Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.213/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_213/2012

Urteil vom 13. März 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 30. Januar 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1979) stammt aus Guinea-Bissau. Er heiratete in der
Schweiz Ende September 2004 die im Kanton Zürich niedergelassene portugiesische
Staatsangehörige Y.________, worauf ihm eine letztmals bis zum 10. Oktober 2011
verlängerte Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Gattin erteilt
wurde. Am 1. September 2010 verurteilte das Bezirksgericht Zürich X.________
wegen Drogenhandels zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten und einer
Busse von Fr. 1'000.--.

1.2 Das Migrationsamt des Kantons Zürich widerrief hierauf am 2. März 2011 die
Aufenthaltsbewilligung von X.________, wogegen dieser erfolglos an die
Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gelangte. Am
16. September 2011 wurde die Ehe X.________ - Y.________ geschieden.

1.3 X.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten bzw. mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vor Bundesgericht,
das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. Januar 2012
aufzuheben und seine Bewilligung zu verlängern.

2.
Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet bzw. unzulässig und
kann - unter ergänzendem Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen
Entscheid - im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden:

2.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche
Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Das Bundesgericht tritt
zwar vorbehaltlos auf Beschwerden gegen Urteile betreffend den Widerruf von
Bewilligungen ein, da damit in ein bestehendes Rechtsverhältnis eingegriffen
wird und die Bewilligung - wäre sie nicht widerrufen worden - weiterhin
Rechtswirkungen entfalten würde. Anders verhält es sich, wenn die Bewilligung -
wie hier - inzwischen abgelaufen ist und im Resultat deren Verlängerung zur
Diskussion steht. In diesem Fall tritt es auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bloss ein, wenn der Betroffene in
vertretbarer Weise einen Anspruch auf die Bewilligungserteilung oder
-verlängerung darzutun vermag (vgl. das Urteil 2C_760/2011 vom 22. September
2011 E. 2.1 mit Hinweisen). Das ist hier jedenfalls teilweise der Fall, weshalb
der Anspruch insoweit materiell zu prüfen ist.
2.2
2.2.1 Der Beschwerdeführer ist nicht mehr mit einer EU-Bürgerin verheiratet,
weshalb er sich nicht auf die Regeln über den Familiennachzug gemäss dem
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681] berufen kann. Der dauerhaft vom EU-Bürger
getrennt lebende Ehegatte aus einem Drittstaat kann sich unter Vorbehalt des
Rechtsmissbrauchs (BGE 130 II 113 E. 9 S. 129 ff.) längstens bis zur
Ehescheidung auf sein (abgeleitetes) EU-Aufenthaltsrecht berufen (Urteil des
EuGH vom 13. Februar 1985 C-267/83 Diatta, Rec. 1985 S. 567; BGE 130 II 113 E.
8 S. 127 ff.); danach erlöscht dieses. Entgegen den Vorbringen des
Beschwerdeführers besteht in seinem Fall auch kein (selbständiges)
freizügigkeitsrechtliches Verbleiberecht: Die Richtlinie 2004/38/EG
(Freizügigkeits- bzw. Unionsbürgerrichtlinie) gilt im Verhältnis mit der
Schweiz nicht (vgl. MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli,
Migrationsrecht, 2009, N. 6 zu Art. 4 Anhang I), weshalb sich der
Beschwerdeführer nicht auf deren Art. 13 Abs. 2 berufen kann, wonach bei
Scheidung, Aufhebung der Ehe oder Beendigung der Partnerschaft das
Aufenthaltsrecht weiter gilt, wenn die Ehe oder Partnerschaft mindestens drei
Jahre gedauert hat, wovon zumindest eines im Aufenthaltsstaat verbracht worden
sein muss. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe einen
freizügigkeitsrechtlichen Anspruch darauf, die Beziehungen zu seinem (früheren)
portugiesischen Stiefsohn pflegen und deshalb in der Schweiz verbleiben zu
können, übersieht er, dass die RL 2004/38/EG hierfür voraussetzen würde, dass
er über dessen Sorgerecht verfügt, was nicht der Fall ist. Die Frage ist im
Rahmen von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (weiter) zu prüfen (vgl. unten E.
2.2.3).
2.2.2 Der Beschwerdeführer hat mit seiner hier niederlassungsberechtigten
Gattin nur rund vier Jahre (30. September 2004 bis 1. September 2008) und nicht
deren fünf zusammengelebt, weshalb er ausländerrechtlich keinen Anspruch auf
eine Niederlassungsbewilligung erworben hat (Art. 43 Abs. 2 AuG [SR 142.20]).
Als ehemaliger Angehöriger einer EU-Bürgerin kann er sich zwar auf Art. 50 AuG
berufen (vgl. das Urteil 2C_886/2011 vom 28. Februar 2012 E. 4), doch steht der
nacheheliche Aufenthaltsanspruch unter dem Vorbehalt des Vorliegens eines
Widerrufsgrunds (Art. 51 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 62 AuG; vgl. das Urteil
2C_692/2011 vom 22. September 2011 E. 2.2.1). Ein solcher ist hier gegeben
(Art. 62 lit. b AuG: "Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe":
BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381; 137 II 297 E. 2): Der Beschwerdeführer ist am 1.
September 2010 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer
(bedingten) Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt worden, da er zwischen
April 2009 und Januar 2010 umgerechnet 400 Gramm reinen Kokains veräussert
hatte; weitere 92 Gramm Kokain konnten zudem in seiner Wohnung sichergestellt
werden. Der Beschwerdeführer hat es aus rein finanziellen Interessen in Kauf
genommen, zahlreiche Menschen zu gefährden und der Suchtgefahr auszusetzen. Er
kann unter diesen Umständen keinen Bewilligungsanspruch aus Art. 50 AuG
ableiten, zumal er mit Blick auf seine Verurteilung und die damit verbundene
schwere Missachtung der hiesigen Rechtsordnung nicht als hinreichend integriert
im Sinne dieser Bestimmung gelten kann (vgl. Art. 77 Abs. 4 lit. a VZAE [SR
142.201] und das Urteil 2C_430/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 4.2 in fine). Die
Rückkehr in seine Heimat ist ihm zumutbar, nachdem er erst mit 25 Jahren in die
Schweiz gekommen ist, sich (ausländerrechtlich bewilligt) bloss seit etwa
sieben Jahren im Land aufhält, mit den Verhältnissen in seiner Heimat, wo sein
Bruder lebt, nach wie vor vertraut ist und ihm hier zwischen September 2004 und
April 2008 rund Fr. 60'000.-- Sozialhilfe ausgerichtet werden mussten. Dass er
zurzeit über zwei Arbeitsstellen verfügt, wobei seine Arbeitgeber mit ihm
zufrieden sind, verschafft ihm kein Anwesenheitsrecht. Sein Hinweis, er arbeite
für eine Sicherheitsfirma, weshalb von ihm keine Gefahr (mehr) ausgehen könne,
ist ausländerrechtlich nicht entscheidend. Die entsprechende private
Einschätzung steht der Nichtverlängerung seiner Bewilligung, auf die er keinen
Anspruch hat, nicht entgegen.
2.2.3 Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13
Abs. 1 BV: Der Beschwerdeführer verfügt in der Schweiz über keine Angehörigen
der Kernfamilie mehr, deren Aufenthalt auf einem gefestigten Anwesenheitsrecht
beruhen würde (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen). Zwar macht er
geltend, er pflege eine intensive Beziehung zu seinem früheren Stiefsohn, er
verkennt jedoch, dass er gegenüber diesem bloss über ein punktuelles
(faktisches) Besuchsrecht verfügt. Nach der Rechtsprechung kann der nicht
sorgeberechtigte Ausländer solche familiären Beziehungen rechtlich nur in einem
beschränkten Rahmen leben, wozu nicht erforderlich ist, dass er sich im
gleichen Land aufhält wie das Kind und dort über eine Aufenthaltsbewilligung
verfügt. Den Anforderungen von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV ist in einem
Fall wie dem vorliegenden, wo es um die Kontakte zu einem Stiefkind durch einen
Drittstaatsangehörigen, der sich nicht tadellos verhalten hat, geht, Genüge
getan, wenn die Kontakte besuchsweise bzw. per Telefon, Briefverkehr oder Neue
Medien aufrechterhalten werden können (vgl. das Urteil 2C_692/2011 vom 22.
September 2011 E. 2.2.2 mit zahlreichen Hinweisen). Unter diese Umständen kann
dahingestellt bleiben, wie eng die Beziehungen zwischen dem Beschwerdeführer
und seinem früheren Stiefsohn tatsächlich sind. Wenn die Vorinstanz gestützt
auf die Erklärung der ehemaligen Gattin, dass der Beschwerdeführer mit diesem
"keinen grossartigen" Kontakt unterhalte, in antizipierter Beweiswürdigung
davon abgesehen hat, Mutter und Sohn noch zu befragen, ist dies im Übrigen -
entgegen der Kritik des Beschwerdeführers - nicht zu beanstanden. Aus dem
Schutz des Privatlebens lässt sich schliesslich nur unter ausserordentlichen
Umständen ein Bewilligungsanspruch ableiten (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S.
286 f.; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.). Die hierzu erforderlichen besonders
intensiven, über eine normale Integration hinausgehenden privaten Bindungen
gesellschaftlicher oder beruflicher Natur zum ausserfamiliären Bereich sind
vorliegend nicht dargetan; im Übrigen wäre der mit der Nichtverlängerung der
Bewilligung des Beschwerdeführers verbundene Eingriff in einen allenfalls nach
Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützten Bereich in Anwendung von Art. 8
Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt (vgl. das Urteil des EGMR Gezginci
gegen Schweiz vom 9. Dezember 2010 §§ 60 ff. [keine Verletzung von Art. 8 EMRK
durch die Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung bei einer Anwesenheit
von rund 30 Jahren, Straffälligkeit und Verschuldung]).

2.3 Da der Beschwerdeführer somit keinen Rechtsanspruch auf die beantragte
Bewilligung hat, fehlt es ihm praxisgemäss auch an einem rechtlich geschützten
Interesse, um gegen die Bewilligungsverweigerung im Rahmen einer subsidiären
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) an das Bundesgericht gelangen zu
können. Zwar steht nur dieses Rechtsmittel gegen den kantonalen
Wegweisungsentscheid offen (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG), doch begründet
der Beschwerdeführer - entgegen der ihm obliegenden qualifizierten Rügepflicht
(BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310) - nicht, dass und inwiefern der
Wegweisungsentscheid als Konsequenz der Bewilligungsverweigerung selbständig
gegen ein besonderes verfassungsmässiges Recht verstossen würde (vgl. Art. 116
i.V.m. Art. 117 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 II 305 ff.); es ist auf seine
subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten.

3.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demnach
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann; auf die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten. Mit diesem Entscheid wird das
Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Der Beschwerdeführer hat die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG); es
sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

1.2 Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar