Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.250/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_250/2012

Urteil vom 28. März 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Séverine Zimmermann,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Kammer, vom 1. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1975) stammt aus Gambia. Er durchlief in der Schweiz unter
falscher Identität erfolglos ein Asylverfahren und hielt sich anschliessend
illegal im Land auf, bevor er am 19. Mai 2003 die Schweizer Bürgerin Y.________
(geb. 1980) heiratete. In der Folge erhielt er eine zuletzt bis zum 18. Mai
2009 verlängerte Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Gattin. Aus der
Ehe ging der Sohn A.________ (geb. 2003) hervor. Seit dem 11. Januar 2008 leben
die Eheleute X.________ und Y.________ getrennt, wobei der Sohn ursprünglich
unter die Obhut der Mutter gestellt wurde. Die Obhut musste ihr in der Folge
entzogen und A.________ platziert werden. Das Ehescheidungsverfahren ist
hängig. Zurzeit verfügen beide Elternteile über ein Besuchsrecht. A.________
ist zwecks weiterer psychiatrischer Abklärungen vorübergehend in ein kinder-
und jugendpsychiatrisches Zentrum eingewiesen worden.

1.2 X.________ wurde in der Schweiz zwischen 2002 und 2008 wiederholt
straffällig (Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz [BetmG; SR 812.121]);
zudem mussten er und seine Familie von 2003 bis 2007 von der öffentlichen Hand
mit insgesamt Fr. 53'438.-- unterstützt werden. Am 12. Februar 2010 wies das
Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch von X.________ ab, seine
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, und hielt ihn an, das Land bis zum 11.
Mai 2010 zu verlassen. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23.
August 2010 wurde X.________ wegen Drogenhandels zu 20 Monaten Freiheitsstrafe
und einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt. X.________ befindet sich seit dem 9.
Mai 2011 im Strafvollzug; seine bedingte Entlassung ist frühestens auf den 8.
Juni 2012 möglich.

1.3 Am 1. Februar 2012 bestätigte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.________. Dieser könne sich
mangels hinreichender Integration nicht auf Art. 50 AuG (SR 142.20;
eigenständiger Aufenthalt nach "Auflösung der Familiengemeinschaft") berufen;
ein umgekehrter Familiennachzug in Anwendung von Art. 8 EMRK (bzw. Art. 13 Abs.
1 BV) komme wegen seiner Straffälligkeit nicht infrage.

1.4 X.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Bis zum
rechtskräftigen Entscheid des Scheidungsrichters über die Zuteilung der
elterlichen Sorge sei das Verfahren zu sistieren.

2.
2.1 Die Eingabe erweist sich, soweit darauf einzutreten ist (vgl. Art. 42 BGG;
BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3), mit Blick auf die bundesgerichtliche Praxis,
welche im angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben wird, als
offensichtlich unbegründet und kann deshalb ohne Weiterungen im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Eine Sistierung erübrigt sich, da
das Rechtsmittel abzuweisen wäre, selbst wenn der Beschwerdeführer nicht nur
über ein Besuchsrecht (jedes zweite Wochenende), sondern das Sorgerecht über
den Sohn verfügen würde. Hiervon ist auch die Vorinstanz ausgegangen. Sie hat
mit ihrem Entscheid in der Sache selber implizit über das bei ihr eingereichte
Sistierungsgesuch entschieden. Dass sie nicht ausdrücklich noch darlegte, dass
sie auf die Sistierung verzichte, da der Ausgang des zivilrechtlichen
Verfahrens über das Sorgerecht für das ausländerrechtliche Verfahren nicht
entscheidend sei, weil das öffentliche Interesse an der Ausreise des
Beschwerdeführers so oder anders das private an seinem Verbleib im Rahmen von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK überwiege, bildet - entgegen der Kritik des
Beschwerdeführers - keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
2.2
2.2.1 Das Bundesgericht ist ursprünglich davon ausgegangen, dass es einem
Schweizer Kind, namentlich einem solchen im Kleinkindalter, regelmässig
zugemutet werden könne, das Lebensschicksal des Sorge- und Obhutsberechtigten
im Ausland zu teilen (vgl. BGE 127 II 60 E. 2a S. 67; 122 II 289 E. 3c S. 298).
In neueren Entscheiden hat es diese Rechtsprechung mit Blick auf die Vorgaben
des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (KRK; SR
0.107) sowie die verfassungsrechtlichen Gebote staatsbürgerlicher Natur
relativiert. Dem sorge- und obhutsberechtigten ausländischen Elternteil darf
der Verbleib bei seinem Schweizer Kind demnach nicht mehr allein zur
Durchsetzung einer restriktiven Einwanderungspolitik verweigert werden, sondern
nur noch, wenn hierfür besondere - namentlich ordnungs- und
sicherheitspolizeiliche - Gründe von einem gewissen Gewicht sprechen (BGE 137 I
247 E. 4.2.1 und 4.2.2; 136 I 285 E. 5.2; 135 I 153 E. 2.2.4 S. 158, 143 E. 3
und 4 S. 148 ff.).
2.2.2 Der Beschwerdeführer hat sich über Jahre hinweg nicht zu integrieren
vermocht, weshalb er sich im vorliegenden Verfahren denn auch nicht mehr auf
Art. 50 AuG beruft. Er ist hier in der Drogenszene aktiv gewesen: Sämtliche
Strafbefehle und die damit verbundenen Strafvollzüge vermochten ihn nicht davon
abzuhalten, immer wieder gegen das Gesetz zu verstossen. Die schwerste
Verurteilung vom 23. August 2010 zu 20 Monaten Freiheitsstrafe erfolgte wegen
qualifizierten Drogenhandels (Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG; vgl. Art. 62 lit. b
AuG). Insgesamt wurden gegen ihn Freiheitsstrafen von annährend 2 1/2 Jahren
verhängt. Der Beschwerdeführer befindet sich zurzeit denn auch noch im
Strafvollzug. Er kann sein Besuchsrecht deshalb nur punktuell und über seine
neue Freundin wahrnehmen. Seine frühere Familie und er mussten zudem über Jahre
hinweg von der Sozialhilfe unterstützt werden (vgl. Art. 62 lit. e AuG). Weder
die Beziehung zu seinem Sohn, die er heute in den Vordergrund stellt, noch drei
ausländerrechtliche Verwarnungen im Zusammenhang mit seinem bisherigen
Verhalten vermochten ihn von seiner Delinquenz abzubringen. Im Zusammenhang mit
Drogenhandel verfolgt das Bundesgericht - in Übereinstimmung mit der in Europa
vorherrschenden Rechtsauffassung (vgl. BGE 129 II 215 E. 6 u. 7 S. 220 ff. und
das EGMR-Urteil Arvelo Aponte gegen Niederlande vom 3. November 2011 [28770/05]
§ 58) - ausländerrechtlich eine strenge Praxis (BGE 125 II 521 E. 4a/aa S.
527). Auch bei Berücksichtigung des Interesses des Schweizer Kindes überwiegt
deshalb vorliegend das öffentliche Interesse am Schutz der Bevölkerung vor
potentiell rückfallgefährdeten ausländischen Straftätern, die sich nicht in die
hiesigen Verhältnisse zu integrieren vermochten, wiederholt gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen haben (vgl. Art. 62 lit. c AuG)
und sich selbst durch mehrere Verwarnungen nicht dazu bewegen liessen, die in
der Schweiz geltende Ordnung zu beachten (vgl. Urteil 2C_817/2011 vom 13. März
2012 E. 3.2.3). Dies gilt umso mehr, wenn (wie hier) gar noch nicht feststeht,
dass dem Beschwerdeführer tatsächlich das Sorge- und Obhutsrecht über den Sohn
wird übertragen werden können, und seine neue Freundin, welche sich offenbar
während des Besuchsrechts des Kindes annimmt, wegen des bisherigen Verhaltens
des Beschwerdeführers nicht davon ausgehen durfte, dass sie ihre Beziehung zu
diesem hier würde leben können.
2.2.3 Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass das Bundesgericht in
seiner Rechtsprechung unterstrichen habe, dass der zivilrechtliche
Zuteilungssentscheid, der dem Kindeswohl entsprechen müsse, nicht durch
ausländerrechtliche Motive verfälscht werden dürfe, verkennt er, dass es an der
zitierten Urteilsstelle (lediglich) darum ging, die Situation des unmündigen
Kindes gegen jene des Partners eines Schweizer Gatten abzugrenzen (BGE 137 I
247 E. 5.1.3). Das Kindeswohl ist ausländerrechtlich bloss ein im Rahmen von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu berücksichtigender Faktor unter mehreren und nicht wie
beim zivilrechtlichen Zuteilungsentscheid (vgl. Art. 133 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB)
der allein ausschlaggebende.
2.2.4 Falls der Beschwerdedeführer künftig weiterhin nur über ein Besuchsrecht
verfügen würde, wäre der angefochtene Entscheid ebenfalls nicht zu beanstanden:
Der nicht obhuts- und sorgeberechtigte Ausländer kann die familiäre Beziehung
zu seinen Kindern nur in einem entsprechend beschränkten Rahmen leben. Hierzu
ist nicht erforderlich, dass er sich dauernd im gleichen Land aufhält wie das
Kind und dort über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Den Anforderungen von
Art. 8 EMRK ist in diesen Fällen regelmässig bereits dann Genüge getan, wenn
das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden
kann, wobei die Modalitäten entsprechend anzupassen bzw. auszugestalten sind.
Ein weitergehender Anspruch anerkennt die Rechtsprechung (unter zusätzlichen
Bedingungen) bloss, wenn das bisherige Verhalten des Ausländers in der Schweiz
zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (vgl. das Urteil 2C_171/2009 vom 3.
August 2009 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen auf die Praxis); dies ist hier
nicht der Fall, auch wenn der Beschwerdeführer beteuert, sich nunmehr bessern
und nach dem Strafvollzug eine Arbeit finden zu wollen.

3.
3.1 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Für
alles Weitere kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen
werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.2 Da die vorliegende Eingabe aufgrund der publizierten Rechtsprechung als von
vornherein aussichtslos zu gelten hatte, ist das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der
unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten für das bundesgerichtliche
Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 1´200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar