Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.220/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_220/2012

Urteil vom 5. September 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin, Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Hänni.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung (Nichtverlängerung),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 1. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1979) ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina. Am 28.
Dezember 2006 heiratete er die aus Kroatien stammende Schweizer Bürgerin
Y.________. X.________ reiste am 26. Mai 2007 in die Schweiz ein und erhielt in
der Folge eine Aufenthaltsbewilligung. In seinem Gesuch um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung erklärte er, weder in der Schweiz noch im Ausland
vorbestraft zu sein.

1.2 Im März und April 2010 nahmen die Genfer Strafverfolgungsbehörden
X.________ in Untersuchungshaft. Dabei stellte sich heraus, dass er in
Deutschland zwischen 2001 und 2004 zu folgenden Strafen verurteilt worden war:
Im Jahr 2001 zu 20 Tagessätzen à DM 20.-- Geldstrafe wegen vorsätzlichen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis; ebenfalls im Jahr 2001 zu 40 Tagessätzen zu je DM
20.-- wegen Körperverletzung; im Jahr 2002 zu drei Jahren und acht Monaten
Freiheitsstrafe wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und versuchten
Diebstahls und im Jahr 2004 zu sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen
gemeinschaftlichen Diebstahls.

1.3 Mit Verfügung vom 13. September 2010 widerrief das Migrationsamt die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.________ und setzte ihm Frist bis
30. November 2010, um die Schweiz zu verlassen. Die Sicherheitsdirektion sowie
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürichs bestätigten am 1. Dezember 2011 bzw.
1. März 2012 diesen Entscheid.

1.4 X.________ beantragt mit Eingabe vom 7. März 2012, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben; seine Aufenthaltsbewilligung sei zu verlängern.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat darauf verzichtet, sich vernehmen
zu lassen. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und das Bundesamt für
Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

1.5 Mit Verfügung vom 13. März 2012 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde
antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.
Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG zu erledigen.

2.1 Die Aufenthaltsbewilligung kann widerrufen bzw. nicht verlängert werden,
wenn eine ausländische Person oder ihr Vertreter im Bewilligungsverfahren
falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat (Art. 62
lit. a AuG [SR 142.20]) bzw. die ausländische Person zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (Art. 62 lit. b AuG). Von einer solchen
wird praxisgemäss bei einem Freiheitsentzug von mehr als einem Jahr ausgegangen
(BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5). Dabei sind auch im Ausland verhängte Strafen
von Bedeutung (vgl. etwa die Urteile 2C_339/2012 vom 10. Juli 2012 E. 2.3.1;
2C_264/2011 vom 15. November 2011 E. 3.3; 2C_427/2008 vom 23. Januar 2009 E.
3.2; 2C_381/2008 vom 14. Januar 2009 E. 2.2; ferner BGE 134 II 25 E. 4.3.1 S.
29).
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanzen hätten sein
Verschulden überbewertet, verkennt er, dass der Ausgangspunkt und Massstab für
die Schwere des Verschuldens und die fremdenpolizeiliche Interessenabwägung die
vom Strafgericht verhängte Strafe bildet (vgl. Urteil 2C_295/2009 E. 5.3 nicht
publ. in BGE 135 II 377; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). Der Beschwerdeführer ist in
Deutschland verschiedentlich verurteilt worden, darunter zu drei Jahren und
acht Monaten Freiheitsstrafe wegen schweren Bandendiebstahls und versuchten
Diebstahls. Er hat damit einen Widerrufsgrund gesetzt, den er den Behörden
zudem verschwiegen hat (Urteil 2C_339/2012 vom 10. Juli 2012 E. 2.3.1; 2C_651/
2009 vom 1. März 2010 E. 4.1 mit Hinweisen).

2.2 Die Nichtverlängerung seiner Bewilligung erweist sich auch als
verhältnismässig (vgl. dazu BGE 135 II 377 E. 4.3 u. 4.5):
2.2.1 Zwar bringt der Beschwerdeführer vor, es sei seit den Verurteilungen in
Deutschland geraume Zeit vergangen und er habe sich bisher in der Schweiz -
abgesehen von einer Verurteilung im Jahr 2011 wegen Täuschung des
Migrationsamts zu 60 Tagessätzen à Fr. 100.-- - nichts mehr zuschulden kommen
lassen. Diese Vorbringen genügen jedoch nicht, um die Gefahr eines weiteren
Rückfalls auszuschliessen und sein privates Interesse dem öffentlichen
Interesse des Schutzes der Bevölkerung vor potenziell rückfallgefährdeten
ausländischen Straftätern aus Drittstaaten vorgehen zu lassen:
Deutschland kennt eine mit der Schweiz vergleichbare Strafrechtsordnung und
ahndet Vermögensdelikte ähnlich streng. Bandenmässiger Diebstahl wird in der
Schweiz mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180
Tagessätzen bedroht (Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2 StGB); in Deutschland unterliegt
schwerer Bandendiebstahl (§ 244a des Strafgesetzbuches) einer Strafandrohung
von Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Der Beschwerdeführer ist zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei das mit der Tat
befasste deutsche Strafgericht eine erhebliche kriminelle Energie feststellte.
Trotz dieser Verurteilung beging er nur gerade zwei Jahre später erneut einen
gemeinschaftlichen Diebstahl. Unter diesen Umständen besteht nach wie vor eine
ernst zu nehmende Rückfallgefahr, steht doch bei ausländerrechtlichen
Massnahmen das Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im
Vordergrund. Daraus ergibt sich ein strengerer Beurteilungsmassstab im
Strafverfahren, wo auch therapeutische Überlegungen und solche der
Resozialisation bedeutsam sind (vgl. BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 236 f.).
Anlässlich seines Gesuchs um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Jahr 2007
erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich, er sei weder in der Schweiz noch im
Ausland vorbestraft. Zu diesem Zeitpunkt lag seine letzte strafrechtliche
Verurteilung in Deutschland erst drei Jahre zurück. Er hat die Behörden über
diese wesentliche Tatsache getäuscht. Da er in Deutschland wegen seines
strafbaren Verhaltens ausgewiesen worden war, musste ihm bewusst gewesen sein,
dass eine Verurteilung zu mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe wegen schweren
Bandendiebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls auch für die
schweizerischen Behörden relevant sein würde, zumal es sich dabei nicht um
geringfügige Ordnungsbussen, sondern um Geld- und längere Freiheitsstrafen
handelte. Sein täuschendes Verhalten war damit massgeblich für den
migrationsrechtlichen Bewilligungsentscheid (vgl. E. 2.1; Urteil 2C_211/2012 3.
August 2012 E. 3.1; 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 2.1). Auch diese Tatsache
ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen; die Vorinstanz durfte
insgesamt von einem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Beendigung des
Aufenthalts ausgehen.
2.2.2 Entgegen seinen Vorbringen kann auch nicht gesagt werden, dass die
Bewilligung aufgrund "gewichtiger Eigeninteressen" des Beschwerdeführers zu
verlängern wäre: Dieser ist erst mit 28 Jahren in die Schweiz gekommen und hat
seine Beziehungen zu seiner Heimat aufrechterhalten, wo er nach eigenen Angaben
ein Geschäft für Tiernahrung betreibt und sich ein- bis zweimal monatlich
aufhält. Von diesen Einkünften lebt er; demgegenüber steht er in der Schweiz in
keinem Arbeitsverhältnis. Wenn er sich in seinem Heimatstaat aufhält, wohnt er
jeweils bei seinen Eltern; gemäss der Feststellung der Vorinstanz leben zudem
zahlreiche weitere Verwandte in deren Nähe. Auch wenn der Beschwerdeführer
geltend macht, in gesicherten finanziellen Verhältnissen zu leben und über
einen wichtigen Freundeskreis in der Schweiz zu verfügen, dürfte ihm die
Rückkehr und Integration in die dortigen Verhältnisse nicht allzu schwer
fallen, steht ihm doch eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit wie auch eine
Unterkunft zur Verfügung.
2.2.3 Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers
berührt die Beziehung zu seiner hier lebenden Ehegattin, was auch unter dem
Blickwinkel von Art. 8 EMRK relevant sein kann. Seiner Schweizer Ehefrau dürfte
eine Übersiedlung nach Bosnien und Herzegowina grundsätzlich nicht leicht
fallen, doch übertrifft die gegen ihren Ehemann verhängte Strafe den vom
Bundesgericht als Richtwert definierten Rahmen von zwei Jahren, ab dem keine
Bewilligung mehr erteilt wird, selbst wenn dem Ehepartner die Ausreise
unzumutbar oder nur schwer zumutbar erscheint ("Reneja"-Praxis; BGE 135 II 377
E. 4.4 S. 382; 130 II 176 E. 4.1 S. 185). Entgegen den Ausführungen des
Beschwerdeführers ist die Ausreise der Gattin auch nicht offensichtlich
unzumutbar: Sie stammt ursprünglich aus Kroatien, wo sie bis zu ihrem 13.
Lebensjahr gelebt hat. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz verbringt sie
dort und in der Heimat ihres Gatten mehrmals jährlich Ferien- und
Wochenendaufenthalte, ebenso wird in den beiden Ländern die nahezu identische
Sprache gesprochen. Die Gattin des Beschwerdeführers ist demnach mit den
sozio-kulturellen Gegebenheiten der Region und - infolge der regelmässigen
Besuche - auch mit der Familie ihres Gatten vertraut. Aussergewöhnliche
Umstände, welche die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund der
Unzumutbarkeit einer Ausreise von ihr dennoch zu rechtfertigen vermöchten,
liegen nicht vor (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.4 S. 382). Ihr steht es auch frei,
in der Schweiz zu verbleiben und den Kontakt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen
von gegenseitigen Besuchen, Mitteln der Telekommunikation und Briefen aufrecht
zu erhalten (Urteil 2C_679/2011 vom 21. Februar 2012 E. 3.4.3).

2.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid die
bundesgerichtliche Praxis zutreffend wiedergibt und das Verwaltungsgericht die
auf dem Spiele stehenden Interessen im Rahmen von Art. 62 lit. a und b AuG bzw.
Art. 8 Ziff. 2 EMRK sorgfältig gegeneinander abgewogen hat (vgl. auch das
Urteil des EGMR Boultif gegen Schweiz vom 2. August 2001, publ. in: VPB 2001
Nr. 138 S. 1392). Es kann für alles Weitere vollumfänglich auf seine
Überlegungen verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend haben die unterliegenden Beschwerdeführer
die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 BGG). Es sind
keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. September 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Hänni