Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.280/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_280/2012

Urteil vom 30. August 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 21. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
Der kosovarische Staatsangehörige X.________ (geb. 1975) reiste am 30. August
2006 in die Schweiz ein und heiratete hier am 25. September 2006 die Schweizer
Bürgerin Y.________ (geb. 1982). Am 9. November 2006 wurde ihm im Kanton St.
Gallen eine Aufenthaltsbewilligung als Ehegatte einer Schweizer Bürgerin
erteilt. Am 1. Februar 2007 zog X.________ in den Kanton Zürich und nahm
Wohnsitz in Dietlikon/ZH. Am 28. Februar 2007 wurde ihm im Kanton Zürich die
Aufenthaltsbewilligung erteilt und letztmals bis 24. September 2010 verlängert.
Im Juni 2009 gaben die Eheleute X.________ und Y.________ den Einwohnerdiensten
Dietlikon bekannt, ab dem 30. Juni 2009 "freiwillig getrennt" zu leben.

B.
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs wies das Migrationsamt des Kantons Zürich
mit Verfügung vom 1. Februar 2011 ein Gesuch von X.________ um Verlängerung
seiner Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihm eine Frist zum Verlassen der
Schweiz bis zum 30. April 2011. Die dagegen bei der Sicherheitsdirektion und
beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erhobenen Rechtsmittel blieben
erfolglos.

C.
Mit Eingabe vom 23. März 2012 erhebt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2012 sei aufzuheben und seine
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Vernehmlassung,
während die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich sowie das Bundesamt für
Migration die Abweisung der Beschwerde beantragen.

Mit Verfügung vom 28. März 2012 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts
betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumt. Da sich der Beschwerdeführer auf eine formell noch
bestehende Ehe mit einer Schweizer Bürgerin und somit auf einen grundsätzlichen
Bewilligungsanspruch nach Art. 42, 49 bzw. 50 AuG (SR 142.20) und Art. 8 EMRK
sowie Art. 13 Abs. 1 BV beruft, ist auf sein rechtzeitig eingereichtes
Rechtsmittel einzutreten. Ob ihm die begehrte Bewilligung aufgrund der
konkreten Umstände tatsächlich zu erteilen ist, bildet eine Frage der
nachfolgenden materiellen Beurteilung (vgl. BGE 136 II 177 E. 1.2 S. 180 mit
Hinweisen).

2.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG hat der ausländische Ehegatte einer Schweizerin
Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie
zusammenwohnen. Nach Art. 49 AuG brauchen Eheleute nicht zusammenzuwohnen, wenn
für getrennte Wohnorte wichtige Gründe geltend gemacht werden und die
Familiengemeinschaft weiter besteht. Nach Auflösung der Ehe oder der
Familiengemeinschaft hat der ausländische Ehegatte gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG
weiterhin einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art.
42 AuG, wenn (lit. a) die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat
und eine erfolgreiche Integration besteht oder (lit. b) wichtige persönliche
Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Die
Ansprüche nach Art. 42 AuG erlöschen, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend
gemacht werden, namentlich um Vorschriften über die Zulassung und den
Aufenthalt zu umgehen (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG).

3.
3.1 Der immer noch mit Y.________ verheiratete Beschwerdeführer macht eine
fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung und willkürliche Beweiswürdigung durch die
Vorinstanz geltend. Er führt aus, die gesundheitlichen Probleme seiner Ehefrau,
welche auf ihren Drogenkonsum zurückzuführen seien, stellten wichtige Gründe
für eine Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens im Sinne von Art. 49 AuG
dar. Zudem macht er sinngemäss geltend, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt, indem sie nicht wie von ihm beantragt seine
Schwiegermutter und seine Ehefrau angehört habe. Diese hätten das Vorliegen
wichtiger Gründe bestätigen können. Selbst wenn von einem nicht mehr nach Art.
49 AuG gerechtfertigten Getrenntleben auszugehen wäre, habe die Ehegemeinschaft
mehr als drei Jahre bestanden. Insoweit seien zumindest die Voraussetzungen des
Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG erfüllt. Mithin habe er auf jeden Fall einen Anspruch
auf weitere Verlängerung seiner Bewilligung nach Art. 42 Abs. 1 AuG.

3.2 Die Vorinstanz hat dagegen festgestellt, bereits kurz nach der
Eheschliessung hätten die Eheleute möglicherweise nicht mehr zusammengelebt,
was jedoch bestritten werde. Spätestens per 30. Juni 2009 lebten sie jedoch
getrennt und dieser Zustand dauere bis heute an. Zunächst sei die Gattin nach
Riedt bei Erlen/TG, später nach St. Gallen gezogen. Nachdem der Kanton St.
Gallen einem Gesuch um Kantonswechsel des Beschwerdeführers nicht entsprochen
habe, sei dieser bei seinem Bruder in Dübendorf/ZH eingezogen (vgl.
angefochtener Entscheid E. 3.2). Daraus hat die Vorinstanz den Schluss gezogen,
dass eine tatsächlich gelebte Ehegemeinschaft höchstens für den Zeitraum von
der Heirat am 25. September 2006 bis zum Wegzug der Ehefrau Ende Juni 2009
bestanden habe. Abgesehen von den Klinikaufenthalten liessen sich keine
wichtigen Gründe für das Getrenntleben erblicken (vgl. angefochtener Entscheid
E. 3.3).

3.3 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an und kann eine
Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Seinem Urteil legt es aber grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz kann gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von
schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Die Rüge der
offensichtlich unrichtigen, d.h. willkürlichen Feststellung des Sachverhalts
prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der
Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. In der
Beschwerde muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene
Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Die
Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung ist willkürlich, wenn die Behörde
in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (vgl.
BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254; 135 I 313 E. 1.3 S. 316; 135 II 356 E. 4.2.1 S.
362; je mit Hinweisen).
Was der Beschwerdeführer diesbezüglich einwendet, erschöpft sich weitgehend in
appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil, die für die Begründung einer
willkürlichen Feststellung des Sachverhalts nicht genügt. Er beschränkt sich im
Wesentlichen darauf, seine eigene Sichtweise der Verhältnisse darzulegen. In
weiten Teilen zitiert er sogar wortwörtlich aus seiner Beschwerdeschrift an die
Vorinstanz. Für die Begründung von Willkür im Sinne von Art. 9 BV genügt es
jedoch nicht, dass eine Würdigung der Beweise, wie sie der Beschwerdeführer als
richtig ansieht, ebenso in Betracht gezogen werden könnte. Denn Willkür liegt
nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn das angefochtene Urteil
nicht mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmt oder eine andere
Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern
nur, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder
widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(vgl. BGE 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362).

3.4 Aufgrund der willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz ist erwiesen, dass
die Ehefrau mindestens seit Ende Juni 2009 nicht mehr mit dem Beschwerdeführer
zusammengewohnt hat. Weiter durfte die Vorinstanz den Schluss ziehen, dass -
abgesehen von den Klinikaufenthalten - keine wichtigen Gründe für ein
Getrenntleben im Sinne von Art. 49 AuG vorliegen. Insbesondere der Umstand,
dass der Ehegattin offenbar die Nähe zur Mutter und dem Beschwerdeführer die
Nähe zum Arbeitgeber wichtiger ist als das Zusammenleben in einer gemeinsamen
Wohnung, spricht nicht für das Weiterbestehen der ehelichen Gemeinschaft.
Sodann kann den Ausführungen des Beschwerdeführers auch nicht entnommen werden,
inwiefern das Getrenntleben der Ehegatten allenfalls medizinisch bedingt sein
soll.

3.5 Die Familiennachzugsbestimmungen der Art. 42 Abs. 1, 49 und 51 AuG sind
nicht dazu bestimmt, dass jeder Ehepartner auf seiner Seite je für sich
unabhängig leben kann bzw. das Getrenntleben ohne wichtigen Grund zum Regelfall
wird. Vielmehr sind sie darauf ausgerichtet, dass die Eheleute grundsätzlich
zusammenwohnen und die eheliche Gemeinschaft auch tatsächlich anhaltend und
nicht bloss sporadisch oder durch Kurzbesuche leben. Insofern hat die
Vorinstanz unter Bezugnahme auf die soeben erwähnten Bestimmungen zu Recht die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigert. Die dargestellte
Lebensgestaltung der Eheleute stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von Art.
49 AuG für das Getrenntleben dar (vgl. auch Urteile 2C_231/2011 vom 21. Juli
2011 E. 4.5; 2C_288/2011 vom 7. April 2011 E. 2.2.2; 2C_573/2010 vom 21.
Dezember 2010 E. 3.3).

Dem Dargelegten zufolge durfte die Vorinstanz denn auch in antizipierter
Beweiswürdigung von der Einvernahme der vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen
(Schwiegermutter bzw. Ehefrau des Beschwerdeführers) absehen. Die Aussagen der
Ehefrau sind aktenkundig und in den Entscheid der Vorinstanz eingeflossen.
Selbst wenn die Schwiegermutter namentlich bezeugt hätte, sie und der
Beschwerdeführer hätten ein gutes Verhältnis und der Beschwerdeführer und seine
Ehefrau hätten sich mehrmals gegenseitig besucht, würde dies nichts daran
ändern, dass sich Letztere seit Ende Juni 2009 andernorts als der
Beschwerdeführer aufhält, ohne dass hiefür wichtige Gründe vorliegen.

3.6 Demzufolge hat die Vorinstanz zu Recht die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 in Verbindung mit Art. 49 AuG sowie nach
Art. 8 EMRK und Art. 13 BV verweigert. Der Beschwerdeführer kann auch keine
Bewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG verlangen, da die
Ehegemeinschaft infolge der spätestens Ende Juni 2009 erfolgten Trennung
entgegen seiner Ansicht weniger als drei Jahre bestanden hatte. Im Rahmen
dieser Bestimmung kommt es nicht nur auf den formellen Bestand der Ehe von
mindestens drei Jahren an. Vielmehr muss - vorbehältlich des hier wie soeben
dargelegt nicht gegebenen Anwendungsfalles nach Art. 49 AuG - auch die
Haushaltsgemeinschaft mindestens ebenso lange in der Schweiz gelebt worden sein
(vgl. BGE 136 II 113 E. 3.2 und 3.3 S. 116 ff.). Schliesslich sind auch keine
wichtigen persönlichen Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG geltend
gemacht worden oder ersichtlich.

4.
4.1 Damit ist die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht nach Art.
42, 49 und 50 AuG zu verlängern. Deshalb erweist sich die Beschwerde als
unbegründet und ist abzuweisen.

4.2 Diesem Ausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 f. BGG).
Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, der
Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. August 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger