Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.221/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_221/2012

Urteil vom 19. Juni 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Seiler,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Y.________,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Migrationsamt, Berninastrasse 45,
Postfach, 8090 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 20. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Die portugiesische Staatsangehörige X.________ (geb. 1979) heiratete im
Jahr 2000 in Deutschland den kosovarischen Staatsangehörigen Y.________ (geb.
1977). Das Landgericht A.________ verurteilte Y.________ am 20. Mai 2003 wegen
gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Am
28. September 2004 wies der Landrat des Kreises B.________ Y.________ dauernd
aus Deutschland aus und verfügte die Abschiebung aus der Haft heraus. Am 5.
Oktober 2006 wurde die Abschiebung vollzogen.

1.2 X.________ reiste im Jahr 2008 in die Schweiz ein, wo ihr das Migrationsamt
des Kantons Zürich eine Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA erteilte. Am 31. März
2009 stellte sie ein Nachzugsgesuch für ihren im Kosovo weilenden Ehemann. Die
Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) wies das Gesuch am 10. Juni 2010 ab. Die
dagegen erhobenen Rechtsmittel an den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich blieben erfolglos.

1.3 Mit Eingabe vom 1. März 2012 (Postaufgabe 8. März 2012) führt X.________
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht und
beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2012 sei
aufzuheben und es sei ihr der Familiennachzug zu genehmigen. Auf die Anordnung
eines Schriftenwechsels wurde verzichtet.

2.
2.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Erteilung oder Verweigerung
von Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das
Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).

2.2 Nach Art. 7 lit. d des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1
und 2 lit. a Anhang I FZA hat der Ehegatte eines EU-Bürgers, der in der Schweiz
über ein Aufenthaltsrecht verfügt, während der gesamten Ehedauer einen
grundsätzlichen (abgeleiteten) Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung (Urteil
2C_547/2010 vom 10. Dezember 2010 E. 2.1). Die Beschwerdeführerin kann sich als
portugiesische Staatsangehörige wegen ihres (originären) Anwesenheitsrechts als
Arbeitnehmerin für den Nachzug ihres Ehemannes grundsätzlich auf diese Regelung
berufen, da nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr erforderlich
ist, dass sich der nachzuziehende Drittstaatsangehörige bereits rechtmässig mit
einem nicht nur vorübergehenden Anwesenheitstitel in der Schweiz oder in einem
anderen Vertragsstaat aufgehalten hat (BGE 136 II 5 E. 3.7 S. 19
[Praxisänderung "Metock"]). Für das Eintreten genügt, dass im Rahmen des
Freizügigkeitsabkommens potentiell ein Anspruch auf die Bewilligung besteht
bzw. die Kriterien einer der im FZA vorgesehenen Situationen der Freizügigkeit
erfüllt erscheinen (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f. mit Hinweisen).
Auf die vorliegende Beschwerde ist daher einzutreten.

3.
3.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dürfen die vom Freizügigkeitsabkommen -
unter anderem nach den erwähnten Art. 2 und 3 Anhang I FZA - gewährten
Rechtsansprüche "nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden"
(BGE 130 II 176 E. 3.1 S. 179 f. mit Hinweisen). Weitere Präzisierungen finden
sich vor allem in der Richtlinie 64/221/EWG des Rates der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der
Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit
sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit
gerechtfertigt sind (kurz: RL 64/221/EWG; publ. in: ABl. Nr. 56, S. 850), auf
welche in Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA Bezug genommen wird.

3.2 Art. 5 Anhang I FZA kann nicht zu Massnahmen ermächtigen, die über
diejenigen hinausgehen, welche im schweizerischen Recht (insbesondere dem
Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG;
SR 142.20]) vorgesehen sind. Daher ist zunächst zu untersuchen, ob es
ausserhalb des Freizügigkeitsabkommens eine Rechtsgrundlage gibt, auf welche
die Verweigerung des vorliegend beantragten Familiennachzugs gestützt werden
kann. Erst bei Bejahung dieser Frage ist in einem nächsten Schritt zu prüfen,
inwiefern das Freizügigkeitsabkommen zusätzliche Schranken auferlegt (BGE 130
II 177 E. 3.2 S. 181). Mit Blick auf Art. 2 FZA darf für Ehegatten von
Staatsangehörigen von Vertragsparteien dabei keine strengere Regelung zur
Anwendung kommen, als sie für ausländische Ehegatten von Schweizer Bürgern gilt
(BGE 130 II 177 E. 3.3.2 S. 181).

3.3 Die Vorinstanz hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung korrekt
wiedergegeben und auf den vorliegenden Fall angewandt:
3.3.1 Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch
auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen
zusammenwohnen (Art. 42 AuG). Die Ansprüche nach Art. 42 AuG erlöschen u.a.,
wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a
in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG kann die zuständige Behörde die
Bewilligung widerrufen bzw. verweigern, wenn der Ausländer zu einer
längerfristigen Freiheitsstrafe - d.h einer solchen von mindestens einem Jahr
(vgl. BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5) - verurteilt wurde.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde in Deutschland zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, womit der Widerrufsgrund von Art.
62 lit. b AuG offensichtlich erfüllt ist. Dabei ist der Umstand, dass es sich
um ein Strafurteil aus Deutschland handelt, unbehelflich (vgl. etwa die Urteile
2C_264/2011 vom 15. November 2011 E. 3.3; 2C_427/2008 vom 23. Januar 2009 E.
3.2; 2C_381/2008 vom 14. Januar 2009 E. 2.2; ferner BGE 134 II 25 E. 4.3.1 S.
29). Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, ist sodann die "Zweijahresregel" zu
berücksichtigen, wonach einem mit einer Schweizer Bürgerin verheirateten
Ausländer, der erstmals oder nach bloss kurzer Aufenthaltsdauer um die
Bewilligung ersucht, im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren in der Regel selbst dann kein Aufenthaltstitel mehr zu erteilen
ist, wenn der schweizerischen Ehepartnerin die Ausreise nicht oder nur schwer
zuzumuten ist. In einer solchen Konstellation wären aussergewöhnliche Umstände
vonnöten, um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an den ausländischen
Ehemann einer Schweizer Bürgerin noch zu rechtfertigen ("Reneja-Praxis"; BGE
135 II 377 E. 4.4 S. 382; 130 II 176 E. 4.1 S. 185).
Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass die Vorinstanzen den vorliegend
beantragten Familiennachzug jedenfalls ausserhalb des FZA-Anwendungsbereiches
verweigern durften. Zu prüfen sind im Folgenden somit noch allfällige
zusätzliche Einschränkungen des Freizügigkeitsabkommens (vgl. E. 3.2 hiervor).
3.3.2 Nach der an die Praxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) angeglichenen Rechtsprechung des Bundesgerichts setzen Entfernungs- oder
Fernhaltemassnahmen eine hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der
öffentlichen Ordnung durch den betreffenden Ausländer voraus. Eine
strafrechtliche Verurteilung darf dabei nur insofern zum Anlass für eine
derartige Massnahme genommen werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände
ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung
der öffentlichen Ordnung darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht somit Massnahmen
entgegen, die (allein) aus generalpräventiven Gründen verfügt werden (vgl. BGE
130 II 176 E. 3.4 S. 182 ff.; 129 II 215 E. 7 S. 221 ff.; je mit Hinweisen).
Während die Prognose über das künftige Wohlverhalten im Rahmen der
Interessenabwägung nach rein nationalem Ausländerrecht zwar
mitzuberücksichtigen, aber nicht ausschlaggebend ist, kommt es bei Art. 5
Anhang I FZA wesentlich auf das Rückfallrisiko an (BGE 130 II 176 E. 4.2 S. 185
mit Hinweisen). Zu verlangen ist eine nach Art und Ausmass der möglichen
Rechtsgüterverletzung zu differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass
der Ausländer künftig die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird. Je
schwerer die möglichen Rechtsgüterverletzungen sind, desto niedriger sind die
Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr (BGE 136 II 5 E. 4.2 S.
20 mit Hinweisen).
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid (E. 4.2) zu Recht die
Auffassung der Vorinstanzen geschützt, wonach vom Ehemann der
Beschwerdeführerin aufgrund seines bisherigen Verhaltens nach wie vor eine
gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht: So
handelt es sich um eine schwerwiegende Verurteilung (Handel mit 1,3 Kilogramm
Heroingemisch, Schmuggel von 6,4 Kilogramm Heroin), weshalb auch der zuständige
Landrat in Deutschland zum Schluss kam, es bestehe eine konkrete Gefahr für
weitere Straftaten und eine Ausweisung des Ehemanns der Beschwerdeführerin
rechtfertige sich auch im Rahmen der die Personenfreizügigkeit schützenden
Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Der sinngemässe Einwand, er
sei seit seiner Rückkehr in den Kosovo nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung
getreten, ist angesichts der Schwere des Delikts und dem Umstand, dass bei
Betäubungsmitteldelikten eine strenge Praxis gilt (Urteil 2C_799/2009 vom 21.
Juni 2010 E. 3.2) nicht stichhaltig. Zu Recht hat die Vorinstanz sodann
ausgeführt, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei als Haupttäter aufgetreten
und unterhalte auch Kontakte zum schweizerischen Drogenmilieu.
Aussergewöhnliche Umstände im Sinne der "Reneja-Praxis" (vgl. E. 3.3.1 hiervor)
liegen nicht vor; die Beschwerdeführerin wusste um die gegen ihren Ehemann
verfügte Einreisesperre, und ihr persönliches Interesse, die Ehe in der Schweiz
führen zu können, vermag das öffentliche Interesse an der Fernhaltung ihres
Ehemannes nicht zu überwiegen, zumal sie auch 2006 vorzog, alleine in
Deutschland zu bleiben.
Für alles Weitere kann auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen
Entscheid verwiesen werden. Insbesondere erübrigen sich bei diesem
Verfahrensausgang weitere Bemerkungen über die Rechtswirkung der von
Deutschland verfügten dauernden Ausweisung auf die Schweiz (vgl. angefochtener
Entscheid E. 4.3).

4.
4.1 Die Eingabe erweist sich somit - unabhängig davon, ob sie in allen Punkten
den gesetzlichen Formerfordernissen genügt oder nicht (vgl. Art. 42 BGG; BGE
134 II 244 E. 2.1-2.3 S. 245 ff.) - als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen.

4.2 Die Beschwerdeführerin hat die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Sicherheitsdirektion, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, sowie
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juni 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger