Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.215/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
2C_215/2012

Urteil vom 17. März 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
Zur Rose Suisse AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Willi,

gegen

Schweizerischer Apothekerverband (PharmaSuisse),
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Tomas Poledna,
Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Versand nicht rezeptpflichtiger Medikamente; Parteistellung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
18. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Die "Zur Rose Retail AG" bzw. heute die "Zur Rose Suisse AG" betreibt eine
Versandapotheke. Am 4. März 2011 wandte sich der Schweizerische
Apothekerverband (PharmaSuisse) mit dem Antrag an das Departement für Finanzen
und Soziales (DFS) des Kantons Thurgau, der "Zur Rose Suisse AG" sei der
Versand von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten an Personen zu untersagen, die
nicht unmittelbarpersönlich von einem Arzt untersucht worden seien und die über
kein ärztliches Rezept verfügten; das "Ganze sei als Antrag auf eine Leistungs-
und Gestaltungsverfügung, eventualiter als Einreichung einer
Aufsichtsbeschwerde oder Anzeige" zu behandeln. Das Departement nahm die
Eingabe am 31. Mai 2011 als Anzeige entgegen; die Versandhandelspraxis der "Zur
Rose Suisse AG" werde in einem separaten Verfahren geprüft werden, in welchem
dem Schweizerischen Apothekerverband keine Parteistellung zukomme.

B.
Mit Urteil vom 18. Januar 2012 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
die vom Schweizerischen Apothekerverband hiergegen eingereichte Beschwerde gut,
hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache "zur materiellen
Beurteilung an das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau"
zurück. Das Gericht ging davon aus, dass die Vorinstanz zu Unrecht die
Parteistellung des Schweizerischen Apothekerverbands verneint und die Eingabe
lediglich als Anzeige entgegengenommen habe. Die PharmaSuisse als Verband der
Schweizer Apotheker nehme im Gesundheitswesen öffentliche Aufgaben wahr, womit
sie eine besondere Rolle innehabe und dementsprechend auch daran interessiert
sei, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten würden. Insgesamt habe
sie ein schützenswertes Interesse an der Überprüfung des fraglichen
Versandhandelsmodells, weshalb ihre Legitimation für das materielle
vorinstanzliche Verfahren zu bejahen sei.

C.
Die "Zur Rose Suisse AG" ist hiergegen am 7. März 2012 mit dem Antrag an das
Bundesgericht gelangt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
aufzuheben und den Entscheid des Departements für Finanzen und Soziales vom 31.
Mai 2011 zu bestätigen, wonach die umstrittene Eingabe nur als Anzeige
entgegengenommen werde. Die Angelegenheit sei zur materiellen Beurteilung an
das Departement zurückzuweisen, mit der Anordnung, dass der Anzeigeerstatterin
keine Parteistellung zukomme.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwiefern auf eine Beschwerde einzutreten ist (BGE 135 III 1 E. 1.1; 132 III
291 E. 1). Immerhin muss die Eingabe auch hinsichtlich der
Prozessvoraussetzungen minimal begründet werden (Art. 42 BGG, vgl. BGE 137 III
522 E. 1.3 mit Hinweis). Die Beschwerdeführerin macht geltend, beim
angefochtenen Entscheid handle es sich um einen Teilentscheid, welcher das
Verfahren für gewisse Streitgenossen - nämlich die PharmaSuisse als Anzeigerin
- im Sinne von Art. 91 lit. b BGG abschliesse, weshalb er beim Bundesgericht
separat angefochten werden könne. Ihre entsprechenden Ausführungen überzeugen
nicht: Bei Art. 91 lit. b BGG geht es um die subjektive Klagenhäufung, d.h. den
Fall, dass mehrere Personen, die aus den gleichen Tatsachen oder Rechtsgründen
berechtigt oder verpflichtet sind, gemeinsam als Kläger auftreten oder als
Beklagte belangt werden (vgl. FELIX UHLMANN, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger,
BSK Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 7 zu Art. 91 BGG). Eine solche
Ausgangslage steht hier offensichtlich nicht zur Diskussion. Im Übrigen hat das
Departement für Finanzen und Soziales zwar erstinstanzlich befunden, dass dem
Beschwerdegegner keine Parteistellung zukomme, das Verwaltungsgericht als
bundesgerichtliche Vorinstanz hat indessen gerade umgekehrt entschieden. Der
angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren für einen Teil der
"Streitgenossen" damit nicht ab, sondern ermöglicht es einer zusätzlichen
Partei, sich an diesem zu beteiligen (vgl. das Urteil 4A_462/2010 vom 17.
November 2010 E. 1.2). Nur wenn das Verwaltungsgericht im Sinne der
Beschwerdeführerin entschieden hätte, wäre das Verfahren kantonal
letztinstanzlich für den Beschwerdegegner beendet gewesen, wogegen er -
losgelöst vom Entscheid in der Sache selber - an das Bundesgericht hätte
gelangen können.
1.2
1.2.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich somit nicht um einen
Teilentscheid, der das kantonale Verfahren für einen Beteiligten abschliesst,
sondern um einen Zwischenentscheid. Da dieser weder die Zuständigkeit noch den
Ausstand betrifft (vgl. Art. 92 BGG), ist er nur anfechtbar, falls er einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder
wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen kann
und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren erspart (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Mit einem
bundesgerichtlichen Urteil über die Parteistellung des Beschwerdegegners im
Verfahren vor dem Departement für Finanzen und Soziales kann in der Sache kein
Endentscheid herbeigeführt werden, da das Verfahren so oder anders durchgeführt
werden muss. Die Beschwerde ist deshalb bloss zulässig, falls die
Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG gegeben sind.
1.2.2 Der im Sinne dieser Bestimmung nicht wieder gutzumachende Nachteil muss
rechtlicher Natur bzw. durch einen für den Beschwerdeführer günstigen
Endentscheid nicht oder nicht mehr vollständig zu beheben sein (BGE 137 III 380
E. 1.2.1; 134 III 188 E. 2.1; 133 III 629 E. 2.3 S. 632; 133 IV 139 E. 4 S.
141). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Nachteil schon im vorinstanzlichen
Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beseitigt wird; es genügt, falls
dies im anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren möglich ist (BGE 134 III
188 E. 2.1; 133 IV 139 E. 4; 126 I 97 E. 1b S. 100 f.; 117 Ia 251 E. 1b S.
254). Die blosse Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens bildet keinen
nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur (BGE 137 III 522 E. 1.3;
136 II 165 E. 1.2.1 S. 170; Urteile 2C_475/ 2011 vom 13. Dezember 2011 E. 2.3
und 2C_687/2009 vom 17. Februar 2010 E. 1.3.2 und 1.3.3, je mit Hinweisen). Das
Bundesgericht soll sich regelmässig nur einmal mit einem Fall befassen müssen
und diesen insgesamt beurteilen können (BGE 133 III 629 E. 2.1 S. 631 mit
Hinweisen). Nur wenn prozessökonomische Gründe eine frühere Befassung zwingend
gebieten und mit der Öffnung des Rechtswegs kein verfahrensrechtlicher Leerlauf
verbunden ist, rechtfertigt es sich, allenfalls ein Zwischenverfahren
einzuleiten (BGE 133 III 629 E. 2.1).
1.2.3 Im vorliegenden Zusammenhang ist - entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführerin - kein nicht wieder gutzumachender Nachteil ersichtlich:
Zwar wird das Verfahren bei einer Teilnahme des Beschwerdegegners allenfalls
aufwändiger, dies bildet indessen nur einen faktischen und keinen rechtlichen
Nachteil. Sollten die Vorinstanzen zuungunsten der Beschwerdeführerin
entscheiden, steht es ihr frei, ein entsprechendes Urteil an das Bundesgericht
weiterzuziehen; andernfalls fällt von vornherein jeglicher mit der Beteiligung
des Beschwerdegegners am Verfahren verbundener Nachteil dahin. Zwar ist die
Verpflichtung, der Gegenpartei Dokumente offenlegen zu müssen, welche
Geschäftsgeheimnisse enthalten, geeignet, einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil zu bewirken (vgl. BGE 129 II 183 E. 3.2.2 S. 187 f.), doch kann dem
hier durch eine sachgerechte Ausgestaltung des Akteneinsichtsrechts
(Abdeckungen usw.) Rechnung getragen werden (vgl. die Urteile 4A.64/2011 vom 1.
September 2011 E. 3.2 u. 3.3; 2C_80/2008 vom 12. März 2008 E. 2.3; 4A_232/2007
vom 2. Oktober 2007 E. 1.3.2, nicht publ. in BGE 133 III 634 ff.); die
Offenlegung erfolgt unmittelbar dem Departement und nicht dem Beschwerdegegner
gegenüber. Die Beschwerdeführerin sieht schliesslich auch zu Unrecht einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil darin, dass eine Verfassungskontrolle
später nicht mehr möglich wäre: Nach Art. 93 Abs. 3 BGG können
Zwischenentscheide, die nicht anfechtbar waren, mit der Beschwerde gegen den
Endentscheid beanstandet werden, soweit sie sich noch auf dessen Inhalt
auswirken. Zwar hat das Bundesgericht entschieden, dass die Pflicht zur
Teilnahme am Sexualkundeunterricht im Rahmen der obligatorischen Schulpflicht
wegen des damit verbundenen, nicht rückgängig zu machenden Eingriffs in
verschiedene materielle Grundrechte (Recht auf persönliche Freiheit, Schutz der
Kinder, Glaubens- und Gewissensfreiheit usw.) im Rahmen des Entscheids über
vorsorgliche Massnahmen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher
Natur bildet (vgl. das Urteil 2C_105/2012 vom 29. Februar 2012 E. 2.2.4), doch
ist diese Situation nicht mit der vorliegenden vergleichbar, wo die
Beschwerdeführerin verschiedene Verletzungen verfahrensrechtlicher Garantien
(Begründungspflicht usw.) und des Willkürverbots im Zusammenhang mit der
Auslegung des kantonalen Rechts rügt. Sie wird diese Vorbringen ohne nicht
wieder gutzumachende Beeinträchtigung ihrer verfassungsmässigen Rechte vor
Bundesgericht nötigenfalls gegen den Endentscheid vorbringen können.

2.
Da auf die Beschwerde demnach nicht einzutreten ist, hat die unterliegende
Beschwerdeführerin die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet, weil
davon abgesehen wurde, einen Schriftenwechsel durchzuführen und dem
Beschwerdegegner somit kein nennenswerter Aufwand entstehen konnte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1´000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. März 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar