Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.240/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_240/2012

Urteil vom 15. März 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 8. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
Der 1986 geborene afghanische Staatsangehörige X.________ reiste im Jahr 2001
in die Schweiz ein und ersuchte hier ohne Erfolg um Asyl. Noch während des
Rechtsmittelverfahrens vor der damaligen Asylrekurskommission heiratete
X.________ am 6. September 2005 eine 1976 geborene Schweizerin, worauf ihm eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt und letztmals bis zum 5. September 2010
verlängert wurde. Aus der Ehe ging am 21. September 2007 ein Sohn hervor.
Mit Urteil vom 28. April 2010 verurteilte ihn das Kreisgericht Toggenburg
namentlich wegen verschiedenen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.
zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Dem Urteil lag insbesondere
zugrunde, dass X.________ in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember
2008 total 60 Gramm Kokaingemisch und 125 Gramm Heroingemisch (entsprechend
17.75 Gramm reinem Heroin) verkauft hatte. Zudem hatte X.________ am 2. April
2008 in Winterthur an einem Treffen teilgenommen, bei welchem es um die
Beschaffung von einem Kilogramm Heroin gegangen war. Im Zusammenhang mit den
obengenannten Taten befand sich X.________ während 127 Tagen in
Untersuchungshaft.
Mit Verfügung vom 24. November 2010 verweigerte das Migrationsamt des Kantons
Zürich die weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.________ unter
Hinweis auf dessen Delinquenz.

B.
Gegen die Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung rekurrierte
X.________ ohne Erfolg bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich: Diese
wies den Rekurs mit Entscheid vom 2. November 2011 ab. Hiergegen führte
X.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches das
Rechtsmittel mit Urteil vom 8. Februar 2012 abwies.

C.
Mit Eingabe vom 14. März 2012 führt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er stellt im
Wesentlichen den Antrag, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben
und ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
Während das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich auf eine Vernehmlassung
verzichtet, schliesst das Bundesamt für Migration auf Abweisung der Beschwerde.
Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die
Angelegenheit am 15. März 2013 an einer öffentlichen Sitzung beraten.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen
von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 III 1 E.
1.1 S. 3).

1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig
gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen,
auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen
(Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) haben ausländische Ehegatten und
ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf
Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen
zusammenwohnen. Ein analoger Anspruch besteht zudem aufgrund des in Art. 8 EMRK
bzw. Art. 13 Abs. 1 BV garantierten Rechts auf Achtung des Familienlebens (vgl.
E. 2.2 hiernach). Der Beschwerdeführer ist mit einer Schweizer Bürgerin
verheiratet und wohnt mit ihr zusammen. Er hat damit einen grundsätzlichen
Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung. Ob der Anspruch erloschen
ist, weil - wie die Vorinstanzen angenommen haben - ein Widerrufsgrund nach
Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b und Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG
vorliegt (vgl. E. 2.1 hiernach), ist eine Frage der materiellen Beurteilung und
nicht der Zulässigkeit des Rechtsmittels (BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 149 f.).
Nach dem Ausgeführten steht im vorliegenden Fall die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen, und es kann auf das im Übrigen
form- und fristgerecht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte
Rechtsmittel eingetreten werden, zumal der Beschwerdeführer als Adressat des
angefochtenen Urteils ohne Weiteres hierzu legitimiert ist (Art. 89 Abs. 1
BGG).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
namentlich die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich der
verfassungsmässigen Rechte) und von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 Abs. 1
lit. a und lit. b BGG). Unter den Begriff des Bundesrechts fällt auch die
Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe. Deren Auslegung unterliegt als
Rechtsfrage - im Gegensatz zur Ermessensausübung - grundsätzlich einer
uneingeschränkten Überprüfung durch das Bundesgericht (Urteil 8C_7/2012 vom 4.
April 2012 E. 4.1; SCHOTT in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler
Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Rz. 36 zu Art. 95). Sodann
stellen auch der Ermessensmissbrauch sowie die Ermessensüberschreitung bzw.
-unterschreitung Rechtsverletzungen und somit mögliche Beschwerdegründe im
bundesgerichtlichen Verfahren dar (Urteil 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013 E. 2;
YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal Fédéral - Commentaire, 2008, Rz. 3477;
SCHOTT, a.a.O., Rz. 34 zu Art. 95). Die blosse Unangemessenheit einer
Entscheidung kann demgegenüber vor Bundesgericht nicht gerügt werden (Art. 95
BGG e contrario). Dies hat zur Folge, dass das Bundesgericht zwar kontrollieren
muss, ob eine Behörde bei der Ausübung eines ihr zustehenden Ermessens die
Schranken des Bundes- und gegebenenfalls des Völkerrechts respektiert hat.
Dagegen unterlässt es die Prüfung, ob es eine innerhalb dieser Schranken
liegende Entscheidung einer Behörde als angemessen erachtet oder nicht (THIERRY
TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2011, § 6 Rz.524 mit Hinweis auf BGE
126 II 425 E. 5c/bb S. 437 f.).
Wie oben stehend ausgeführt, ist also hinsichtlich der Kognition des
Bundesgerichts zwischen überprüfbaren Rechtsfragen einerseits und nicht
überprüfbarer Ermessensausübung andererseits zu unterscheiden. Liegt der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV) im
Streit, erweist sich diese Unterscheidung in der Praxis jedoch oftmals als
schwierig, da Angemessenheit (Ermessensausübung) und Zumutbarkeit bzw.
Verhältnismässigkeit im engeren Sinne (Auslegung eines unbestimmten
Rechtsbegriffs) in einem sehr nahen Verhältnis zueinander stehen (vgl. LORENZ
KNEUBÜHLER, Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht - Spruchkörperbildung
und Kognition, in: Ehrenzeller/Schweizer [Hrsg.], Das Bundesverwaltungsgericht:
Stellung und Aufgaben, 2008, S. 306 ff.; SCHOTT, a.a.O., Rz. 31 ff. zu Art. 95;
BENJAMIN SCHINDLER, Verwaltungsermessen, 2010, Rz. 403, 437). Dies gilt
insbesondere auch auf dem Gebiet des Ausländerrechts, wo die massgeblichen
Kriterien für die Ermessensausübung (Art. 96 AuG) weitestgehend identisch sind
mit jenen für die Prüfung der Verhältnismässigkeit eines Bewilligungswiderrufs
bzw. der Nichtverlängerung einer Bewilligung (vgl. E. 2.2 und E. 2.4 hiernach).

1.3 Das Bundesgericht stellt grundsätzlich auf den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt ab (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diese
Sachverhaltsfeststellungen können vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Rüge, der
Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden, ist
gleichbedeutend mit der Willkürrüge und muss daher gemäss den Anforderungen von
Art. 106 Abs. 2 BGG in der Beschwerdeschrift begründet werden (BGE 136 II 304
E. 2.4 S. 314; 133 II 249 E. 1.2.2 und E. 1.4.3 S. 252 ff.). Vorausgesetzt ist
zudem, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG erlöschen die Ansprüche nach Art. 42 AuG
u.a. wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen. Einen derartigen
Widerrufsgrund setzt ein Ausländer insbesondere dann, wenn er "zu einer
längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde" (Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in
Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG). Als längerfristig im Sinne von Art. 62 lit.
b AuG gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (BGE
135 II 377 E. 4.2 und E. 4.5 S. 379 ff.).

2.2 Liegt ein Widerrufsgrund vor, so ist zu prüfen, ob diese Massnahme bzw. die
Nichtverlängerung der Bewilligung auch als verhältnismässig erscheint (vgl.
Art. 96 AuG; BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 mit Hinweisen). Die Notwendigkeit
einer Verhältnismässigkeitsprüfung ergibt sich insbesondere auch aus Art. 8
Ziff. 2 EMRK: Danach ist ein Eingriff in das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte
Familienleben dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine
Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale
Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die
Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum
Schutz der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer
notwendig erscheint. Die Konvention verlangt insofern eine Abwägung der sich
gegenüberstehenden privaten Interessen an der Bewilligungserteilung und den
öffentlichen Interessen an deren Verweigerung, wobei Letztere in dem Sinne
überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als notwendig erweist (BGE 135 I 153
E. 2.2.1 S. 156; 135 I 143 E. 2.1 S. 147; 122 II 1 E. 2 S. 6 mit Hinweisen).

2.3 Im Zusammenhang mit der aufgezeigten Verhältnismässigkeitsprüfung
entwickelte das Bundesgericht die sogenannte "Reneja-Praxis". Diese beruht
ursprünglich auf BGE 110 Ib 201, wo der Anwesenheitsanspruch eines
marokkanischen Staatsangehörigen zu beurteilen war, welcher eine Schweizerin
geheiratet und sich erst wenige Jahre in der Schweiz aufgehalten hatte, bevor
er wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Zuchthausstrafe von 24 Monaten
verurteilt worden ist. Das Bundesgericht bejahte in jenem Fall einen
grundsätzlichen Anspruch auf Anwesenheit, zumal der schweizerischen Ehefrau die
Ausreise nach Marokko nicht zugemutet werden könne und die privaten Interessen
an einer (weiteren) Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im konkreten Fall
gewichtiger seien als das öffentliche Interesse an einer Wegweisung. Das
Gericht betonte indes, dass jener Fall verglichen mit zahlreichen anderen
Fällen aussergewöhnlich sei. In der Folge entwickelte die Rechtsprechung aus
diesen Erwägungen den Grundsatz, dass einem Ausländer, welcher mit einer
Schweizer Bürgerin verheiratet ist und erstmals oder nach bloss kurzer
Aufenthaltsdauer um die Erneuerung seiner Bewilligung ersucht, im Falle einer
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren in der Regel selbst dann
kein Aufenthaltstitel mehr zu erteilen ist, wenn der schweizerischen
Ehepartnerin die Ausreise nicht oder nur schwer zuzumuten ist. In BGE 135 II
377 E. 4.4 S. 382 f. hat das Bundesgericht diesen Grundsatz bestätigt.
Gleichzeitig rief es aber in Erinnerung, dass es sich bei dieser sog.
"Zweijahresregel" keinesfalls um eine feste Grenze handle, die nicht über- oder
unterschritten werden dürfe; entscheidend sei weiterhin die Abwägung der
widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen im Einzelfall.

2.4 Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind namentlich die Schwere des
Verschuldens, der Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen
Anwesenheit in der Schweiz sowie die dem Betroffenen und seiner Familie
drohenden Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Art. 96 Abs. 1 AuG sowie die bis
31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Art. 11 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; BS 1 121] und
Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV]). Ähnliche Vorgaben
ergeben sich auch aus der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR): Demgemäss sind die Natur und die Schwere der begangenen
Delikte sowie die seit der Tatbegehung verstrichene Zeit und das seitherige
Verhalten der betreffenden Person zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind auch
die Dauer des Aufenthaltes der ausländischen Person im Gastgeberstaat und die
Intensität ihrer sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl im
Gastgeberstaat als auch im Heimatland. Ebenso ist die familiäre Situation des
Betroffenen zu beachten, namentlich die Dauer seiner Ehe, die
Staatsangehörigkeit sämtlicher beteiligter Personen sowie übrige Umstände,
welche Rückschlüsse auf die effektive Natur der Paarbeziehung erlauben.
Massgebend ist weiter, ob die Ehegattin bzw. der Ehegatte der betreffenden
ausländischen Person bei Aufnahme der familiären Beziehung von deren
deliktischen Handlungen gewusst hatte. Ferner spielt auch eine Rolle, welche
Probleme die Ehegattin bzw. der Ehegatte bei einer gemeinsamen Ausreise ins
Heimatland des Partners zu gegenwärtigen hätte. Zu prüfen ist sodann, ob aus
der Beziehung Kinder hervorgegangen sind und in welchem Alter sich diese
gegebenenfalls befinden. Insbesondere sind auch die Interessen und das Wohl der
Kinder des Betroffenen von Bedeutung, wobei namentlich deren mutmasslichen
Schwierigkeiten bei der Rückkehr in ihr Heimatland Rechnung zu tragen ist
(Urteile des EGMR Kissiwa Koffi gegen die Schweiz vom 15. November 2012, Rz.63;
Boultif gegen die Schweiz vom 2. August 2001, Rz. 48; vgl. auch die Urteile des
EGMR Üner gegen die Niederlande vom 18. Oktober 2006, Rz. 57, sowie Maslov
gegen Österreich vom 23. Juni 2008, Rz. 57 f.).

2.5 Was das Fernhalteinteresse anbetrifft, so muss gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei schweren Straftaten - wozu grundsätzlich
auch Drogendelikte aus rein finanziellen Motiven gehören - selbst ein geringes
Restrisiko weiterer Delinquenz nicht in Kauf genommen werden (BGE 130 II 176 E.
4.2-4.4 S. 185 ff. mit Hinweisen). Auch der EGMR akzeptiert ausdrücklich, dass
bei Betäubungsmitteldelinquenz von einer gewissen Schwere ein strenger Massstab
angelegt wird; gemäss seiner Praxis überwiegt bei Betäubungsmitteldelikten
regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts
(Urteile des EGMR Kissiwa Koffi gegen die Schweiz vom 15. November 2012, Rz.65
ff., 71; Balogun gegen das Vereinigte Königreich vom 10. April 2012, Rz. 49
ff., 53; Baghli gegen Frankreich vom 30. November 1999, Rz. 48 f.; Dalia gegen
Frankreich vom 19. Februar 1998, Rz. 54 f.).
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmungen von Art. 121 Abs. 3-6 BV
hinzuweisen, welche mit Volksabstimmung vom 28. November 2010 in die Verfassung
aufgenommen wurden und seither in Kraft stehen (AS 2011 1199). Gemäss diesen
Bestimmungen verlieren Ausländerinnen und Ausländer unabhängig von ihrem
ausländerrechtlichen Status ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf
Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie unter anderem wegen "Drogenhandels"
rechtskräftig verurteilt worden sind (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV). In den
Urteilen 2C_828/2011 und 2C_926/2011 vom 12. Oktober 2012 (beide zur
Publikation vorgesehen) hat das Bundesgericht entschieden, dass die
Bestimmungen in Art. 121 Abs. 3-6 BV nicht hinreichend klar formuliert sind, um
eine direkte Anwendbarkeit begründen zu können. Eine unmittelbare Anwendung
stünde auch im Widerspruch zu anderen für die Schweiz verbindlichen
verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben, namentlich zu den die
schweizerische Verfassungsordnung prägenden Grundsätzen rechtsstaatlichen
Handelns (Art. 5 BV: Bindung an das Recht, Verhältnismässigkeit, Treu und
Glauben, Beachtung des Völkerrechts) und zum Respekt der verfassungsmässigen
Rechte (Urteil 2C_828/2011 E. 4.3.2 ff.). Ein Spannungsverhältnis besteht
insbesondere auch zwischen Art. 121 Abs. 3-6 BV und Art. 8 Ziff. 2 EMRK, zumal
die zur letzteren Bestimmung ergangene Rechtsprechung des EGMR - wie bereits
aufgezeigt - eine Interessenabwägung im Einzelfall verlangt (vgl. E. 2.2
hiervor). Indessen hat der EGMR wiederholt erklärt, dass den Behörden eines
jeden Konventionsstaates ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Umsetzung
ihrer Migrations- und Ausländerpolitik und damit auch bei der
Interessenabwägung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK verbleibt (Urteile des EGMR Kissiwa
Koffi gegen die Schweiz vom 15. November 2012, Rz.64; Slivenko gegen Lettland
vom 9. Oktober 2003, Rz. 113). In den genannten Urteilen 2C_828/2011 E. 5.3 und
2C_926/2011 E. 2.3.2 hat das Bundesgericht deshalb festgehalten, es könne der
vom Verfassungsgeber zum Ausdruck gebrachten Wertung insoweit Rechnung tragen,
als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu keinen
Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führe, den der EGMR den einzelnen
Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik
zugestehe.

3.
Die Anwendung dieser allgemeinen Überlegungen auf den hier zu beurteilenden
Fall ergibt folgendes:

3.1 Aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer "längerfristigen"
Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist vorliegend ein Widerrufsgrund nach Art. 62
lit. b AuG i.V.m Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG gegeben, was der Beschwerdeführer zu
Recht nicht bestreitet. Umstritten und somit im Nachfolgenden zu prüfen ist
dagegen die Verhältnismässigkeit der angeordneten Massnahme.

3.2 Das Verwaltungsgericht hält diesbezüglich im angefochtenen Entscheid fest,
der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten zumindest eventualvorsätzlich in
Kauf genommen, die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr zu bringen. Er habe
auch nicht deswegen mit Drogen gehandelt, um beispielsweise seine eigene Sucht
zu finanzieren, sondern einzig mit dem Zweck der persönlichen Bereicherung. Im
Zeitpunkt der Tat sei er gut zweieinhalb Jahre verheiratet gewesen und habe
einen knapp einjährigen Sohn gehabt. Trotz dieser familiären Bindungen und der
damit einhergehenden Verpflichtung habe er sich bewusst für das Verbrechen
entschieden und so fehlendes Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Dem
Beschwerdeführer fehle es zudem an aufrichtiger Reue und Einsicht: Nachdem er
anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Toggenburg schlussendlich
geständig gewesen sei, habe er ein halbes Jahr später gegenüber der
Kantonspolizei Zürich wiederum erklärt, er halte sich nach wie vor für
unschuldig. Aufgrund der genannten Umstände erscheine ein Rückfall als
wahrscheinlich, was gerade bei Drogendelikten nicht hinnehmbar sei. Obwohl der
Beschwerdeführer seit nunmehr elf Jahren in der Schweiz lebe, habe er kaum
Beziehungen zu Schweizer Staatsangehörigen aufgebaut; als Freunde bzw. Bekannte
bezeichne er ausschliesslich Personen aus seinem Kulturkreis, namentlich zwei
Iraner und einen Afghanen. Weiter hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei
zwar fraglich, aber doch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die schweizerische
Gattin dem Beschwerdeführer ins Ausland nachfolgen könnte. Gleiches gelte für
den Sohn, welcher sich noch in einem anpassungsfähigen Alter befinde. Letztlich
könne die Frage nach der Zumutbarkeit eines Nachzugs ins Ausland aufgrund der
Schwere der vom Beschwerdeführer verübten Delikte aber offenbleiben.

3.3 Der Beschwerdeführer führt demgegenüber ins Feld, die vom Kreisgericht
Toggenburg beurteilten Delikte gingen auf das Jahr 2008 zurück und er habe sich
seither wohlverhalten. Er komme seinen Verpflichtungen als Ehemann und als
Vater nach und betreue gemeinsam mit seiner Ehefrau auch ein Pflegekind der
Gemeinde. Er gehe einer geregelten Erwerbstätigkeit nach, wofür er auch lange
Arbeitswege in Kauf nehme. Bezüglich seiner Drogenverkäufe und seines Konsums
habe er vor dem Kreisgericht Toggenburg ein detailliertes Geständnis abgelegt;
der Vorwurf, er habe den Erwerb eines Kilogramms Heroin beabsichtigt, beruhe
dagegen einzig auf den fragwürdigen Aussagen eines Mitbeschuldigten. Aufgrund
dieser Umstände könne von fehlender Einsicht und von einer hohen Rückfallgefahr
keine Rede sein. Ebenso könne auch nicht einzig deswegen auf eine mangelnde
gesellschaftliche Integration geschlossen werden, weil er auf die Frage nach
seinem Freundes- und Bekanntenkreis bloss drei aus seinem Kulturkreis stammende
Personen angegeben habe. Weiter müsse nicht mit einer künftigen
Sozialhilfeabhängigkeit gerechnet werden, da er lediglich im Juni und Juli 2009
vom Sozialamt unterstützt worden sei und er diese Leistungen in der
Zwischenzeit zurückbezahlt habe. Schliesslich dürften die Vorinstanzen nicht
davon ausgehen, dass seiner schweizerischen Ehefrau und seinem Sohn eine
Ausreise nach Afghanistan zuzumuten sei: Auch wenn seine Gattin persische
Gruss- und Dankesformeln kenne, so bedeute dies nicht, dass sie die Sprache gut
verstehe. Im Zusammenhang mit diesen Vorbringen rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung von Art. 42 Abs. 1 und Art. 62 lit. b AuG, Art. 8 EMRK sowie von
Art. 9 BV.

3.4 Die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten, insbesondere der wiederholte
Verkauf von harten Drogen, wiegen schwer. Mit Recht erachtet es das
Verwaltungsgericht zudem als bedenklich, dass der Beschwerdeführer ohne Not und
trotz seiner familiären Verankerung in die Delinquenz abrutschte. Ebenso kann
das Ausmass seiner Reue angesichts des erst an der Hauptverhandlung abgelegten
Geständnisses und dem erneuten Bestreiten anlässlich einer späteren Einvernahme
in Frage gestellt werden. Sodann spricht auch das Strafmass von zwei Jahren für
ein gravierendes Verschulden des Beschwerdeführers und für eine erhebliche
Geringschätzung der schweizerischen Rechtsordnung. Wie bereits ausgeführt (vgl.
E. 2.3 hiervor), stellt die sog. "Zweijahresregel" aber - ungeachtet der Art
der Delinquenz - keine feste Grenze dar, die nicht über- oder unterschritten
werden dürfte. Entscheidend ist stets das Gesamtbild eines jeden Einzelfalles,
welches anhand von sämtlichen der massgeblichen Kriterien (vgl. E. 2.4 hiervor)
zu beurteilen ist.Im Zusammenhang mit den genannten Kriterien ist festzuhalten,
dass der Beschwerdeführer nunmehr bereits seit zwölf Jahren in der Schweiz
lebt, erst als Asylbewerber und seit 2005 mit einer regulären
Aufenthaltsbewilligung. Die Delikte, welche Anlass zur Nichtverlängerung der
Bewilligung gaben, fanden im Jahr 2008 statt und liegen somit inzwischen über
vier Jahre zurück. Seither hat sich der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich -
keine Verfehlungen mehr zu Schulden kommen lassen. Bezüglich seiner
gesellschaftlichen Integration ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer -
abgesehen von kurzen Unterbrüchen - stets gearbeitet hat und jedenfalls so gut
Deutsch spricht, dass die polizeiliche Befragung zu den im Raum stehenden
Massnahmen ohne Dolmetscher durchgeführt werden konnte.

3.5 Ebenso gilt es zu beachten, dass wohl die vom Beschwerdeführer bezeichneten
Freunde aus dem persischen Kulturkreis kommen mögen, nicht jedoch seine
schweizerische Ehefrau, mit welcher er seit nunmehr über sieben Jahren
verheiratet ist. Dieser ist eine Ausreise nach Afghanistan angesichts der
desolaten humanitären Situation und der selbst für afghanische Staatsangehörige
existenzbedrohenden Sicherheitslage (dazu BVGE 2011/7 sowie BVGE 2011/38 und 
BVGE 2011/49) offensichtlich nicht zuzumuten, selbst wenn sie über rudimentäre
Kenntnisse der persischen Sprache und der lokalen Kultur im Herkunftsland ihres
Gatten verfügen sollte. Da die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten erst
rund drei Jahre nach der Eheschliessung und rund ein Jahr nach Geburt des
gemeinsamen Kindes erfolgten, konnte die schweizerische Gattin bei Gründung der
familiären Gemeinschaft noch keine Kenntnis hiervon haben, weswegen sie zu
jenem Zeitpunkt auch nicht mit der Anordnung von fremdenpolizeilichen
Massnahmen gegenüber ihrem Ehemann rechnen musste.

3.6 Von ausschlaggebender Bedeutung ist im vorliegenden Fall namentlich auch
die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem inzwischen fünfjährigen Sohn:
Gemäss den übereinstimmenden Angaben der Ehegatten hat sich das Familienleben
insbesondere seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der
Untersuchungshaft intensiviert. Das Vater-Sohn-Verhältnis ist intakt und nach
den vorinstanzlichen Feststellungen unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem
Sohn jeweils am Dienstagnachmittag oder am Donnerstagmorgen Ausflüge (See,
Fussball, Einkaufszentrum, etc.); das Familienleben wird als harmonisch
beschrieben. Demgegenüber müsste die Ehefrau des Beschwerdeführers im Falle von
dessen Ausreise das gemeinsame Kind alleine betreuen und grossziehen, was eine
erhebliche Erschwernis darstellen würde und der Entwicklung des Kindes
jedenfalls nicht zuträglich wäre.

3.7 Als weiteres Kriterium bei der Interessenabwägung erachtet es das
Bundesgericht als massgeblich, ob es sich beim fehlbaren Ausländer um einen
Rückfalltäter handelt, oder ob die Anlass zu fremdenpolizeilichen Massnahmen
gebende Verurteilung das erste gegen ihn ergangene Straferkenntnis darstellt.
Dies erscheint deswegen als bedeutsam, weil ein Rückfalltäter - anders als ein
erstmals verurteilter Delinquent - durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht
hat, dass er sich sogar durch die gegen ihn ausgesprochene Strafe nicht von
weiteren kriminellen Handlungen abhalten lässt. Im vorliegenden Fall stellt das
Urteil des Kreisgerichts Toggenburg vom 28. April 2010 die erste
strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers dar. Da er sich - wie
bereits erwähnt - seither wohlverhalten hat, darf zu seinen Gunsten davon
ausgegangen werden, die dort ausgesprochene Sanktion sei geeignet gewesen, eine
nachhaltige Besserung herbeizuführen.

3.8 Die obenstehenden Erwägungen führen zum Schluss, dass die gegen den
Beschwerdeführer ausgesprochene Massnahme nicht als verhältnismässig bezeichnet
werden kann. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers ist daher zu
verlängern. Der Beschwerdeführer ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen,
dass eine weitere Bewilligungsverlängerung nicht mehr in Frage kommt, sollte er
erneut delinquieren oder durch sein Verhalten einen anderen Widerrufsgrund
setzen. Der Beschwerdeführer wird in diesem Sinne ausdrücklich verwarnt (Art.
96 Abs. 2 AuG).

4.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gutzuheissen und das angefochtene Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Februar 2012 aufzuheben. Das
Migrationsamt des Kantons Zürich ist anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung des
Beschwerdeführers zu verlängern.
Bei diesem Ergebnis sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine
Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich
hat dem Beschwerdeführer jedoch eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68
Abs. 1 BGG). Für die Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens wird die Angelegenheit an das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich zurückgewiesen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird beim vorliegenden
Verfahrensausgang gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 8. Februar 2012 wird aufgehoben. Das Migrationsamt des
Kantons Zürich wird angewiesen, die Aufenthaltsbewilligung des
Beschwerdeführers zu verlängern.

2.
Der Beschwerdeführer wird im Sinne der Erwägungen verwarnt.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

5.
Zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens
wird die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

6.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 15. März 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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