitere kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen
werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Mit dem vorliegenden Urteil in der Sache selber
wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

3.2 Die Beschwerde hatte - wie die Eingaben in den kantonalen
Rechtsmittelverfahren - als aussichtslos zu gelten (vgl. BGE 129 I 129 E. 2.3.1
S. 135 f. mit Hinweisen), weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung abzuweisen ist (vgl. Art. 64 BGG). Die Beschwerdeführer werden
dementsprechend kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. April 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar